Der lange Tod der Sprechblase

Es hat nie mehr Erfolge gefeiert weltweit. Es ist Quelle der Inspiration für Hollywoods Filmindustrie und führte zu neuen ästhetischen Durchbrüchen. Es ist geradezu ein Garant für Blockbuster. Und es war noch nie so totgeweiht wie heute. Die Rede ist vom Comic.

20 Jahre früher: Ich stehe im Nebengang eines Spar-Supermarktes im tiefsten Franken. Vor mir stapeln sich auf einem kleinen Metallregal die wundersamsten Bildergeschichten. Da gibt es neben den bekannten Vertretern aus Entenhausen, die mir als Donald Duck, Micky Maus(!), Lustige Taschenbücher, Mickyvision und Panzerknacker-Geschichten entgegenlachen, auch eine ganze Reihe weiterer farbglänzender Entführer in andere Welten. Da sind die Cowboys und Hunde aus Bessy, Lederstrumpf und Silberpfeil, sekundiert von ihrem großen Bruder Lucky Luke. Da lauern hinter vielversprechenden Titelbildern grässliche Gestalten in den Gespenstergeschichten und bei Graf Dracula. Da reitet der Exot unter den Comics, so ritterlich, dass er nicht einmal Sprechblasen braucht: Prinz Eisenherz. Da warten allerlei Tiere mit ihren Geschichten auf, sei es nun Biene Maja, Fix und Foxi, Tom und Jerrry, oder Barbapapa. Einsam verteidigt Captain Future, bullaugiger Traumheld meiner Kindertage, die Nische der Science-Fictionbildergeschichten gegen Möchtegern-Emporkömmlinge wie die Krieg-der-Sterne-Comics. Clever und Smart bringen wie immer das nackte Chaos in die Welt. Und der Condorverlag stopft noch ungeniert sämtliche Helden des Marvel-Universums in viel zu enge Taschenbücher, nicht selten auch wild durcheinander, sei es Spiderman (damals schlicht „Die Spinne“ genannt), der Hulk oder die Fantastischen Vier.

So prachtvoll und vielfältig war damals das Comicregal eines kleinen Lebensmittelmarktes in einem 2000-Seelenkaff sortiert. Comics waren noch eindeutig Kindersache. Lediglich einige wenige Erwachsene, verschrobene Vögel und Nostalgiker mit dicken Brillengläsern, kauften irgendwelchen seltsamen Comicbände, die wir Kinder nur selten ehrfürchtig betrachteten, die „teuren“ Comics wie etwa Elfenwelt oder Tim und Struppi.

Dann gab es den Boom der 90er. Mit der Offensive des Panini-Verlags, dem Vorstoß des Disney-Konzerns in die europäischen Lande mithilfe ihrer gefürchtetsten Waffen, einem Vergnügungspark und eigenen TV-Sendern, mit Aufkommen des Privatfernsehens und ihren günstigen Ausstrahlungsminuten durch billige Zeichntrickserien wurden Comics in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gerückt. Junge Erwachsene eroberten den Comic-Markt für sich. Sie sahen keine Veranlassung, mit dem Lesen von Comics aufzuhören, nur weil sie älter waren. Mit höherem Alter und mehr Geld wuchs auch der Anspruch. Aus Frankreich gelangten immer mehr hochqualitative Werke auf den deutschen Markt. Der in Amerika seit vielen Jahren schwelende Krieg zwischen den beiden Superhelden-Schmieden Marvel und DC wurde nun endlich auch in Deutschland weiter ausgefochten. Batman löste 1989 eine richtige kleine Revolution aus, Hollywood entdeckte Comics als Quelle für neue Geschichten.

Zurück in die Gegenwart: Matrix, Road to Perdition, The Crow, Sin City, V wie Vendetta, 300, Crying Freeman. Sie alle basieren auf Bildergeschichten. Die Filme sind längst Teil unserer Popkultur. An die Comics kommt nur, wer sich in der Szene auskennt. Was ist passiert?

Die Comicszene schrumpft. In einer Großstadt wie München gibt es noch genau zwei Comicläden, Spezialgeschäfte abseits der großen Verkaufsmeilen. In Supermärkten bekommt man nur noch Mickey Mouse und Lustige Taschenbücher in knallig-verwirrenden Neuauflagen. In großen Bücherläden fristen die Comics ein trauriges Dasein: Eingezwängt in der Kinderecke zusammen mit der Abteilung „Humor“, wo Hägar, Garfield und Co. sich mit Axel Hackes Büchern den Platz teilen. Aus der stolzen Bildergeschichten lesenden Generation der 90er wurde wieder die Lesergemeinde der 80er: Exoten und Nostalgiker mit dicken Brillengläsern.

Dabei sollte man denken, das Timing könnte besser nicht sein. Spiderman – einer der erfolgreichsten Superheldenfilme aller Zeiten. Menschen, die noch nie ein Marvel-Comic in Händen gehalten haben, diskutieren plötzlich munter darüber, ob Wolverine cooler ist oder Batman. Und ob es okay ist, Cyclops sterben zu lassen, weil er doch laut Vorlage noch lebt. Als Comic-Fan der ersten Stunde schwirrt mir da schon mal der Kopf. Dennoch: Die Verkaufszahlen gehen beständig zurück. Lediglich Mangas verkaufen sich weiterhin besser und besser. Selbst altgediente Helden wie Garfield und Asterix sind aus den Geschäften verschwunden. Sind wir müde geworden? Ist der Ruf der Comics so schlecht, das damit verbundene Image zu uncool? Wird die Lust auf Bilder durch TV und Internet bereits so sehr befriedigt, dass Comics überflüssig werden? Oder liegt es an der Abwärtsspirale, die Comics immer teurer werden lässt, weswegen weniger sie kaufen, weswegen sie noch teurer werden, weswegen weniger gekauft werden, wodurch…

In einem Versuch, neue Leserschaften anzusprechen, bringt der Carlsen-Verlag seine Tim&Struppi-Comics als günstige kleine Taschenbücher heraus. Tim, in kleine Bilder gequetscht. Wie Peter Parker damals bei „Die Spinne“. Der Kreis schließt sich.

5. OT-Treffen der Phoenix

Alle Jahre wieder kommt es im Frühjahr: Das so genannte Out-Time-Treffen der Phoenix. Vom 11.-13.April findet wieder unser gemütliches Beisammensein statt, und zwar in München. Dahinter steckt folgendes: Bei Liverollenspielen steckt man ja in seiner Rolle, hat im Idealfall unglaublich viel zu tun und hat daher keine Zeit, so gern man es auch möchte, mit guten Freunden, die man schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen hat, ein paar ausführlichere Worte zu wechseln. Weil es uns aber besonders wichtig ist, dass man auf der Phoenix auch außerhalb des Spiels Freundschaften pflegt, treffen wir uns traditionell im Frühjahr zu Speis und Trank, Spiel gibt es dann keines. Stattdessen blicken wir sentimental zurück auf das, was hinter uns liegt und blicken gespannt auf das, was uns noch bevorsteht. Wir planen und diskutieren, vor allem aber haben wir eine Menge Spaß, spielen komische Spiele, essen ungesundes Zeug und trinken bis wir nicht mehr durstig sind.

Obwohl das Phoenix-Treffen grundsätzlich ein Mitglieder-Treffen ist, haben wir für Freunde der Gruppe immer ein Plätzchen frei *hint, hint* Am Freitag gibt es einen zwanglosen Spieleabend, der, je nach Zahl der Übernachter, in eine kuschelige Pyjama-Party münden dürfte. Samstag ist dann der große Kerntag, da gibt es den ganzen Tag lang Spannung, Spaß und Schokolade. Am Sonntag klingt das Wochenende bei gemütlichem Brunch aus.

Solltest du dich bei der Bezeichnung „Freunde der Gruppe“ angesprochen gefühlt und nächste Woche Zeit und Lust haben, wäre es günstig, wenn du dich kurz per E-Mail melden könntest, damit organisatorische Dinge wie Übernachtung, Reservierung bei Brunch, etc. geplant und besprochen werden dürfen.

Phoenix flieeeeg!

Informationen zur Phoenix gibt es auf www.phoenix-larp.de

Neues vom Neuen

Kaum hat mich der glorreiche Initiator gefragt, ob ich nicht Lust hätte, auch einige Einträge in seinem wundervoll geistreichen Blog zu hinterlassen, schon leiste ich dieser Anfrage 5 Monate später Folge. Das ist Effizienz! In diesem Sinne: Hier bin ich!

Wie die Chefredaktion korrekt bemerkt hat, ist der Begriff Science Fiction dem Tod geweiht, eine bedrohte Spezies. Für die Buchläden scheint dieses Genre mittlerweile ein ungeliebter Freund zu sein: Man lädt ihn schon noch auf die Parties ein, aber eigentlich steht er nur hinten im Eck und deprimiert die anderen Bücher, weil keiner ihn lieb hat. Auch in meinem Hugendubel, ein Laden, der es sonst wie kein zweiter versteht, mich für Geld glücklich zu machen *hüstel*, wurde mittlerweile der Bereich Science Fiction „der besseren Übersicht wegen“ mit im Fantasy-Bereich eingeordnet. Dort lustwandeln einige Klassiker von Arthur C. Clarke und Dan Simmons im obersten Regal, was nur bedeuten kann, dass der durchschnittliche Science Fiction-Leser 1,90m aufwärts sein muss. Lediglich eine Sparte hält sich tapfer: Star Wars! Für mich persönlich ist Star Wars allerdings eher Fantasy. Ich bin nicht so verbohrt, dass in einer Sci Fi-Geschichte jedes Detail wissenschaftlich haltbar sein muss – wenn da steht, das Gerät teleportiert Menschen, dann teleportiert es eben Menschen – aber die mystischen Elemente ziehen Star Wars deutlich mehr in den fantastischen Bereich. Mehr noch in den fragwürdigen Prequels, aber über die muss man sowieso nicht groß reden, ich empfehle diesbezüglich einen kürzlich erschienenen Artikel auf Spiegel.de in der Rubrik „Eines Tages“.

Haarsträubender wird es bei Amazon. Rufe ich hier den Bereich „Bücher – Science Fiction, Fantasy und Horror – Science Fiction“ auf, bekomme ich eine Liste mit Empfehlungen. Es beginnt mit Douglas Adams. So weit, so gut. Star Wars, Perry Rhodan, Warhammer 40k, Artemus Fowl… Moment! Artemus?! Der kleine Möchtegern-Potter, der mit Trollen kämpft und lässig Schätze klaut, hat mit Science Fiction etwa so viel zu tun wie Lindsay Lohan mit Talent. Gleich darunter: Die Romanreihe um World of Warcraft. Stardust von Neil Gaiman (ein hervorragendes Buch, nebenbei, nur leider vom Schlüsselreiz-Wort „Star“ abgesehen so futuristisch wie das Dschungelbuch). Und Wicked – das Buch zum Musical. Zugegeben – in „The Wizard of Oz“ gibt es den Blechmann, den George Lucas neben der Roboterfrau aus Metropolis als Inspirationsquelle für C-3PO nennt, doch das macht Wicked noch nicht wirklich zu Sci Fi-Material.

Ich kenne es ja auch von meiner Larp-Gruppe (schamlos Werbung mach). Wenn ich sage, dass wir eine Sci Fi-Larpgruppe sind, wenn ich vielleicht sogar erwähne, dass unsere Wurzeln im Star Trek-Universum liegen, sehe ich von meinem Gegenüber nur noch eine sich allmählich verflüchtigende Staubwolke in der Luft schweben. Daher verwende ich eher Begriffe wie „Endzeit“ oder „futuristisches Szenario“. Natürlich: Fantasy ist der Platzhirsch im LARP-Bereich, die große Rampensau, an der keiner vorbei kommt. Aber da ist man auch unkritischer. Fantasy ist massentauglich. Sci Fi – das hat diese Aura von Wissenschaft, von Wissen, das man haben muss, von Unzugänglichkeit. Bei Fantasy-LARP kocht jeder sein eigenes Süppchen, der eine spielt den Froschkönig, der andere einen authentischen Minnesänger des 13. Jahrhunderts. Bei Sci Fi ist der häufigste Satz, den ich höre: „Oooh, da kenne ich mich ja gar nicht aus.“ Mann, gut, dass ich damals beim Abitur noch den Science Fiction-Basiskurs belegt habe, sonst wäre ich ja völlig aufgeschmissen…

Vielleicht ist das aber auch ein Phänomen der natürlichen Evolution. Das Starke überlebt, das Schwache muss sich anpassen, oder es hört auf, zu existieren. Vielleicht muss man jetzt umdenken. Eine kleines Gedankenexperiment: Was ist der erfolgreichste deutsche Science Fiction-Roman der letzten 3 Jahre? Die Antwort lautet „Der Schwarm“ von Frank Schätzing. Versuchen Sie doch mal, den unter Science Fiction zu finden! Thriller, Öko-Drama, Abenteuer-Roman, das sind die Genres. Vielleicht ist es Zeit, die alten Begriffe hinter sich zu lassen. Der Sci Fi Channel, somit ein Relikt, sollte sich vielleicht umbennen in den Fantastic Future-Channel, oder, falls das zu einschränkend ist, in den Alternate Reality Channel. Englisch, griffig, hip!

Und wer weiß? Vielleicht darf dann auch Arthur C. Clarke wieder in ein Regal auf Augenhöhe. Als Dark-Fantasy-Futuristic-Thriller.