In den 1970er gab es die ersten Fernsehsendungen von und mit Komiker Otto Waalkes. Otto, der zuvor nur Platten und Bühnenshows gemacht hatte, wusste das Medium Fernsehen gut zu nutzen. In einer seiner Sendungen gab es einen Sketch: Neblige Szenerie, düstere Stimme aus dem Off: Das Grauen würde einen erwarten, schlaflose Nächte… dazwischen immer wieder Gruselgestalten, die durchs Bild huschen. Dann: Das Grauen! Der Nebel lüftet sich… und hervor tritt Schlagersänger Heino mit der Gitarre unter dem Arm und singt „Schwarzbraun ist die Haselnuss“. Ja, kapiert! Das Grauen! Schlager! Heino! Hahahahahahahahaha! Ein Brüller! Was haben wir gelacht und uns auf die Schenkel geklopft!
Das waren noch Zeiten, als man den Humor jenen Leuten überließ, die Ahnung davon hatten, Loriot, Otto Waalkes, Rudi Carrell… Heute jedoch scheint es, als sei eine überwiegende Anzahl Menschen zum Komiker berufen. Das wäre für sich genommen noch nichts schlimmes, den Deutschen wird ja gerne die Humorlosigkeit nachgesagt und etwas mehr Humor täte jedem gut, aber es gibt unglaublich viele Leute, die meinen, sie seien unglaublich witzig. Das geht so weit, dass man jedes Wort, das man sagt, sich genau überlegen muss, um nicht Zielscheibe eines schon tausend Mal gebrachten Witzes zu werden, der mit der Zeit einfach nicht besser wird.
Die erste Gruppe der selbsternannten Komiker kann man mit dem Begriff „Epigonen“ versehen. Das sind jene, die das Programm eines bekannten Komikers nicht nur auswendig gelernt, sondern dessen CD zu Staub zermalen und geraucht haben. Solche Leute fallen dadurch auf, dass sie ständig Dinge sagen wie „Ja, hallo erstmal, ich weiß gar nicht, ob Sie’s wussten…“, „Ich bin’s, [gequäkt] ja-haa!“, „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ oder „Bleiben Sie dran, ich pfeif‘ auf Sie!“ Auf Knopfdruck – oder das entsprechende Stichwort – können diese Leute das komplette Programm eines Rüdiger Hofmann, Otto, Wigald Boning, Michael Mittermeier oder Michael „Bully“ Herbig abspulen. Nicht, dass das jetzt falsch verstanden wird, wenn man einen alten Gag in einen neuen Zusammenhang bringt, kann das mitunter lustig sein. Aber wenn man seit Jahren etwas wiederholt, was ein anderer sich mal ausgedacht hat, wird das auf die Dauer einfach nur nervig. Etwas mehr Originalität wäre schön gewesen, muss aber nicht sein… ahhh! Jetzt fange ich auch schon damit an! Es scheint sich dabei um ein Virus zu handeln!
Die zweite Gruppe lässt sich überschreiben mit dem Titel „Ich bin der neue [hier Komiker Ihrer Wahl einsetzen]“. Das sind Menschen, die alles irgendwie kommentieren oder ins (vermeintlich) Lustige drehen müssen. Bei der Arbeit beginnt es morgens schon. Ein Kollege kommt mit dem Fahrrad – schon darf man sich die ersten Bemerkungen zum Thema „Ständer“ anhören. Ein anderer fragt: „Und, was hast Du so das Wochenende getrieben?“ Antwort: „Das geht nur mich und meine Frau was an.“ Ha ha. Getrieben, schon kapiert. Oh, diese Kopfschmerzen…
Wehe, ein Kollege befindet sich in einem anderen Raum und man ruft ihn her. Er ruft: „Ich komme!“ Antwort eines anderen Kollegen: „Was, gleich hier? Sau!“ Ja ja, auch kapiert, „ich komme“. He, he. Ich bin ja so müde…
Es ist auch empfehlenswert, im täglichen Gespräch das Wort „Schlaufe“ anstatt „Öse“ zu verwenden. Warum? Na, raten Sie mal… meine Kopfschmerzen werden einfach nicht besser. Und sollte ein Haus oder ein Raum zwei Eingänge haben, sollte man es vermeiden zu sagen: „Ich komme von hinten.“, wenn man nicht zum fünfhunderttausendsten Mal den Spruch „von hinten kostet’s Hundesteuer“ hören will. Oh, mein Kopf… vielleicht hilft ja die dritte Aspirin.
Ebenfalls besondere Vorsicht gilt es zu haben, wenn man von Katzen erzählt. Wetten, dass irgendjemand den Begriff „Muschi“ ins Spiel bringt? Früher war das alles so harmlos, da konnte man seine Katze einfach „Muschi“ nennen. Gerade da ist es noch schwieriger geworden, denn ich erinnere mich an ein Lied aus dem Kindergarten, das hieß „Meine Katz‘ heißt ‚Mohrle'“. Schwarze Katzen wurden (in Süddeutschland) gern so genannt, aber das geht ja auch nicht mehr, da der Begriff „Mohr“ – und erst recht nicht dessen Verniedlichung „Mohrle“ – nicht mehr politisch korrekt ist. Und „Muschi“ ist irgendwann zwischen 1970 und 1999 ins Doppeldeutige abgerutscht.
Früher hieß es mal, die Sendung „Klimbim“ sei schlimm, was die sexuelle Anzüglichkeit betrifft. Aber im Gegensatz zu den heutigen Möchtegern-Komikern, die mit verklemmten Pseudobegriffen wie „Ständer“ oder „Muschi“ hantieren, wurde da wenigstens Klartext geredet. Inzwischen scheint es ja kaum noch was zu geben, was man nicht doppeldeutig verstehen kann und worauf man natürlich von den Komikern der zweiten Kategorie dann hingewiesen wird: „meiner ist länger“, „Busch“… die Liste ließe sich fortführen. Endlos!
Dann gibt es da natürlich noch die dritte Kategorie, das sind die Menschen, die wirklich witzig sind und wissen, wann sie welche Pointe anbringen können und dass sie ein- und denselben Witz nicht tausendmal wiederholen sollten. Aber um die geht es gerade nicht, tut mir leid! Also lassen wir sie mal außer Acht.
Um zum Anfang dieses Beitrags zurück zu kehren, wie kam ich überhaupt darauf, dies hier zu schreiben? Ich berichtete von dem Horror-Gag, den Otto schon in den 1970er Jahren brachte. Das ist nun also mindestens 30 Jahre her. Doch dann… ja, dann beschloss Marc Terenzi, seines Zeichens ehemaliger Sänger der Boygroup „Natural“, Ehemann von Sarah Connor, in diesem Jahr mit einem Freizeitpark ein Experiment zu machen. Offenbar mag er Experimente, ein anderes war ja die Vermarktung seiner Hochzeit auf Pro 7 unter dem Titel „Sarah und Marc in Love“ (was offenbar erfolgreich genug war, dass es zu dem Sequel „Gülcans Traumhochzeit“ geführt hat, die Frau, die mit Ihrer Hochzeit nicht nur einen Brötchenmillionär, sondern auch noch endlich einen Nachnamen bekommt). Das neue Experiment ist nicht so sehr für ihn eins, sondern mehr für den Partner, mit dem er es durchführt, denn diesen Oktober sollen im Rahmen von Halloween im Europa-Park Rust erstmals die „Terenzi Horror Nights“ stattfinden, bei denen er eine Grusel-Show mit echten Hollywood-Profis auf die Beine stellt.
Liebe Leserin, lieber Leser, was glaubt Ihr haben die Leute in den Foren, in denen es um den Europa-Park oder um Freizeitparks generell geht, geschrieben? „Horror-Show mit Marc Terenzi? Ich dachte, wenn der singt, ist das genug Horror. Hö hö hö!“ Ha. Ha. Brüller. Was haben wir gelacht und uns auf die Schenkel geklopft… über einen mindestens 30 Jahre alten Gag. Der war nicht mal originell. Natürlich muss man die Musik von Marc Terenzi (oder Heino) nicht mögen. Aber der Witz war schon so ausgelutscht, dass er einfach nur noch weh tut. Und das Schlimme: Er wurde nicht nur in einem Forum gebracht. Offenbar gibt es in jedem Forum eine Person, die dem Klassenclown in der Schule entspricht. Und alle diese Klassenclowns haben sich zusammengeschlossen zur „Achse des Schnöden“, zur „Koalition der Billigen“, zur „Allianz der Ignoranz“ und haben den Witz weiter getragen an Orte, wo man ihn schon längst kannte.
Manchmal ist weniger eben mehr. Und wenn irgendwann ein Freund erzählt, dass er einen Ständer bekommen und anschließend die Muschi seiner besten Freundin gebürstet habe, dann versucht einfach mal, dabei nichts Verfängliches zu denken: Der Mann ist Musiker. Nachdem man ihm einen neuen Notenständer geliefert hatte, musste er sich um eine Katze kümmern, die er gerade bei sich in Pflege hat, weil seine beste Freundin nämlich im Urlaub ist.
Das Leben kann so harmlos sein…
Höhö, den mit der Hundesteuer kannte ich noch gar nicht. Höhö.