“Der Polarexpress” von Robert Zemeckis – eine Filmbetrachtung, Teil 3

Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.

Im ersten Artikel über den Film „Der Polarexpress“ habe ich die Handlung ausführlich dargelegt, im zweiten Artikel habe ich die Figuren genau vorgestellt. In diesem Artikel geht es nun um den Hintergrund der Geschichte, die Stilmittel, die Technik und noch mehr.

Stilmittel

Die Darstellung im Film ist realistisch, das heißt, trotz aller rasanten Fahrten wurde auf allzu comichaftes verzichtet. Einzuordnen, in welcher Zeit der Film spielt, ist etwas schwer, aber anhand kleiner Details – etwa der Radkappe, die in Hero Boys Zimmer an der Heizung lehnt, oder die Autos, die man kurz auf der Straße sieht – kann man ungefähr die 1950er oder 60er Jahre als Zeitraum festmachen. Damit würde der „alte“ Hero Boy, der die Geschichte erzählt, diese in der Gegenwart (2004) erzählen, und sich an seine Kindheit erinnern.

Die Technik

„Der Polarexpress“ ist ein Computeranimationsfilm. Er zieht aus der Technik sehr viele stärken, aber leider auch ein paar Schwächen. Die Stärken sind natürlich die Bilder und teilweise sehr wilden Kamerafahrten, die real so nie machbar gewesen wären. Bei einigen Szenen fällt auf, dass der Film auf die 3D-Version für die IMAX-Kinos hin bearbeitet wurde, etwa wenn der Zug mit seinem Kuhfänger direkt vor der Kamera zu stehen kommen, oder die Fahrt in die Gletscherschlucht, die eigentlich eine Achterbahnfahrt ist. „Der Polarexpress“ setzte damit – vor dem Einsetzen der „3D-Welle“ in den Kinos – Maßstäbe.

Neu war ebenso, dass die Bewegungen der Figuren zuvor mit realen Schauspielern aufgenommen und in den Computer eingespeist wurden. Dieses „Motion Capturing“ genannte Verfahren erweckte auch Gollum für den „Herrn der Ringe“ zum Leben und wird bei den neuen „Tim und Struppi“-Film verwendet. Leider finden sich hier auch die Schwächen der Technik, wobei ich mir nicht ganz schlüssig bin, wo diese herkommen: die Figuren bewegen sich teilweise schon „irreal real“. Möglicherweise war die Technik zu dem Zeitpunkt noch nicht so weit ausgereift, oder die Schauspieler haben sich bei ihrer Darstellung zum „overacting“ hinreißen lassen. Was ich mir aber auch vorstellen kann, ist ein „Gewöhungseffekt“ von bisherigen Animationen – wir sind es einfach nicht gewohnt, dass sich animierte Figuren (Computer oder Zeichentrick) realistisch bewegen. Wenn beispielsweise eine Zeichentrickfigur still steht, bewegt sie sich wirklich nicht. Ein echter Mensch kann das nicht, seine Muskeln bewegen sich immer ein bisschen. Bei den animierten Figuren im „Polarexpress“ kommt das dadurch zum Tragen, dass diese beim Stehen immer hin- und herzittern (besonders auffallend beim Schaffner und beim Weihnachtsmann). Oder wenn die Kinder schnelle Bewegungen machen oder besonders heftig mit dem Kopf nicken, sieht das zwar auf den ersten Blick realistisch aus, wirkt aber gleichzeitig irgendwie überzeichnet.

Was im Gegenzug sehr gelungen ist, ist das „Einfangen“ der Mimik. Man kann die Regungen im Gesicht sehr deutlich sehen.

Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.
Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.

Schauspieler

Da die Figuren zuvor von echten Schauspielern dargestellt wurden, bediente man sich hier ebenfalls eines Stilmittels der Heldenreise: Hauptdarsteller Tom Hanks spielte mehrere Rollen. Er ist Hero Boy, dessen Vater, der Schaffner, der Landstreicher und der Weihnachtsmann. Außerdem spricht er die Einführung und das Schlusswort des Films, wobei es sich um Hero Boy als alten Mann handelt. Damit soll ausgedrückt werden, dass es sich bei dem Abenteuer um eine „Reise ins Ich“ handelt, und die Figuren, die auftreten, Aspekte der Hauptfigur und seiner Umgebung sind. Hero Boy wurde jedoch von einem Kind nachsynchronisiert. In der deutschen Fassung ist Arne Elsholtz (Tom Hanks‘ „Stamm“-Synchronsprecher) allerdings nur als Schaffner und Landstreicher zu hören.

Traum oder Realität?

In einem Interview zieht Tom Hanks Parallelen zur Geschichte des „Zauberers von Oz“. Tatsächlich passt der Vergleich, Dorothys Reise in die Welt von Oz folgt ebenfalls dem Konzept der „Heldenreise“, ist eine Reise „ins Innere“ und es finden sich in Oz Menschen aus der realen Welt wieder (sie werden im Film von den gleichen Schauspielern gespielt). Beim Polarexpress drückt sich das vor allem durch die mehrfachen Rollen von Tom Hanks aus. Eine weitere Andeutung findet sich auch in der Szene, als der Polarexpress vor dem Haus von Hero Boy anhält: Hero Boy spürt ein Beben, dann zischt die Zentralheizung – und das Zischen der Zentralheizung verwandelt sich in die Pfeife des Zugs. Scheinbar ist hier ein reales Geräusch in die Traumwelt herübergekommen und im Traum als Geräusch des Polarexpress wahrgenommen worden.

Eine letzte Erklärung, ob es ein Traum oder Realität war, bleibt der Film allerdings schuldig. Viele Dinge können rational erklärt werden (das Zischen der Heizung, oder auch wie Hero Boy die Tasche seines Morgenmantels zerreißt), aber das geheimnisvolle Päckchen mit dem Schlittenglöckchen des Weihnachtsmannes, sowie die Notiz, die mit „W.“ unterschrieben ist, entzieht sich jeder Erklärung, genauso wie die Tatsache, dass nur die Kinder den Klang des Glöckchen hören können. Auch stellt sich die Frage: Waren die anderen Kinder im Zug (vor allem Hero Girl und Billy) real – oder existieren sie nur in der Einbildung von Hero Boy? Immerhin bekommt jedes der Kinder eine Fahrkarte mit einer individuellen Lektion. Die Edbroke Avenue, in der Billy wohnt, ist in der Stadt, in der Hero Boy wohnt. Wenn er die Straße aufsucht, würde er dann Billy finden? Fragen, über die man sehr gut nachdenken kann, denn der Film beendet die Handlung an der richtigen Stelle. Er gibt keine Antwort, sondern lässt dem Zuschauer Platz für seine eigenen Gedanken und Ideen.

Der Schaffner präsentiert das "Elixir" / (c) by Warner Bros.
Der Schaffner präsentiert das "Elixir" / (c) by Warner Bros.

Die Reise und das Elixir

In einer Kritik zum Film habe ich gelesen, dass der Film zwar ganz nett sei, aber etwas über die Stränge schlägt und die Aussage, dass Armut nur eine innere Einstellung sei, die man überwinden könne, indem man einfach an den Weihnachtsmann glaubt, sei nachgerade pietätlos. Diesem Kritiker muss ich sagen, dass er den Film letztlich nicht verstanden hat, denn genau darum – „einfach“ an den Weihnachtsmann glauben – geht es eben nicht. Noch dazu wirft der Kritiker hier den Konflikt von Hero Boy und von Billy durcheinander. Hero Boy findet sich in der Situation wieder, in der sich viele Kinder wiederfinden – wenn es den Weihnachtsmann nicht gibt, was ist Weihnachten dann noch wert? Der Weihnachtsmann selbst aber sagt zu Hero Boy, er wäre „ein Sinnbild für Weihnachten“, und über Hero Girl meint er, sie trage den „Geist der Weihnacht“ in sich. Es geht darum, Erwachsen zu werden, und sich trotzdem diesen Geist zu bewahren, um den es auch in Charles Dickens „A Christmas Carol“ (und genauso vortrefflich in der modernen Fassung „Scrooged – Die Geister, die ich rief“) geht – das menschliche Miteinander und dass einem das Schicksal anderer Menschen nicht egal. Man mag das im „Polarexpress“ auf die „typisch amerikanische“ kitschige Weise ausgearbeitet sehen, aber es berührt.

Billys Konflikt hingegen liegt woanders: Wir können es nur vermuten, aber sein Leben und seine Umwelt hat ihn wohl so geprägt, dass er anderen Menschen gegenüber grundsätzlich misstrauisch ist. Kinder können grausam sein, und vermutlich hat er öfters solche Sätze hören müssen wie: „Gib Dich doch nicht mit dem ab, der ist doch arm!“ Um solche Situationen zu vermeiden, gibt er sich schon gar nicht mehr mit anderen Kindern ab. Mutterseelenallein steigt er in den letzten Wagen des Zugs und rührt sich dort nicht. Die Tatsache, dass dieser Wagen keine direkte Verbindung zu dem Wagen mit den Kindern hat, ist beinahe schon symbolisch, er fährt zwar im Zug mit, ist aber ganz für sich. Durch die Abenteuer mit Hero Girl und Hero Boy lernt er, dass nicht alle Menschen gleich sind, und es auch Menschen gibt, denen er nicht egal ist und die ihn nicht wegen seiner Armut vorverurteilen. Seine Lektion lautet, das Zutrauen zu anderen wiederzufinden. Auch das mag man als „typisch amerikanisch“ aufbereitet ansehen, aber eben, es ist eine Geschichte, die sich hauptsächlich an Kinder wendet. Und die verstehen sicherlich, was gemeint ist. Und letztlich, auch eine Heldenreise muss nicht immer so tiefgehend strukturiert sein, wie es beispielsweise „Herr der Ringe“ ist. Die Hauptsache ist die Botschaft, und dass sie verstanden wird. Und das erfüllt der „Polarexpress“ voll und ganz.

Die Art und Weise, mit der das „Elixir“ überbracht wird, fügt sich von daher auch nahtlos in die Geschichte ein: die Fahrkarten. Früher war es in der Tat üblich, Fahrkarten zu entwerten, indem man ein Loch in sie knipste (respektive zwei, wenn es sich um Hin- und Rückfahrt handelte). Der Schaffner des Polarexpress schreibt aber ganze Buchstaben in die Karten, die am Anfang – bei der Hinfahrt – noch keinen Sinn ergeben. Erst bei der Rückfahrt werden die Wörter ergänzt und so nochmal deutlich gemacht, welche Lektion das jeweilige Kind durch die Reise gelernt hat.

Sehen heißt glauben

Der zentrale Satz des Films lautet „sehen heißt glauben“. Nun könnte man sagen, dass das doch ziemlich materialistisch ist – man glaubt nur das, was man sieht. So ist das aber nicht gemeint, und das wird in einigen Szenen auch sehr deutlich. Die Aussage ist anderherum zu verstehen – wenn ich an etwas glaube, bin ich auch fähig, es zu sehen. Hero Girl bespielsweise hat Zweifel an ihren Fähigkeiten, zu führen und die richtige Entscheidung zu treffen. Das äußert sich darin, dass sie in Szenen, in denen ihre Entscheidungskraft gefragt ist, plötzlich die Hände vors Gesicht schlägt – sie will nicht hinsehen, weil sie nicht glaubt, dass ihre Entscheidung die richtige ist.

Hero Boy kann den Weihnachtsmann nicht sehen, aber nicht, weil er irgendwie unsichtbar ist, solange der Junge nicht an ihn glaubt, sondern weil andere ihm die Sicht versperren, so wie ihm seine Zweifel die Sicht auf das Wesentliche versperren. Billy hingegen sieht nicht, dass man es gut mit ihm meint. Er erkennt zum Beispiel nicht, was Hero Boy riskiert, indem er die Notbremse zieht und es Billy so ermöglicht, überhaupt an der Reise teilzunehmen. Auch der Neunmalklug sieht etwas nicht, nämlich dass es auch noch andere Menschen gibt, auf die man Rücksicht nehmen sollte.

Glauben wir etwas nicht, so sind wir auch nicht in der Lage, dies zu sehen. Glauben wir beispielsweise nicht an das Gute in einem Menschen, so unterstellen wir anderen gern unlautere Motive, egal wie sie sich verhalten. Wir sehen das Gute nicht, weil wir nicht daran glauben. Und genau so ist der Satz „sehen heißt glauben“ zu verstehen. Der Schaffner bringt es auf eine andere Weise auf den Punkt: „Man sagt zwar, sehen heißt glauben, aber manchmal sind die wertvollsten Dinge diejenigen, die wir nicht sehen.“ Das bezieht sich zum einen darauf, wie es auch im „Kleinen Prinz“ von Saint-Exupéry heißt, dass die wesentlichen Dinge im Leben „für das Auge unsichtbar“ seien und man sie nur mit dem Herzen sehen kann. Und zum anderen eben auch darauf, dass wir manchmal die wertvollen Dinge (wie Freundschaft oder Güte) nicht sehen, weil wir daran nicht glauben (wollen).

Hero Boy schafft es dann ja tatsächlich auch, sich den Geist der Weihnacht bis ins Alter zu bewahren, denn wie er im Schlusswort sagt, klingt für ihn das Glöckchen immer noch, obwohl er alt geworden sei. Und das, so fügt er hinzu, gelte für alle, die wirklich daran glauben.

Die Musik

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Wesentlicher Bestandteil jeden Films ist die Musik, der es gelingen muss, eine gewisse Stimmung zu transportieren. Für den Soundtrack des „Polarexpress“ zeichnet Alan Silvestri verantwortlich, und er hat ein paar pfiffige Ideen gehabt, wie man den Bezug zu Weihnachten musikalisch herstellen kann. Natürlich hat er ein paar großartige Kompositionen entworfen, die den Pathos des Films unterstreichen, in manchen Situationen hat er jedoch auch klassische Weihnachtsstücke einfließen lassen. So sind immer wieder Versatzstücke aus „Jingle Bells“ zu hören, oder als die Weihnachtswichtel auf den großen Platz laufen, wird „Oh Tannenbaum“ als Marsch gespielt.

Über die Lieder, die Bestandteil des Films sind, kann man geteilter Meinung sein, ich finde, sie passen sehr gut. Zum einen sind es wiederum bekannte Weihnachtsmelodien (die vor allem in der Weihnachtsstadt zu hören sind, wo sie aus allen Lautsprechern tönen) wie etwa Frank Sinatras „Santa Claus is comin‘ to Town“, „It’s beginning to look a lot like Christmas“ von Perry Como oder „Silver Bell“ von Kate Smith. Zum anderen sind das die Musicalnummern des Films. „The Polar Express“ umschreibt die Reise im Zug und ist mit einem Rhythmus unterlegt, der das Stampfen einer Dampflok imitiert; „Hot Chocolate“ eine von Tom Hanks / Arne Elsholtz mit großer Spielfreude vorgetragene Nummer um den Genuss des Kakaos, die genauso rasant ist wie die Szene die sie untermalt.

In dem etwas traurigen Lied „When Christmas comes to Town“ beschreibt Billy sein Leben, während Hero Girl versucht, ihn aufzumuntern. Zentrales Lied ist aber die Ballade „Believe“, gesungen von Josh Groban, in der es wiederum um den Kern des Films geht – wann glauben wir an etwas.

Alan Silvetri hat sehr gute Arbeit geleistet, und die „Suite from ‚Polar Express'“ ist das Stück, das zu meiner persönlichen Weihnachtsmusikauswahl einfach dazu gehört.

Hero Boy ist auf den Polarexpress aufgesprungen / (c) by Warner Bros.
Hero Boy ist auf den Polarexpress aufgesprungen / (c) by Warner Bros.

Die deutsche Version

Im Original hat man auf so viele Dinge geachtet – wie wurden diese in die deutsche Fassung übertragen? Ich muss sagen, auch wenn Arne Elsholtz nicht alle Rollen spricht, in denen Tom Hanks im Original zu hören ist (Hero Boy als alter Mann, Hero Boys Vater und der  Weihnachtsmann werden von anderen Synchronsprechern dargestellt), ist die deutsche Fassung sehr gut. Man musste ein paar Klippen umschiffen, aber die Übertragung ins Deutsche ist mehr als gelungen. Zum Beispiel gab es ein Problem, als die Kinder im abgekoppelten Wagen durch die Weihnachtsstadt rasen und Hero Boy die Bremse zuerst nicht finden kann. Der Landstreicher erscheint und klopft auf das Rad, mit dem die Bremse zugedreht wird. Im Original sagt er dazu: „Take a break!“, was ein Wortspiel ist („Take a break!“ heißt ungefähr so viel wie „Mach mal Pause!“, das Wort „brake“, das genau gleich wie „break“ ausgesprochen wird, bedeutet „Bremse“). Das Wortspiel ist nicht übertragbar, deswegen ruft der Landstreicher im Deutschen: „Bist wohl nicht zu bremsen?“ Ansonsten wurden sehr schöne deutsche Übertragungen vorgenommen, etwa wenn der Schaffner meint, es wird „höchste Eisenbahn“. Und ich muss sagen, es ist verdammt lange her, dass ich Redewendungen wie „Pflanz Dich!“ (in den 197er/80er Jahren umgangssprachlich benutzt für „Setz Dich!“) oder „Quadratlatschen“ gehört habe.

Sehr viel Mühe hat man sich auch mit den Grafiken gemacht – anstatt diese zu untertiteln oder, wie es gerade in Fernsehserien gern gemacht wird, Deutsch vorlesen zu lassen, wurden sie komplett eingedeutscht. Auf der Warnlampe in der Weihnachtsstadt ist deutlich „UNARTIG“ zu lesen (statt „NAUGHTY“), die Schilder an der Gletscherschlucht warnen vor „99 % GEFÄLLE“ und sogar die Notiz, die in dem Päckchen mit dem Schlittenglöckchen liegt, ist Deutsch geschrieben, obwohl diese noch dazu von der Stimme des Weihnachtsmannes vorgelesen wird.

Besonders gelungen ist die deutsche Übertragung der in die Fahrkarten geknipsten Worte, was beim Neunmalklug sehr auffällt. Im Original bekommt er das Wort „LEARN“ („lernen“) geknipst, als der Schaffner ihm die Karte zurückgibt, hält Neunmalklug allerdings seinen Daumen über das „R“ und beschwert sich, was „LEAN“ („mager“) denn heißen soll. Der Schaffner nimmt darauf die Karte und meint, er habe nicht 4, sondern 5 Buchstaben geschrieben. Er hält dem Jungen dann die Karte so hin, dass „LEARN“ richtig zu lesen ist. In der deutschen Version knipst der Schaffner „LERNEN“, allerdings sind die Löcher vom mittleren „N“ nicht alle richtig durchgedrückt. Der Neunmalklug liest deswegen „LERMEN“ und beschwert sich, „lärmen“ würde man mit „Ä“ schreiben.  Der Schaffner nimmt die Karte und meint süffisant, „lärmen“ würde man nicht nur mit „Ä“, sondern auch mit einem „M“ schreiben und hält die Karte richtig hin. Dabei fallen die nicht richtig durchgedrückten Stücke aus ihren Löchern – „LERNEN“ ist nun deutlich zu sehen.

Es ist lange her, dass für die deutsche Version eines Kinofilms so ein Aufwand betrieben wurde, und dass dann tatsächlich auch die deutsche Fassung auf der DVD landete. Oft war es auch so, dass es zwar eine Fassung mit deutschen Schriftzügen im Bild gab (meistens bei Disney-Filmen), auf Video beziehungsweise DVD aber dann nur die Originalversion mit deutschen Untertiteln erhältlich war.

"Und? Kommst Du mit?" / (c) by Warner Bros.
"Und? Kommst Du mit?" / (c) by Warner Bros.

Fazit

„Der Polarexpress“ ist ein netter Film, passend zur Weihnachtszeit, der die entsprechende Botschaft zu transportieren versucht. Er ist natürlich kein philosophisches Meisterwerk, aber er geht doch tiefer, als manche glauben. Da sind wir wieder beim Thema, „sehen heißt glauben“. Wenn man sich ein wenig mit der Handlung beschäftigt, kann man sich schließlich doch über das eine oder andere Gedanken machen, das in dem Film angesprochen wird. Die Teile des Films, die reine Action sind (die Gletscherschlucht, der zugefrorene See), sind in 3D auf der großen Leinwand recht beeindruckend (zu sehen – wie bereits erwähnt – beispielsweise im 4D-Kino im Europa-Park). Es gibt auch eine 3D-Version auf Blueray, die ich allerdings nicht kenne, und zu deren Qualität ich daher nichts sagen kann. Die Sequenzen stechen leider ein bisschen aus der Handlung des Films heraus, da sie sehr deutlich auf den 3D-Effekt getrimmt sind und zwar im Sinne der „Heldenreise“, von der ich die ganze Zeit sprach, als die „Prüfungen“ durchgehen würden, aber eigentlich keinen wirklichen Sinn haben (außer in wenigen Momenten).

Ich finde den Film gelungen und seit ich ihn entdeckt habe – sinnigerweise erst im 4D-Kino des Europa-Park – gehört er für mich zu Weihnachten dazu. Man mag sagen, dass es ein wenig übertrieben ist mit dem Pathos (vor allem verstärkt durch die Musik), aber andererseits gehört das irgendwie dazu. Genauso wie das Happy End. Und wenn man in den Film nicht so tief reingehen möchte, wie ich das in dieser Betrachtung gemacht habe, kann man das auch tun. Der Film richtet sich in erster Linie an ältere Kinder und Jugendliche, vielleicht gerade auch in dem Alter, in dem man nicht mehr an sowas wie einen Weihnachtsmann glauben mag, er prügelt einem die Moral nicht mit dem Holzhammer ein. Die Idee mit den Fahrkarten überzeugt voll und ganz und ist nicht aufdringlich.

Nun, dies war mein Blick auf den Film „Der Polarexpress“. Ich hoffe, es war nicht zu viel und nicht zu verdreht in den Gedankengängen. Vielleicht konnte ich Sie überzeugen, sich den Film anzusehen, entweder „mal wieder“, oder vielleicht auch zum ersten Mal. Oder, um es mit den Worten des Schaffners zu sagen:

„Und? Kommst Du mit?“

“Der Polarexpress” von Robert Zemeckis – eine Filmbetrachtung, Teil 2

Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.

Im letzten Artikel habe ich ausführlich den Inhalt des Films „Der Polarexpress“ von Robert Zemeckis dargelegt. Nun möchte ich darauf eingehen, wovon der Film (und das Buch) genau handelt. Dazu betrachten wir uns jetzt einmal die Figuren genauer.

„Da steht…“ – „HA! Das ist nicht für mich bestimmt!“

Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.
Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.

In Teil 1 habe ich auch schon erklärt, dass es sich bei der Struktur der Geschichte des „Polarexpress“ um eine so genannte mythische „Heldenreise“ handelt. Die Struktur besteht grob gesagt aus mehreren Stationen, die der Held „abarbeiten“ muss: Wir lernen seine Welt kennen. Das Abenteuer ruft. Der Held weigert sich, dem Ruf Folge zu leisten, überlegt es sich dann aber doch anders. Der Held muss verschiedene Prüfungen bestehen und zum Höhepunkt der Geschichte seinem tiefsten Inneren entgegen treten. Hier wandelt sich der Held, erlangt ein „Elixir“ und kehrt verändert in seine Welt zurück, um ihr das Elixir zu bringen. Die Bezeichnung „Elixir“ leitet sich davon ab, dass es bei klassischen Fantasygeschichten meistens um ein magisches Elixir handelte, das der Held finden musste, um einen kranken König zu heilen oder den Fluch von jemandem zu nehmen. Im übertragenen Sinn bezieht sich das Elixir auf die Lektion, die die Hauptfigur (oder die Figuren) einer Heldenreise im Verlauf der Reise lernen, indem sie sich den verschiedenen Aufgaben, die auf sie zukommen, stellen. Das Elixir im „Polarexpress“ sind die Worte, die der Schaffner den Kindern in die Fahrkarten knipst und die für jeden eine Botschaft zu seiner persönlichen Entwicklung im Lauf des Abenteuers darstellt.

Merkmale einer „Heldenreise“ sind neben den klassischen Elementen die Archetypen als Figuren in der Geschichte sowie die Tatsache, dass man den Kern der Erzählung in einem Satz wiedergeben kann. Manchmal ist dieser Satz der Titel der Geschichte, beim „Polarexpress“ steht er als „Catch Phrase“ auf dem Kinoplakat: „Sehen heißt glauben“. Werfen wir aber nun einen genauen Blick auf die Figuren.

Der Junge – Hero Boy

Der Junge ("Hero Boy") / (c) by Warner Bros.
Der Junge ("Hero Boy") / (c) by Warner Bros.

Wie schon angemerkt sieht man bereits an der Tatsache, dass wir von den Hauptfiguren nicht einmal die Namen erfahren, dass wir uns in einer Heldenreise befinden: die Namen sind nicht wichtig – die Reise ist wichtig. Der Junge, der Hauptdarsteller des Films, wird im Drehbuch sogar „Hero Boy“ genannt, also wörtlich „Heldenjunge“. Auf seinen Konflikt legt der Film sein Augenmerk, er ist in einem Alter, in dem man sich zu alt fühlt, an sowas wie den Weihnachtsmann zu glauben. Hero Boy zieht dabei allerdings einen fatalen Schluss – der Weihnachtsmann ist Betrug, also ist auch Weihnachten ein Betrug. Zudem fällt auf, dass der Junge alles immer in Zweifel zieht. Der Satz, den man im Film am Häufigsten von ihm hört, lautet: „Bist Du sicher?“ Damit schafft er es sogar, seine Umwelt zu beeinflussen und genauso zögerlich zu werden, wie er selbst. Mehrmals wird ihm allerdings vor Augen geführt, welche Konsequenzen sein Zögern hat: Als er beispielsweise dem Mädchen ihre Fahrkarte bringen will, sieht er, dass die Wagen des Zugs nicht direkt miteinander verbunden sind. Er zögert beim Überqueren der Kupplung – und der Wind reißt ihm die Fahrkarte aus der Hand. Umgekehrt wird sein manchmal zutage tretendes impulsives Handeln belohnt, etwa als er ohne Zögern die Notbremse zieht, damit Billy an Bord kommen kann. Zum Höhepunkt des Films trägt er seinen schwersten Konflikt aus, er kann weder die Glöckchen vom Schlitten des Weihnachtsmannes hören, noch den Weihnachtsmann selbst sehen. Erst als er bereit ist zu glauben, kann er das Glöckchen hören und den Weihnachtsmann sehen, der schließlich sogar ihn auswählt, damit er sich das erste Geschenk von Weihnachten wünschen darf. Seine innere Wandlung wird dann noch dadurch ausgedrückt, dass er sich als Geschenk nicht irgendetwas wünscht, was Kinder in seinem Alter haben wollen – er möchte das Glöckchen vom Schlitten haben, damit er sich den Glauben bewahren kann.

Das Mädchen – Hero Girl

Das Mädchen ("Hero Girl") / (c) by Warner Bros.
Das Mädchen ("Hero Girl") / (c) by Warner Bros.

Von ihrem ersten Erscheinen in dem Film wird klar, dass das Mädchen eine besondere Gabe und ein Pflichtgefühl besitzt. Sie wird auf den Jungen aufmerksam, wie er unsicher durch die Reihen des Wagons tappt und sie sieht der Reise an den Nordpol freudig entgegen. Als Billy später zusteigt und allein im letzten Wagen sitzt, ist sie es, die ihm eine Tasse Kakao bringt. Auch wenn Hero Boy es hin und wieder mal schafft, sie mit der Frage „Bist Du sicher?“ von ihrer Selbstsicherheit abzubringen, ist doch klar: sie ist eine geborene Führernatur, jemand, der anderen den Weg weisen kann. Ihre Schwäche ist, dass sie sich verunsichern lässt, aber wenn sie die Führung übernimmt, kommt sie zum Ziel. Ihr Konflikt ist nicht so offen, wie bei Hero Boy, aber sie ist im eigentlichen Sinn nicht die Hauptfigur.

Der Neunmalklug

Der Neunmalklug / (c) by Warner Bros.
Der Neunmalklug / (c) by Warner Bros.

Der Neunmalklug ist besserwisserisch und vorlaut – und ziemlich egoistisch. Als der Polarexpress an einem Kaufhaus vorbeifährt, verkündet er, alle Geschenke, die man in den Schaufenstern sieht, will er für sich haben. Und als die Kinder vor dem Weihnachtsmann stehen, fordert er lautstark, für das erste Geschenk ausgewählt zu werden. Zurechtgewiesen wird er vom Weihnachtsmann selbst, der findet „Geduld und ein Quäntchen mehr Demut“ würden ihm ganz gut stehen. Offenbar ist er von seinem Wissen so sehr überzeugt, dass er meint, alles zu wissen und immer Recht zu haben. Und für Konsequenzen geradestehen will er schon gleich gar nicht. Zwar ist er es, der Hero Boy auf die Notbremse aufmerksam macht, als Billy dem Zug nachläuft, als aber der Schaffner laut polternd zur Tür hereinkommt, schwärzt Neunmalklug sofort Hero Boy an – schließlich hat der die Notbremse gezogen. Auch er macht am Ende eine Wandlung mit, als er zuerst dem Weihnachtsmann Recht gibt und vor dem Schaffner zugibt, einen Fehler gemacht zu haben. Wie bei Hero Girl ist der Konflikt nicht so stark ausgearbeitet, aber auch er ist keine Hauptfigur – in weiten Teilen des Films fehlt er vollständig.

Billy

Billy / (c) by Warner Bros.
Billy / (c) by Warner Bros.

Ausgerechnet der scheinbar Schwächste hat das stärkste Element in dieser Geschichte: Wir erfahren seinen Namen. Billy lebt in der Gegend, „wo die Armen wohnen“, wie Neunmalklug es ausdrückt. Sein Haus ist einfach und düster. Und wie Hero Boy zögert auch er, die Fahrt zum Nordpol mitzumachen. Als er dann doch an Bord kommt, wird deutlich, wie desillusioniert Billy bereits ist: anstatt zu den anderen Kindern zu gehen, steigt er allein in den letzten Wagen und bleibt dort auch. Freundlichkeiten und Freundschaft kennt er nicht, er hat „gelernt“, wo sein Platz im Leben ist – abseits von allen anderen, von Gesellschaft ausgeschlossen. Seine Wandlung im Film ist, dass er Zutrauen zu anderen Menschen und Zuversicht findet. Das vollzieht sich in mehreren Schritten: Billy redet die erste Hälfte des Films gar nicht, bevor Hero Boy und Hero Girl ihn belauschen, wie er traurig „When Christmas comes to Town“ singt. Weihnachten kennt er nicht, es „funktioniert“ für ihn einfach nicht. Und als er in der Fabrik des Weihnachtsmannes ein Geschenk findet, das an ihn adressiert ist, ändert sich schließlich alles. Zwar wirkt er immer noch unsicher, aber er vertraut seinen neuen Freunden.

Der Schaffner

Der Schaffner / (c) by Warner Bros.
Der Schaffner / (c) by Warner Bros.

Ich sprach zuvor von den „Archetypen“ in einer Heldenreise. Der Schaffner im „Polarexpress“ ist so ein Archetyp, sogar mehrere. Am Anfang ist er der Botschafter, der den Ruf des Abenteuers überbringt, dann wird er zum Mentor. Deutlich wird das durch die Fahrkarten, die er nicht einfach nur abknipst, sondern in die er ein Schlagwort schreibt, das den inneren Konflikt des jeweiligen Kindes beschreibt. Dabei beschränkt er sich am Anfang auf einzelne Buchstaben, die keinen Sinn zu ergeben scheinen. Erst am Ende der Reise löst er das Rätsel auf, indem er die Worte vervollständigt. Der Schaffner übergibt damit das „Elixir“, nach dem die Helden gesucht haben und das sie in ihre Welt mitnehmen. Die Rolle des Mentors wird bei ihm besonders deutlich, wenn es um Gründe für etwas geht. Zwar poltert er ständig wegen seinem Fahrplan, den er einzuhalten hat, wenn es aber einen Grund für eine Verzögerung gibt (wie etwa das Ziehen der Notbremse, damit Billy einsteigen kann), wird er gleich viel sanfter. Auch als Hero Girl eine Tasse Kakao auf die Seite schafft, geht er nicht gleich davon aus, dass sie das gemacht hat, um sich selbst eine Extraportion zu sichern. Er weiß, dass sie nur ihrem Verantwortungsbewusstsein gefolgt ist und ermutigt sie. Interessant ist auch die Tatsache, dass die ganze Zeit über fünf Minuten vor Mitternacht ist, und zwar von dem Moment an, da der Zug vor dem Haus von Hero Boy hält, bis zu dem Moment, da der Schlitten des Weihnachtsmanns fertig gepackt ist. So kann der Polarexpress pünktlich am Nordpol eintreffen und die Tatsache, dass „wir sogar noch fünf Minuten Zeit“ haben, lässt dem Schaffner Tränen der Rührung in die Augen steigen. Der Schaffner ist es am Ende auch, der Hero Boy den wesentlichen Satz über jede Heldenreise sagt: Wohin die Reise geht, ist nicht wichtig. Wichtig ist, sie überhaupt anzutreten. Also, sich der inneren Herausforderung zu stellen.

Der Landstreicher

Der Landstreicher / (c) by Warner Bros.
Der Landstreicher / (c) by Warner Bros.

Auf dem Dach des Polarexpress macht Hero Boy eine merkwürdige Bekanntschaft – ein Landstreicher, der dort sein Lager (einschließlich Lagerfeuer) aufgeschlagen hat und sich selbst als „König vom Polarexpress, ja, Herr über den gesamten Nordpol“ bezeichnet. Der Archetyp, den er verkörpert, nennt sich „Trickster“, man weiß nie so genau, mit wem man es zu tun hat. Im Fall des Landstreichers gilt das sogar doppelt, nicht nur, dass er eine undurchschaubare Persönlichkeit hat, manchmal hilft und Hero Boy auch manchmal ärgert – auch was er ist, kommt nie so wirklich raus. Es gibt einen Hinweis, als er Hero Boy fragt, ob er an Geister glaubt und jener verneint. Darauf meint der Landstreicher: „Interessant…“ Aus dem Film wurde eine Szene entfernt, in der die beiden Lokführer Smokie und Steamer vom „König“ hören und zitternd seine Geschichte erzählen: Er war ein Landstreicher, der auf das Dach des Zugs gesprungen war, um mitzufahren, doch beim „Flattoptunnel“ wurde er heruntergerissen und nie wieder gesehen (den „Flattoptunnel“ zeichnet aus, dass zwischen der Tunneldecke und der Bahn kaum Platz ist). In späteren Szenen erscheint der Landstreicher aus dem Nichts und verschwindet in einer Schneeverwehung. In den Szenen mit Hero Boy bringt er auf den Punkt, was die Zweifel in ihm auslöst: Hero Boy möchte an den Weihnachtsmann glauben, er möchte aber nicht hinters Licht geführt werden. Und er macht klar, was Hero Boy ist: ein Zweifler. Es ist auch die Stimme des Landstreichers, die der Junge zuerst hört, als er das Glöckchen vom Schlitten des Weihnachtsmann schüttelt und ihm keinen Ton entlocken kann.

Der Weihnachtsmann

Der Weihnachtsmann (links) mit Hero Boy und dem Schaffner. / (c) by Warner Bros.
Der Weihnachtsmann (links) mit Hero Boy und dem Schaffner. / (c) by Warner Bros.

Eigentlich ist es die zentrale Figur in der Geschichte, aber er kommt erst am Schluss vor und hat dort einen bemerkenswerten Satz: “Dieses Glöckchen ist ein wunderbares Sinnbild für Weihnachten. Ebenso wie ich.” Er macht damit deutlich, dass auch er selbst ein „Sinnbild“ sei, was den Konflikt von Hero Boy auflöst. Es geht nicht darum, ob es den Weihnachtsmann wirklich gibt, oder nicht, denn, das fügt er selbst noch hinzu: „Der wahre Geist der Weihnacht wohnt in Deinem Herzen.“ Hero Boy hat seine Aufmerksamkeit ganz auf die Rationalität gerichtet – am Nordpol gibt es kein Leben, also auch keine Weihnachtsstadt. Würde der Weihnachtsmann alle Kinder der Welt beschenken wollen, müsste sein Schlitten riesig sein, um alle die Geschenke zu transportieren, außerdem müsste er schneller als das Licht sein, um rechtzeitig überall auf der Welt zu sein. Aber darum geht es nicht, es geht nicht darum, ob es „funktioniert“, es geht um den Geist dahinter. Entsprechend lautet die Botschaft des Films nicht, wir sollen alle (wieder) an den Weihnachtsmann glauben, sondern unter die Oberfläche zu blicken. Auf den „Geist“ der Weihnacht.

Weitere Figuren

Hero Boy, Billy und Hero Girl / (c) by Warner Bros.
Hero Boy, Billy und Hero Girl / (c) by Warner Bros.

In dem Film kommen zudem noch weitere Figuren vor, die Eltern von Hero Boy, seine Schwester Sarah, weitere Kinder, die im Polarexpress mitreisen und die Weihnachtswichtel, die bis zuletzt die Weihnachtsstadt am Laufen halten. Alle diese Figuren spielen jedoch noch eine Nebenrolle – mehr oder weniger. Aber dazu schreibe ich mehr im letzten Artikel zum Film.

Nun haben wir uns die Handlung des Films genau angesehen und die einzelnen Figuren. 1 Minute nach diesem Artikel wird ein weiterer veröffentlicht, der eine Zusammenfassung und den Blick auf den Kern der Geschichte enthält.

„Der Polarexpress“ von Robert Zemeckis – eine Filmbetrachtung, Teil 1

Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.

„Mit den Zügen verhält es sich so: Wohin man fährt, ist nicht so wichtig. Wichtig ist, die Entscheidung zu treffen, einzusteigen!“

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„Der Polarexpress“ war ursprünglich ein grafisches Kinderbuch von Chris van Allsburg, der ebenfalls die Vorlage für den Film „Jumanji“ lieferte. In großen Bildern wurde die Geschichte eines Jungen erzählt, der in einem Zug mit einer alten Dampflok zum Nordpol reist, um dort den Weihnachtsmann zu treffen. Der Regisseur Robert Zemeckis setzte das Werk als Film um, der 2004 in die Kinos kam. Zusätzlich wurde noch eine 3D-Version für die IMAX-Kinos erstellt. Eine Kurzfassung dieser 3D-Version läuft beispielsweise im 4D-Kino im Europa-Park Rust.

Für den Film wurde die Geschichte aufgearbeitet und in die Form einer klassischen Erzählung gebracht. Dabei wurde der Geist von van Allsburg bewahrt, dessen Geschichten gerne eine (manchmal auch sehr düster vorgebrachte) Moral beinhalten. Passend zum heutigen Tag möchte ich einen ausführlichen Blick auf „Der Polarexpress“ und seine Hintergründe werfen. Dazu werde ich hier sehr ausführlich auf die Handlung eingehen und auch Dinge verraten. Sollten Sie sich die Überraschung nicht verderben lassen wollen, empfehle ich Ihnen, den Film erst einmal selbst zu sehen und dann hierher zurück zu kommen, um sich meine Gedanken dazu durchzulesen. Einen Einblick in den Film bietet die offizielle Vorschau:

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„Der Polarexpress“ – eine Heldenreise

Das Konzept des Films um den „Polarexpress“ folgt der Idee der so genannten mythologischen „Heldenreise“, bei der eine Roman(oder Film-)figur die Stationen einer Reise erlebt, an deren Ende sich diese Figur gewandelt hat. Die Reise muss dabei nicht im wörtlichen Sinn stattfinden, auch eine „geistige“ Reise ist damit gemeint. Die heutzutage bekannteste „Heldenreise“ dürfte „Der Herr der Ringe“ sein.

Beim „Polar-Express“ wird das Konzept so weit getrieben, dass wir von den wichtigsten Figuren nicht einmal die Namen erfahren. Selbst im Drehbuch gab es die nicht, der Junge, dessen Geschichte erzählt wird, hieß dort schlicht „Hero Boy“, das Mädchen, auf das er im Zug trifft, „Hero Girl“. Auf die Figuren möchte eingehen, wenn es mir um den Kern der Geschichte geht. Deswegen zunächst einmal die Handlung.

„Und? Kommst Du mit?“

Am Abend vor Weihnachten vor vielen Jahren lag ich still in meinem Bett. Ich raschelte nicht mit dem Laken und atmete langsam und leise. Denn ich lauschte auf ein Geräusch, das ich befürchtet hatte, niemals zu hören: das Schlittengeläut des Weihnachtsmannes.
Die Einführung von „Der Polarexpress“

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Es ist Weinachtsabend. Ein Junge liegt in seinem Bett und kann nicht so recht einschlafen. Er bekommt mit, wie seine Eltern seiner jüngeren Schwester Sarah vom Weihnachtsmann erzählen. Dabei kommt eins heraus: Der Junge hält sich selbst für zu alt, um noch an den Weihnachtsmann zu glauben. Er hat sogar in Lexikas nachgelesen, um sich zu vergewissern, dass es am Nordpol kein Leben gibt – und erst recht keine Stadt vom Weihnachtsmann. Mit diesen Gedanken im Kopf versucht der Junge einzuschlafen, was ihm nicht recht gelingt. Er lauscht dem Ticken des Weckers, das schlagartig verstummt. Es ist 5 vor 12. Auf einmal beginnt die Erde zu beben und etwas Lautes, Erleuchtetes fährt draußen an den Fenstern vorbei. Der Junge springt aus dem Bett, schnappt sich seinen Morgenmantel – wobei er mit einer Tasche am Bett hängenbleibt und diese aufreißt – und rennt nach draußen. Mitten auf der verschneiten Straße direkt vor seinem Haus steht ein Zug mit einer Dampflok.

Ein Schaffner ruft laut: „Alles einsteigen!“ und fragt ihn, ob er mitkommen will. Auf die Frage nach dem „Wohin“ antwortet der Schaffner: „Na, zum Nordpol natürlich! Das ist der Polarexpress!“ Der Junge jedoch zögert, obwohl ihm der Schaffner dringend rät, mitzukommen. Doch als sich der Zug in Bewegung setzt, überlegt es „Hero Boy“ sich nochmal und rennt los. Im letzten Moment gelingt es ihm, aufzuspringen. Im Wagon empfängt ihn der Schaffner – wortlos, so als ob er damit gerechnet hätte, dass das passiert. Tatsächlich handelt es sich hierbei um ein klassisches Motiv – der Held der Geschichte weigert sich, dem Ruf des Abenteuers Folge zu leisten. Er muss erst ein Opfer bringen – in diesem Fall sich selbst überwinden -, bevor es losgehen kann.

Hero Boy kommt in einen Wagon, in dem sich lauter Kinder befinden, die – wie er selbst – Schlafanzüge respektive Nachthemden tragen. Offenbar sind auch diese Kinder für die Reise aus dem Bett geholt worden. Unsicher tappt er durch die Reihen und setzt sich schließlich irgendwo hin. Ein Mädchen von der Sitzbank auf der anderen Seite des Durchgangs – Hero Girl – lächelt ihn freundlich an, als er plötzlich mit einer Frage attackiert wird: „Weißt Du, was das hier für ein Zug ist?“ Neunmalklug, ein Junge mit einem Schlafanzug, auf dem eine Rakete abgebildet ist, überfällt ihn mit technischen Details der Lok und der Wagons, während Hero Girl schlicht meint, es handele sich hierbei um einen „Zauberzug“. Hero Boy ist noch mehr verunsichert. „Fahren wir wirklich zum Nordpol?“, will er wissen, was Hero Girl begeistert bejaht.

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Bevor sie jedoch mehr sagen kann, fährt der Zug an einem großen Kaufhaus vorbei, was bei allen Kindern Begeisterung auslöst. Dabei kommt heraus, dass Neunmalklug nicht nur vorlaut, sondern auch ziemlich egoistisch ist, als er betont, dass er die Geschenke, die in den Schaufenstern zu sehen sind, alle für sich haben will. Hero Boy achtet aber mehr auf den Weihnachtsmann, der ebenfalls im Schaufenster steht. Wie zur Bestätigung seiner Zweifel kann man sehr deutlich sehen, dass „Santa“ nicht echt, sondern eine Animatronic-Figur ist.

Der Schaffner betritt erneut den Wagen – Fahrkartenkontrolle. Sehr zu seiner Verwunderung findet Hero Boy in der Tasche seines Morgenmantels eine goldene Fahrkarte, die der Schaffner auf ungewöhnliche Weise entwertet: anstatt – wie früher üblich – einfach ein Loch reinzuknipsen, knipst er gleich eine Reihe von Löchern, die die Buchstaben „G“ und „N“ formen. Der Neunmalklug beschwert sich über seine Fahrkarte, in die der Schaffner „LE“ geknippst hat.

Doch schon geht es weiter: der Zug hält in der „Edbroke Avenue“, die Gegend, in der laut dem Neunmalklug „die Armen wohnen“. Die Kinder beobachten, wie der Schaffner vor einem düsteren, einfachen Haus mit einem kleinen Jung spricht und ihm das gleiche sagt, wie „Hero Boy“ – alles einsteigen, es geht zum Nordpol, das ist der Polarexpress. Doch auch dieser Junge, dessen Name, wie wir später erfahren, „Billy“ lautet, möchte zuerst nicht einsteigen. Der Polarexpress fährt wieder an, doch auch Billy überlegt es sich nochmal anders – leider zu spät. Er rennt, was er kann, stolpert aber und fällt hin. Hero Boy zieht die Notbremse, nachdem Neunmalklug ihn darauf aufmerksam gemacht hat. Billy kann nun einsteigen, geht allerdings in den letzten Wagen, in dem er ganz allein ist. In dem Moment poltert der Schaffner zur Tür herein und verlangt zu wissen, wer die Notbremse gezogen hat. Die Strafpredigt für Hero Boy wird von Hero Girl unterbrochen, die erklärt, dass er die Notbremse nur gezogen habe, damit der andere Junge einsteigen kann. Danach wird der Tonfall des Schaffners etwas milder, obwohl er immer noch grummelt, dass ein Fahrplan einzuhalten sei und es noch nie Verspätungen bei „seinem“ Zug gegeben habe.

Doch sofort ändert sich die Stimmung, als der Schaffner über die Sprechanlage nachfragt, wer von den Reisenden Durst habe. Als alle Kinder sich melden, tritt eine Akrobaten-Küchencrew auf, die den Kindern zu den Klängen eines Liedes mit dem Titel „Hot Chocolate!“ Kakao serviert. Heimlich schafft Hero Girl eine volle Tasse Kakao auf die Seite. Nachdem die Küchencrew wieder abgezogen ist, will sie damit in den letzten Wagen, um sie Billy zu bringen. In dieser Szene wird der Kontrast zwischen Hero Boy und Hero Girl sehr deutlich: Sie ist eine „Macherin“, die an andere denkt – er zieht alles in Zweifel. Als Hero Girl meint, ihr werde schon nichts passieren, fragt Hero Boy: „Bist Du ganz sicher?“ Er schafft es fast, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, als der Schaffner erneut reinkommt. Doch er will keine Strafpredigt halten, weil Hero Girl heimlich eine Tasse Kakao auf die Seite geschafft hat. Er erkennt ihre Absicht und fragt: „Hat denn das Bübchen im letzten Wagen schon Kakao gehabt? Na, dann wird’s aber höchste Eisenbahn!“

Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.
Der Polarexpress / (c) by Warner Bros.

Nachdem der Schaffner mit Hero Girl den Wagen verlassen hat, sieht Hero Boy die Fahrkarte des Mädchens auf ihrem Sitz liegen. Er will sie ihr bringen, allerdings tut sich ein Hindernis auf: die Wagen des Zugs sind separat, man kann nicht so einfach von einem zum anderen gehen. Während er zögernd auf der Plattform des Wagens steht, reißt ihm der Fahrtwind die Karte von Hero Girl aus der Hand. Was aber niemand mitbekommt: über eine abenteuerliche Reise mit einem Adler kommt die Karte zurück zum Polarexpress und bleibt in einem der Lüftungsschlitze hängen.

Dummerweise will der Schaffner in diesem Moment die Fahrkarte sehen. Hero Boy bekennt sich zwar schuldig und will dem Mädchen seine geben, doch der Schaffner lehnt ab: die Karten sind nicht übertragbar. Er führt Hero Girl zurück in den letzten Wagen, was Neunmalklug zu der Spekulation veranlasst, er werde sie dort aus dem Zug werfen. Um zu verhindern, dass dem Mädchen etwas passiert, will Hero Boy nochmal die Notbremse ziehen – und entdeckt die Fahrkarte im Lüftungsschlitz. Er will sie ihr bringen, überwindet die Lücke zwischen den zwei Wagons mit einem beherzten Sprung, und findet niemanden außer Billy im letzten Wagen vor. Der blickt schüchtern nach oben – der Schaffner und das Mädchen befinden sich auf dem Dach des Zugs!

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Hero Boy klettert über eine Leiter ebenfalls auf das Dach, doch die beiden sind auf dem Weg zur Lok und zu weit weg, um sein Rufen zu hören. Der Junge läuft ihnen nach und trifft unerwarteterweise auf einen Landstreicher an einem Lagerfeuer. Er zeigt sich erstaunt über die Fahrkarte, erklärt aber, er brauche keine – er springe auf den Zug, wann immer ihm danach sei. Er sei praktisch der König vom Polarexpress – der Herr über den Nordpol. Hero Boy fragt, ob denn nicht der Weihnachtsmann der Herr über den Norpol sei, worauf der Landstreicher zurückfragt, wie er denn zum Weihnachtsmann stehe. Hero Boy gibt zu, dass er gern an den Weihnachtsmann glauben möchte, aber… Der Landstreicher beendet den Satz: „Du willst Dich nicht behummsen lassen. Du willst nicht, dass man Dir ’n X für’n U vormacht. Du willst Dich nicht verschaukeln lassen!“ Der Landstreicher nennt mindestens noch vier weitere Synonyme für „jemanden reinlegen“, bevor er den zentralen Satz des Films sagt: „Sehen heißt glauben!“ Hero Boy wird wieder unsicher: „Wir fahren doch alle zum Nordpol… oder ist das alles ein Traum, wie Sie sagen?“ Der Landstreicher widerspricht: „Das waren DEINE Worte, nich‘ meine!“ Dann will er dem Jungen helfen, Hero Girl wiederzufinden. Zuvor stellt er aber noch eine Frage: „Glaubst Du an Geister?“ Der Junge verneint, wozu der Landstreicher nur meint: „Interessant…“

Sehen heißt glauben!

Als der Landstreicher ein paar Schritte in die Nacht geht, glaubt Hero Boy, er sei in einem Traum und will aufwachen. Er kneift sich selbst und wirft sich selbst Schnee ins Gesicht, was aber nichts bringt. Plötzlich taucht der Landstreicher vor ihm auf – auf Skiern. Der Zug fährt nun eine steile Abfahrt herunter, das können die beiden ausnutzen, um abwärts zu fahren. Das müssen sie auch, denn direkt nach der Abfahrt kommt ein Tunnel – und zwischen dem Dach des Zugs und der Tunneldecke ist nur ein Zentimeter Platz. Tatsächlich erreichen die beiden noch kurz vor dem Tunnel den ersten Wagon. Der Landstreicher ruft Hero Boy zu, er solle springen – und verschwindet spurlos. Der Junge springt…

…und landet im Kohlentender der „Dicken Berta“, wie der Landstreicher die Lok genannt hat. Sehr zur Überraschung des Jungen findet sich Hero Girl am Steuer der Lok wieder. Die beiden Lokführer Smokie und Steamer sind am Vorderteil der Lok zugange, wo sie eine kaputte Lampe auswechseln. Als das Licht wieder leuchtet, erkennen die beiden ein Hindernis und rufen dem Mädchen zu, sie soll den Zug stoppen. Doch Hero Boy zweifelt schon wieder – er bezweifelt, dass sich Hero Girl an den richtigen Hebel zum Stoppen des Zugs erinnert, weil ein anderer „auch wie ’ne Bremse“ aussieht. Seine Zweifel stecken sie an, so dass sie wie gelähmt ist. Schließlich entscheidet sich der Junge dafür, doch den Hebel zu ziehen, den Hero Girl benannt hat – und der Zug hält an.

Natürlich ruft das den Schaffner auf den Plan, der sofort wieder von dem Fahrplan anfängt, den es einzuhalten gilt. Doch dann sieht er, was für den Stopp gesorgt hat: eine Karibuherde, die das Gleis blockiert. Durch einen Zufall findet der Schaffner dann aber heraus, wie man die Karibus dazu bringen kann, das Gleis freizumachen. Der Zug fährt wieder an, während sich der Schaffner, der Junge und das Mädchen noch am Kopf der Lokomotive befinden.

Als der Zug auf die Gletscherschlucht – einer Schlucht mit 99 % Gefälle – zufährt, geht der Hebel kaputt, der die Geschwindigkeit reguliert. Erst auf dem zugefrorenen Gletschersee bringen Smokie und Steamer den Zug wieder zum Stehen. Als das Mädchen bei der Schlitterparty über den See fast vom Zug fällt, wird sie vom Lokführer festgehalten, dieser vom Jungen – und dieser wiederum von dem Landstreicher, der aus dem Nichts auftaucht und wieder ins Nichts verschwindet. Doch als das Eis des Sees anfängt, aufzubrechen, müssen sich Smokie und Steamer beeilen, den Zug zurück an Land und aufs Gleis zu bringen.

Nun bekommt das Mädchen endlich seine Fahrkarte wieder und der Schaffner kann sie abknipsen – er knipst auch ihr die Buchstaben „LE“ in den Schein. Auf dem Rückweg in den Wagon erzählt der Schaffner, wie er auf seiner ersten Fahrt beinahe einmal vom Zug gefallen sei. Er habe sich nicht mehr festhalten können – und doch sei er nicht gestürzt, weil er gerettet worden sei. Von jemandem. Oder etwas. Auf die Frage von Hero Boy, ob der Schaffner seinen Retter gesehen habe, antwortet der: „Bedaure. Man sagt zwar ’sehen heißt glauben‘, aber manchmal sind die wertvollsten Dinge diejenigen, die wir nicht sehen.“

Der Weg zurück in den Zug führ die drei durch den Frachtwagen. Dort befinden sich alte Spielsachen, die am Nordpol wieder runderneuert werden sollen. Der Junge sieht sich eine Marionette genau an und merkt nicht, dass der Schaffner und das Mädchen bereits weitergegangen sind. Plötzlich legt ihm eine Marionette die Hand auf die Schulter – sie ist ein Abbild von Ebenezer Scrooge (aus Charles Dickens „Christmas Carol“) und fährt ihn an: „Du bist wie ich: ein Zweifler! … Du glaubst nicht!“ Doch es ist der Landstreicher, der durch eine Dachluke die Fäden der Marionette bedient. Erschreckt flüchtet der Junge.

Er findet Hero Girl im letzten Wagen wieder bei Billy, der ein sehnsüchtiges Lied über Weihnachten singt („When Christmas comes to Town“), da es für ihn bisher nicht wirklich Weihnachten gegeben hat. Dann endlich erreicht der Zug den Nordpol – und zwar um 5 Minuten vor Mitternacht. Dass man doch pünktlich ist, rührt den Schaffner so sehr, dass ihm die Tränen kommen.

Nun wird auch klar, was das besondere an der Reise ist: der Weihnachtsmann wird einem der Kinder das erste Weihnachtsgeschenk übergeben. Als sich die Kinder darauf vorbereiten, zum Hauptplatz der Weihnachtsstadt zu gehen, fällt Hero Girl auf, dass Billy immer noch im Zug sitzt. Sie will ihn überreden mitzukommen, da er glaubt, dass Weihnachten für ihn „nicht funktioniert“. Bevor ihr das gelingt, wird allerdings der Wagon abgekuppelt, in dem sich die drei befinden, und fährt rasant durch die Weihnachtsstadt. Mit Hilfe des plötzlich erscheinenden Landstreichers findet Hero Boy die Bremse und kann den Wagen auf einer Drehscheibe zum Stehen bringen.

In dem Moment hört Hero Girl ein Schlittenglöckchen – Hero Boy allerdings nicht. Das Mädchen führt die drei dem Klingeln nach durch die Fabrik des Weihnachtsmanns, bis sie bei einem Transportband ankommen, auf dem sich noch ein Päckchen befindet, das an Billy adressiert ist. Da Billy sich weigert, das Päckchen loszulassen, landen die drei im Sack des Weihnachtsmannes, wo sie von den Wichteln entdeckt werden. So kommen auch sie schließlich zum Hauptplatz der Weihnachtsstadt – und es ist immer noch 5 Minuten vor Mitternacht.

Die Kinder erleben, wie der Schlitten des Weihnachtsmannes gerichtet wird. Dazu bringen Wichtel das Geschirr mit den Glocken an, deren Klang Hero Girl zuvor schon gehört hat. Aber Hero Boy hört immer noch nichts. Dann öffnet sich die Tür des Hauptgebäudes, in der der Weihnachtsmann steht – Hero Boy kann ihn nicht sehen, weil immer irgendjemand im Weg steht. Da löst sich eines der Glöckchen vom Schlittengeschirr und fällt mit einem dumpfen Geräusch dem Jungen direkt vor die Füße. Als er es aufhebt und schüttelt, hört er nichts außer der Stimme des Landstreichers, die vorwurfsvoll „Zweifler!“ flüstert.

Nun versucht er, sich zu konzentrieren. Fast schon verzweifelt murmelt er vor sich hin: „Ich will glauben!“ Dann schüttelt er das Glöckchen nochmal – und hört sein Klingeln. Fasziniert betrachtet er das glänzende Metall der Glock, als er feststellt, dass der Weihnachtsmann neben ihm steht und fragt: „Was hast Du da eben gesagt?“ Der Junge stammelt: „Ich glaube… ich glaube… ich glaube, das gehört Ihnen.“ Damit gibt er das Schlittenglöckchen zurück. Der Weihnachtsmann bedankt sich und wählt ihn aus, das erste Geschenk zu bekommen. Als er fragt, was der Junge haben möchte, wählt er… das Glöckchen. Der Weihnachtsmann gewährt den Wunsch und meint: „Dieses Glöckchen ist ein wunderbares Sinnbild für Weihnachten. Ebenso wie ich.“

Dann schlägt die Uhr Mitternacht. Der Schlitten des Weihnachtsmannes erhebt sich in die Lüfte und fliegt davon. Die Kinder werden zurück in den Polarexpress gebracht. Nun klärt sich auf, was die Buchstaben bedeuten, die der Schaffner in die Karten geknipst hat: es sind Worte, die den Kindern den Weg weisen sollen. Aus dem „LE“ des Neunmalklugs macht der Schaffner „LERNEN“ (er soll Demut und Geduld lernen), aus dem „ZU“ auf Billys Karte wird zuerst „ZUNEIGUNG“, dann, als er die Karte nochmal dreht, „ZUTRAUEN“, schließlich „ZUVERSICHT“ (er soll sein Misstrauen und seine negative Einstellung überwinden). Das „LE“ auf der Karte von Hero Girl erweitert der Schaffner zu „LEITEN“ (sie soll ihrer Führungsrolle annehmen), die Buchstaben „G“ und „N“ bei Hero Boy bilden Anfang und Ende von „GLAUBEN“.

Im Zug schließlich wollen alle Kinder das Glöckchen sehen, das Hero Boy bekommen hat. Doch er hat es verloren – gedankenverloren hat er es in die kaputte Tasche seines Morgenmantels gesteckt. Zwar wollen ihm die anderen Kinder beim Suchen helfen, doch es ist zu spät. Der Polarexpress ist schon auf dem Rückweg.

Die Kinder werden in umgekehrter Reihenfolge zu Hause abgesetzt, also Billy zuerst. Bei ihm war der Weihnachtsmann schon – und auch das Haus, in dem er wohnt, ist jetzt festlich geschmückt. Als Hero Boy aussteigt, sagt der Schaffner zu ihm: „Mit den Zügen ist es so: Wo man hinfährt, ist egal. Wichtig ist die Entscheidung, einzusteigen.“ Und als er sich an der Tür seines Hauses nochmal umdreht, um den abfahrenden Zug zu betrachten, sieht er auf dem Dach den Landstreicher, der zum Abschied winkt, um sich dann in ein Schneetreiben aufzulösen. Im Haus ist noch alles unverändert – der Weihnachtsmann war noch nicht da gewesen. Billy geht die Treppe nach oben in sein Zimmer…

…und fast ohne Übergang wird er von seiner Schwester geweckt, die aufgeregt erzählt, dass der Weihnachtsmann gekommen sei. Hero Boy steht schlaftrunken auf und will seinen Morgenmantel vom Bettpfosten nehmen. Dabei bleibt dieser mit der Tasche hängen und sie reißt auf – genauso wie zuvor, als er aufstand, um zum Polarexpress zu laufen.

Schließlich sind alle Geschenke ausgepackt… wirklich alle Geschenke? Nein, die Schwester findet noch einen kleinen Karton, auf dem der Name von Hero Boy steht. Er öffnet ihn – und sehr zu seinem Erstaunen findet er darin das Glöckchen vom Schlitten des Weihnachtsmannes, zusammen mit einem Zettel, der von „W.“ unterschrieben ist und mitteilt, dass das Glöckchen im Schlitten gelegen habe und Hero Boy solle doch das Loch in seiner Tasche stopfen. Die Eltern kommen dazu und bewundern das Glöckchen, doch sie können seinen Klang nicht hören.

Es gab eine Zeit, da konnte fast jeder meiner Freunde das Glöckchen hören. Aber nach und nach verstummte es für alle. Und es kam ein Weihnachtstag, an dem selbst Sarah seinen süßen Klang nicht mehr hörte. Für mich jedoch klingt das Glöckchen nach wie vor, obwohl ich alt geworden bin. Und das gilt für alle, die wirklich daran glauben.
Das Schlusswort von „Der Polarexpress“

Soweit die Handlung von „Der Polarexpress“. Im zweiten Teil werfe ich einen genauen Blick auf den Hintergrund und das Innerste der Geschichte. Der zweite Teil wird genau 1 Minute nach diesem Artikel veröffentlicht, Sie finden ihn, indem Sie auf den nächsten Artikel in der Reihe klicken.