Unser Kalender teilt uns mit, dass am 23. September der Herbst beginnt. Und es gab tatsächlich Jahre, da schien die Jahreszeit am 23. erschrocken auf den Kalender zu blicken und den Schalter umzulegen – bis zum 22. waren es noch sommerliche Temperaturen, ab dem 23. war es regnerisch und kalt. Dieses Jahr haben wir das, was man gemeinhin als „goldenen Herbst“ bezeichnet und was ich sehr viel angenehmer finde, als der plötzliche Sturz in eine andere Jahreszeit. Jetzt, da ich diese Zeilen verfasse, steht meine Balkontür auf und es ist angenehm warm.
Unsere Vorfahren brachten um diese Zeit nicht nur die Ernte ein, der Tag war ein besonderer Tag. „Ernte“, das sollte nicht nur dem Zweck dienen, Nahrungsmittel für den Winter einzulagern, sondern auch im übertragenen Sinn funktionieren: Innehalten, die vergangene Zeit betrachten und die Früchte der eigenen Arbeit einholen (und – sofern möglich – genießen). Und genau dieses ist etwas, das leider aus der Mode geraten ist. Ich persönlich bin mir zwar ziemlich sicher, dass es wieder in Mode kommen wird, denn bald wird man feststellen, wie wichtig dieses Innehalten ist, um auf die eigenen Leistungen zu blicken, wenngleich im Moment „Innehalten“ mit „Stillstand“ gleichgesetzt wird. Doch das ist es nicht, jedenfalls nicht in dem negativen Sinne, mit dem das Wort „Stillstand“ in der modernen Gesellschaft behaftet ist. „Stillstand“ kann auch etwas Positives haben und es ist etwas, das jeder Mensch braucht, um weitermachen zu können. Denn wenn man sich seiner Leistungen nicht bewusst wird, sondern ständig immer weiter und weiter macht, als wäre man auf der Flucht, stellt man sich irgendwann unweigerlich die Frage: „Wofür das alles? Warum mache ich das?“
Darum der Stillstand: Innehalten und sich bewusst werden, was man gemacht hat und wofür. Vielleicht stellt man dabei fest, dass nicht alles so gelaufen ist, wie man sich das vorgestellt hat oder dass man bei manchen Dingen blindlings in die falsche Richtung gelaufen ist. Und das festzustellen ist gut, denn wenn ich dies nicht erkenne, weil ich immer weiter renne, werde ich erst feststellen, dass ich in die falsche Richtung gerannt bin, wenn ich mich so sehr von mir selbst entfernt habe, dass nichts mehr irgendeinen Sinn ergibt. Dann kommt der Stillstand, der gefährlich ist, die Lähmung. Ich möchte mich bewegen, aber ich kann nicht.
Und das ist der große Unterschied zum Stillstand des Innehaltens: dieser Zustand ist freiwillig gewählt und kann jederzeit wieder beendet werden, indem man sagt, jetzt geht es weiter.
Ich selbst habe in den letzten Tagen die Zeit gehabt (und mir die Zeit genommen), um innezuhalten, und ich habe einige interessante Erfahrungen gemacht. Diese waren sehr privater Natur, deswegen möchte ich hier nicht ins Detail gehen. Aber sie haben mich inspiriert.
Beim ASTROCOHORS-Projekt gab es einige Änderungen und Entwicklungen dieses Jahr, die relativ überraschend waren und die man noch vor einem Jahr nicht unbedingt hätte voraussagen können. Mehr darüber wird es in Zukunft geben. Und ich wünsche den Lesern, dass sie sich auch einen solchen Moment des Innehaltens erlauben können (und manchmal erfordert können einfach nur wollen). Es ist sehr hilfreich und tut einfach nur gut.
Thorsten Reimnitz