Tim und Struppi: Flug 714 nach Sydney [Rezension]

Vier Jahre dauerte es, bevor Hergé nach „Die Juwelen der Sängerin“ sich an ein neues Tim-Abenteuer machte. Dessen Auflösung sollte unter den Fans der Reihe sehr umstritten sein.

Inhalt: Auf dem Weg zu einem Astronautik-Kongress in Sydney laufen Tim, Haddock und Professor Bienlein dem Multimillionär Laszlo Carreidas über den Weg, der sie spontan einlädt, in seinem privaten Überschallflugzeug mitzukommen. Auf diese Weise geraten sie mitten in eine Entführung: der Privatjet wird zwangsweise auf eine Insel im Pazifik umgeleitet. Nachdem er dort mehr schlecht als recht gelandet ist, offenbart sich der Kopf hinter der Entführung: Rastapopoulos, der sich von Carreidas‘ Vermögen einen Teil abzweigen möchte. Um die Nummer eines geheimen Schweizer Bankkontos zu erfahren, bedient sich der Verbrecher eines von dem zwielichtigen Doktor Krollspell entwickelten Serums, das Carreidas dazu bringen soll, seine Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Den Gefangenen wird klar: Sobald der Millionär geredet hat, wird man sie beseitigen. Sie entkommen ihren Wachen, doch auf der Flucht beginnt Tim Stimmen zu hören, die ihn zu einer Höhle geleiten. Dort treffen sie auf einen ungewöhnlichen Gast.

Kritik: Hergé interessierte sich für die Überlegungen, ob es außerirdisches Leben gibt, und das so sehr, dass er – nach „Die Juwelen der Sängerin“ – erneut mit einem Prinzip seiner Reihe brach: Dass ein gewisser Grad von Realismus eingehalten wird. Das Auftauchen einer fliegenden Untertasse führte dazu, dass das Album von vielen Fans kritisiert wurde. Auch wenn die Außerirdischen selbst nicht gezeigt werden, geht der Zeichner doch hier sehr weit ins Spekulative.

Unabhängig von diesem Aspekt wirkt der Auftritt von einer „nicht-irdischen“ Macht ein wenig wie ein „Deus ex Machina“: die Flucht von der Insel und vor Rastapopoulos, seinem Gefolgsmann Allan Thompson und deren Helfershelfern (sondonesische Freiheitskämpfer, denen der notorische Gangster ein Märchen aufgetischt hat) gelingt ihnen nur durch die „Hilfe von oben“. Das macht die Geschichte leider etwas schwach, obwohl sie sehr vielversprechend beginnt.

Wenn man von dieser Schwäche mal absieht, hat das Abenteuer aber ebenfalls einige großartige Höhepunkte, etwa wenn Allan bei der Begegnung mit einem Nasenaffen an Rastapopoulos erinnert wird oder wenn das Wahrheitsserum, das Krollspell Carreidas verabreicht, dazu führt, dass dieser wirklich die absolute Wahrheit erzählt: er fängt an, sämtliche Schandtaten seines Lebens, beginnend von seiner Kindheit an, zu gestehen. Ähnlich wie bei „Indiana Jones und das Königreich das Kristallschädels“ muss man entweder die Anwesenheit von Außerirdischen ankzeptieren oder über sie hinwegsehen und den Rest genießen, dann hat man auch hier ein nettes, kurzweiliges Abenteuer mit vielen humoristischen Höhepunkten.

Das Cover des Albums war übrigens nach dem Flugzeugabsturz am Amsterdamer Flughafen 1992 Vorlage für eine bitterböse Parodie: ein Poster, das Aktionisten gegen den Flughafen gestalteten. „Vlucht LY-1862 naar Schiphol“ (Deutsch „Flug LY-1862 nach Schiphol“) heißt es dort statt dem Originaltitel, die Steinstatuen, die das Bild links und rechts begrenzen, wurden durch rauchende Trümmer ersetzt und statt Tim und seinen Gefährten stehen in der Mitte Feuerwehrleute, die gerade dabei sind, den Brand des Absturzes zu löschen (eine Version dieses Posters kann man auf dieser Seite ganz unten betrachten). Am 2. Oktober 1992 war eine Boeing 747, der „Flug LY-1862“, kurz nach dem Start von Schiphol in zwei Amsterdamer Hochhäuser gestürzt. Nach der Katastrophe war die Diskussion darüber, ob Flughäfen so nah an Wohngebieten stehen sollten, wieder aufgeflammt.

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