Inspiration ist Interaktiv – oder: So regt man die Phantasie an

“Wohl dem Mann, der (…) nicht im Kreis der Spötter sitzt.” (Die Bibel: Psalm 1, Vers 1)

Am 13. August 1979 kam es zu einer Begegnung, die starken Einfluss auf das haben sollte, was ich später tat, denn an diesem Tag erschien Yps Nr. 201 auf dem Zeitschriftenmarkt (zumindest in dem Teil Deutschlands, in dem ich wohnte; aus Gründen, die ich bis heute nicht verstehe, erschien das Heft beispielsweise in Bayern jeweils sechs bis neun Wochen später).

Höre ich ein Aufstöhnen?

Mit Yps ist das so eine Sache wie mit vielen Dingen in Deutschland: es spaltet. Da gibt es Leute wie mich, denen es immer gefallen hat – und es gibt jene, die gar nichts davon hielten und das Heft mit Kraftausdrücken belegen. Dazwischen gibt es… nichts. Merkwürdig.

Mit der Nummer 201 war ich also in den “Bann des Ypsilon” geraten (hey, das klingt nach einem guten Romantitel… Thorsten Reimnitz: “Im Bann des Ypsilon”… muss ich mir merken). Ja, ich gebe zu, es hatte mich sofort gefangen. Woran das lag, kann ich nicht genau festlegen, vermute aber, dass es – wie immer – die Mischung machte. Yps war ein Comic, Yps war informativ, Yps war kreativ und es hatte stets eine Beilage, die die Phantasie beflügeln konnte. Vorausgesetzt natürlich, dass man sich darauf einließ. Dabei war etwas gefordert, dass schon damals nicht mehr allzu selbstverständlich war: Geduld. Viele der Beilagen von Yps, die so genannten “Gimmicks“, erforderten es, dass man sie zuerst zusammenbaute. Dabei musste man nicht selten langsam und Schritt für Schritt vorgehen. Und ich vermute, dass hier viele der “So ein Sch***, kein Gimmick hat je funktioniert”-Frusterlebnisse ihren Ursprung haben. Bei mir war das anders, gut, nicht immer, aber in den meisten Fällen.

Doch nicht nur die Gimmicks beflügelten meine Phantasie, auch das, was das Heft hergab. Neben den Comics (wie beispielsweise “Yinni und Yan“) waren das Berichte und Sammelwerke über viel Wissenswertes. So erschien beispielsweise anlässlich der Olympischen Spiele 1980 (Sommer in Moskau, Winter in Lake Placid) eine lange Sammelreihe, in der jede einzelne Sportart bis ins Detail erklärt wurde (Regeln, Platz, Ausstattung, einfach alles).

Einen Einfluss von den Comics hat sich bei mir bis heute bewahrt: die erklärenden Fussnoten. Ich musste sie zwar wiederentdecken (wie ich hier dargelegt habe), aber kennengelernt habe ich sie in Yps. Man griff dort gerne darauf zurück, wenn in einem Comic ein Wort vorkam, das die jugendlichen Leser vielleicht nicht unbedingt kannten. Auf diese Weise wurde es erklärt, ohne den Fortgang der Geschichte zu stören. Auch die Möglichkeit, die laufende Geschichte zu kommentieren, wurde hier genutzt. Man kann also sagen, meine Phantasie wurde durch das Gesamtkonzept des Heftes gefordert und hat mich auf meinem Weg zum Schrifsteller positiv beeinflusst.

Aber was hat es dann mit dem Bibelzitat am Anfang dieses Eintrags auf sich? Nun, Kinder können grausam sein. Wie ich schon erwähnte, gab es zwei Fraktionen: die Yps-Befürworter und die Yps-Ablehner. Wobei sich bei den Yps-Ablehnern nicht nur jene fanden, die die Gimmicks nicht zum Funktionieren brachten, sondern hier waren auch jene, die das mutmaßliche Bildungspotential von Yps ablehnten. Sich Wissen erarbeiten – das war ja wie Schule. Igitt. Merkwürdig, aber unter den Menschen weit verbreitet, eine Neid- oder Angstreaktion darauf, dass ein anderer in irgendetwas besser sein könnte als man selbst. Also, was tut man? Sich selbst anstrengen, um Schritt zu halten? Nö – lieber den anderen als “Streber” beschimpfen; sich selbst erheben, indem man andere erniedrigt. Lernen und Wissen galten schon damals als “uncool” (es gab nur noch nicht das Wort dafür), also war Yps auch “uncool”. Und dass man sich zwangsläufig geduldig mit dem Gimmick auseinandersetzen musste, war irgendwie merkwürdig. Und alles dies ließen die Yps-Ablehner die Yps-Befürworter sehr deutlich spüren.

Dennoch habe ich mich nicht abbringen lassen. Wahrscheinlich war es eine Lektion, die ich zu lernen hatte, mich nicht zu sehr von außen beeinflussen zu lassen. Nicht etwas tun oder bleiben lassen, nur weil “alle anderen” es so sagen. Mein Freundeskreis hat sich in dieser Zeit etwas gewandelt. Auch das war eine Lektion fürs Leben: Echte Freunde nehmen Dich so, wie Du bist. Ob Du nun Yps liest oder nicht. Ja, wohl dem Mann, der nicht im Kreis der Spötter sitzt.

Yps wurde vom ursprünglichen Verlag (Gruner + Jahr) im Zuge einer Angebotsbereinigung an Egmont Ehapa verkauft und im Jahr 2000 (just als es sein 25jähriges Jubiläum feierte) eingestellt, doch seit Herbst 2005 sind drei Testausgaben erschienen. Wenn deren Verkauf erfolgreich genug ist, will Egmont Ehapa die Reihe wieder aufleben lassen. Im Interesse zukünftiger Lesergenerationen, die sich sicherlich so wie ich dafür begeistern können, hoffe ich, dass das passiert. Ansonsten gibt es für Nostalgiker immer noch die Angebote bei eBay. 🙂

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