Wer ist mehr zu bedauern – die deutsche Sprache oder Bastian Sick? Der Autor der Buchreihe „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ sowie der „Zwiebelfisch„-Kolumne im Spiegel hat schon einiges einstecken müssen. Ein „Reinheitsfanatiker“ sei er, sagen die Kritiker. Ein „Sprachfetischist“. Und noch ein paar andere kreative Worte, die seinen Hang, auf Fehler aufmerksam zu werden, ziemlich blumig umschreiben. Dabei wird das Bild eines penetrant peniblen Menschen gezeichnet, mit dem man eigentlich nichts zu tun haben möchte, denn dass man Fehler macht, sei ja schließlich nur menschlich.
Auf der anderen Seite: die deutsche Sprache. Sie leidet stumm. Sie lässt jedweden Anglizismus in sich hineinpressen (egal, ob dieser „Sinn macht“ oder nicht), die altbekannte Regel „Subjekt – Prädikat – Objekt“ wird gerne mal durcheinander gewürfelt und was die Schreibung von Worten betrifft, da ist man sowieso sehr kreativ [zum Thema „Anglizismen“ gibt es hier einen Beitrag im STAR COMMAND Blog, zum Umgang mit der deutschen Sprache hier]. Aber he, heißt es da immer wieder, macht ja nichts – Sprache lebt! Ach ja – und Bastian Sick nicht?
Vor ein paar Tagen nun übertrug der SWR die Aufzeichnung einer Lesung von Bastian Sick, die dieser in Stuttgart gehalten hatte. Ich habe sie mir angesehen, denn erstens (wie man aus den zwei anderen Beiträgen in diesem Blog herauslesen kann) finde ich seine Kolumnen sehr gut, und zweitens wollte ich mir ein Bild machen von dem Mensch hinter den Zeilen. Wie gesagt, folgt man dem Tenor der Kritiker, scheint es sich bei diesem Bastian Sick um einen sehr unangenehmen Menschen zu handeln. Bevormunden will er uns, heißt es. Uns Vorschriften machen. Will er das?
Nein, will er nicht. Sick nutzt in seinen Werken und auch auf der Bühne die Kunst des „Überziehens“. Natürlich wird er auf kleinste Fehler aufmerksam, aber das tut er nicht, weil er uns Vorschriften machen will. Er möchte uns nur ein wenig aufmerksamer machen. Und mit der witzigen Art, in der er das rüber bringt, schafft er das auch. Bastian Sick ist kein Oberlehrer, der sich als Retter in der Not versteht (obwohl ihm diese Rolle sehr gut stehen würde), er ist mehr der Hofnarr, dem es erlaubt ist, jedem am Hof die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Und wer ihm zuhört, der erfährt eine Menge über die Sprache, die wir doch alle glauben so gut zu kennen. Mich eingeschlossen. Er klärt uns endlich darüber auf, wie man die Mehrzahl bei italienischen Modegetränken bildet: ein Cappuccino, zwei… Cappuccini? So ist die Mehrzahl in Italienisch. Bei uns auch? Nein, erklärt Sick, im Deutschen darf man „Cappuccinos“ sagen, denn: „Seit wann gilt in Deutschland die italienische Grammatik? Es gilt ja kaum die eigene!“ Er referiert über merkwürdige Sprachgebräuche, nämlich dass man in Deutschland sowohl „Ich gehe zu Aldi.“ als auch „bei Aldi“, „zum Aldi“ oder „auf Aldi“ sagt oder über Menschen, die deutsche Redewendungen durcheinander würfeln, also quasi „viere gerade sein lassen“. Auch über den oben schon beschriebenen kreativen Umgang mit der deutschen Rechtschreibung erfährt man einiges, so zum Beispiel über den „Deppen-Apostroph“ (ein Beispiel dafür sieht man auf dem Bild ganz oben, das Fundstück ist von mir selbst). Und man bekommt gleich noch erklärt, dass es nicht „das Apostroph“ heißt, sondern „der Apostroph“. Übrigens, der Punkt am Ende eines Satzes hieß ursprünglich nicht „Punkt“, sondern „Tupf“ und das Komma „Beistrich“. Beides hat sich aber als Bezeichnung nicht durchgesetzt.
Eine andere Rubrik beschäftigt sich mit Aussagen, die für sich getrennt nichts besonderes sind, jedoch wenn man sie durch irgendwas zusammenbringt, auch wieder lustig sind. Mit einem solchen Beispiel ist dieser Beitrag überschrieben. „Deutscher wird Papst“ und „Teufel tritt zurück“ waren zwei Schlagzeilen, die auf der Titelseite einer Zeitung nebeneinander standen. Nun ging es in dem einen Bericht natürlich um die Wahl von Papst Benedikt, in dem anderen um den fast zeitgleich stattfindenden Rücktritt des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Erwin Teufel. Für sich genommen sind das beides keine Ereignisse, die dazu geeignet sind, sonderliche Erheiterung hervor zu rufen. Die beiden Schlagzeilen nebeneinander hingegen schon.
Als Fazit des Abends bleibt für mich: Bastian Sick ist gar nicht so. Also, zumindest nicht so, wie seine Kritiker sagen. Und wenn man sich den modernen eMail-Schriftverkehr ansieht, in dem die Großschreibung von Substantiven offenbar gänzlich abgeschafft wurde oder sich in Foren umsieht, in der weder Grammatik noch Orthografie irgendwas zu sagen haben, sind seine Beiträge sicherlich notwendig. Und wenn er dabei manchmal etwas „oberlehrerhaft“ rüberkommt: man darf nicht alles so eng sehen. Ich persönlich versuche lieber, daraus zu lernen. Das gelingt mir nicht immer. Leider. Aber das ist ja kein Grund, gleich die Flinte mit dem Bad auszuschütten.
Bücher von Bastian Sick:
Happy Aua. Ein Bilderbuch aus dem Irrgarten der deutschen Sprache
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Folge 2: Neues aus dem Irrgarten der deutschen Sprache
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Folge 3. Noch mehr aus dem Irrgarten der deutschen Sprache
Hi,
ich hab’s im TV gesehen, und es war lustig, nett nicht so Oberschulratsmäsig.
Danke 🙂