Nun sind also vier Folgen der Serie „Star Trek: Picard“ erschienen und ich habe mir wieder meine Gedanken gemacht. Und die Gedanken sind frei – spoilerfrei! Die Serie hat in den ersten vier Folgen einen schwachen Start hingelegt, aber im Verlauf der Serie wurde sie immer besser und erreichte in Folge 4 einen Höhepunkt in Bezug auf Handlung und Charaktere.
In den ersten vier Folgen der Serie gab es einige Probleme, insbesondere was das Pacing betrifft. Die Handlung schien manchmal unbeholfen und unorganisiert und es gab Momente, in denen die Dialoge übermäßig lang und langweilig waren. Außerdem wurden einige Charaktere vorgestellt, die wenig Persönlichkeit hatten und eher flach wirkten.
Trotz dieser anfänglichen Schwächen hat die Serie im Verlauf immer besser und interessanter werden. Die Handlung wurde besser strukturiert und die Charaktere wurden komplexer und interessanter. Besonders auffällig war dies in Folge 4, in der die Handlung endlich Fahrt aufnahm und die Charaktere tiefergehend dargestellt wurden.
Die Handlung in Folge 4 war besonders gut gestaltet und auf den Punkt gebracht. Es gab einen klaren Fokus und eine klare Richtung, die Handlung war spannend und es gab viele unerwartete Wendungen. Darüber hinaus waren die Charaktere besser entwickelt und ihre Motivationen und Ziele wurden deutlicher. Insbesondere Jean-Luc Picard wurde in dieser Folge in seiner Rolle als Protagonist gestärkt, und die Handlung hatte Auswirkungen auf sein Charakterwachstum.
In Zeiten von Corona, Krieg in der Ukraine und Klimakrise wird die Debatte über Eskapismus in Form von Fantasy und Science Fiction häufiger diskutiert. Einige Argumentieren, dass es in solch schwierigen Zeiten angemessen ist, sich mit anderen Realitäten zu beschäftigen, um Ablenkung zu finden und den Stress zu reduzieren. Andere glauben jedoch, dass eine solche Beschäftigung unangemessen ist und dass wir uns stattdessen auf die Probleme konzentrieren sollten, die direkt vor uns liegen.
Es ist jedoch unbestreitbar, dass die Fantasy- und Science-Fiction-Genres eine starke Faszination auf viele Menschen ausüben. Sie bieten uns die Möglichkeit, in andere Welten einzutauchen und uns von den Herausforderungen unserer eigenen Realität zu lösen. Dies kann eine wertvolle Möglichkeit sein, Stress und Angst zu reduzieren und unsere Psyche zu stärken.
Bild: Storyblocks
Aber es ist nicht nur eine Frage der Ablenkung. Fantasy und Science Fiction können uns auch inspirieren und uns neue Perspektiven auf das wahre Leben eröffnen. Durch die Beschäftigung mit fiktionalen Welten und futuristischen Szenarien können wir uns mit Ideen und Konzepten auseinandersetzen, die sonst möglicherweise nicht in unseren Fokus geraten würden. Dies kann uns helfen, kreativer zu denken und neue Lösungen für die Probleme zu finden, die uns in unserem eigenen Leben begegnen.
Zudem bieten Fantasy- und Science-Fiction-Geschichten auch eine Möglichkeit, uns mit anderen zu verbinden und gemeinsam über die Probleme unserer Welt nachzudenken. Indem wir über fiktionale Welten diskutieren und uns über unsere eigenen Ängste und Wünsche austauschen, können wir unsere Beziehungen stärken und ein besseres Verständnis füreinander entwickeln.
In der Tat ist es dringend notwendig, dass wir uns mit anderen Realitäten beschäftigen, nicht nur als Ablenkung, sondern auch als Inspiration für das wahre Leben. Durch die Beschäftigung mit Fantasy und Science Fiction können wir unsere Psyche stärken, neue Perspektiven gewinnen und uns mit anderen verbinden. Gerade jetzt ist es wichtiger denn je, dass wir uns mit den Herausforderungen auseinander setzen. Wenn fremde Welten dazu ein Vehikel sein können, würde ich sagen: Nur zu!
Es begann mit dem Schmieden der großen Kritiken. Die Kritiker hofften, eine Kultur des Austauschs, des Abgleichens von Ideen und des Anhörens von Standpunkten zu finden. Doch sie wurden alle betrogen. Denn es wurde noch eine Art der Kritik laut. So, wie Morgoth Missklänge in die Schöpfungsmusik der Valar brachte, brachten ihre Stimmen den Diskurs nicht voran. Es ging nur darum, möglichst laut und auf übertriebene Weise das Internet vollzurotzen. Und so wie Sauron nach seiner Niederlage in der Schlacht des letzten Bündnisses hatten auch diese Kritiken keine körperliche Substanz. Denn Kritik war auch gar nicht das Ziel. Das Ziel war Angriff. Bei manchen vielleicht auch Vernichtung. Eine unheilvolle Entwicklung, die ihren Anfang in den frühen Tagen des 21. Jahrhunderts fand und die seither immer schlimmer geworden ist. Denn was nicht hätte vergessen werden dürfen, geriet in Vergessenheit.
Für diesen Artikel gibt es zwei Auslöser. Der eine ist blankes Entsetzung meinerseits darüber, wie die dunkle Seite von YouTube mittlerweile aussieht. Ich war ja einiges gewohnt, ich habe den Aufstieg der so genannten „angry critics“ miterlebt und festgestellt, dass es sich hierbei um eine sehr ungesunde Spielart handelt. Vielleicht war die Idee des „angry critics“ auch einmal, Kritikern, die über die Stränge schlagen, selbst den Spiegel vorzuhalten. Doch falls das der Plan war, ist davon nichts mehr übrig geblieben. Der Spiegel, der den Hass vorführen sollte, ist nicht mehr da. Vielleicht war er nie da. Nur der Hass ist noch vorhanden. Und der ist schlimmer als je zuvor.
Als ich mich nach dem Finale der ersten Staffel von „Die Ringe der Macht“ hinsetzte, um mich über die Kritikerlandschaft zu informieren und vor allen Dingen ein paar Kanäle abzugleichen, die sehr viel besser als ich die direkten Anspielungen in den Episoden erkennen würden, da führt mich der unheilvolle Algorithmus von YouTube leider auf direktem Weg in die dunkle Seite. Beispielhaft kann man hier einen Kanal nehmen, der die Besessenheit, mit der die Negativität weitergegeben wird, sehr gut illustriert. Zum Vergleich: Von „Die Ringe der Macht“ kam pro Woche eine Episode heraus. Das sind also rechnerisch vier Episoden für einen Monat. In diesem Kanal kamen im gleichen Zeitraum vierundzwanzig (!!) Videos heraus, die sich an der Serie abarbeiteten, im Schnitt also sechs Videos pro einzelne Folge (Notabene: im Schnitt!). Die Thumbnails der Videos sprechen für sich, wir sehen einzelne Darsteller der Serie, wobei hier entweder Video-Standbilder genommen wurden, die unvorteilhaft aussehen oder es wurden Bilder verfremdet, dass sie einen besonders widerwärtigen Eindruck machen (in einem Bild wurde beispielsweise eine Hand ins Bild montiert, so dass es aussieht, als würde sich Galadriel mit wütendem Gesichtsausdruck in der Nase bohren). Die Titel der Videos sind ähnlich reißerisch, AMAZON sei „in Panik“, die Serie „ein epischer Reinfall“, „hässlich und dumm“, „Müll“, eine „Missgeburt“ – und so weiter. Und der Inhalt der Episoden ist genau das, was das Thumbnail verspricht. Wenn wir den menschlichen Verstand mit einer Amphore vergleichen, aus der man Kreativität abschöpfen kann, so haben die Macher hier nicht nur den Bodensatz der Kreativität erreicht, sie haben den Boden der Amphore durchschlagen und kratzen gerade den Dreck aus dem Erdreich, das noch dazu radioaktiv verstrahlt ist, um daraus Content für YouTube zu produzieren.
Bild: YouTube
Ja, ich weiß. Irgendjemand wird ums Eck kommen und sagen: „Ja, darf man denn diese Serie gar nicht mehr kritisieren?“ Doch, das darf man. Aber dieses substanzlose Gekreische ist keine Kritik. Ein Kind, das sich auf den Boden wirft, mit Händen und Füßen trommelt und schreit, weil das Spielzeug, mit dem es gerade spielen wollte, halt nun gerade vom Geschwisterkind in Beschlag genommen wird, verhält sich ähnlich. Doch bei dem Kind gehört das zum Prozess der geistigen Reife dazu. Bei dem Kind können wir die Hoffnung haben, dass es lernen wird, dass nicht alles nach seinem Willen geht und dass man andere respektieren muss. Bei den Produzenten solcher Videos ist Hopfen und Malz verloren. Viel schlimmer ist: Sie werden belohnt. Nicht nur von Menschen, die sie in ihrem destruktiven Verhalten bestärken, sondern auch vom YouTube Algorithmus.
Der zweite Auslöser für diesen Artikel war wiederum ein Artikel, den ich durch Zufall über Facebook gefunden habe. Dieser gibt sehr gut meine Gefühle im Bezug auf die Serie wieder. In Details, was ich gut fand und was ich nicht so gut fand, stimme ich nicht immer mit dem Autor überein, aber das „große Ganze“ passt sehr gut. Deswegen, bevor Ihr diesen Artikel weiterlest, schaut Euch vielleicht erstmal das an:
Mir geht es genauso wie Sebastian Richartz. Ist „Ringe der Macht“ die beste Serie oder die beste Tolkienadaption oder das beste Stück Filmgeschichte, die / das je produziert wurde? Nach dem momentanen Stand meiner Meinung nach eher nicht. Ist sie deswegen „ein epischer Reinfall“, „hässlich und dumm“ oder eine „Missgeburt“? Ebenfalls nein. Und damit kommen wir in eine Problemzone. Solche Kritiken werden nämlich immer weniger wahrgenommen. Die lauten, die kreischenden Kritiken sind jene, die so tun, als sei „Ringe der Macht“ direkt aus dem Schlund eines Balrog gekommen, die sind es, die man sieht. Sofort, wenn man auch nur eine Sache an der Serie gut findet, wird man von diesen so genannten „Kritikern“ an den Pranger gestellt, wobei sie sehr einfallsreich darstellen, dass man entweder dumm sei und daher sowieso alles gut findet, was einem von „der“ Filmindustrie vorgesetzt wird oder verblendet, ein „social justice warrior“ – auch „linksgrünversiffter Systemling“ oder früher „Gutmensch“ genannt -, der Freude an der „Wokeness“ hat, die den totaaaaal unpolitischen Inhalt, den das Werk ja schon immer hatte, verseucht. Entweder man ist mit den Kritikern oder gegen sie. Das „Dazwischen“, die Grautöne, das existiert für diese Art von Kritiker nicht.
Damit werden allerdings zwei Probleme immer größer. Zum einen muss man sagen, dass Menschen, die diese extremen Ansichten vertreten, nicht in der Mehrheit sind – die Zuschauerzahlen sprechen da für sich, egal ob irgendein YouTuber behauptet, die Serie sei ein Flop und AMAZON in Panik -, sie benehmen sich aber so. Es ist fast schon ironisch, aber genauso wie es beim „Herrn der Ringe“ um Macht geht – schließlich ist der „Eine Ring“ ja das ultimative Instrument der Macht – geht es auch hier um Macht. Es geht darum, den Diskurs zu bestimmen. Und hier frage ich mich selbst: Hoffen solche YouTuber tatsächlich, sie würden es schaffen, ein Projekt wie „Die Ringe der Macht“ so nachhaltig zu sabotieren, dass es eingestellt wird? Und ist es nicht ein Widerspruch, dass es notwendig ist, lauthals und marktschreierisch zu betonen, wie schlecht doch die Serie sei? Denn wenn die Serie keinen Anklang findet, dann wird AMAZON auch keine weiteren Staffeln produzieren, ganz egal, was irgendein YouTuber sagt. Das Problem erledigt sich dann von selbst. Nein, man möchte auf Nummer Sicher gehen. Die Zuschauer sollen schon vor dem Beginn der eigentlichen Serie wissen, dass sie sie schlecht zu finden haben (ja, das Niedermachen von „Die Ringe der Macht“ fing schon mit den Trailern an).
Wenn sich nun ein Studio von den lautstarken „angry critics“ beeinflussen lässt, dann kommt Chaos heraus. Zuletzt durften wir das als Liveperformance bei der Sequel-Trilogie von „Star Wars“ erleben. Die laut gekreischte Kritik, die rassistischen Anwürfe an Schauspielerinnen und Schauspieler führte zu dem Durcheinander, das nun als Episode 9 die Skywalker-Saga abschließt. Schleicht sich sowas ein, werden wir das leider noch häufiger erleben. Vielversprechende Anfänge werden abgewürgt und dann doch wieder das produziert, was man schon kennt. Nummer Sicher.
Zum anderen führt diese Art der Kritik zur Zerstörung des Diskurses. Wenn die eine Seite laut wird, muss der Rest eigentlich genauso laut werden. Genauso kreischen. Genauso übertreiben. Solche Kritiker mag es geben, aber sie sind nicht so laut wie die anderen und ihre Zahl noch kleiner. Die breite Masse moderater Kritik bleibt eher leise und überlegend. Unaufgeregt, so wie der Beitrag von Sebastian Richartz. Damit behalten die Lauten die Diskurshoheit. Und würde man versuchen, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, würde der Diskurs ebenfalls zerstört, da nun nur noch Geschrei und Gekreische herrscht. Oder die Situation eskaliert noch weiter. Ich darf nur daran erinnern, dass Jake Lloyd, der Darsteller des jungen Anakin Skywalker in „Star Wars Episode 1“ so bedrängt wurde, dass er seine Schauspielkarriere beendete. Hayden Christensen, sein „Nachfolger“ in Episode 2 und 3 ging es ähnlich. Erst jetzt, Jahrzehnte später, da die Emotionen abgekühlt sind, wird erkannt, dass es auch Leute gab, die ihn in seiner Rolle gut fanden. Die ihm auf der offiziellen Star Wars Con applaudierten und begeistert jubelten, als er erzählte, dass er für die Serie „Obi-Wan Kenobi“ nochmal Darth Vader spielen wird.
Wenn nur noch geschrien und gekrischen wird, geht erleben wir genau das, was „Die Ringe der Macht“ sehr gut in der Zerstörung der Südlande dargestellt hat: Ein Vulkan bricht aus, es regnet Asche und Feuer und das ganze Land wird in eine ewige Dunkelheit gehüllt. Ja, ich weiß, das Bild habe ich schon mal bemüht und ich habe vieles von diesem Artikel in dem Zusammenhang schon erwähnt. Ich hatte nur noch nicht das volle Ausmaß der Macht Saurons erkannt. Vielleicht wollte ich es auch nicht wahrhaben. Ich hatte gehofft, aber… worauf habe ich diese Hoffnung eigentlich gegründet? Ich weiß es nicht.
Was mich vor allem überrascht, ist dieser blanke Hass auf sowas banales wie eine Serie. Und ja, es ist banal! Die Welt hat echte Probleme, nicht nur in fernen Landen, auch hier bei uns (oder in Amerika oder wo auch immer die Serie läuft). Aber stattdessen arbeitet man sich an fiktiven Figuren und den Leuten, die sie darstellen, ab. Vielleicht ist hier ein Teil der Erklärung zu sehen, fiktive Probleme, die noch dazu überzogen dargestellt werden, an den Pranger zu stellen, ist wohlfeil. Jeder dieser Kritiker kann sich selbst als der große Held sehen, der sich gegen „das System“ – was auch immer das sein mag, da kann man so viel projizieren – stellt. Ein echtes Risiko geht er damit keins ein. YouTube findet, dass diese Videos mit seinen AGBs übereinstimmen und auch den Monetarisierungsregeln entsprechen. Damit bringt dieser Inhalt den Kritikern vor allem auch eins: Geld. Und eine ähnlich laute Gegenreaktion haben sie eh nicht zu befürchten.
Irgendwo sitzt Sauron und lacht sich ins Fäustchen. Daher darf ich Euch bitten, solche differenzierten Ansichten wie die von Sebastian Richartz weiterzuverbreiten. Und sei es nur, damit noch mehr Leute erfahren: Okay, die Welt ist noch nicht komplette durchgedreht. Ich glaube, das würde schon helfen.
Ja, ich weiß, ich habe das für den Videokanal angekündigt, aber irgendwie wollen die Worte für ein Videoskript nicht so richtig zusammenkommen, dass es sich lohnen würde, für ein einzelnes Thema ein Video zu produzieren. Deswegen wurde es nun also am Ende ein Beitrag fürs Blog. Ist auch mal wieder was schönes. Es ist halt einfach zu viel unterschiedliches. Und der Algorithmus sagt, so ein Mix wird nicht goutiert. Dann eben nicht. Dann eben so.
Um gleich die Frage zu beantworten, die wahrscheinlich vielen Lesern gerade im Kopf herumschwirrt: Was ist das für ein Titel für den Beitrag? Was soll das sein mit „klassisches Bild von Schubladen, in denen Vögel liegen“. Die Geschichte ist lang, sie ist ein Ergebnis des Twitch-Formats Ferngesprächs mit dem Titel „Museen“. Tommy Krappweis musste hier erfahren, dass es in naturkundlichen Museen Schubladen gibt, in denen Vögel liegen, allerdings nicht lebendig und auch nicht so ausgestopft, dass man sie ausstellen könnte. Sondern nur der Bald, also sprich, die Haut und die Federn. So dass man erkennen kann, wie der Vogel grundsätzlich gebaut ist. Eben für naturkundliche Studien. Tommy meinte daraufhin irgendwas wie, das entspräche nicht dem Bild, das er so hätte, dem „klassischen Bild von Schubladen, in denen Vögel liegen“.
Ein paar Tage zuvor nun hatte Tommy versucht, eine künstliche Intelligenz dazu zu bringen, ein Bild von Bernd dem Brot zu zeichnen (dessen Mit-Erfinder Tommy ist). Das Ergebnis war mehr in der Art „Angriff der außerirdischen Mutanten-Brote“ als alles andere. Aber in dem Moment, wo Tommy das bei dem Ferngespräch sagte, kam mir eine Idee und ich gab den Satz „klassisches Bild von Schubladen, in denen Vögel liegen“ in eine AI ein. Das Ergebnis war folgendes:
Klassisches Bild von Schubladen, in denen Vögel liegen.
Faszinierend, nicht wahr? Ein kurzer Moment, ein Gag, eine heitere Lustbarkeit. Doch am selben Abend wurde die Meldung herumgeschickt, dass Elon Musk Twitter nun doch kaufen wollte. Verdammt, gerade wenn man denkt, es ist schon genug los auf dem Planeten, passiert sowas auch noch! Musk hat sich in den letzten Tagen ja alle Mühe gegeben zu beweisen, dass seine Ahnungslosigkeit keine Grenzen kennt. Musks Ahnungslosigkeit sprang durch die Gegend, um sich mit Musks Dunning-Kruger-Effekt zu paaren, und das Ergebnis dieser zweifelhaften Vereinigung soll nun also Twitter werden. Trump soll zurückkehren und das ganze in ein Höllenloch von Fakenews verwandelt werden (nicht dass wir damit nicht schon genug Probleme hätten, der Herr Milliardär hätt’s nur gern um das Hundertfache potenziert).
Und von Jan Böhmermann kann man halten, was man will, aber er weiß einfach, wann ein guter Moment ist. Als die Nachricht kam (die Engländer sagen hier „the message broke“, also wörtlich „die Nachricht bricht“, was ich ein viel passenderes Bild zur Situation finde), veröffentlichte er einen Tweet, in dem er verkündete, sein öffentlich-rechtliches Magazin würde schon länger eine Instanz auf der Twitter-Alternative „Mastodon“ unterhalten, und zwar „det.social„. Das hatte ich mir schon überlegt, als Musk Twitter das erste Mal kaufen wollte. Nun sollte es also soweit sein. An diesem Abend richtete ich ein Konto auf Mastodon bzw. det.social ein und exakt um 22.58 Uhr am 4. Oktober 2022 wurde der erste Tröt abgesetzt:
Tröt Nummer 1: Ich würde jetzt gerne was Kluges schreiben. Leider fällt mir nichts ein. Aber wird schon.
Und wer mir und dem Projekt dort folgen will, findet beides kombiniert gleich hier!
Was hat das alles aber mit der ursprünglichen Idee zu tun, nämlich eine Betrachtung von „Herr der Ringe: Ringe der Macht“ im Videokanal herauszubringen. Sehr viel. Ich dachte nämlich darüber nach, was alles passiert war, auch in der Gesellschaft. Ich hatte natürlich schon andere Videos über „Ringe der Macht“ gesehen, dabei allerdings etwas festgestellt, das… hm.
Und schon geht es los. Hat es sich in die Gesellschaft und die gesellschaftliche Kommunikation eingeschlichen? Oder brach es plötzlich heraus? Wo war es vorher, wo kam es her? Und genau da kommen wir in eine Problemspirale. Fangen wir also erstmal an: Wovon rede ich überhaupt? Von Kontroversen. Von denen haben wir ja in den letzten zweieinhalb Jahren genug gesehen. Corona schien ein Katalysator dafür gewesen zu sein, dass manche Teile der Bevölkerung sich endlich von „Joch“ des gesellschaftlichen Miteinander befreien und ihrer Egomanie freien Lauf lassen konnten. Die Teile scheinen den verständnisvollen, respektvollen Diskurs völlig zerstören zu wollen. Es geht nur noch um Kontroversen. Weil die so schön einfach sind. Es gibt nur zwei Möglichkeiten und fertig. Mit allem anderen scheinen einige Teile der Bevölkerung – nicht nur in Deutschland – überfordert zu sein.
Da passen auch die Ferngespräche wieder rein, denn was Tommy hin und wieder mal bemerkt, sind die (Zitat) „verdammten Graustufen“. Die Experten, die dort auftreten, machen uns aufmerksam darauf, dass das Leben in vielen Fällen halt eben nicht „so oder so“ ist. Sondern dass es da – glücklicherweise – ganz viel gibt.
Wenn wir gerade die Demonstrationen von rechtsgerichteten Kreisen von heute sehen, da ist dann das genaue Gegenteil zu sehen: Person X ist nicht einverstanden mit „der“ Politik – also müssen wir in einer Diktatur leben! Dass „nicht einverstanden sein mit der Regierungspolitik“ – sei die Kritik nun berechtigt oder auch nicht – elementarer Bestandteil einer Demokratie ist, wird ausgeblendet. Ich hab „die da oben“ nicht gewählt, und wenn jemand an der Macht ist, den ich nicht gewählt habe, dann ist das Diktatur!
Das blendet mittlerweile in viele Bereiche des Lebens rein. Eben auch in Filmkritik. Ich versuche – jetzt, nach sechs Folgen – immer noch genau zu eruieren, was meine Gefühle für „Ringe der Macht“ sind. Ich weiß es nicht genau. Damit verstoße ich aber schon mal gegen die Regel Nummer 1 des Aufmerksamkeitszyklus. Denn um überhaupt wahrgenommen zu werden, hätte ich meine Meinung spätestens ein paar Minuten nach der Veröffentlichung der ersten Folge der Serie auf AMAZON Prime raushauen müssen. Und als zweites ist meine Meinung im Moment immer noch… jo. Genau, das trifft es vielleicht: Jo. Oder besser: JoTM. Was meine ich damit? Die Serie hat mich nicht umgehauen, als Gesamtpaket. Ich bin davon begeistert, wie sie aussieht und ausgestattet ist, die Handlung hat mich noch nicht völlig weggerissen. Ich finde sie nicht schlecht, versteht mich nicht falsch, aber ich finde sie – im Moment noch – eben noch nicht grandios. Wobei ich sagen muss, dass ich vom Hauptereignis der Folge 6 (und den Auswirkungen in Folge 7) überrascht wurde und ebenfalls begeistert war. Die Dinge können sich langsam entwickeln und davon macht die Serie reichlich Gebrauch.
In Kontrast dazu sehe ich, dass die meisten schlechten Kritiken auf AMZON über die Serie nach einer oder zwei Folgen geschrieben wurde, und auch hier sehen wir Extreme: ein Flop, das schlechteste was es gibt, kann weg und so weiter. Machen die das mit Büchern auch? Lesen das erste Kapitel, und wenn ihnen das nicht gefällt, fliegt das Buch ins Eck? Dann brauchen diese Leute keines von meinen Büchern zu lesen, die ich gerade am Erarbeiten bin, denn Spoiler: Auch ich werde da nicht gleich im ersten Kapitel alles enthüllen, auch diese Geschichte wird Zeit brauchen, bis sie sich entwickelt.
Ich persönlich bin wirklich gespannt auf das Finale der ersten Staffel. Wie ich heute gehört habe, haben die Dreharbeiten für die zweite Staffel gerade begonnen. Also scheint „Ringe der Macht“ zumindest kein totaler Flop zu sein, allen Unkenrufen zum Trotz. Vielleicht komme ich nochmal auf das Thema zurück, wenn die erste Staffel beendet ist.
Und worum ging’s jetzt in den Artikel eigentlich? Folgt dem Phantastischen Projekt bei Mastodon! Und lasst Graustufen zu! Und vor allen Dingen: Macht Euch nicht lächerlich, so wie dieser eine Typ, dessen YouTube-Kanal ich hier nicht verlinke, der mit einer Atemschutzmaske vor der Kamera steht, mit elektronisch verstellter Stimme spricht und Video um Video darüber produziert, warum dies zu „woke“ ist, warum jenes ein Flop werden wird und vor allem ständig verkündet, dass Disney quasi jede Sekunde die Meldung bringen wird, dass sie Kathleen Kennedy, die Chefin von Lucasfilm, gefeuert haben. Erinnert ein bisschen an die Prospekte von den Teppichläden, die ich in den 1990er Jahren immer im Briefkasten gefunden habe, die ständig verkündeten, dass der Laden geschlossen wird und es deswegen „nur jetzt“ diese tollen Angebote gäbe. Ich glaube, es war sogar „RTL Samstag Nacht“, die darüber einen Gag machten, der mit der Zeile endet: „In Geschäftsauflösung seit 1990!“
Ich sollte aufhören, an diesem Beitrag zu schreiben. Aber wie bringe ich ihn zu einem Ende? Vielleicht wäre der Gag von „RTL Samstag Nacht“ der richtige Zeitpunkt gewesen? Oder soll ich jetzt aufhören?
Oder hätte ich aufhören sollen? Ich weiß es nicht. Es ist so viel los, meine Gedanken fahren Achterbahn und Ihr sollt gefälligst daran teilhaben. Vielen Dank, damit Schluss, ich räume jetzt die Wäsche aus der Waschmaschine!
SPOILER!
PS: Doch noch was. Der Finger schwebte schon über der Maustaste, um den Artikel endlich zu publizieren, da fiel mir etwas auf – was für eine Allegorie! Deswegen die Spoilerwarnung, denn nun muss ich doch das Ereignis benennen, das ich oben nur umschrieben habe: In Folge 6 wird der Vulkan aktiviert, den wir aus „Herr der Ringe“ als Schicksalsberg kennen. Der Vulkan stößt Aschewolken aus, damit werden die Südlande in ewige Dunkelheit gehüllt, was den Orks erlaubt, auch am Tag herumzulaufen (ansonsten verbrennen sie im Sonnenlicht). Und genau das Bild, wie Waldreg den Schlüssel einsetzt, was die Wasser des Flusses freisetzt, damit sie den Vulkan zum Ausbruch bringen, der Ausbruch des Vulkans selbst und die Aschewolken, ist das, was vor meinen Augen entsteht, wenn Twitter wirklich von Musk übernommen wird. Natürlich wurde die Szene nicht als Allegorie auf diese Übernahme geschrieben, aber dafür ist es eben Mythologie – wenn man das Gefühl im Bezug auf reale Ereignisse durch eine Geschichte beschrieben bekommt und erkennt, warum man eben dieses Gefühl hat.
Zu dem Zeitpunkt, da ich das hier schreibe, war eigentlich geplant, dass ich woanders bin. Leider lief es ein zweites Mal nicht so wie gedacht. Doch diesmal war es tatsächlich meine Entscheidung, und zwar wegen der Umstände. Ich lebe in Baden-Württemberg, einem der am schlechtesten durchgeimpften Bundesländer Deutschlands. Manche bezeichnen es sogar als „Impfgegnerhochburg“ und liegen damit vermutlich nicht falsch. Was ich hier tue, wird vermutlich nicht viel nutzen, ich versuche es aber trotzdem. Und zwar möchte ich helfen, dieses Plakat weiterzuverbreiten:
Auf den Punkt! Von Anfang an wurde kommuniziert, dass die Impfung keinen 100%igen Schutz dagegen bietet, sich anzustecken, aber dass Menschen, die sich trotz Impfung infizieren, eine wesentlich geringere Viruslast haben, die Krankheit schneller vorbei ist und was das wichtigste ist: Schwere Verläufe kommen so gut wie gar nicht mehr vor. Das Problem ist, dass Impfgegner es sich bequem gemacht haben auf dem „Bett“, das die Geimpften bereitet haben – die Ansteckungen sind gesunken und ein Stück Normalität kehrte zurück. Damals wurde allerdings schon gewarnt, wenn wir jetzt nachlassen, laufen wir in die vierte Welle. Gratulation, diese vierte Welle ist jetzt da.
Wie schon erwähnt, Baden-Württemberg ist nicht berauschend, was die Impfquote betrifft. Wenn man sich die aktuelle Karte betrachtet, gibt es eine Linie, die quer durch Deutschland geht. Alles, was südlich dieser Linie liegt, hat schlechte Impfquoten und – oh Wunder! – hohe Inzidenzen. Doch die Politik hat völlig den Mut verloren und lässt sich von einer kleinen Gruppe sehr lauter Menschen treiben, denen es egal ist, wie voll die Intensivstationen werden und wie überlastet das medizinische Personal ist. Die Landesregierung von Baden-Württemberg „empfiehlt“, Veranstaltungen abzusagen. Mehr ist im Moment offenbar nicht drin.
In meinem Landkreis gibt es ein Problem: Da ich nicht mehr der Jüngste bin, wollte ich mich erkundigen, ob ich irgendwo meine Booster-Impfung, die in den nächsten Tagen fällig ist, machen lassen kann. Nur wird das hier komplett auf die Hausärzte abgewälzt, es gibt keine Impfaktionen und keine Impfteams (sollte es diese geben, so wird das nicht offen kommuniziert, die letzte Nachricht auf der Seite des Landkreises im Bezug auf Impfungen ist die Info, dass vor knapp zwei Monaten der Betrieb des Impfzentrums eingestellt wurde). Doch die Hausärzte wollen erst ältere Menschen boostern oder Nichtgeimpfte, die sich doch noch dafür entscheiden, die erste Impfung geben. Mal ganz davon abgesehen, dass die Arztpraxen sowieso gerade einen Ansturm erleben.
In den Nachbarlandkreisen ist das anders, dort werden verschiedene Impfaktionen angeboten, im Testzentrum oder per Impfmobil auf Parkplätzen von Einkaufszentren. Ich habe mich schon gefragt, ob ich wohl als „Fremder“ einfach in einen anderen Landkreis gehen und mir die Impfung abholen darf, oder ob das nur den Einwohnern des entsprechenden Kreises vorbehalten bleibt. Darüber findet man keine Information. Aber es ist sowieso egal, denn wo auch immer ich mich umgeschaut habe, gab es schon längst keine Termine mehr.
Es ist also klar, was jetzt getan werden muss: Wieder mehr Impfangebote schaffen, dass es nicht mehr heißt „entweder – oder“ (entweder alte Menschen boostern oder alle / entweder Erstimpfungen oder Booster), und was die Kontrollen betrifft, muss sich auch etwas ändern. Von mir aus lasse ich mich als geimpfter dann eben auch wieder testen, um noch mehr Sicherheit zu kriegen. Lustiger Fakt am Rand: Österreich hat letzte Woche für diese Woche angekündigt, es würde die 2G-Regel landesweit geben (also dass nur noch Geimpfte oder Genesene zum Beispiel ins Restaurant oder ins Kino dürfen), und schon gab es letztes Wochenende lange Schlangen an den Impfmobilen, hauptsächlich mit Erstimpfungen. Interessant, dass manche Menschen den Ernst der Lage erst erkennen, wenn es an Dinge geht, die sie direkt betreffen.
Wenn wir allerdings so „weiterwurschteln“ wie bisher, werden noch mehr Menschen angesteckt und auch noch mehr Menschen sterben. Ich finde es erschreckend, gerade wenn ich aus gewissen „Strömungen“ (*hustAnthroposophie*hust) wissenschaftsfeindliche Ablehnung höre, gegründet auf ideologischen Parolen. Oder wenn es sogar heißt, dass man den Tod von Menschen „annehmen“ müsste (siehe hier – Link führt zu Twitter). Das erinnert ein bisschen an „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ – Kali fordert wohl auch heute noch Menschenopfer.
Zurück zum Ausgang: Ich kann nur jeden ermutigen, das Poster von Ralph Ruthe, das es auf der Webseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Download gibt, weiterzuverbreiten. Auf der Seite gibt es noch ein zweites Motiv. Für den Eigenbedarf ist es erlaubt, dieses herunterzuladen und auch auszudrucken. Vielleicht bringt es doch noch den einen oder die andere zum Nachdenken.
Diese Podcastfolge ist der Text des gleichnamigen Blogbeitrags, von mir eingesprochen, um noch mehr Leute zu erreichen. Weiterführende Links gibt es hier!
Dieser Text ist ziemlich lang, wer ihn lieber hören möchte, dem sei die entsprechende Episode vom PHANTUM-Podcast (Folge 4) empfohlen!
Zufall. Es war ein Zufall, besser oder genauer gesagt eine Reihe von Zufällen, die mich am Wochenende vom 16. und 17. Oktober 2021 nach Oberlech auf dem Arlberg zur ersten „#FERNGESPRÄCH Convention“ brachten. Und ich möchte betonen, dass ich es für besonders glückliche Zufälle halte, die mir da widerfahren sind. Aber wie es sich gehört, fangen wir am Anfang an.
Das (fast) komplette Gastpanel der #Ferngespräch Convention 2021. Bild: selbst
Teil 1: Die viel zu lange Einleitung
Am Anfang steht… ja, was eigentlich genau? Jeder der Teilnehmer der Convention hatte seine persönliche Verbindung zu den „Ferngesprächen“, einer – wenn man so will – Diskussionsrunde um Tommy Krappweis, die selbiger ins Leben gerufen hatte, nachdem er feststellte, dass die Corona-Pandemie uns noch sehr lange im Griff haben wird, die Situation dank bestimmter leugnender und Unsinn verbreitender Elemente in der Gesellschaft aber immer schlimmer zu werden schien. Und was meine Verbindung betrifft, muss ich lange vorher einsetzen.
Leider weiß ich genaue Daten nicht mehr, außer einem: es gibt in meinem Leben ein besonders tragisches Ereignis, das ich hier nicht genauer auswalzen will, das mich extrem nachdenklich gestimmt hat. Vorher gehörte ich auch zu der Fraktion, die bestimmten gesellschaftlichen Phänomenen eher ambivalent gegenüber stand, wie etwa dem Glauben an Heilsteine, an Homöopathie, Astrologie, der flachen Erde oder der so genannten „Anthroposophie“. Manchmal senkte sich zwar ein Zweifel rein, ob die mit reichlich Fachbegriffen garnierten Erklärungen, wie es funktionieren soll, dass die Verdünnung eines Wirkstoffs zur Wirkverstärkung führt, wirklich so logisch wären. Ich war zudem eine Zeitlang mal von Nostradamus fasziniert und den Erklärungen, wie seine „Propheties“ über einen komplizierten Code die Zukunft voraussagen könnten; nachdem sich aber herausstellte, dass immer wenn es Konkret wurde („im nächsten Jahr wird folgendes passieren…“) die Prophezeiungen die unangenehme Eigenart hatten, einfach nicht einzutreffen, schlief das ein. Aber wie gesagt, im großen und ganzen war mein Empfinden ambivalent. Und wenn ich in meinem Leben noch weiter zurückblicke, muss ich feststellen, dass es auch bei mir Zeiten gab, in denen ich ziemlich blödsinnige Dinge geglaubt hatte. Natürlich hat das auch was mit gesellschaftlicher Prägung zu tun. Ist es denn nicht interessant, dass vermutlich die meisten Menschen in Deutschland ihr Sternzeichen kennen? Aber alle diese Dinge hatte ich für mich ausgemacht. Ich war kein Guru, wenn jemand da anders dachte oder fühlte als ich, was soll’s? Wenn jemand glaubte, ein Stein, der aus einer Mine in Brasilien gebrochen worden war, würde ihm helfen – was würde das schon schaden?
Meine Güte, habe ich mich geirrt. Mir wurde drastisch vor Augen geführt, dass der Glaube an so genannte „alternative Medizin“, für die es keinerlei wissenschaftlichen Wirkbeweise gibt, Menschen davon abhalten kann, eine echte Therapie zu beginnen. Natürlich kannte ich aus der Presse solche Fälle wie den von Olivia Pilhar, aber das schien so weit weg von meiner Lebensrealität zu sein, dass ich darüber zwar den Kopf schüttelte, aber das, was dahinter steckte, nicht weiter beachtete. Außerdem wurde Olivia Pilhar durch das Eingreifen der österreichischen Justiz schließlich einer richtigen Behandlung zugeführt und zum Glück geheilt, bevor größerer Schaden entstehen konnte. Doch mir ganz persönlich wurde dann vor Augen geführt, dass Menschen auch sterben können, wenn sie auf die selbsternannten Heiler hörten und keine Therapie machten.
Das war wie eine Naturkatastrophe größeren Ausmaßes, wie ein Erdbeben, das einen Tsunami auslöst, dessen Wassermassen erstmal alles wegreißen, was ihnen im Weg steht. Irgendwas bleibt zurück. Aber so, wie die Wasser einer Flutwelle den Boden aufreißen und nun Felsen blankliegen, die man sonst nicht so sieht, bemerkte ich immer mehr, dass es noch mehr Dinge gibt, die gar nicht so harmlos sind, wie sie mein ambivalentes Gefühl machte. Menschen, die wüsten Verschwörungsmythen über den 11. September 2001 und den Einsturz des World Trade Centers glaubten und sehr aggressiv wurden, wenn man darauf hinwies, dass diese Mythen schon widerlegt sind. Menschen, die ebenfalls von Nostradamus fasziniert waren, so wie ich es mal war, die aber ihr Leben und ihr Verhalten im kommenden Jahr auf ein Buch stützten, das behauptete, Nostradamus‘ Weissagungen für dieses Jahr „endgültig entschlüsselt“ zu haben. Menschen, die eine Beziehung beendeten, weil ein Horoskop in einer Fernsehzeitschrift sagte, sie sollen „was Neues“ beginnen.
Durch meine Tätigkeit im Rettungsdienst kam ich mit unterschiedlichsten Menschen in Kontakt und auch hier sah ich, dass es sich bei manchen Dingen keinesfalls um ein skurriles Hobby oder eine „harmlose Spinnerei“ handelte, wie ich zuvor falsch angenommen hatte. Menschen wollten von mir wissen, ob die Infusion, die sie wegen ihres Gesundheitszustands kriegen sollten, gut mit dem Energiefeld ihres Körpers harmoniert, da sind ja lauter Elektrolyte drin! In einer Behinderteneinrichtung einer bestimmten „Ausrichtung“ entdeckte ich im Aufenthaltsraum ein großes Schaubild, das erklärte, wie alle Menschen der Erde von den Atlantern und ihren Wurzelrassen abstammen. Eine Mutter, die ihr Kind, das eine schwere Atemnot hatte, „erstmal“ mit Globuli behandelte, bevor sie dann doch die Rettung rief.
Ich kann weder sagen, wann diese einzelnen Erlebnisse waren, noch in welcher Reihenfolge sie stattfanden. Es ist alles im Ungefähren in meinem Kopf. Sicher weiß ich nur, dass ich in der Folge dieser Ereignisse irgendwann auf „Psiram„, einer Aufklärerseite mit Wiki, aufmerksam wurde, dann auf die Skeptiker der GWUP. Und irgendwann dann fand ich auch den skeptischen Podcast aus Hamburg, „Hoaxilla„. Entsprechend veränderte sich meine Wahrnehmung noch mehr von „harmloser Quatsch“ zu „gefährlicher Quatsch“. Mir fiel außerdem auf, dass einige satirische Werke, die ich schon Jahre zuvor gesehen und gelesen hatte, sich mit einigen dieser Themen befasst hatten, aber das war damals völlig unter meinem Radar durchgeflogen.
Tommy Krappweis – Bild: selbst
Der Themenwechsel zu Tommy Krappweis mag jetzt ein wenig überraschend kommen (nicht ganz so überraschend, wenn man die „Ferngespräche“ kennt oder auch einfach nur die Einführung zu diesem Text aufmerksam gelesen hat), ist aber notwendig. Tommy hatte ich lange Zeit nicht auf dem Radar. Meine letzte Erinnerung an ihn war „RTL Samstag Nacht“, tatsächlich habe ich im Besonderen zwei Dinge in Erinnerung: zwei Sketche der „Derrick“-Parodie, in der Tommy Derricks Assistenten Harry Klein gespielt hat1 und ein Computerspiel zu der Reihe, wo man Tommy zur Melodie von „Les Toreadors“ aus der Oper „Carmen“ auf Klick tanzen lassen konnte2. Doch das Schicksal wollte es so, dass ich ihm im Jahr 2015 wieder begegnete, als ich mit meiner Reisebegleiterin die HobbitCon in Bonn besuchte. Der Anlass war eigentlich, dass wir im Januar 2016 nach Neuseeland wollten, dem Land, in dem die „Herr der Ringe“- und „Hobbit“-Filme gedreht worden waren. Aber eben, neben den Darstellern der Zwerge aus dem „Hobbit“ und Radagast/Doctor-Who-Darsteller Sylvester McCoy war auch Tommy Krappweis anwesend, um den Film zu seinem Buch „Mara und der Feuerbringer“ vorzustellen. Hier hörte ich von dem Buch zum ersten Mal und von den Anstrengungen, die Tommy unternommen hatte, um eine möglichst authentische Geschichte um die nordischen Mythen zu schreiben, ohne Wagner-Walküren und Hörnerhelme. Da mich genau das ebenfalls interessierte und Tommy für das Werk sogar mit einem Wissenschaftler zum Thema zusammengearbeitet hatte, kaufte ich das Buch, ließ es mir signieren und las es natürlich auch. Ich war sehr begeistert, denn aufgrund meiner eigenen Recherchen in dem Bereich kannte ich einige Begriffe, die in dem Buch verwendet wurden, bevor sie erklärt wurden. Auch Tommys Humor ist ganz auf meiner Wellenlänge und die trotzdem vorhandene Ernsthaftigkeit, mit der die Geschichte vorangetrieben wird.
Doch nun wird es wieder etwas verschwommen und unklar, wie Welt von Niflheim. Die HobbitCon war 2015, in den kommenden Jahren verfolgte ich mehr oder weniger regelmäßig, was Tommy Krappweis, Hoaxilla und die GWUP so machten. Gleichzeitig wurde die Situation bezüglich Verschwörungsmythen und Falschmeldungen meinem Empfinden nach immer schlimmer, vor allem als 2016 Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde. Dann kam die Corona-Pandemie. Und damit kommen wir (endlich!) zu den „Ferngesprächen“.
Tommy Krappweis und Alexa Waschkau von HOAXILLA. Bild: selbst
Wie schon erwähnt hatte Tommy Krappweis das Gefühl, in der Pandemie den Schwurblern etwas entgegensetzen zu müssen. Da er wohl schon mit den Leuten von WildMics zusammenarbeitete, die einen Kanal auf Twitch betreiben, schlug er eine Gesprächsrunde vor, in der man wöchentlich über verschiedene Dinge sprechen und Aufklärung betreiben konnte. Zunächst fanden diese Gespräche mit Wigald Boning statt, den Tommy von „RTL Samstag Nacht“ her kannte und der für das Format den Namen „#Ferngespräch“ erfand, und mit Bernhard Hoëcker. Ich selbst wurde erst auf die „Ferngespräche“ aufmerksam, als bereits Alexa und Alexander Waschkau von „Hoaxilla“ zur „Stammbesetzung“ gehörten. Ich glaube, ich bin auch über deren Webseite – oder etwas, das sie auf Twitter oder Facebook über die Webseite gepostet hatten – auf das Format aufmerksam geworden. Inzwischen war auch Bernd Harder von der GWUP mit dabei und das „Ferngespräch“ traf voll meinen Nerv. Jede Woche am Dienstag wurde ein neues Thema ausgemacht aus der weiten Welt der Wissenschaft, es wurden Spezialgäste dazu eingeladen, die fundierte Auskünfte geben konnten. Annika Brockschmidt erzählte vom Aufstieg der radikalen Evangelikalen in den USA, Holm Gero Hümmler, ein Physiker, klärte auf, dass Quantenverschränkung nichts mit der angeblichen Wirksamkeit von Schwurbelequipment zu tun hat, Florian Aigner brachte seine Expertise über wissenschaftliches Arbeiten ein, Martin Moder war als Molekularbiologe natürlich wie geschaffen, die neuen Impfstoffe gegen COVID-19 zu erklären, ebenso wie der Immunologe Carsten Watzl Fragen über die Pandemie beantwortete, Nana Walzer sprach über Kommunikation und Europa und Lydia Benecke ließ uns in die Psyche von Menschen eindringen und berichtete von ihrer Arbeit und ihren Vorträgen (und ihrer polnischen Oma, die Gruselgeschichten erzählte). Schließlich kam noch Tommys Ehefrau Sofia Krappweis mit dazu, die als Diplom-Psychologin dann zusammen mit Alexander Waschkau den Ableger „Alle bekloppt“ und ihr eigenes Format „Todgequatscht“ betreut.
Tommy Krappweis und Alexander Waschkau von HOAXILLA. Bild: selbst
So wurde Woche für Woche informiert und es wurde sehr viel gelacht. Es entstanden legendäre Episoden, in denen die besten Running Gags geboren wurden (Schieferuntersetzer, Zmora, „Oma Barthóry“, Tommys Beißholz, um nur ein paar zu nennen). Man möge mir den Vorgriff entschuldigen, aber während der Convention wurde von einigen Besuchern betont, wie sehr diese Gespräche den Menschen durch die strengsten Zeiten der Pandemie halfen und Hoffnung gaben, dass es nicht nur Schwurbler, Schreihälse und Impfgegner gibt, sondern dass da irgendwo, mitten unter uns, die Vernunft wohnte. Und genau so empfand ich das auch.
Tommy Krappweis und seine Frau Sofia Krappwweis. Bild: selbst
Teil 2: Der Weg zur Convention
Irgendwann kam mal die – vielleicht auch nicht ganz ernstgemeinte – Idee innerhalb eines „Ferngesprächs“ auf, nach dem Ende der Pandemie doch eine Convention zu veranstalten, um die ganzen Leute aus der Community, die wöchentlich immer größer wurde, persönlich kennenzulernen. Da bei Twitch bei den Livestreams auch immer ein Chat mitläuft, konnten die Zuseher gleich ihrem Wunsch Ausdruck verleihen, dass man das doch bitte wirklich manchen möge. Allerdings schien es lange Zeit einfach nur eine verrückte Idee zu sein. Das Problem solcher Veranstaltungen war eben auch, dass sie entsprechend viele Leute anziehen mussten, um sich zu rechnen. Was aber keiner der Zuschauer wusste: Im Hintergrund lief etwas, das den Traum schneller wahr werden ließ, als viele gedacht hätten. Da die „Ferngespräche“ mittlerweile mit der von Nana Walzer mitinitiierten Aktion #EUROPAgegenCovid19 kooperierten und sich besonders hervortaten, wurden sie mit dem Kaiser-Maximilian-Preis des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck ausgezeichnet. Diese Preisverleihung fand am Donnerstag, den 14. Oktober 2021 statt. Mit zu den Bedingungen des Preises gehört es, dass man als Preisträger vor der Verleihung nichts davon erzählen darf, aber Tommy kam eine Idee, die wie folgt ging: Wenn man schon in Österreich ist, könnte man doch von Innsbruck aus den Sprung an einen anderen Ort machen, um dort die lang ersehnte „#Ferngespräch Convention“ stattfinden zu lassen. Tommy kannte da auch ein Hotel, die „Sonnenburg“ in Lech auf dem Arlberg. Dessen Besitzer, Gregor Hoch, war begeistert von der Idee. Durch die Preisverleihung wurde damit auch – recht kurzfristig – der Termin festgelegt: das Wochenende drauf, Samstag, 16.10. und Sonntag, 17.10.2021.
So langsam komme ich ins Spiel. Immerhin. In meinem Beruf ist es leider so, dass spontane Aktionen nicht immer möglich sind. Als ich noch im Rettungsdienst gearbeitet habe, war das schon so, denn wenn ich nicht da sein konnte, musste jemand meinen Platz ausfüllen – und jetzt als Lehrkraft ist das genau so. Der Termin war für mich ziemlich kurzfristig, da ich zu so einer Veranstaltung schon stressfrei am Freitag anreisen wollte, den ich mir natürlich freischaufeln musste. Dann aber stellte ich fest, dass ich den Freitag würde freikriegen können. Da ich aber ein paar Tage brauchte, um das hinzukriegen, dachte ich mir, dass die Zimmer in dem Hotel sowieso schon vergeben sind. Sehr zu meiner Verwunderung stellte ich fest, dass das nicht der Fall war. Da gab es noch ein Einzelzimmer für mich (tja, wenigstens einmal muss das Single-Dasein doch einen Vorteil haben). Ich überlegte (sehr) kurz – und Schwupps! Hatte ich das Zimmer gebucht. Wie aufregend!
Hotel Sonnenburg in Oberlech auf dem Arlberg. Bild: selbst
Teil 3: #Ferngespräch Convention – Hotel und Ankunft
Tommy und seine fröhlichen Gesell*innen hatten vor der Convention angenommen, dass irgendwo zwischen zehn und zwanzig Leute kommen würden. Obwohl die Veranstaltung selber nichts kostete, bewegten sich die Zimmerpreise des Hotels schon im gehobenen Bereich. Außerdem war Österreich nicht aus allen Teilen Deutschlands so ganz einfach zu erreichen (darüber können die Hoaxillas, die ja aus Hamburg kommen, ein Lied singen). Aber weit gefehlt – irgendwann war das Hotel fast ausgebucht. Lediglich ein paar Suiten im hohen Preissegment waren noch übrig. Damit war auch klar, dass der ursprüngliche Raum, die Bibliothek des Hotels, zu klein sein würde. Man zog um in den Konferenzsaal, was sich für mich als Glücksfall herausstellen sollte. Ich selbst machte mich am Freitag, den 15. Oktober 2021 auf den Weg nach Vorarlberg, was zu einem kleinen Stück auch zu einer Reise in die Vergangenheit für mich wurde. Meine Familie hatte in Vorarlberg sehr oft Urlaub gemacht und die gleiche Strecke, die wir damals gefahren sind, kam ich nun entlang. Erinnerungen wurden wach, als ich vor der Abfahrt Feldkirch durch einen Felsgrat kam, der sich links und rechts der Autobahn erhob. Einst war das ein großer Felsen gewesen, den man in der Mitte auseinander gesprengt hatte, um die Autobahn zu bauen. Er sah immer noch so imposant aus wie damals, als ich wesentlich jünger war und im Auto meines Opas saß, während wir auf dem Weg nach Viktorsberg waren. Nur diesmal würde ich nicht bei Feldkirch abfahren, es ging weiter, bis zum Arlberg. Lech liegt oben auf der Höhe und was mir beim Raussuchen der Adresse des Hotels nicht aufgefallen war: „Oberlech“ bedeutete, dass der Ortsteil noch ein gewaltiges Stückchen höher lag.
Das Panorama von Oberlech. Bild: selbst
Den Bergpass hochzufahren bot ein paar imposante Aussichten – aber was soll ich sagen: Am imposantesten war die Aussicht, die man von Oberlech und vom Hotel aus hatte. Das klingt jetzt schon wieder despektierlich, aber der Ortsteil ist eigentlich eine Trabantenstadt, die fast nur aus Hotels besteht. Ich habe zwar ein paar Privathäuser gesehen, aber die sind in einer ziemlichen Minderheit. Außerdem möchte ich wetten, dass dort Leute von den Hotels wohnen. Auch fiel mir auf, dass der ganze Ort eigentlich schlief. Von Lech führt eine Seilbahn nach Oberlech, diese war nicht in Betrieb. Und die Sonnenburg war, zumindest soweit ich es beobachten konnte, das einzige Hotel, das offen hatte. Und was für ein Hotel das ist! Es besteht aus zwei Teilen, dem Haupthaus und dem Landhaus – dazu gleich mehr -, das Haupthaus ist aus der Kategorie „Fünf Sterne“, das Landhaus „Vier Sterne Superior“. Es ist imposant und hat Stil – darüber werde ich an anderer Stelle noch mehr zu berichten haben. Das Hotel gefiel mir schon beim einchecken, wo man sehr freundlich empfangen und behandelt wurde. Gleich wurde ich auch informiert, dass das Hotel die 2G-Regel fuhr: Genesen oder geimpft, und dann fiel im ganzen Hotel die Maskenpflicht weg. Sehr positiv fiel mir auf, dass der Impfausweis auch wirklich kontrolliert und das Datum der letzten Impfung notiert wurde.
Dann bekamen die gerade Angekommenen, zu denen ich auch gehörte, einen Willkommensdrink – wobei das Hotel sogar einen nicht alkoholischen Drink bereithielt3 -, um uns anschließend auf eine kleine Tour mitzunehmen. Die ganze Gruppe bestand aus Gästen, die im Landhaus untergebracht waren und damit hatte es eine besondere Bewandtnis, wie wir feststellten. Zunächst wurden uns die Räumlichkeiten des Haupthauses gezeigt: Das Restaurant, wo Frühstück und Abendessen gereicht wurden (die Zimmer waren alle mit Halbpension), die Massageabteilung, die Bibliothek und das Schwimmbad. Dann wurden wir noch ein paar Treppen tiefer in einen langen Gang geführt. Wie sich herausstellte, führte dieser Gang unter der Erde unter dem Nachbarhotel durch und endete so rund hundert Meter weiter am Berggrat, wo das Landhaus stand, in welchem sich unsere Zimmer befanden. Im Landhaus befand sich außerdem der Konferenzraum, in dem die Convention stattfinden sollte. Immerhin ein halber „Win“ für uns, wir mussten nur zum Essen auf Wanderschaft gehen.
Mein Zimmer im Hotel Sonnenburg. Bild: selbst
Mein Einzelzimmer war ein nettes, kleines Zimmer mit einem sehr bequemen Bett und einem Sofa – also, hier hätte ich es auch noch länger ausgehalten. Dann hätte ich meinem Chef aber erklären müssen, warum ich nicht zurückkomme. Tatsächlich hatte es auf dem Arlberg kurz vorher geschneit, aber der meiste Schnee war schon wieder weg bis zu dem Wochenende. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, mich neben einen kläglichen Schneerest auf einer Wiese zu stellen, das ganze zu fotografieren und meinen Kollegen per WhatsApp zu schicken, um zu dokumentieren, wie eingeschneit ich doch sei und ich unmöglich die nächsten Tage zurückkommen kann. Ich habe es dann aber doch gelassen.
Lasst mich stattdessen vom Essen berichten: Großartig. Wie schon erwähnt, gehörte zu den Zimmern Halbpension, das heißt, Frühstück und Abendessen. Das Abendessen war in vier Gänge aufgeteilt, wobei es bei jedem Gang eine Auswahl gab. Das Menü war einem Fünf-Sterne-Hotel angemessen und es gab einiges, das ich auf den ersten Blick nicht zuordnen konnte. Aber das Personal war sehr freundlich und füllte meine Wissenslücken. Außerdem wurde man sehr zuvorkommend behandelt und nie so, als würde man hier nicht hergehören. Die Teilnehmer der Convention waren Gäste wie alle anderen auch.
An dem Abend zog ich mich dann in mein Einzelzimmer zurück und schlief wie auf Wolken.
Tommy Krappweis und Bernd Harder. Bild: selbst
Teil 4: #Ferngespräch Convention 2021 – Tag 1
Frisch wie der junge Morgen kam ich trotz meines Alters am nächsten Tag aus dem Bett. Ich zog dem Anlass angemessen ein bestimmtes T-Shirt an, mit dem ich meine Unterstützung für die Wissenschaft anzeigte: „Stand up for Science!“* stand groß drauf und drumherum wurde einigen Verschwörungsmythen widersprochen: „Wir waren auf dem Mond!“ – „Chemtrails gibt es nicht!“ – „Die Erde ist nicht flach!“ – „Impfstoffe wirken!“ – „Evolution ist eine Tatsache!“ und „Der Klimawandel ist real!“ Als ich den Konferenzraum betrat, waren Tommy und die seinen gerade mit dem Aufbau der technischen Anlagen beschäftigt, nicht nur brauchte man Mikrophone und Vorführtechnik, die ganze Veranstaltung sollte für die „Daheimgebliebenen“ live auf Twitch gestreamt werden. Tommy blickte auf, sah mein T-Shirt und meinte: „Das T-Shirt gefällt mir!“ Besser konnte es eigentlich kaum werden und ich hätte schon wieder gehen können. Ich blieb aber trotzdem und es wurde noch besser!
Das Programm orientierte sich so ein wenig an den „klassischen“ Conventions, es gab eine Eröffnung, Panels mit den einzelnen Gästen und etwas, das Tommy „Meet & Greet“ nannte. Da es zwar mehr Besucher waren, als gedacht, sich die Anzahl aber trotzdem noch in einem gewissen Rahmen hielt, wurde keine strikte Autogrammstunde und eine Fotosession abgehalten, sondern ein Treffen. Die Bücher der Gäste gab es im Konferenzraum auch zu kaufen und man konnte sie sich natürlich signieren lassen.
Gregor Hoch, der Chef vom Hotel Sonnenburg. Bild: selbst
Kurz vor Beginn der Veranstaltung beschloss dann das Internet des Hotels, dass jetzt der bestmögliche Zeitpunkt war, den Riemen von der Orgel zu schmeißen und der Stream auf Twitch war wohl so tot wie Attila Hildmanns Vernunft. Doch Tommys Bruder, der mit der Aussicht auf einen Kurzurlaub auf dem Arlberg an den Ort des Geschehens gelockt worden war, brachte das in Ordnung. Er hielt auch die Technik für das Wochenende komplett am Laufen.
Nachdem nun also der Stream wieder lief, konnte es losgehen. Zur Eröffnung wurde dann gleich Gregor Hoch, der Chef vom Hotel, auf die Bühne geholt, der seine Sicht der Dinge erzählte, wie es zu der Convention kam. Er selbst ist begeistert von Büchern und der Wissenschaft. Da es in der Gegend ziemlich viele Hotels gibt, muss jedes schauen, was es für ein Alleinstellungsmerkmal hat. Er hat die Sonnenburg zum Literaturhotel gemacht, tatsächlich finden hier sehr viele Lesungen statt. Da auch ihm die ganzen Schwurbler, die allen möglichen Unsinn über Corona und die Impfung verbreiten, sauer aufstoßen, war er von der Idee einer solchen Convention begeistert. Um diese zu ermöglichen, hat er alle Gäste, von Tommy über Sofia bis hin zu Lydia Benecke für das Wochenende eingeladen. Sie bekamen also keine Gage, mussten aber immerhin nichts für das Hotel zahlen. Für uns Teilnehmer hatte das den Vorteil, dass für die Convention kein Eintritt genommen wurde. Nun muss man sagen, bei rund 70 Teilnehmern, aber 11 Gästen wäre dieser Preis ziemlich hoch gewesen, damit sich das rechnet. Außerdem muss man ja immer noch die Technik berücksichtigen, die Tommy über seine Filmfirma stellte. Das ließ sich so ausgleichen.
Gregor Hoch hatte das alles also mit möglich gemacht. Er erzählte außerdem noch, dass er – natürlich – doppelt geimpft war, sich trotzdem aber mit Corona infiziert hatte. Dank der Impfung hatte er allerdings nur einen leichten Verlauf. Also nochmal: Impfstoffe wirken!
Tommy Krappweis und Carsten Watzl. Bild: selbst
Dann traten zur Eröffnung alle Gäste auf, auch Lydia Benecke, die noch tief in der Nacht von einer anderen Veranstaltung aus Dresden gekommen war und sich auf dem Weg aufi auf’n Berg erstmal verfahren hatte. An diesem Tag gab es dann zuerst ein Panel mit Florian Aigner, anschließend wurde Martin Moder, der in Wien mit den „Sciencebusters“ auftrat, online zugeschalten. Das nächste Panel gehörte Carsten Watzl, bevor Hoaxilla das Nachmittagsprogramm bestreiten durfte: Alexander Waschkau war ein paar Jahre zuvor an der Produktion eines Interviewfilms mit Dr. Axel Stoll beteiligt, einem (Zitat Psiram) „Geologen, Autor, Betreiber eines Eigenverlags und Internetaktivist in Sachen Neuschwabenland-Mythos aus Berlin“. Der Film mit dem Interview wurde gezeigt, anschließend beantworteten er und seine Frau Fragen. Den Film konnte man neben dem Buch zum Film ebenfalls käuflich erwerben. Ich kannte den Film nicht und es war unglaublich, mit welcher Ernsthaftigkeit der Geologe hier von Reichsflugscheiben, einer geheimen Nazibasis in Antarktika und Zeitreisen erzählte. Es mag albern erscheinen, aber neben dem ganzen Geschwurbel, das Stoll in dem Interview von sich gibt, ist mir vor allem eine Szene im Gedächtnis geblieben: Stoll behauptet, mit Erich von Däniken befreundet zu sein, worauf zu von Däniken geschnitten wird, der völlig empört in die Kamera spricht, dass er Stoll nicht kenne. Von Däniken könne zwar nicht ausschließen, dass er Stoll mal begegnet ist, aber mehr als ein (Zitat) „Vis-à-Vis“ sei das dann nicht gewesen. Stoll ist also selbst anderen Menschen aus der „Szene“ zu peinlich gewesen.
Anschließend fand das erste „Meet and Greet“ statt, und zwar im Bereich der Rezeption des Hotels. Hier ist mir aufgefallen, dass ich meine Ausgabe von „Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl*“ von Florian Aigner leider zu Hause vergessen hatte. Also, keine Widmung – noch nicht! Was die Bücher der anderen betrifft, so hatte ich mir die immer auf die Wunschliste gesetzt, aber wie es manchmal so ist, keiner will es einem schenken und man selbst denkt nicht dran. Vielleicht fanden es meine Familie und meine Freunde etwas merkwürdig, dass ich ein Buch über Psychopathen wollte und hielten davon Abstand es mir zu schenken. Aber hier bot sich mir die Gelegenheit, meine Bibliothek aufzustocken. Zumindest theoretisch.
Der Konferenzsaal im Landhaus des Hotel Sonnenburg. Bild: selbst
In der Praxis war das so: Bedingt durch die Pandemie hatte ich regelmäßig kaum noch Bargeld bei mir. Mir war allerdings klar, dass jemand, der auf so einer Veranstaltung Bücher verkauft, vermutlich kein Kartenlesegerät zum bargeldlosen Bezahlen hat. Also wollte ich mir bei Gelegenheit genügend Bargeld holen, um mich mit Büchern einzudecken. Nun kenne ich mich selbst quasi seit meiner Geburt und sollte eigentlich wissen, dass ich irgendwas machen muss, damit ich mich an solche Kleinigkeiten erinnere, ein Knoten ins Taschentuch oder irgendwas. Ich hatte die ganze Woche bevor ich nach Österreich fuhr, kein Geld geholt. Auf dem Weg nach Österreich hielt ich dann auf der Raststation Bodensee Hörbranz aus mehreren Gründen, Toilette, essen, Pickerl kaufen, sowas eben. Auf dem Weg ins Gebäude entdeckte ich sehr zu meiner positiven Überraschung einen Geldautomat, den aufzusuchen ich mir vornahm, sobald ich alles erledigt hatte, was ich im Innern des Gebäudes tun wollte. Nachdem ich erfolgreich miktioniert, ein Pickerl besorgt und was zu essen hatte, verließ ich das Gebäude wieder – und vergaß, dass ich eigentlich noch Geld holen wollte. Das fiel mir erst auf der Autobahn wieder ein und ich hoffte, das ein so bekannter Ort wie Lech doch wohl auch einen Geldautomat haben würde.
Das Problem war nur: Ich war ja gar nicht in Lech. Und in Oberlech gibt es Hotels, Skipisten und eine Seilbahn. Dazu kommt, Oberlech liegt ein ganzes Stück oberhalb von Lech. Zu Fuß ist es zu weit, oder sagen wir mal, es bedarf einer längeren Wanderung und nachdem ich mal oben angekommen war, wollte ich nicht wieder mit dem Auto runterfahren. Doch als ich an der Rezeption nachfragte, ob ich irgendwo Bargeld herkriegen könnte, möglichst ohne einen unbedarften Wanderer überfallen zu müssen, hatten die eine Lösung parat, von der ich noch nicht gehört hatte: Ich konnte mir vom Hotel Geld auszahlen lassen, das dann auf meine Zimmerrechnung geschrieben wurde. Ausgezeichnet! Die Sonnenburg hat mir da das Wochenende gerettet.
An diesem ersten Tag ließ ich mir daher „nur“ erstmal eine spezielle Autogrammkarte unterschreiben mit den Bildern von allen. Beim „Meet and Greet“ konnte man die Gäste nochmal aus der Nähe erleben und so feststellen, dass Bernd Harder wirklich sehr groß ist. Es war sehr angenehm und die Runde bot tatsächlich auch die Möglichkeit, ein paar Worte mit jedem zu wechseln. Allerdings habe ich es vermieden, Holm Gero Hümmler zu erzählen, dass ich erst vor kurzem am CERN in Genf war, wo er im Rahmen seines Physikstudiums mal gearbeitet hat. Ich habe da lediglich eine Besuchertour mitgemacht, also nichts, was mich dazu qualifiziert, mit einem Physiker fachzusimpeln.
Am CERN in Genf…
Nach dem – wie bereits erwähnt sehr opulenten – Abendessen kam dann noch etwas besonderes: ein #Ferngespräch live, das natürlich auch auf Twitch übertragen wurde. Anschließend machten Tommy und sein Bruder noch Musik in der Bibliothek, doch da war ich schon im Bett. Leider hatte sich seit Freitag mein Weisheitszahn bemerkbar gemacht und er ist der Meinung, dass wir uns auseinander gelebt hätten. Aber wir können ja Freunde bleiben, wenn er ausgezogen ist. Die Trennung wird schmerzhaft werden, aber sie ist notwendig. Jedenfalls hatte mich das bewogen, unter dem Einfluss von Ibuprofen stehend schlafen zu gehen, was ich im Nachhinein etwas bereute, denn was ich am nächsten Tag so mitbekam, war es wohl ein toller Abend.
Das Landhaus des Hotel Sonnenburg. Bild: selbst
Teil 5: #Ferngespräch Convention 2021 – Tag 2
Der Sonntag begann ebenfalls mit einem Frühstück, bevor gleich mit einem Vortrag von Bernd Harder losgelegt wurde. Die Überschrift war „#Ferngespräch – Das Ungesagte“, und auf extrem humorvolle Weise lieferte er ein paar Fakten nach, die aus verschiedenen Gründen bei den „Ferngesprächen“ zu kurz gekommen waren. Anschließend trug Holm Gero Hümmler etwas dem Buch „Fakt & Vorurteil: Kommunikation mit Esoterikern, Fanatikern und Verschwörungsgläubigen*“ vor, das er zusammen mit Ulrike Schiesser geschrieben hat. In dem Buch stellt er fest, dass es doch einen Sinn hat, solchen Menschen zu widersprechen, wenn sie Unfug erzählen und gibt Tipps, wie man das angehen kann.
Tommy Krappweis und Lydia Benecke. Bild: selbstTommy Krappweis und Holm Gero Hümmler. Bild: selbst
Als nächstes war Lydia Benecke an der Reihe, die zum Thema „Wie Trickser sich Wissenschaftsskepsis und alternative Heilmethoden zunutze machen“ sprach. Es handelte sich um einen Vortrag, den sie schon auf der SkepKon gehalten hatte. Auf unangenehme Weise wurde ich an eigene Erlebnisse erinnerte, als Lydia von einer Foodbloggerin erzählte, die behauptete, an Krebs erkrankt zu sein, um zu „beweisen“, wie sie den Krebs allein mit ihrer Ernährung bekämpft. Es ist unglaublich, wie skrupellos manche Menschen sind, um Aufmerksam zu erlangen oder um anderen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Tommy Krappweis und Annika Brockschmidt. Bild: selbst
Doch der Vortrag von Annika Brockschmidt war nicht minder verstörend, die Passagen aus ihrem neuen Buch „Amerikas Gotteskrieger: Wie die religiöse Recht die Demokratie gefährdet*“ vorlas und dazu ein paar Zusatzinformationen gab. So räumte sie zum Beispiel mit dem Märchen auf, das die Evangelikalen gerne verbreiten, dass deren „heilige Mission“ mit dem amerikanischen Grundsatzurteil zur Abtreibung begonnen hätte. Im Gegenteil, am Anfang waren die Evangelikalen noch ganz einverstanden mit dem Abtreibungsrecht. Erst als sie feststellten, dass man mit dem Thema Bauernfängerei betreiben konnte, schrieben sie es sich auf die Fahnen und erfanden den Mythos, dass der Sohn eines evangelikalen Führers geweint hätte, als er begriffen habe, was Abtreibung sei und was das Urteil bedeute. Interessant, gab’s da nicht so ein Gebot in der Bibel, das explizit das Lügen verbietet? Es bestätigt mich in meiner eigenen Erfahrung, diejenigen, die am Christlichsten tun, sind die größten Heuchler vor dem Herrn (Pointe beabsichtigt).
Anschließend gab es das zweite „Meet and Greet“ direkt außerhalb vom Konferenzsaal auf der Terrasse mit einer grandiosen Aussicht. Inzwischen hatte ich mich mit Büchern eingedeckt und ließ sie mir signieren. Wieder hatte man die Gelegenheit, ein paar Worte mit den Gästen zu wechseln und es war einfach großartig.
Das Panorama vom Konferenzsaal aus. Bild: selbst
Dann war es aber auch schon Zeit für die „Closing Ceremony“, die große Verabschiedung, die noch ein paar Überraschungen bereithalten sollte. Tatsächlich gab es an dem Abend noch Programm, aber nicht wenige mussten – so wie ich auch – nach dem Abschluss wieder abreisen. Und was für ein Abschluss es war! Alle kamen nochmal zusammen und Preise wurden verlost. Schade, dass es zu Ende war. Mal sehen, wann es mir gelingt, wieder hier zu sein. Das Schwimmbad muss ich unbedingt ausprobieren. Und wer weiß, wenn ich selbst mal wieder etwas Literarisches rausbringe, vielleicht ist das sogar eine Location für eine Lesung.
Zurück zur Convention und dem Abschluss, denn nun kamen die Überraschungen. Von allen Beteiligten gab es noch ein Abschlusswort, doch die von Bernd Harder und Holm Gero Hümmler stachen hervor. Holm erzählte, wie er am „#Ferngespräch“ teilnahm und es ganz witzig fand, dass die Beteiligten für ihn aber mittlerweile Familie seien. Und das beziehe er nicht nur aufs Panel, sondern auch auf die Community. Es war das zweite Mal, das Tommy bei der Abschlusszeremonie sprachlos war.
Das erste Mal war bei Bernd Harders Schlusswort, das er vor Holms gab, das ich aus Gründen aber als zweites wiedergeben möchte: Bernd erzählte, dass ein Skeptiker sein eigentlich nicht immer angenehm sei, da die Skeptiker den Menschen immer nur Sachen wegnehmen, nämlich ihre Weltbilder. Sie beweisen, dass die Erde nicht flach ist oder bestimmte Heilmethoden nicht funktionieren und könnten das nicht füllen. Doch er habe erfahren, dass das nicht stimmt, denn man würde den Menschen doch etwas geben. Zum einen so eine Gemeinschaft wie die Community der „Ferngespräche“, achtsame Menschen, die gut miteinander umgehen. Und damit würde man noch etwas geben, nämlich das, was er „demokratische Herdenimmunität“ nannte, einen Widerstand gegen den Blödsinn und den Schwurbel, eine Immunität, die die Gesellschaft im Ganzen zu etwas besseren mache.
Nana Walzer. Bild: selbst
Ich möchte da gleich mit einsteigen und sagen, dass es sowieso nicht einseitig ist, denn auch die Schwurbler nehmen ihren – wenn ich sie mal so nennen darf – „Opfern“ etwas weg, nämlich die Vernunft und die vielen wundervollen Dinge, die das Leben in diesem Universum so bereithält. Erst vor kurzem habe ich einen interessanten Text eines Skeptikers gelesen, in dem er den Menschen, die an die „flache Erde“ glauben, ein paar interessante Fragen stellt. Unter anderem sowas wie „Wenn die Raumstation ISS gar nicht existiert, sondern nur eine Projektion ist, wo steht dann der Projektor? Und warum sehen wir die Strahlen von dem Projektor nicht, wenn die Nacht mal neblig oder bewölkt ist?“ Das brachte mich auf den Gedanken: Wenn ein Flacherdler glaubt, die ISS sei sowieso nur eine Illusion, dann kriegt er ja gar nichts mit von den vielen erstaunlichen Dingen, die wir herausfinden, wenn wir das Weltall erforschen. Alle diese Wunder werden ihm weggenommen und das Leben wird leer. Wenn die Skeptiker es schaffen, die Menschen gegen diesen Blödsinn zu immunisieren, dann behalten sie die Wunder – oder wenn sie eine Zeitlang den Schwurblern gefolgt sind, dann bekommen sie diese Wunder wieder. Dann müssen sie nichts mehr dazu erfinden, das Leben selbst ist erstaunlich genug.
Das gleiche findet man überall – ist es nicht erstaunlich, was die Medizin kann? Wir sind gerade dabei, Impfstoffe gegen Krebs zu erfinden, damit die Krankheit noch mehr von ihrem Schrecken verliert. Auch das wird den Menschen von den Schwurblern weggenommen und wenn es schlecht läuft durch einen frühen, schmerzhaften, grausamen Tod ersetzt.
In diesem Sinne haben die „Ferngespräche“ sehr viel erreicht. Wir dürfen uns jetzt nur nicht ausruhen. Und eine Veranstaltung wie die „#Ferngespräche Convention“ trägt sicher dazu bei. Ich hatte selbst ein paar sehr interessante Gespräche an diesem Wochenende, aber irgendwie habe ich keine Adressen oder sowas ausgetauscht (wo hatte ich nur meinen Kopf?). Aber immerhin, wenn ich das nächste Mal im Twitch-Stream von WildMics bin und verschiedene Chatnamen entdecke, habe ich eine Vorstellung davon, wer dahinter steckt. Es war richtig schade, dass ich die Veranstaltung zu diesem Zeitpunkt schon verlassen musste und damit eine Spezialausgabe von „#AlleBekloppt“ verpasste. Außerdem hätte ich gerne noch so eine oder zwei oder drei Nächte in diesem wunderbaren Bett verbracht und im Hotel mal das Schwimmbad oder die Massageabteilung ausprobiert. Ich bin kein Skifahrer, aber ich denke, ich muss da irgendwann irgendwie nochmal hin.
Also, liebe Leserin, lieber Leser, wenn Du noch kein „#Ferngespräch“ miterlebt hast und dieser viel zu lange und ausführliche Bericht Dich neugierig gemacht hast, dann schau doch mal rein, immer Dienstags bei den WildMics auf Twitch. Und ganz egal, ob Du zum ersten Mal dabei bist oder regelmäßig zuschaust, vielleicht sehen wir uns mal im Chat.
Wichtig ist nur, dass wir weitermachen mit der „demokratischen Herdenimmunität“, gerade in den Zeiten der Pandemie. Denn wie heißt es in einem Epos so richtig?
Es ist noch nicht überstanden!
Prinzessin Leia Organa in „Star Wars Episode IV: Eine neue Hoffnung“
Teil 6: Anhang
Hier nochmal zusammengefasst die wichtigsten Links und Hinweise auf Bücher. Die mit „*“ gekennzeichneten Links sind so genannte „Affiliate-Links“ und führen auf die Webseite von Amazon, dafür gibt’s eine kleine Vermittlungsgebühr für mein Projekt. Wer das doof findet (oder Amazon allgemein doof findet), schreibe sich den Titel des entsprechenden Buches auf und besorge es sich bei der Buchhandlung seiner / ihrer Wahl. Wichtig ist nur: Diese Bücher helfen bei der demokratischen Herdenimmunität, egal wo Ihr sie herkriegt. Weitere Links befinden sich auch oben im Text.
1 Einer der beiden Sketche ist mir hängengeblieben, weil hier – vermutlich weil „RTL Samstag Nacht“ Jubiläum hatte – die echten Darsteller aus „Derrick“, Horst Tappert und Fritz Wepper auftraten und auf ihre Parodie-Ebenbilder trafen. Nachdem es etwas Verwirrung gab, weil ja nun zwei „Stefan Derricks“ und zwei „Harry Kleins“ auf der Bühne standen, löste sich das auf, indem Tappert sagte: „Ich heiße eigentlich gar nicht Stefan, ich bin der Horst.“, worauf Wepper erwiderte: „Ich bin auch gar nicht der Harry, ich bin der Fritz.“, Tommy (als Harry Klein): „Und ich auch nicht der Harry, ich bin der Tommy.“ Nur Stefan Jürgens (als Derrick) betonte: „Aber ich bin und bleibe Stefan!“ Der zweite Sketch ist eine Diskussion zwischen Derrick und Klein über die Namen der beiden, der ging ungefähr so (Wiedergabe aus dem Gedächtnis):
Klein: Du, Stefan?
Derrick: Ja, Harry?
Hast Du eigentlich einen zweiten Vornamen?
Harry, Harry.
Dein zweiter Vorname ist Harry-Harry, Stefan?
Nein! Mein zweiter Vorname ist Harry… Harry.
Ach so.
Du, Harry?
Ja, Stefan?
Hast Du auch einen zweiten Vornamen, Harry?
Stefan, Stefan.
Dein zweiter Vorname ist Stefan-Stefan?
Nein. Mein Name ist Harry Stefan Klein, Stefan Harry Derrick.
Meine Mutter… die nannte mich immer „Klein-Stefan“.
Ach so.
Du, Harry Stefan?
Ja, Stefan Harry?
Hol schon mal den Wagen.
2 Das klingt jetzt ziemlich despektierlich, ist es aber nicht gemeint. Das „Spiel“ war ziemlich eindeutig nach dem Vorbild des Computerprogramms „Monty Python’s Complete Waste of Time“ gestaltet, eigentlich gab es keine Handlung, sondern man rief auf Mausklick die bekanntesten Sketche und ähnliches aus der Serie auf (so betrauerte Stefan Jürgens zum Beispiel Karl Ranseier wieder und wieder oder Mirko Nontschew gab den „Märchenmänn“).
3Für jene, die das nicht wissen: Ich trinke keinen Alkohol. Mein ganzes Leben lang musste ich mich dafür rechtfertigen, dass ich es ablehne, mir mit einem Neurotoxin die Hirnzellen wegzuschießen. Das ist meine Entscheidung. Ich habe noch nie versucht, irgendjemanden vom Alkohol wegzubringen. Warum kann man mich umgekehrt nicht in Ruhe lassen?
Als ich noch in die Schule ging, war ich Mitglied der dortigen Schülerzeitung. Und wie es so ist, wenn man Teenager ist, so langsam beginnt man die Welt um sich herum anders zu begreifen als vorher. Zum Beispiel wurde mir unter anderem durch die Werke von Günter Wallraff bewusst, dass die so genannte BILD-„Zeitung“ kein harmloses Quatschblatt ist, das halt ab und zu mal übertreibt und hauptsächlich als Unterhaltung anzusehen ist, sondern dass dort Menschen hauptberuflich wahre Ereignisse in ihren Berichten verdrehen und verfälschen und so auch schon Existenzen vernichtet haben.
Da ich selbst in meiner Kindheit in einem Haushalt aufwuchs, in dem in den 1970er Jahren diese „Zeitung“ jeden Tag auf dem Wohnzimmertisch lag, hatte ich auch ein paar unangenehme Erinnerungen, denn das, was ich als Kind dort las, machte mir Angst. Später begriff ich, dass das natürlich die Absicht der Schreiberlinge dieses Pamphlets war. Es ging nie darum, Fakten zu vermitteln, sondern Emotionen. Sehr genau wurde vorgeschrieben, was man zu empfinden hatte. Person X böse. Habt Angst vor Minderheit Z! Politiker Y gut. Und falls sich jemand fragt, wer das Fundament für die Verschwörungsmythoswirrwutzis (zumindest mit)gelegt hat, die der Gesellschaft heute so Probleme machen, der findet auch hier die Antwort: Wie selbstverständlich hat die so genannte BILD-„Zeitung“ wirrsten Unsinn als wahre Tatsachen verkauft. Ich erinnere mich noch an die Schlagzeilen anlässlich der „Planetenparade“, die irgendwann in den 1970ern stattfand. Bei diesem Ereignis stehen alle Planeten unseres Sonnensystems in einer Reihe hintereinander, wie Perlen auf einer Schnur. Da die Umlaufzeiten der einzelnen Planeten sehr unterschiedlich sind, kommt so ein Ereignis nur sehr selten vor. Und wenn man es genau nimmt, passt das Bild nicht so richtig, denn wirklich „direkt hintereinander“ standen die Planeten wohl nur bei einem Ereignis im Jahr 1128, bei allen anderen Paraden waren sie „dicht zusammen“ (und wer sich mit Astronomie beschäftigt, der weiß, dass „dicht zusammen“ in astronomischen Maßstäben immer noch verdammt weit von einander entfernt ist). In BILD gab es damals mehrere Artikel, an die ich mich noch gut erinnern kann, weil sie darüber spekulierten, was das Ereignis bedeuten könnte: ERDBEBEN!! FLUTEN!! KATASTROPHEN!! UND WAS NOCH??? Denn wenn die Planeten alle so dicht zusammen sind, dann beeinflussen sie sich gegenseitig!! Wer’s nicht glaubt, der soll doch das BILD-Horoskop lesen, da wird ja auch davon berichtet, wie die Planeten das Leben der Menschen beeinflussen!!1 Gewaltige Kräfte wirken auf die Erde ein und wer weiß, was dann passiert.
Naja, BILD hätte nur mal ernsthafte Astronomen fragen müssen, dann hätten sie gewusst, was passiert: Nichts. Auch wenn die Planeten so nah zusammen kamen wie schon lange nicht mehr, waren sie doch immer noch weit genug von einander entfernt, als dass sie sich beeinträchtigen könnten. Aber das gab halt keine schmissige Schlagzeile. Wobei das doch mal nett wäre, ein Schlagzeile im Stil von: ASTRONOMEN SICHER: „PLANETENPARADE“ WIRD UNSER LEBEN NICHT BEEINTRÄCHTIGEN! ALLES WIRD SO SEIN WIE IMMER!
Regelmäßig wurde damals auch von Außerirdischen berichtet, die die Erde besuchten und sogar Lebenstipps gaben. In einem Bericht sollen die Außerirdischen einem Zeugen zugerufen haben: „Was als Krebs bekannt ist, kommt von den Zähnen.“ Raffiniert, was? Eine Aussage, die konkret genug erscheint, so dass sie wirklich eine Hilfe sein könnte, auf der anderen Seite aber wiederum zu vage ist, als dass man irgendwas damit anfangen könnte. Natürlich alles Unsinn, wer sich ernsthaft damit beschäftigt weiß, dass es „den Krebs“ nicht gibt, sondern dass unter diesem Begriff viele unterschiedliche Tumorerkrankungen zusammengefasst sind. Deren Ursachen sind genauso unterschiedlich. Aber unabhängig davon blieb natürlich bei manchen Menschen eines hängen: Außerirdische haben die Erde besucht und sind real. Wundert sich da noch jemand, dass die übelsten Verschwörungsmythen, die eigentlich manchmal eine ganz gute Science-Fiction-Geschichte ergeben würden, als Wahrheit in den entsprechenden Kreisen verbreitet werden? Der YouTuber „Bücheronkel“ nimmt es regelmäßig auf sich, solche wirren Geschichten zu lesen und satirisch einzuordnen, zum Beispiel, wenn „Trump und die Außerirdischen … weltweit Kinder [retten]“ (Video vom Bücheronkel, hier Video bei der GWUP mit weiterführenden Links).
Dass dieser Quatsch Schaden anrichtet und angerichtet hat, ist eine Sache. Es gibt aber noch etwas, das wesentlich dunkler ist – sozusagen die dunkle Seite der dunklen Seite der Macht. Deswegen darf in dieser Aufzählung natürlich Heinrich Bölls berühmtes Werk „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (Untertitel: „Wie Gewalt entsteht und wohin sie führen kann“) nicht vergessen werden, das die bekannte Vorbemerkung enthält:
Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.
Heinrich Böll: Die verlorene Ehre der Katharina Blum, dtv Verlagsgesellschaft, 1. Edition (1. Januar 1976), ISBN 978-3423011501
Böll hat die Methoden dieser „Zeitung“, die er selbst am eigenen Leib erfahren musste, in seinem Roman dargestellt. Günter Wallraff hat in späteren Büchern (die Trilogie „Der Aufmacher – Der Mann, der bei BILD Hans Esser war“, „Zeugen der Anklage“ und „Das BILD-Handbuch“) bestätigt, dass es sich hierbei nicht um Versehen oder schlampige Arbeitsweisen handelt, sondern um Vorsatz. Es werden eben nicht nur hanebüchene Geschichten geschrieben, sondern tatsächliche Ereignisse verdreht und zurechtgebogen, um einem widerwärtigen Narrativ zu folgen. Es wird ein Feind ausgemacht und eine Geschichte dazu erzählt. Wenn die Fakten nicht passend, werden diese entweder passend interpretiert oder auch einfach erfunden.
Daher darf last but not least genauso natürlich eines der bekanntesten Zitate in dem Zusammenhang nicht fehlen:
Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun.
Max Goldt über die Bildzeitung, Mein Nachbar und der Zynismus, in: Der Krapfen auf dem Sims, Alexander Fest Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-8286-0156-1, Seite 14
Warum schreibe ich das aber alles? Ganz einfach: Als ich damals alle diese Texte über die Arbeitsmethoden dieser „Zeitung“ las und mich daran erinnerte, wie real für mich als junger Jugendlicher die absurden Ängste waren, die in den Artikeln geschürt wurden, da verfiel ich der Illusion, dass das irgendwann ja mal vorbei sein muss. Wie kann es sein, dass ein Schmierblatt permanent das Leben und die Existenz von Menschen in den Dreck zieht und / oder vernichtet und ungeschoren davon kommt? Als ich älter wurde, in den 1980er Jahren, zeichnete sich die kommende Informationsgesellschaft bereits ab und auch in meinem Freundeskreis herrschte die Hoffnung, dass die Gesellschaft sich weiterentwickelt und sich derartiges von selbst erledigt.
Als vor einigen Jahren das „BILDblog“ gegründet wurde, war das ein erstes Zeichen, das sich das Thema nicht nur nicht „erledigt“ hatte, sondern immer noch relevant war. Die Reaktion einiger Redakteure der BILD-„Zeitung“ sprach dann auch Bände, denn trotz aller Beweise des Gegenteils wurde stramm behauptet, in den Artikeln dieses Machwerks würde nicht gelogen. Und jetzt geht es leider weiter. BILD macht ab morgen Fernsehen. Oder besser gesagt, „Fernsehen“, um im Bild zu bleiben (Pointe durchaus nicht unbeabsichtigt). Wir laufen damit tatsächlich Gefahr, anstatt einer fortgeschrittenen Gesellschaft, die vielleicht auch mal wieder zivile Diskurse über Meinungsverschiedenheiten führt, die deutsche Variante der amerikanischen Dreckschleuder „Fox News“ zu kriegen. Wie schlimm es ist und wieviel schlimmer es noch kommen wird, berichten Mats Schönauer und Moritz Tschermak bei Übermedien unter dem Titel: „Das kommt dabei heraus, wenn ‚Bild‘ Fernsehen macht„. Es handelt sich dabei um einen Auszug aus ihrem Buch „Ohne Rücksicht auf Verluste – Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet“. Und mit einem Zitat aus diesem Buch möchte ich diesen Artikel beenden:
Das hat sie offensichtlich nicht daran gehindert, heute mit dem „Todesdrama bei Familie Jauch“ aufzumachen und um den bigotten Zusatz „Traurige Weihnachten für den TV-Liebling“ zu ergänzen. Mit Verlauf: Ich verbringe kein trauriges Weihnachten, aber insbesondere meine Frau und unsere Kinder sind über Ihre Berichterstattung traurig, entsetzt und sehr wütend. Mit dieser Art widerlichen Voyeurismus knüpfen Sie an die dunkelsten Zeiten der BILD an, die ich inzwischen für überwunden hielt.
Günther Jauch in einem Brief an BILD-Chefredakteur Julian Reichelt, zitiert nach Mats Schönauer, Moritz Tschermak: Ohne Rücksicht auf Verluste. Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet, Kiepenheuer und Witsch 2021, ISBN 978-3462053548, Seite 8
Nicht nur Sie, Herr Jauch, ich hatte auch gedacht, dass diese Zeiten überwunden seien. Stattdessen haben wir den Rückwärtsgang eingelegt und fahren mit Karacho darauf zu. Helft bitte mit, die Notbremse zu ziehen, bevor wir an die Wand fahren. Klärt darüber auf, was passiert. Der Artikel bei Übermedien ist dabei eine Hilfe, das dazugehörige Buch natürlich auch, genauso wie das BILDblog.
Das Buch von Mats Schönauer und Moritz Tschernak kann man hier bestellen: Ki-Wi Verlag (das ist kein Affiliate-Link, er führt direkt zur Seite des Verlags Kiepenheuer und Witsch – der Betreiber dieser Webseite erhält dafür nichts… außer vielleicht ein paar Karmapunkten, falls Ihr an dergleichen glaubt).
1= Bevor es zum Aufschrei kommt, nein, die Verbindung zwischen den Katastrophen, die die „Planetenparade“ angeblich verursachen soll und dem täglichen Horoskop in der BILD-„Zeitung“ hat nicht die „Zeitung“ selbst hergestellt. Das habe ich hier als Witz geschrieben, denn es ist völlig gleich. Die Horoskope solcher Tageszeitungen werden nicht „ermittelt“ (oder wie auch immer die Astrologen auf ihre ständig falschen Vorhersagen kommen), die saugt sich eine Schreibkraft aus den Fingern.
Liebe Leserin, lieber Leser, ich weiß nicht, ob Dir ein Mann bekannt ist, der sich selbst „Crazy Russian Hacker“ nennt. Falls nicht, möchte ich ihn gerne vorstellen. Sein bürgerlicher Name – zumindest wenn man der englischen Wikipedia trauen darf – ist Taras Vladimirovitsch Kulakov, kurz Taras Kul. Er wurde 1987 in der Ukraine geboren, also noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs. 2006 kamen er und seine Familie in die USA. 2009 richtete er seinen ersten YouTube-Kanal ein. Seither sind noch zwei weitere Kanäle dazu gekommen, der erfolgreichste hat im Moment 11 Millionen Abonnenten.
Ja, ich höre es schon: „Alles schön und gut, aber warum erzählst Du das?“ Weil ich dem Kanal seit längeren folge, seine Veränderungen miterlebt habe und auch den Sturz in ein Loch, das man als „Kaninchenbau des Extremkapitalismus“ bezeichnen kann. Taras Kul hat auf seinem Kanal „CrazyRussianHacker“ mit Wissenschaftsexperimenten und so genannten „Life Hacks“ angefangen, das hat sich aber mittlerweile drastisch geändert. Heutzutage zeigt er Dinge, die er auf eBay oder AMAZON gekauft hat und testet diese. Immer häufiger sind da allerdings sehr merkwürdige Sachen dabei. Und immer häufiger fallen ziemlich hohe Beträge. Da werden mal eben „Junk Drawers“ (also eine ziemlich wüste Sammlung von Sachen, die andere Leute nicht mehr haben wollen) im Wert von mehreren hundert Dollar gekauft. Immer wieder sind auch Edelmetalle dabei, Silber, Gold und Platin.
Die Sache, der ich aber diesen Artikel widmen möchte, ist etwas, das schon etwas länger her ist und mich ehrlich gesagt ziemlich sprachlos zurückgelassen hat. Wenn man die Geschichte des Kanals verfolgt, stellt man fest, dass Taras Kul ganz im Kapitalismus amerikanischer Prägung aufgegangen ist. Wie schon erwähnt wird eingekauft, was das Zeug hält und in Videos präsentiert. Dabei kann es sein, dass er auch mal mehrere Videos täglich zu YouTube hochlädt. Hier habe ich mich schon gefragt, was er mit dem ganzen Krempel macht. Es gibt Dinge, von denen er explizit sagt, dass er sie behält (er sammelt zum Beispiel Messer), aber gerade wenn er die Testvideos macht, sind auch Dinge dabei, die nicht oder nicht gut funktionieren. Was passiert mit diesen Sachen?
Außerdem sammelt er Münzen, vorzugsweise echte Silbermünzen. Vor einiger Zeit präsentierte er allerdings einen Geldschein, den er auf eBay erstanden hatte. Es handelte sich dabei um eine Tausend-Dollar-Note. Er hat sie für das vierfache des Nominalwertes erstanden.
Ja, lasst das mal sacken: Da ist ein Mensch, der ein Stück Papier, auf dem drauf steht „Wer dieses Papier im Laden zeigt, kriegt Waren und Dienstleistungen im Gegenwert von tausend Dollar.“, für 4000 Dollar gekauft. Glaubt Ihr mir nicht? Hier ist das Video, in dem er den Schein zu einem Münzladen bringt, um ihn schätzen zu lassen. Bei Sekunde 13 sagt er, wieviel er dafür bezahlt hat. Aber das ist ja noch nicht alles. Der Münzladen hat den Schein zum Schätzen eingeschickt, damit festgestellt wird, was er einem Sammler in diesem Zustand wert ist.
Was zur Hölle ist das? Kapitalismusception? Geld wurde ursprünglich mal erfunden, damit man nicht immer die Tauschgüter umrechnen und sich fragen muss, wieviel Hühner wohl ein Schwein ergeben. Es war ein Mittel zum Zweck. Aber jetzt ist die Menschheit soweit, dass ein bedrucktes Blatt Papier, auf dem steht „Eine Kuh Wert“ gegen vier Kühe eingetauscht werden kann, weil das Blatt Papier besonders schön aussieht und es noch nicht so viele Leute in der Hand hielten? Vor allem finde ich den Unterschied krass: Kul kauft ja eben auch Goldbarren und Silbermünzen. Die haben einen echten Materialwert (der ebenfalls durch die Knappheit dieser Materialien bestimmt wird, aber das ist nochmal was anderes). Wenn er beispielsweise eine dieser Münzen einschmilzt, hat er Silber mit einem gewissen Gegenwert. Der Tausend-Dollar-Schein ist und bleibt ein Stück Papier. Es handelt sich nicht einmal um ein Kunstwerk. Kein Rembrandt oder Picasso hatte ihn in der Hand und hat ihn bemalt. Er stammt aus einer Druckerpresse, so wie viele andere Scheine auch. Der Staat garantiert, dass man Waren und Dienstleistungen für das Stück Papier bekommt – in der Höhe des aufgedruckten Betrags. Aber offenbar gibt man inzwischen gern viel mehr Geld aus, um nominal weniger Geld zu haben. Es ist nicht zu fassen.
Ach übrigens, ich hätte da ein besonderes Angebot: Einen Fünf-Euro-Schein aus meiner Geldbörse, zusammengefaltet. Stammt aus der Zeit von vor der Pandemie! Ja, seit Beginn der Pandemie zahle ich hauptsächlich bargeldlos, seither blieb dieser Schein unberührt in meinem Geldbeutel. Er ist kunstvoll geknickt, und zwar von mir selbst. Das zusammen macht ihn unglaublich wertvoll. Und zwar so ungefähr… 55 Euro pro Monat. Wer sich auf unserer Patreon-Seite (klick hier) für das Level „Sinnlos. Völlig sinnlos.“ anmeldet, der bekommt den Schein zugeschickt, auf Wunsch auch mit Autogramm (von mir). ABER SCHNELL MACHEN !!!!einself!!!! Schließlich gibt es diesen Schein NUR EINMAL!!!
Das dreimal verfluchte Leistungsschutzrecht hält uns hier davon ab, Druckerzeugnisse aus Deutschland zu verlinken, da wir nicht der Ansicht sind, dass man Troll-Verhalten durch die Verleger auch noch honorieren sollte. Das ist schade, denn manchmal gibt es in der deutschen Presselandschaft sehr gute Artikel.
Nun ist aber ein sehr guter Artikel in der Schweizer Presse erschienen, der sich um den politischen Troll kümmert. Da die Schweiz nichts mit den Desaster des Axel Voss und seinem dämlichen Gesetz zu tun hat, wollen wir voller inniger Freude auf dieses lesenswerte Stück hinweisen.
Wie der Titel verrät, geht es um den Troll in der Politik. Constatin Seibt erzählt den Werdegang des Trolls von einem unangenehmen Zeitgenossen in der Gesellschaft zu einem unangenehmen Zeitgenossen in der Politik. Wir empfehlen dringend, den Artikel nicht nur zu lesen, sondern fleißig zu teilen!
Die Folge ist, dass Trollpolitiker nicht nur wie Schurken in Superheldencomics reden – sondern beinah genauso unzerstörbar sind. Sie können sich fast wöchentlich Dinge leisten, die noch vor wenigen Jahren genügt hätten, eine politische Karriere zu beenden: Steuerhinterziehung, Lügen, Unwissen, Grausamkeit, Inkompetenz, Seitensprünge, Prahlerei, Beleidigungen, Bestechlichkeit, sexuelle Übergriffe – was auch immer.
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