Bin ich ein Experte?

Wie wird man eigentlich „Experte“?

Gute Frage. Es fällt auf, dass Medien – Fernsehen, Print oder auch Internet – bei bestimmten Fällen immer wieder gern „Experten“ zitieren, befragen oder wiedergeben. Aber was macht diese Experten zu Experten? Ein kleines Beispiel, das ich mir selbst ausgedacht habe – jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre zufällig, lässt sich aber eventuell nicht vermeiden: In einem Haus in einem kleinen Dorf irgendwo in Deutschland werden die gemordeten Mitglieder einer Familie aufgefunden. Einzig der erwachsene Sohne ist nicht darunter, aber seine Eltern, Großeltern und Geschwister. Da der Sohn verschwunden ist, fällt der Verdacht natürlich auf ihn und die Polizei schreibt eine Fahndung aus. Das Fernsehen berichtet über den Fall und… befragt einen Experten. Wie konnte es zu dieser Tat kommen? Bei der Antwort auf diese Frage kann der Experte doch nur orakeln. Denn was sind die Fakten? Alle Familienmitglieder sind tot, bis auf einen Sohn, und der ist verschwunden. Punkt. Ob der Sohn die Morde begangen hat, oder ein Fremder, der den Sohn entführt hat, oder… oder… oder…, weiß man noch gar nicht.

Trotzdem werden in solchen und ähnlichen Fällen immer ganz schnell Experten zu Rate gezogen, die auch bereitwillig Auskunft geben. Und da frage ich mich natürlich – bin auch ich ein Experte? Ein Experte für Notfallrettung? Immerhin arbeite ich in diesem Berufsfeld und das schon seit 16 Jahren. Oder vielleicht ein Experte für Science Fiction? Hmmm… probieren wir’s doch mal aus:

Reporter: „Herr Reimnitz, über den neuen Film STAR TREK XI sind bisher nur ein paar Fakten bekannt. Es heißt, es soll an den Anfang gegangen werden, als Kirk und Spock sich zum ersten Mal trafen. Als Experte für Science Fiction, was sagen Sie dazu?“

Ich: „Nun, [Vorname des Reporters, um meine Weltmännigkeit zu unterstreichen], bei STAR TREK ist in den letzten Jahren eine unheilvolle Tendenz zu sehen. Früher setzte die Serie selbst Trends, heutzutage ist sie dazu verurteilt, hinter den Trends herzulaufen. Als man durch die Serie BABYLON 5 sah, dass ein Serienkonzept mit einer über mehrere Folgen laufenden Handlung funktioniert, hat man DEEP SPACE NINE und VOYAGER entsprechend angepasst. Als STAR WARS einigermaßen erfolgreich seine Prequels herausbrachte, wurde auch ein STAR-TREK-Prequel, nämlich ENTERPRISE, produziert. Nun hat man zweifellos den Erfolg des so genannten ‚Relaunch‘ von KAMPFSTERN GALACTICA gesehen und versucht, mit dem Film STAR TREK XI ein ‚Relaunch‘ zu machen. Deswegen schätze ich, im neuen Film werden – wie bei GALACTICA – einige Rollen geschlechtsvertauscht sein. Wir werden statt James T. Kirk Jane T. Kirk und statt Mr. Spock Ms. T’Spock zu sehen bekommen.“

Hey, das ist ja einfach. Das ist so kontrovers, dass es jetzt, solange keine weiteren Fakten über den Film bekannt sind, für Diskussionsstoff sorgt – und bis der Film dann in den Kinos ist, hat man es sowieso vergessen. Sollte ich falsch liegen, brauche ich einfach nur niemanden mehr daran erinnern – und sollte ich richtig liegen, bräuchte ich nur laut genug „Ich hab’s ja gleich gesagt!“ rufen. So schnell ist man Experte.

Tja, und dann gibt es noch die anderen Experten, die einen Kriminalfall schneller bewerten können, als die Ermittler vor Ort selbst. Alexander Svensson schreibt hier in seinem Weblog „Wortfeld“ über so einen. Lesenswert und zum Nachdenken anregend!

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