Das Internet-Debakel

Es ist interessant: Manche Dinge bleiben aktuell, und das Dank der Beharrlichkeit einiger beteiligter Leute. Immer noch aktuell ist die Diskussion um das Digital Rights Management, kurz DRM, und die damit verbundenen Aussagen über Lieder (oder Bücher), die man kostenlos herunterladen kann. Da dieses Jahr in Deutschland über eine Verschärfung des Strafrechts bei Kopien von Musik oder Filmen im Bundestag entschieden werden soll, sind diese Artikel, die die Künstlerin Janis Ian verfasst hat, von bedrückender Aktualität. Sie heißen „Das Internet-Debakel“ und „Nachbeben – ein Folgeartikel zum Internetdebakel“. Die Verfasserin hat es gestattet, die Artikel kostenfrei abzudrucken, vorausgesetzt, man macht auf ihre Webseite aufmerksam. Das wollen wir gerne tun: www.janisian.com. Gleichzeitig wollen wir darauf hinweisen, dass die Artikel, die ursprünglich in Englisch für das „Performing Songwriter Magazine“ geschrieben wurden, von Ralf Hagen ins Deutsche übertragen wurden. Nach dem Erscheinen des ersten Artikels trat Michael Greene als Präsident der NARAS zurück.

 

DAS INTERNET-DEBAKEL von Janis Ian

Das Internet, und Herunterladen, werden so schnell nicht wieder verschwinden… Jeder, der anders denkt, sollte sich darauf vorbereiten, auf dem Schutthaufen der Geschichte zu landen.
Janis Ian während einem europäischen Live-Radio-Gespräch, 1. September 1998

Bitte beachten Sie die Anmerkungen der Autorin am Ende.

Wenn ich für einen Artikel recherchiere, sende ich normalerweise um die 30 eMails an Freunde und Bekannte, in denen ich sie um Meinungen und Anekdoten bitte. Ich bekomme normalerweise 10-20 Antworten. Aber nicht zu diesem Thema!

Ich versandte 36 eMails, in denen ich um Meinungen und Fakten über freies Herunterladen von Musik aus dem Netz bat. Ich erklärte, daß ich plante, den Blickwinkel des Advocatus Diaboli einzunehmen: Freies Herunterladen aus dem Internet ist gut für die Musikindustrie und ihre Künstler.

Ich habe, bis heute, über 300 Antworten erhalten, jede einzelne von jemandem, der rechtmäßig im Musikgeschäft ist.

Noch interessanter als die eMails sind die Anrufe. Ich kenne niemanden von der NARAS (Stifter der Grammy-Preise), und ich kenne Hilary Rosen (Kopf der Recording Industry Association of America, oder RIAA; entspricht etwa der deutschen GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) oder dem IFPI (Interessenverband der Phonographischen Industrie)) nur flüchtig. Trotzdem habe ich innerhalb von 24 Stunden, nachdem ich meine ursprüngliche eMail versandt hatte, zwei Nachrichten von Rosen und vier von NARAS erhalten, in denen ich gebeten wurde, zurückzurufen, um den Artikel zu besprechen.

Hm. Ich wußte gar nicht, daß ich so weithin gelesen werde.

Frl. Rosen, um fair zu sein, betonte, daß sie nur daran interessiert war, die Seite der RIAA zu diesem Thema zu präsentieren, und war freundlich genug, mir eine Fülle von Statistiken und Dokumenten zu schicken, inklusive mehreren Zielgruppenstudien, die die RIAA zu diesem Thema in Auftrag gegeben hatte.

Allerdings ist das Problem mit Zielgruppen das gleiche, das Anthropologen haben, wenn sie Feldstudien von Völkern machen – in dem Moment, in dem die Anwesenheit des Forschers bekannt wird, ändert sich alles. Hunderte Wissenschaftsstudien haben gezeigt, daß jede beobachtete Gruppe den Beobachter befriedigen will. Dies gilt besonders für Zielgruppen. Kaffee und Kuchen sind das wenigste, was dabei für sie rausspringt.

Die Leute bei NARAS waren ein wenig penetranter. Sie erzählten mir, das Herunterladen würde Verkäufe zerstören, die Musikindustrie ruinieren, und ihr Geld kosten.

Mein Geld kosten? Ich behaupte nicht, ein Experte im Recht auf geistiges Eigentum zu sein, aber ich weiß eine Sache. Wenn ein Angehöriger der Musikindustrie behauptet, ich sollte ihrer Meinung sein, weil mir das mehr Geld einbringt, lege ich meine Hand auf meine Brieftasche… und überprüfe sie, wenn er gegangen ist, nur um sicherzugehen, daß nichts fehlt.

Ist mir all diese Hysterie verdächtig? Darauf können Sie wetten. Denke ich, mit dem Thema wird schlecht umgegangen? Absolut. Befürchte ich, Freunde zu verlieren, Gelegenheiten, meine 10. Grammy-Nomination, indem ich diesen Artikel veröffentliche? Ja. Das tue ich. Aber manchmal sind Sachen schlicht falsch, und sie sind so falsch, daß man darauf hinweisen muß.

Die grundlegende Behauptung hinter all diesem Klamauk ist, daß die Industrie (und ihre Künstler) von freiem Herunterladen geschädigt werden.

Blödsinn. Nehmen wir meine eigenen Erfahrungen. Meine Seite (www.janisian.com) bekommt durchschnittlich 75.000 Besuche pro Jahr. Nicht schlecht für jemand, dessen letzter Hit 1975 war. Als Napster in seiner Blütezeit war, erreichten uns ca. 100 Besuche von Leuten, die Society’s Child oder At Seventeen frei heruntergeladen hatten, dann entschieden, sie wollten mehr wissen. Von diesen 100 Leuten (und das sind nur die, die uns erzählt haben, wie sie die Seite gefunden hatten) kauften 15 CDs. Keine großen Verkäufe, nicht? Keine Plattenfirma ist an 180 Verkäufen mehr pro Jahr interessiert. Aber… das sind €2.500, was für meine Begriffe eine Menge Geld ist. Und das enthält nicht diejenigen, die CDs in Geschäften gekauft haben, oder zu meinen Auftritten kamen.

Oder nehmen Sie die Autorin Mercedes Lackey, die ganze Regale in Buchhandlungen und Büchereien belegt. Sie sagte selbst: In den letzten zehn Jahren haben meine drei Arrow-Bücher, die bei DAW vor etwa 15 Jahren veröffentlicht wurden, einen netten, stetigen Tantiemenscheck produziert. Ein vernünftiger Betrag, für 15 Jahre alte Bücher. Allerdings… ich habe gerade die erste Hälfte meiner DAW-Tantiemen bekommen… und plötzlich, wie aus dem nichts, bringt mir jedes der Arrows-Bücher das Dreifache des normalen Betrages ein!… Und weil diese Bücher nie vergriffen waren, und immer zusammen mit dem Rest des Verlagsprogrammes beworben wurden, war das einzig wirklich Andere, das in dieser Zahlungsperiode passiert ist, etwas bei Baen, einem meiner anderen Verlage. Das war, daß mein Ko-Autor Eric Flint die ersten meiner Baen-Bücher auf die kostenlose Baen Free Library-Seite stellte. Weil ich spürbar mehr Bücher bei DAW als bei Baen habe, zeigte sich die Steigerung zuerst bei DAW. Es gibt eigentlich eine Steigerung bei allen Büchern nach dieser Sache. Es sieht genau so aus, wie ich es erwarten würde, wenn eine stetige Anzahl Leute, die meine Sachen nie gelesen haben, sie in der Free Library entdekcten – ein bestimmter Anteil unter ihnen mochte es, und begann, sich durch meine früheren Werke zu arbeiten, beginnend mit den am frühsten veröffentlichten Büchern. Das wirklich interessante daran ist, natürlich, daß das keine Baen-Bücher sind, sondern von DAW, einem anderen Verlag; es ist also Autorentreue anstatt Markentreue. Ich sag‘ Dir was, ich habe mich vekauft. Frei funktioniert wirklich.

Ich habe selbst herausgefunden, daß das wahr ist; jedes Mal, wenn wir einige Lieder auf meiner Seite freigeben, steigen die Verkäufe für alle CDs. Sehr.

Und ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber als Künstler mit einem Katalog verfügbarer Werke, die bis 1965 zurückreichen, wäre ich begeistert, die Verkäufe meiner älteren Platten steigen zu sehen.

Jetzt behaupten die RIAA und die NARAS, ganauso wie die meisten der verschanzten Musikindustrie, daß freies Herunterladen Verkäufe schädigt. (Mehr als schädigt – sie sagen, das zerstöre die Industrie.)

Bedauerlicherweise braucht die Musikindustrie gar keine Hilfe von außen, sich selbst zu zerstören. Wir tun selbst schon eine sehr gute Arbeit in die richtung, vielen Dank.

Hier sind einige Behauptungen von der Webseite der RIAA:

  1. Analysten melden, daß nur eines der vielen laufenden Peer-to-Peer-Netzwerke für über 1,8 Milliarden unauthorisierte heruntergeladene Dateien im Monat verantwortlich ist. (Hilary B. Rosen, Brief an den Kongreßabgeordneten Rick Boucher, 28. Februar 2002)
  2. Verkäufe von CD-R-Rohlingen sind(…)nahezu um den Faktor 2,5 in den letzten zwei Jahren angestiegen(…)wenn auch nur die Hälfte der Rohlinge, die 2001 verkauft wurden, verwendet wurden, um Musik zu kopieren, ist die Anzahl der gebrannten CDs weltweit ungefähr genauso hoch wie die Anzahl der verkauften CDs. (Hilary B. Rosen, Brief an den Kongreßabgeordneten Rick Boucher, 28. Februar 2002)
  3. Musikverkäufe leiden schon von dem Einschlag(…)in den Vereinigten Staaten sind Verkäufe in 2001 um mehr als 10% zurückgegangen. (Hilary B. Rosen, Breif an den Kongreßabgeordneten Rick Boucher, 28. Februar 2002)
  4. In einer aktuellen Umfrage unter Musikkonsumenten sagten 23%(…), sie kauften keine Musik mehr, weil sie ihre Musik frei herunterladen oder kopieren würden. (Hilary B. Rosen, Brief an den Kongreßabgeordneten Rick Boucher, 28. Februar 2002)

Nehmen wir uns diese Punkte mal einer nach dem anderen vor, aber lassen Sie sich von mir vorher an etwas erinnern: die Musikindustrie hatte genau die gleiche Antwort auf das Auftreten von Doppel-Kassettendecks, Kassetten, DATs, Minidiscs, VHS, BETA, Musikvideos (Warum die Platte kaufen, wenn man sie auf Kassette aufnehmen kann?), MTV, und eine Menge anderer technischer Fortschritte, die dafür gemacht wurden, das Leben des Konsumenten einfacher und besser zu machen. Ich weiß das, weil ich dabei war.

Der einzige Grund, warum sie so nicht öffentlich auf die CD reagierten, war, weil sie glaubten, CDs seien nicht kopierbar. Ich bekam das persönlich von einem ehemaligen Leiter von Sony Marketing erklärt, als sie mich baten, Between the Lines auf CD für geringere Tantiemen zu lizenzieren. (Weil das eine Brandneue Technik ist.)

  1. Wer sagt, daß irgendjemand von diesen Leuten die CDs gekauft hätte, wenn die Lieder nicht frei verfügbar gewesen wären? Ich kann nicht eine einzige Studie darüber finden, eine, wo ein sachverständiges Marktforschungsinstitut wie Emnid den Leuten tatsächlich diese Frage stellt. Ich denke, niemand gibt eine in Auftrag, weil jeder vor der Wahrheit Angst hat – viele der heruntergeladenen Stücke sind von Leuten, die einen Künstler ausprobieren wollen, oder die die Musik nicht finden können, weil sie vergriffen ist.
    Auch wenn ein Anteil dieser 1,8 Milliarden Leute sind, die einen laufenden Hit von Britney Spears oder In Sync herunterladen, wer sagt, daß es wirklich ihre Verkäufe schädigt? Statistiken kann man leicht manipulieren. Wie viele dieser Leute würden ein Album, das monatelang im Radio totgespielt wurde, sonst kaufen, nur weil sie einen Teil davon heruntergeladen haben?
  2. Der Verkauf von CD-Rohlingen ist gestiegen? Darauf können Sie aber wetten. Ich habe im Dezember einen neuen Vaio gekauft (ironisch genug von Sony), und sichere jetzt alle meine Dateien auf CD. Ich verbrauche 7-15 CDs pro Woche auf diese Weise, oder ungefähr 500 pro Jahr. Die meisten neuen PCs kommen mit XP, was Datensicherung auf CD einfach macht; wieviele Leute machen, was ich tue?
    Zusätzlich, wenn ich eine neue CD kaufe, mache ich eine Kopie für mein Auto, eine Kopie für das Stockwerk oben, und eine Kopie für meinen Partner. Das macht drei CD-Rohlinge pro CD. Also sorge ich alleine schon für ungefähr 750 CD-Rohlinge im Jahr.
  3. Ich bin sicher, der Rückgang der Verkaufszahlen hat nichts mit der Rezession der allgemeinen Wirtschaftslage, oder der stetigen Abwärtsspirale der Musikindustrie, oder dem Müll, der von Plattenfirmen vorangetrieben wird, zu tun. Sie nicht auch? Es gab 32.000 neu veröffentlichte Titel in den Vereinigten Staaten in 2001, und das beinhaltet keine Wiederauflagen, Eigenverlage, oder kleinere Firmen, die SoundScan nicht berichten. Unsere Unreleased-Serie, bei der wir uns nicht die Mühe gemacht haben, sie SoundScannen zu lassen, verkaufte 6.000+ Platten im letzten Jahr. Eine vorsichtige Schätzung würde die Anzahl der neu erschienenen CDs pro Jahr auf 100.000 schätzen. Das ist eine ziemliche Menge an Veröffentlichungen für eine Industrie, die zerstört wird. Und um die Sache schlimmer zu machen, hören wir Musik überall, ob wir wollen oder nicht: Läden, Vergnügungsparks, Autobahnraststätten. Das ursprüngliche Konzept der Hintergrundmusik (so leise in Fahrstühlen gespielt zu werden, daß ihr beruhigender Effekt unterbewußt wäre) ist außer Rand und Band geraten. Warum Platten kaufen, wenn man die gesamte Top-40 hören kann, indem man nur Lebensmittel einkauft?
  4. Welche Musikkonsumenten? Schüler, die sich keine 10 neue CDs im Monat leisten können, aber ihre Lieblingsgruppen hören wollen? Als ich meinen Neffen eine neue Backstreet-Boys-CD kaufte, habe ich sie gefragt, warum sie die nicht einfach heruntergeladen hätten. Sie haben ihrer senilen Tante geduldig erklärt, daß die heruntergeladene Musik ihnen nicht die tollen Bilder und Graphiken bringen würde, und, wichtiger, das Video, das sie nur von der CD sehen könnten.

Realistisch betrachtet, warum laden sich die meisten Leute Musik herunter? Um neue Musik zu hören, oder Platten, die gelöscht wurden und nicht mehr zum Kaufen zur Verfügung stehen. Nicht, um zu vermeiden, €5 im nächsten Gebraucht-CD-Geschäft auszugeben, oder sie vom Radio aufzunehmen, sondern um Musik zu hören, die sie nirgendwo anders finden können. Seien wir ehrlich – die meisten Leute können es sich nicht leisten, €14,99 für ein Experiment auszugeben. Deshalb sind Hörecken in Musikgeschäften (gegen die die Plattenfirmen auch gekämpft haben) so ein Erfolg.

Heutzutage kann man keine neue Musik mehr im Radio hören; ich lebe in Nashville, Music City USA, und wir haben genau einen Sender, der ein non-Top-40-Programm spielt. An einem klaren Tag kann ich ihn sogar empfangen. Die Situation ist nicht viel besser in Los Angeles oder New York. Universitätssender sind manchmal mutiger, aber ihre Sendeleistung ist so niedrig, daß die meisten von uns sie nicht bekommen können.

Ein anderer wichtiger Punkt: in der Hysterie des Augenblicks vergißt jeder den wichtigsten Weg, wie ein Künstler erfolgreich wird – öffentliches Interesse. Ohne Öffentlichkeit kommt niemand zu Auftritten, niemand kauft CDs, niemand macht es möglich, daß man seinen Unterhalt verdient und tun kann, was man mag. Nochmals, von persönlicher Erfahrung: in 37 Jahren als aufnehmender Künstler habe ich 25+ Alben für große Firmen gemacht, und ich habe nicht einmal einen Tantiemenscheck bekommen, der nicht gezeigt hätte, daß ich ihnen Geld schulden würde. Also verdiene ich die Hauptsache meines Geldes durch Live-Touren, spiele vor 80-1.500 Leuten pro Nacht und mache meine eigenen Auftritte. Ich verbringe jede Woche Stunden mit Öffentlichkeitsarbeit, schreibe Artikel, sorge dafür, daß die Tour-Infos auf meiner Webseite aktuell sind. Warum? Weil mir das alles öffentliches Interesse eines Publikums verschafft, das sonst nicht kommen würde. Wenn also jemand schreibt und mir erzählt, er wäre zu meinem Auftritt gekommen, weil sie ein Lied heruntergeladen hätten und neugierig geworden wären, freut mich das!

Wen schädigt also freies Herunterladen von Musik? Außer einigen Kassenschlagern wie Celine Dion, niemand. Uns wird nur geholfen.

Aber davon ist im Kongreß nichts zu hören. Senator Fritz Hollings, Vorsitzender des Handelsausschusses des Senats, der das Phänomen studiert, sagte: Wenn der Kongreß untätig diesen [Dateifreigabe-] Aktivitäten zuschaut, belohnen wir im Wesentlichen das Internet als einen Zufluchtsort für Diebstahl, dann fuhr er fort, über 10 Millionen Menschen vorzuwerfen, sie würden stehlen. [Steven Levy, Newsweek 11. Februar 02]. Das denken wir also von unseren Kunden – sie sind Diebe und wollen etwas für nichts haben.

Quatsch. Die meisten Konsumenten haben kein Problem, für Unterhaltung zu zahlen. Man muß sich nur mal den Erfolg von Fictionwise.com und den wenigen anderen Seiten ansehen, die Bücher und Musik zu vernünftigen Preisen anbieten, um das zu verstehen. Wenn die Musikindustrie einen Funken Verstand hätte, hätten sie sich mit diesem Problem vor sieben Jahren beschäftigt, als Leute wie Michael Camp versuchten, gültige Lizenzen für Musik über das Netz zu bekommen. Stattdessen war die Meinung der Musikindustrie: Es wird schon vorbeigehen. Das ist die gleiche Meinung, die CBS gegenüber Rock’n’Roll hatte, als Mich Miller der Kopf der A&R-Abteilung (Artists & Repertoire: Angestellter, der Verträge mit Künstlern abschließt und ihr Repertoire entwickelt) war. (Und Sie wundert es noch, daß sie die Beatles und die Rolling Stones weitergegeben haben.)

Ich werfe der RIAA nicht Hollings Meinung vor. Sie sind schließlich die Recording Industry Association of America, die Gemeinschaft amerikanischer Plattenfirmen, gebildet, damit die Firmen eine Lobbygruppe in Washington haben. (Mit anderen Worten, sie dürfen Spenden an Politiker und ihre Parteien zahlen.) Aber dafür, daß der Erfolg unserer Industrie auf Verständigung basiert, war die Antwort der Industrie auf das Internet verheerend. Behauptungen wie die obige helfen in keinster Weise in der Sache.

Natürlich war die Pflege des Kontakts zur Öffentlichkeit immer die Arbeit des Künstlers, nicht der Firmen. Deshalb ist es so beängstigend, wenn Leute wie der aktuelle Präsident der NARAS, Michael Greene, anfangen, Veranstaltungen wie die Grammy Awards zu verwenden, um ihre Meinung vorwärtszubringen.

Die Einschaltquoten zur Grammy-Verleihung haben 2002 einen sechsjährigen Tiefstpunkt erreicht. Ich persönlich fand das Programm so faszinierend, daß ich mich danach sehnte, daß nochmal Rob Lowe mit Schneewittchen tanzte, das war wenigstens so schlecht, daß es unterhaltsam war. Sachen wie das lächerliche Elton John-Eminem Duett haben wenig dazu beigetragen, daß sich die Leute das alles nächstes Jahr nochmal anschauen wollen. Und ich gehe noch nicht mal auf die Pulitzer Preis-prämierte Serie der Los Angeles Times über Greene und die NARAS ein, wo sie zeigten, daß MusiCares weniger als 10% seines Gewinns in Hilfszahlungen für Leute in der Musikindustrie in Not aufwandte (seine Hauptfunktion), oder daß Greene sein eigenes Album aufgenommen hatte, es Leitern von Plattenfirmen zuwarf, während er mit ihnen über Grammy-Sachen redete, und dann einen Vertrag über 250.000 US$ (ca. 225.000€) mit Mercury Records dafür aushandelte (der später wegen des öffentlichen Aufschreis zurückgezogen wurde). Oder, daß die NARAS still und leise mindestens 650.000 US$ (590.000€) ausgezahlt hat, um einen Prozeß wegen sexueller Belästigung gegen ihn außergerichtlich zu regeln, wovon ein Teil von der gemeinnützigen Akademie bezahlt wurde. Oder, daß er pro Jahr zwei Millionen US-Dollar erhält (ca. 1,8 Millionen €), zusammen mit Boni wie eine Millionen-Dollar-schwere Mitgliedschaft in einem Golfclub und ein Mercedes. (Obwohl man sich dabei wundert, wann er das letzte Mal in einem Plattenladen war und etwas mit seinem eigenen schwer verdienten Geld kaufte.)

Merken wir uns einfach mal, daß er in seiner Rede dem Publikum erzählte, daß NARAS und RIAA, zu großen Teilen, ihren Standpunkt einnähmen, um Künstler zu schützen. Er bezalte drei Teenager, einige Tage nichts zu tun als Musik herunterzuladen, und sie schafften es, 6.000 Lieder herunterzuladen. Bitte. Für freie Plätze in der ersten Reihe bei den Grammys und einen Auftritt im überregionalen Fernsehen würde ich das doppelte herunterladen! Aber… wer hat Zeit, so viele Lieder herunterzuladen? Glaubt Greene wirklich, die Leute da draußen verbringen zwölf Stunden am Tag damit, unsere Musik herunterzuladen? Wenn sie das tun, müssen sie verhungern, weil sie nicht arbeiten oder zur Schule gehen. Wieviele von uns können sich eine digitale Standleitung leisten?

Das zeigt mal wieder, wie Statistiken und Informationen durch die Gegend geworfen werden. Es ist schauderhaft, darüber nachzudenken, daß Konsumenten aufgefordert werden, die Verantwortung für die Probleme der Industrie zu übernehmen, die schon länger bestehen als das Internet. Es ist noch schlimmer, daran zu denken, daß den Konsumenten erklärt wird, sie müssten uns, die Künstler, schützen, wenn unsere eigene Industrie das Geld, das wir verdienen, mit Müll und persönlichen Kleinkriegen verpraßt.

Greene fuhr fort und sagte, daß viele der Nominierten heute abend hier, vor allem die neuen, weniger etablierten Künstler, in direkter Gefahr sind, aus unserem Geschäft verdrängt zu werden. Richtig. Jeder neue> Künstler, der es zu den Grammys schafft, hat Millionen Euro Geld von Plattenfirmen hinter sich. Die echten neuen Künstler sind keine Leute, die Sie im überregionalen TV sehen oder bei den meisten Rundfunksendern hören werden. Es sind die Leute, die Sie hören, weil Ihnen jemand eine CD gegeben hat, oder Sie sie als Eröffnungsgruppe bei einem Auftritt gehört haben, oder die das Glück hatten, von NPR oder einem anderen Programm aufgegriffen zu werden, das noch Platten spielt, die noch keine Hits sind.

Und was Künstler betrifft, die aus dem Geschäft verdrängt werden, die einzigen Leute, die verdrängt werden, sind die Angestellten unserer Enron-mäßigen Plattenkonzerne, die in Herden gefeuert werden, weil die Leiter inkompetent sind.

Und es ist schwierig, ein gebildetes Publikum davon zu überzeugen, daß Künstler und Plattenfirmen den Bach runter gehen weil sie, die Kunden, Musik herunterladen. Vor allem, wenn sie €40-€120 pro Stück für Konzertkarten ausgeben, und €14,99 für eine neue CD, von der sie wissen, daß sie nur ein paar Euro zur Herstellung und zum Vertrieb kostet.

Mir kommt es manchmal vor, als sähe Greene Leute, die Musik herunterladen, als die Entsprechung eines Fernseh-Drogendealers alten Stils, der sich an Spielplätzen herumtreibt, einen weiten Mantel trägt und ihn vor Kindern mit großen Augen öffnet, die dann Schwarzmarkt-CDs zu großzügigen Preisen kaufen.

Was ist das neue Schlagwort der Industrie? Verschlüsslung. Sie wollen sicher gehen, daß niemand CDs kopieren kann, selbst für den Eigenbedarf, oder sie frei herunterladen kann. Brilliant, außer, daß es sich über bestehende Gerichtsurteile über Leerkassetten, leere Videokassetten, und so weiter hinwegsetzt. Und das macht die Leute wütend.

Wieviele von Ihnen wissen, daß viele Autoradiohersteller jetzt alle ihre CD-Spieler so herstellen, daß sie auch DVDs abspielen können? Oder, daß ein Teil der Verschlüsslung, die Plattenfirmen benutzen, nicht erlaubt, daß Ihre gekaufte CD in einem DVD-Spieler abgespielt wird, weil das die gleiche Technik wie auf Ihrem Rechner ist? Und wenn Sie Probleme hatten, ihre selbst aufgenommene CD von O Brother Where Art Thou im Auto abzuspielen, ist das wegen dieser Verrücktheit.

Die Antwort der Industrie darauf ist, auf die Hülle zu schreiben: Diese Audio-CD ist gegen unzulässiges Kopieren geschützt. Sie ist konzipiert, um in normalen Audio-CD-Spielern und Rechnern unter dem Betriebssystem Windows abspielbar zu sein; allerdings können Probleme beim Abspielen auftreten. Wenn Sie solche Probleme haben, tauschen Sie diese CD um.

Jetzt frage ich Sie. Nachdem Sie das drei oder viermal erlebt haben, in das Geschäft gehen, um die CD zu kaufen, und dann zurückgehen, um sie umzutauschen (und Sie haben Ihre Musik immer noch nicht), wer kauft dann noch CDs?

Die Industrie beklagt sich schon seit Jahren über den Würgegriff, in den der Mittelklasse- Käufer sein Geld genommen hat, aber sie wollen nichts tun, um diese Mittelklasse-Käufer zu kränken. (BMG hat eine strikte Politik für Künstler, die ihre eigenen CDs kaufen, um sie auf Konzerten zu verkaufen – in den Vereinigten Staaten 11 US$ pro CD. Sie wissen sehr gut, daß die meisten von uns Geld verlieren, wenn wir soviel zahlen; das Ziel ist es, die großen Plattenläden glücklich zu machen, indem sichergestellt ist, daß die Verkäufe an sie gehen. Was wirklich passiert, ist kein Umsatz für uns und die Geschäfte.) Die NARAS und die RIAA klagen über die kleinen Tante-Emma-Plattenläden, die aus dem Geschäft gedrängt werden; niemand hat härter daran gearbeitet, sie zu verdrängen, als unsere eigene Industrie, die jede neue WoM oder Mega-Store freudig erregt begrüßt, und Großdiscountern wie Wal-Mart beträchtliche Rabatte anbietet, wenn sie CDs ins Programm nehmen. Das Internet hat null zu tun mit Geschäftsaufgaben und rückgängigen Verkäufen.

Und die von uns, die Plattenverträge mit großen Firmen haben und einige unserer Stücke zum freien Herunterladen zur Verfügung stellen wollen… nun, den Plattenfirmen gehören unsere Masterbänder, unsere Schnitte, selbst unsere Demos, und sie wollen es nicht erlauben. Des weiteren gehören ihnen unsere Stimmen für die Dauer des Vertrages, so daß wir nicht mal eine Live-Aufnahme zum Herunterladen frei geben können!

Wenn man darüber nachdenkt, sollte die Musikindustrie sich eigentlich über diesen neuen technischen Fortschritt freuen! Hier ist eine narrensichere Möglichkeit, Musik an die Millionen zu liefern, die sonst niemals eine CD im Geschäft kaufen würden. Die Möglichkeiten zur Quervermarktung sind unglaublich. Es ist schnell, die Kosten sind minimal, Versandkosten gibt es nicht… ein umwerfender Träger für höhere Gewinne und niedrigere Kosten. Stattdessen rennen sie durch die Gegend wie geköpfte Hühner, bluten jeden voll und ergeben keinen Sinn. Als Alternative dazu, alles zu verschlüsseln, und Geld für Jahre (möglicherweise Jahrzehnte) zu binden, indem man Rechtsstreite mit Konsumenten ausficht, die ihre Rechte aus dem ersten Anhang der Verfassung der Vereinigten Staaten geschützt wissen wollen (Prozesse, die die Konsumenten immer gewonnen haben, wie man an der Verfügbarkeit von Audio- und Video-Leerkassetten sieht), warum nimmt man nicht einen Rat von Buchverlagen und Autoren an?

Die Baen Free Library ist so eine Erfolgsgeschichte. Die SFWA (Science Fiction and Fantasy Writers of America, Verband amerikanischer Science-Fiction- und Fantasy-Autoren) ist eine andere. Die Seite der SFWA ist eine der besten Ratgeberseiten für Autoren, auf der fachkundige Artikel über alles von Betrugsversuchen von Agenten und Verlagen bis zu einer fortlaufenden Serie von Nachrichten über verschiedene Themen von geistigem Eigentum veröffentlicht sind. Wichtiger, viele der SF-Autoren, die sie vertritt, waren von Anfang an stark am Internet beteiligt. Jedes Jahr, wenn die SF-Gemeinschaft über die renomierten Hugo- und Nebula Award-Preise abstimmt, werden die meisten der Werke vollständig auf die Seite gestellt, was den Wählern und Nicht-Wählern die Möglichkeit eröffnet, sie durchzulesen. Frei. Wenn Sie Mitglied oder Partner (für einen Nominalbetrag) sind, haben Sie sogar auf noch mehr Werke zugriff. Die Seite ist weiterhin voll von Verweisen auf die Webseiten der Mitglieder und Geschichten Online, selbst wenn sie für nichts nominiert sind. Wenn sie dieses Material, wieder kostenlos, lesen, können Betrachter entscheiden, über welche Autoren sie mehr wissen wollen – und ihre Bücher kaufen. Wäre es nicht schön, wenn alle für Preise nominierten Platten jedes Jahr zum freien Herunterladen verfügbar gemacht würden, selbst wenn das nur die Gewinner werden würden? Leute, die das Album noch nicht gekauft haben, könnten sich die Singles anhören, dann rausgehen und die Platte kaufen.

Ich habe nichts dagegen, wenn Greene und andere versuchen, die Plattenfirman zu schützen, das sind diejenigen, die die Hysterie nähren. Die RIAA ist von ihnen gegründet worden. Die NARAS wird von ihnen unterstützt. Ich widerspreche aber entschieden der Behauptung, sie täten das in irgendeiner Weise zu unserem Nutzen. Wenn sie wirklich etwas für die große Mehrheit der Künstler tun wollten, die sich gegen alle Widrigkeiten durchschlagen, könnten sie einige der echten Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, ansprechen:

  • Der normale Plattenvertrag ist über sieben Alben, ohne Enddatum, was in anderen Sparten bestenfalls als Knebelvertrag (und schlimmstenfalls Sklaverei) bezeichnet würde. Es wäre faktisch illegal.
  • Eine Firma kann Ihr Projekt in der Schublade verschwinden lassen, dann Ihren Vertrag um ein weiteres Album verlängern, weil was Sie eingereicht haben geschäftlich oder künstlerisch unakzeptabel sei. Sie alleine bestimmen die Kriterien.
  • Sänger-Komponisten müssen die Kontrollierte Kompositions-Klausel unterschreiben (die besagt, daß sie nur 75% des Betrages für jeden Haupt- oder und Nebenverträge ausgezahlt bekommen, der vom Kongreß als Veröffentlichungstantiemen festgesetzt wurden, oder den Vertrag verlieren). Einfach gesagt, die Klausel, die von den Firmen verlangt wird, besagt, daß a) wenn Sie ihre eigenen Lieder schreiben, werden sie nur mit 3/4 von dem bezahlt, was der Kongreß den Plattenfirmen erzählt hat, was sie Ihnen zahlen müßten, und b) wenn Sie mitschreiben, werden Sie ihre besten Bemühungen einsezten, um sicherzustellen, daß andere Komponisten die 75%-Rate auch akzeptieren. Wenn sie ablehnen, müssen sie sich einverstanden erklären, die Differenz aus Ihrem Anteil zu zahlen.
  • Die vom Kongreß festgesetzten Schreiber/Verlegertantiemen sind von der Höhe von 1960 (2% pro Seite) auf freigiebige 8% gestiegen.
  • Viele von uns haben in den 50ern oder 60ern angefangen; unsere Platten werden immer noch aufgelegt, und uns erden immer noch Tantiemen von 2% (wenn überhaupt) für sie gezahlt.
  • Wenn wir keine Komponisten sind, und nicht kommerziell extrem erfolgreich (wie in Platin oder mehr), machen wir keinen Cent mit unseren Aufnahmen. Die Abrechnungsmethoden der Plattenindustrie sind genauso hoch wie die der Filmindustrie.
  • Noch schlimmer, wenn Platten vergriffen werden, bekommen wir sie nicht zurück! Wir können sie nicht mal an eine andere Firma verkaufen. Auf diese weise wurden schon bewußt Karrieren zerstört, indem die Plattenfirma sich weigerte, ein Produkt herauszubringen, oder dem Künstler zu erlauben, es woanders zu versuchen.
  • Und weil eine Plattenfirma Ihre Stimme für die Dauer des Vertrages gehört, können Sie auch nicht woanders hin gehen und die gleichen Lieder, die sie abgelehnt haben, neu aufnehmen.
  • Und wegen der Vorkehrungen gegen Neuaufnahmen können Sie nicht mal nach Ablauf Ihres Vertrages über Jahre, manchmal Jahrzehnte, hinweg diese Lieder für jemand anders aufnehmen.
  • Nicht zuletzt sind die Vereinigten Staaten das einzige Land, das ich kenne, das keine Tantiemen für Live-Auftritte an Komponisten zahlt. In Europa, Japan, Australien, wenn Sie dort mit dem Auftritt fertig sind, reichen Sie Ihre Liste beim Veranstalter ein, der es an die entsprechende Organisation weiterleitet, und dann eine kleine Tantieme pro Lied an den Schreiber zahlt. Es kostet den Sänger nichts, die Raten basieren auf der Größe der Veranstaltung, und es stellt sicher, daß Schreiber, deren Lieder nicht mehr im Radio gesendet, aber immer noch weithin aufgeführt werden, immer noch die Früchte dieser Lieder bekommen.

Des weiteren sollten wir mal den Mund aufmachen, und der Kongreß sollte zuhören. Bis jetzt hören sie nur von Multi-Platin-Gruppen. Was ist mit jemandem wie Ani Difranco, einer Stimme, der im Bereich Unterhaltung in Universitäten am meisten vertraut wird? Was ist mit denen von uns, die den größten Teil ihres Lebens außerhalb der großen Firmen leben, und die sehr andere Sichtweisen zu diesem Thema haben könnten?

Es gibt null Beweis dafür, daß Material, das kostenlos zum Herunterladen über das Netz verfügbar ist, jemandem finanziell schadet. Faktisch gibt es die meisten harten Beweise für genau das Gegenteil.

Greene und die RIAA liegen in einer Sache richtig – in diesen Zeiten gibt es in unserer Industrie große Veränderungen. Aber zu einer Zeit, in der in den Vereinigten Staaten wohl nur noch vier Plattenfirmen übrig geblieben sind (Sony, AOL/Time-Warner, Universal, BMG – und wo ist der RICO-Act (The Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act, Gesetz gegen erpresserische Beeinflussung und korrupte Organisationen), wenn man ihn mal braucht?)… wenn ganze Genres die Gangster-Mentalität glorifizieren und ihre lautesten Stimmen an die Gewalt verlieren… wenn Geschäftsführer ihre Postitionen so oft wechseln, wie Zsa Zsa Gabor ihre Garderobe, und A&R ein Euphemismus für Absent & Redundant (Abwesend & Überflüssig) geworden ist… dann haben wir wohl andere Dinge, um die wir uns kümmern müssen.

Es ist absurd für uns, die Künstler, es zu billigen – oder zu ermutigen -, daß so etwas beendet wird. Es war reine Dummheit, sich über die Napster-Entscheidung zu freuen. Kurzsichtig und ignorant.

Freies öffentliches Interesse ist für Unterhalter praktisch etwas aus der Vergangenheit. Dafür zu sorgen, daß unsere Platten im Radio gespielt werden, kostet mehr Geld, als die meisten von uns träumen können, je zu verdienen. Freies Herunterladen gibt jedem Eigenverleger da draußen eine Chance. Jede Gruppe, die aus irgendeinem Grund keinen großen Plattenvertrag bekommen kann, kann so im wahrsten Sinne des Wortes Millionen neuer Hörer erreichen und neugierig machen, die CD zu kaufen oder zu den Konzerten zu kommen. Wo sonst kann eine Nachwuchsgruppe, oder eine die keinen Plattenvertrag hat, diese Art von Öffentlichkeit bekommen?

Bitte beachten Sie, daß ich nicht für wahlloses Herunterladen ohne Einverständnis des Künstlers spreche. Ich sage nicht, Urheberrechte seien bedeutungslos. Ich protestiere gegen die Behauptung der RIAA, sie täten das, um die Künstler zu schützen, und uns mehr Geld zu machen. Ich bin verärgert, daß so viele Platten, die ich einmal hatte, jetzt vergriffen sind, und ich sie einzig und allein auf Napster finden konnte. Am meisten von allem will ich ein Ende der Hysterie sehen, die dafür sorgt, daß eine Gruppe wie die RIAA über 45 Millionen US-Dollar (ca. 41 Millionen €) für uns ausgibt, während jede Plattenfirma da draußen sich beschwert, sie haben kein Geld.

Leute, wenn wir nicht aufpassen, werden wir zu Microsoft, und bestehen darauf, daß jeder Haushalt, der eine Privatkopie für das Auto, die Kinder, oder den tragbaren CD-Spieler haben will, Mehrkopien lizenzieren muß.

Als Künstler haben wir das Ohr an den Massen. Wir haben das Vertrauen der Massen. Wenn wir in unseren Konzerten und in der Presse den Mund aufmachen, können wir viel tun, um diese Hysterie zu dämpfen, und die Schuld an dem traurigen Zustand unserer Industrie zurück dorthin schieben, wo sie hingehört – in den Schoß der Plattenfirmen, Rundfunk- Programmdirektoren, und unserer eigenen offensichtlichen Unfähigkeit, uns zu organisieren, um unser Leben besser zu machen – und das unserer Fans. Wenn wir die Zügel nicht aufnehmen, wird es niemand tun.

Quellen:

Baenbooks.com, BMG Records, Chicago Tribune, CNN.com, Congressional Record, Eonline.com, Grammy.com, LATimes.com, Newsweek, Radiocrow.com, RIAA.org, persönliche Verbindungen.
Für mehr Informationen über die englische Free Library, gehen Sie auf www.baen.com/library.

Englischer Originaltitel dieses Artikels: The Internet Debacle.

Des weiteren haben wir angefangen, Worten auch Taten folgen zu lassen. Wir werden pro Woche ein Lied im MP3-Format zum freien Herunterladen auf anbieten… und wann immer wir uns den Platz auf dem Server erlauben können, werden wir versuchen, einige davon gleichzeitig zur Verfügung zu stellen!
Dies sind Lieder, zu denen ich sowohl die Urheberrechte als auch das Masterband besitze und darüber verfüge; Sie sind herzlich eingeladen, diese Dateien auch Ihren Freunden zu geben. Wir würden uns freuen, wenn Sie ihre Unterstützung zu diesem Projekt zeigen würden, indem Sie sich auf unserer Mailingliste anmelden würden – senden Sie einfach eine eMail an janisian-announce-subscribe@yahoogroups.com. Wir werden Sie nicht sehr häufig stören! Außerhalb von den Anforderungen von Yahoo werden wir unsere Liste nicht vermieten oder weitergeben. Alles, was Sie bekommen werden, wird eine Ankündigung, wenn ein neues Album rauskommt, sein, und hin und wieder die Tourdaten. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!

 

 

NACHBEBEN – EIN FOLGEARTIKEL ZUM INTERNET-DEBAKEL von Janis Ian

Offen gestanden, als ich drei Monate lang für Das Internet-Debakel recherchierte und den Artikel schrieb, hatte ich nicht geplant, Teil einer Mission zu werden. Ich dachte, die 35.000 Abonnenten des Performing Songwriter Magazine würden ihn lesen, und einige davon darüber eMails mit mir austauschen. Ich hatte keine Ahnung, daß der Artikel kaum einen Monat später auf über 1.000 Seiten veröffentlicht, in neun Sprachen übersetzt, und von BBC vorgestellt werden würde.

In den letzten zwanzig Tagen habe ich über 2.200 eMails von verschiedenen Absendern erhalten. Ich habe jede einzelne selbst beantwortet und dabei eine Weiterbildung genossen, die ich nie geplant hatte. Ich habe Briefe mit Anwälten, Schülern, Abgeordneten, leitenden Angestellten und Hackern gewechselt. Und ich fühlte mich zu einem guten Teil davon der Sache nicht einmal gewachsen.

Ich bin in keinster Weise qualifiziert, die meisten mir gestellten Fragen zu beantworten, obwohl ich mein Bestes getan oder sie an jemand anderen weitergeleitet habe. Die Dinge hier sind viel, viel zu groß, als daß ich sie alle auflösen könnte. Ich habe nur über das Herunterladen, Plattenfirmen, und Musikkonsumenten geschrieben; innerhalb weniger Tage fand ich mich dabei wieder, mir selbst solche Fragen zu beantworten wie Wem gehört die Kultur?. Dauer der Urheberrechte, Fair Use des Netzes, wie sich das alles auf Büchereien auswirkt – all dies sind Dinge, über die ich vorher nicht sonderlich viel nachgedacht habe.

Als ich begann, Nachforschungen für den ursprünglichen Artikel anzustellen, war ich unentschieden; aber je mehr ich forschte, desto mehr habe ich die Schlußfolgerungen gezogen, die ich im Debakel-Artikel beschrieben habe. Seit Erscheinen des Artikels hatte ich nur wenige Wochen Zeit. Darüberhinaus war ich die ganze Zeit auf Tour, also hatte ich nicht die Möglichkeit, die meisten dieser Fragen zu recherchieren. Ich möchte Jim Burger und anderen Anwälten und Fans danken, die mir freundlicherweise Artikel und Gerichtsurteile zusandten, um sie außerhalb des Netzes zu lesen, während ich im Auto unterwegs zur nächsten Stadt war.

Denke ich immer noch, Herunterladen schade der Musikindustrie nicht? Ja, absolut. Würden Konsumenten meiner Meinung nach Platten kaufen, obwohl sie sie herunterladen können, wenn die Industrie anfangen wird, die Produkte herzustellen, die sie wirklich haben wollen? Ja. Wasser kostet nichts, aber viele von uns trinken Mineralwasser, weil’s besser schmeckt. Man bekommt Kaffee im Büro, aber trotzdem geht man eher auf einen Kaffee oder Espresso ins Stehkaffee um die Ecke, weil es dort besser schmeckt. Wenn Plattenfirmen anfangen, CDs herzustellen, die uns Käufern einen Grund bieten, sie zu kaufen, werden wir sie kaufen (siehe hierzu Kevins eMail am Ende dieses Artikels). Die Lieder mögen im Netz frei sein, aber die CDs werden besser schmecken.

Meine Schlußfolgerungen bis jetzt

Warum sind Plattenfirmen auf so einer harten Linie? Ich schätze, es geht ausschließlich darum, ihr vom Internet herausgefordertes Geschäftsmodell zu schützen. Ihre Profite kommen von einigen Kassenschlagern. Wenn die Industrie sich an eine abwechslungsreichere Kundschaft wandte, würden unabhängige Firmen und Künstler florieren – zum Nachteil der großen Firmen… Ein schlagender Beweis dazu ist die Aussage eines RIAA-unterstützten Ökonoms, der dem Regierungsgebührenausschuß erzählte, eine dramatische Gesundschrumpfung von Webradios sei unausweichlich und erstrebenswert, weil sie Marktkonsolidation mit sich bringen wird.
( Labels to Net Radio: Die Now, Steven Levy in Newsweek, 15. Juli 2002 )

Soweit ich das sehe, gibt es drei maßgebliche Probleme, die die strenge Antwort der Industrie auf das Konzept, Musik aus dem Internet herunterzuladen, erklären:

  1. Kontrolle. Die Musikindustrie ist nicht anders als andere sehr große Organisationen, sei es Mobil Oil oder die Römisch-Katholische Kirche. Wenn sie sich einer neuen Technologie oder einem neuen Produkt gegenübersehen, das ihre Geschäfte revolutionieren wird, ist ihre Antwort vorhersehbar:
    1. Zerstöre es. Und wenn das nicht geht,
    2. Kontrolliere es. Und wenn das nicht geht,
    3. Kontrolliere die Konsumenten, die es verwenden wollen, und durch die Gesetzgebung auch die Gesetze, von denen erwartet wird, daß sie diese Verbraucher schützen.

    Das gilt nicht nur für die Unterhaltungsindustrie. Diese Mentalität gehört zum Stoff unseres täglichen Lebens. Filmstudios klagten gegen die Herstellung von Videorekordern und den Verkauf von Video-Leerkassetten, mit Jack Valenti (Motion Picture Association of America-Präsident), der vor dem Kongreß aussagte, der Videorekorder sei für die Filmindustrie das gleiche wie der Würger von Boston für eine Frau alleine in der Nacht – und trotzdem macht der Gewinn aus Videoverkäufen jetzt für die Filmindustrie mehr Gewinn aus, als der Film selbst. Als Ignaz Semmelweiß herausfand, daß es das Kindbettfieber ausmerzt, wenn man sich die Hände wäscht, bevor man eine Frau bei der Geburt versorgt – und das zu einer Zeit, als über 50% der in Krankenhäusern Gebährenden daran starben -, machten sich seine Kollegen über ihn lustig und weigerten sich, es zu tun. Kein eingegrabenes Modell hat je eine neue Technologie (oder Idee) angenommen, ohne unter den begleitenden Geburtswehen zu leiden.

  2. Stasis. Die Industrie arbeitet immer noch nach Gesetzen und Konzepten, die in den 30ern und 40ern entwickelt wurden, vor Kassetten, vor tragbaren HiFi-Geräten, vor MP3 und Dateitausch und dem Internet. Es ist weit einfacher, darauf zu bestehen, daß die neuen Technologien unter alte Rechtsprechung fallen, als neue Gesetze zu verabschieden, die alle existente Technologie umfassen. Es ist viel einfacher, einen Sündenbock zu finden, als die eigene Geschäftsführung zu hinterfragen. Wie man sagt: Man kann nicht für’s Neinsagen gefeuert werden.
  3. Der Traum vom Fortschritt. Die Versprechen, die jedem von uns während unseres Lebens als Einwohner der westlichen Welt gemacht werden, stillschweigend oder anders. Der Traum, den wir erben, wenn jede neue Generation eingeschult wird – daß wir freier sein werden als unsere Großeltern, erfolgreicher als unsere Eltern, und für unsere Kinder eine bessere Welt bauen werden. Die Versprechen, die von unseren Schulbüchern, unseren Staatsoberhäuptern, und unserer Kultur während unserer gesamten Kindheit gemacht werden: Gute Bezahlung für ein Tagwerk, und das Recht zu streiken. Das Recht, eine unbefriedigende oder ausbeuterische Arbeit zu verlassen. Freiheit von erzwungener Knechtschaft. Die Grundlage, daß jeder Bürger ein Wahlrecht hat, und niemand je wieder Sklave genannt wird. Das Versprechen, daß Büchereien und Grundbildung quasi gratis sind und es bleiben werden. Das sind keine Ideen, die ich mir impulsiv ausgedacht habe; das ist, was uns von der Kultur, in der wir aufwachsen, gelehrt wird. Und von alldem, was uns beigebracht wird, herrscht eine Sache immer vor – in einer Demokratie ist es das Volk, das regiert. Es ist das Volk, das seine Regierung wählt. Wir wählen unsere Gesetzgeber, damit sie Gesetze verabschieden, die für uns gemacht sind. Wir bezahlen tausende Richter, Polizisten, Beamten, die die Gesetze umsetzen, die zu verabschieden wir unsere Vertreter wählen.
    Es ist das Versprechen, daß unsere Regierung den Willen des Volkes, und nicht den der Großfirmen, unterstützt, was dieses Thema so niederschmetternd macht – und zur gleichen Zeit so hoffnungsvoll.
    Wenn man Disney erlaubt, zwei Clowns mit Klage zu bedrohen, die es wagen, aus drei Ballons Mäuse zu machen und sie Mickey zu nennen, ist das keine Sache des Volkes. Wenn Senator Hollings mehrere hunderttausend Dollar (ca. 90.000€) an Wahlkampfspenden von großen Unterhaltungskonzernen annimmt und dann vorgibt, Geld habe nichts mit seinem Standpunkt zum Herunterladen zu tun, während er seine eigenen Wähler Diebe nennt, hat das Volk daran keinen Anteil. Wenn die Repräsentanten Berman und Coble ein Gesetz einbringen, das Filmstudios und Plattenfirmen erlaubt, Ihren Rechner außer Betrieb zu nehmen, zu blockieren oder anders zu beeinträchtigen indem Viren und Würmer auf Ihre Festplatte aufgespielt werden sobald sie nur vermuten, daß Sie Dateien tauschen, , ist es das Volk, das dadurch gefährdet wird. Und das Volk ist schlecht vertreten, wenn die Geschäftsführerin der RIAA dieses Gesetz als einen innovativen Ansatz, das ernsthafte Problem der Internetpiraterie in den Griff zu bekommen kommentiert – anstatt zuzugeben, daß es einen riesigen Schritt der Konzerne in ein Ödland darstellt, das selbst unsere Regierungsnachrichendienste nicht zu betreten wagen. (Hilary Rosen, in einer Stellungnahme zitiert von Farhad Manjoo, Salon.com Juni 2002)
    (Lesen Sie den Artikel über dieses Gesetz nach unter http://news.com.com/2100-1023-945923.html?tag=fd_lede.)

Ein hoffnungsvoller Gedanke

Wenn man Kopien in Schulen scharf einschränkt, wenn wir jemandem ein Softwarepatent über Grundfunktionen geben, wird irgendwann der frei zugängliche öffentliche Besitz so geschrumpft sein, daß Schöpfer in Zukunft vom Schaffen abgehalten werden, weil sie sich die benötigten Rohmaterialien nicht mehr leisten können. Ein System von geistigem Eigentum muß sicherstellen, daß der fruchtbare öffentliche Besitz nicht zu einer Brachlandschaft von eingemauerten Grundstücken wird.
(
James Boyle in der New York Times, 31. März 1996.)

Ich habe gesagt, die Nachforschungen und die Informationen, die ich während der letzten drei Wochen erhalten habe, haben mich hoffnungsfroh gemacht, und ich meine das auch so. Denn ich weiß, daß, obwohl die RIAA und die sie unterstützenden Firmen 55 Millionen US$ (ca. 49 Millionen €) pro Jahr für Lobbyarbeit im Kongreß und vor Gericht ausgeben können, sie es sich nicht leisten können, sich jeden Musikkäufer da draußen zu entfremden. An diesem Punkt wird es einen Generalstreik geben, davon bin ich überzeugt. Nur eine Woche, in der Leute sich weigern das Radio einzuschalten, Produkte zu kaufen, oder unsere Industrie in irgendeiner Weise zu unterstützen, würde Muskeln anspannen, von denen sie bisher keine Ahnung haben.

Und ich weiß daß, obwohl Firmen unbeschränkt Geld für Kampagnen ausgeben können, nur das Volk eine Regierung wählen kann. Ich glaube, daß es für einen Politiker kein Lobbygeld wert sein wird, abgewählt zu werden.

Aus diesen Gründen, meine Freunde, habe ich Hoffnung. Weil ich weiß, daß in Demokratien Wählerstimmen zählen. Weil ich weiß, daß das Recht gewinnen wird, wenn genügend Leute diese Thematik verstehen und dementsprechend wählen. Eine Gesetzgebung wird an die Macht kommen, die den Willen des Volkes in Erwägung ziehen wird, und ihrem Recht zu lernen mehr Gewicht geben wird als dem Recht auf Kontrolle durch Disney. Internetradio, momentan gefährdet, wird außer Landes gehen wenn nötig, so daß die Hörer tausende von Liedern anstatt einer engen Liste hören können. Die RIAA wird eine kleine Fußnote auf den Seiten der Internetgeschichte werden, und das Volk wird gesiegt haben – wieder einmal.

Ein bescheidener Vorschlag für ein Experiment, der zu einer Lösung führen könnte:

Die Plattenfirmen haben Napster erschaffen, indem sie eine Lücke für Napster zum Füllen ließen.
(Jon Hart und Jim Burger, Wall Street Journal, 2. April 2001)

  1. Alle Plattenfirmen schließen sich zusammen und kreieren eine einzige große Webseite, auf der alle Sachen aus ihren Katalogen, die momentan vergriffen sind, verfügbar sind, und erklären sich bereit, das Experiment für ein Jahr fortzuführen.

    Das könnte das Experiment sein, daß die ganze Problematik zum Herunterladen ein für alle Mal aus der Welt schafft, ohne Gefahr für die beteiligten Parteien. Durch die Benutzung des Katalogs von vergriffenen Werken würden Plattenfirmen, Komponisten und Sänger kein Geld verlieren; der Katalog steht momentan nur im Lagertresor rum. Und Fans können eine Gelegenheit haben, auf Worte Taten folgen zu lassen; wenn die meisten Leute tatsächlich einen angemessenen Preis für heruntergeladene Musik zahlen wollen, sollte die Auslastung dieser Seite exzellent sein. Wenn die meisten Leute von Seiten wie Napster tatsächlich Musik herunterladen, weil es so viel Material nicht mehr in Geschäften zu kaufen gibt, sollte die Auslastung dieser Seite unglaublich gut sein.

  2. Die Seite bietet in diesem Teil des Experiments ausschließlich Musik zum Herunterladen an.

    Weil alle angebotenen Stücke auf CD nicht verfügbar sind, gäbe es keinen Grund, Zeit und Geld zu investieren, um auf Seiten zu verweisen (oder Seiten von Plattenfirmen zu erstellen), wo Interessenten sie auf CD kaufen können. Das stellt auch sicher, daß das Experiment rein bleibt und sich nur mit dem Herunterladen von Musik beschäftigt. Es würde auch Künstler wie mich hindern, ihre noch auf CD verfügbaren Stücke anzubieten und so die Ergebnisse zu verfälschen.

  3. Jetzt kommt der schwierige Teil ins Spiel. Alle Plattenfirmen erklären sich einverstanden, um des Experiments willen, und weil diese Stücke sowieso ungenutzt im Wasser treiben, einen mehr als angemessenen Preis für jedes aufgerufene Stück zu verlangen.

    Wenn ich angemessen sage, spreche ich nicht von 1,50 US$ (€1,33) pro Lied; das ist Wucher, wenn eine brandneue 17-Lieder-CD zwischen 12,99 US$ (€11,55) und 16,99 US$ (€15,10) kostet. Ich denke an etwas in der Größenordnung von einem Vierteldollar (€0,22) pro Lied. Ich habe vor kurzem einen Bericht gelesen, der zeigte, daß in der Blütezeit von Napster Plattenfirmen, wenn sie sich darauf geeinigt hätten, auch nur ein Fünf-US-Centstück (€0,045) pro heruntergeladenem Lied zu verlangen, unter sich 500.000 US$ (ca. €444.400) pro Tag, 24 Stunden am Tag, 52 Wochen im Jahr, hätten aufteilen können.
    Plattenfirmen müßten sich einverstanden erklären, daß es kein Limit gibt, wieviele Lieder man herunterladen kann, solange man für jedes zahlt; das ist ein Hauptgrund, warum ihre eigenen Seiten nicht erfolgreicher waren.

  4. Indem man den Preis so niedrig hält, erreicht man:
    1. Die Konsumenten werden ermuntert, die Seite zu nutzen, selbst diejenigen unter uns, für die Herunterladen mit einem MoDem zeitaufwändig und mühsam ist.
    2. Eine Menge großartiger, alter Musik wird verbreitet – und Musik, wie jede Kunstform, baut auf dem Fundament auf, das die Vorläufer gelegt haben. Wenn ein so großer Teil des Kataloges vergriffen ist, wachsen ganze Generationen auf, ohne je die Originale gehört zu haben, sondern nur die Klone. Es ist immer besser, auf der echten Sache aufzubauen.
    3. Einen großen Anteil an der Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit der Plattenfirmen in den Augen der Kunden – faktisch könnte man es wie ein Geschenk aus Dankbarkeit für die Treue, die alle Verbraucher über die Jahre gezeigt haben, aussehen lassen! Und obwohl ich weiß, das das im Augenblick für das Geschäftsmodell der Konzerne irrelevant aussieht, wird das im Zuge der Globalisierung immer wichtiger werden, während das Mißtrauen gegenüber großen Konzernen wächst und immer mehr Leute zurück zu Markentreue gehen. Wenn Sony einsichtig ist, und BMG nicht, wird die Marke Sony früher oder später den Markt erobern, und BMG wird mitgehen oder untergehen müssen. Das ist Kapitalismus von seiner besten Seite, nicht?
  5. Und nicht zuetzt würden die erhaltenen Gelder gerecht verteilt werden. Ich bin kein Ökonom, aber das Modell könnte etwa so aussehen:
    1. Die Plattenfirmen hätten die Hauptarbeit, die Seite zu erstellen. Aber es gibt viele Arten für sie, Geld durch dieses Experiment zu machen, ob es nun funktioniert oder nicht. Wenn sie ein wenig darauf achten, von welchen Alben die meisten Lieder heruntergeladen werden, kann die massive Propagierung ihrer vergriffenen Stücke in kurzer Zeit eine ganz neue Subindustrie schaffen. Es ist gut, wenn sie für ein gemeinsames Projekt ihre Ressourcen zusammenlegen; wenn nichts anderes, wird das ihre konstanten Klagen für einige Zeit stoppen.
    2. Ein angemessener (schon wieder dieses Wort) Betrag würde von jedem heruntergeladenen Stück abfließen, um die Kosten zu decken. Die würden nicht, wie traditionell üblich, vollständig von den Künstlern und ihren Nachkommen getragen. Es würde zwischen allen beteiligten Parteien aufgeteilt – Firmen, Sänger, Komponisten. Die Kosten würden einer Schranke unterworfen, so daß Firmen keine Mittel zur Bezahlung ihrer normalen Operationskosten abzweigen könnten. Und die Kontostände würden monatlich auf der Seite veröffentlicht, so daß sie jeder prüfen kann. Wenn man dies tut, könnte man das Anfangsexperiment sogar gemeinnützig machen und die Kosten für Erstellung und Betrieb der Seite absetzen! Plattenfirmen könnten keine Rechnungen mehr für Lagerkosten, Illustrationen, Spenden nach Übersee usw. stellen; Verbraucher könnten wieder anfangen, ihnen zu trauen.
    3. Von diesem Punkt an teilt man, und man teilt gleichmäßig. Man läßt die Plattenfirma, den Künstler, den Komponist und den Verleger den Gewinn gleichmäßig unter sich aufteilen. Lachen Sie nicht! Die Kosten für das Album sind schon bezahlt, egal was Sie ihnen erzählen, und die einzigen hiermit verbundenen Kosten sind es, das Material ins Netz zu stellen, und dann die Seite selbst zu warten. Und wieder, das Material liegt momentan einfach nur auf Halde; es werden keine Gewinne mehr davon erwartet. Die Komponisten, die traditionell mehr als die Sänger bezahlt bekommen, würden angemessen entlohnt und hätten keinen Grund zur Klage. Und die Sänger würden endlich einmal für die Werke bezahlt, die sie aufgenommen haben.
    4. In einer idealen Welt wären verschiedene Dateiformate verfügbar – wav, MP3, Ogg Vorbis und andere. Vielleicht würde man ein kleines bißchen mehr für eine höhere Abtastrate verlangen. Und wie die Plattenfirmen würden alle Firmen, die die Programme für diese Formate besitzen, diese für das Experiment auf Spendenbasis zur Verfügung stellen, bei zukünftigen Geschäftsmodi auszuhandelbar, wenn das Experiment Erfolg hat. Was für eine großartige Möglichkeit für Verbraucher, selbst zu entscheiden, welches ihnen gefällt! Was für eine großartige Möglichkeit für Softwarefirmen, zu beweisen, daß ihre Programme besser sind!

Es gibt alle möglichen Methoden, die man verwenden kann, sobald man weiß, ob dies auch funktioniert. Zum Beispiel:

  1. Stellen Sie sich ein Internet vor, in dem es eine riesige Musikseite gibt, leicht zugänglich für jeden mit einem MoDem und einem Rechner. Die Seite bietet zu angemessenen Preisen alle jemals aufgenommenen Musikstücke zum Herunterladen an, und verweist Sie dann entweder zum direkten Verkauf, oder zu anderen Seiten, wo man die Musik auf CD, DVD, oder in anderen Formaten kaufen kann. Wäre das nicht großartig, nach dem Namen eines Künstlers zu suchen, und im wahrsten Sinne des Wortes alles hören zu können, was er je geschaffen hat?
  2. Verweise könnten von einem Künstler und seinen Werken gelegt werden zu Zeitungsartikeln, Streaming-Videos (ich weiß, ich weiß, aber bis wir alle einen Dateistrom genauso einfach auf DVD brennen können, wie wir vom Fernseher auf Video aufnehmen können, ist das kein ernsthaftes Thema), besonderen Illustrationen, Gesprächen, Filmen, Konzertberichten, selbst Gitarrenlektionen.
    Netzkameras könnten die Konzerte eines Künstlers übertragen, und zwar von überall in der Welt, damit die Fans, die nicht nach Japan fahren können, die Möglichkeit haben, zu sehen, wie sich die Konzerte dort unterscheiden. Konzertorte, die Live-Netzkameras betreiben, könnten ihre eigenen Unterseiten im Netz haben und einen Anteil vom Eintrittspreis für das Konzert dafür verlangen. Sie könnten sogar verknüpft werden mit Rundfahrten in die umliegende Region, Gesprächen mit örtlichen Fans und Künstlern, und dergleichen mehr. Wer weiß – die Musikindustrie könnte damit sogar eine ganze globale Generation weiterbilden. Es würde die Konzertverkäufe nicht beeinflussen, weil die Leute, die zu einem Konzert gehen, etwas völlig anderes bekommen, als diejenigen, die es zu Hause an einem Schirm anschauen. Ansonsten hätten MTV und VIVA Veranstaltungsorte schon vor Jahren in den Konkurs getrieben.
  3. Zuletzt und am wichtigsten könnten Künstler und Verbraucher sich fühlen, als seien sie Teil von einer größeren Sache, und sogar Partner der Musikindustrie werden. Und diese Industrie könnte, anstatt mit drakonischen Maßnahmen und Schutzvorkehrungen zu antworten, sich als echter Teil der Gesellschaft fühlen – und dabei helfen, die künstlerischen und intellektuellen Ressourcen eines Landes, und der ganzen Welt, weiterzuentwickeln.

    Der Westen hat seine Kultur immer exportiert; das ist unser Hauptweg in die Herzen des Rests der Welt. Statt das aufzugeben, sollten wir es auf eine neue Art und Weise laufen lassen und die ersten und besten damit sein. Es ist eine schöne neue Welt da draußen, und jemand wird sie sich nehmen.

Und nun zum unterhaltsamen Teil:

Empfangene eMails: 1.268 zum Stand 30.07.03 (nicht inklusive Artikel in Foren)
Anzahl der Sprachen, in die der Artikel übersetzt wurde: 9.
(Französisch, Deutsch, Chinesisch, Japanisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Russisch, Serbokroatisch.)
So oft schloß AOL meinen Zugang wegen SPAM, weil ich versuchte, 40-50 eMails auf einmal schnell und effizient zu beantworten: 2
Gewinner des auf Worte auch Taten folgen lassen-Preises: Ich. Wir begannen, freie Stücke zum herunterladen etwa eine Woche, nachdem der Artikel herausgekommen war, hochzuladen. Wir werden versuchen, so lange wir können ein freies Stück pro Woche anzubieten – und alle oben zu lassen.
Veränderung in Verkäufen, nachdem der Artikel veröffentlicht wurde (vorherige Verkäufe über ein Jahr gemittelt): plus 25%
Veränderung in Verkäufen nach dem Beginn des Angebots freier Stücke: plus 300%
Angebote über Speicherplatz auf Servern, um freie Stücke zu speichern: 31
Angebote, mir zu helfen, auf Linux umzusteigen: 16
Angebote, mir zu helfen, meine angebotenen Stücke vom MP3-Format auf Ogg-Vorbis umzustellen: 9
Angebote, ein Buch über die Musikindustrie, das ich schreiben sollte, zu veröffentlichen: 5
Angebote, ein Buch über mein Leben, das ich schreiben sollte, zu veröffentlichen: 3
Angebote, für mich ein Buch über mein Leben zu schreiben, das ich nicht schreiben sollte: 2
Heiratsanträge: 1
Anzahl eMails, die meiner Position nicht zustimmten: 9
Anzahl dieser Leute, die nach weiteren Gesprächen ihre Meinung überdachten: 5

Eine interessante Sache über diese eMails: Alle außer drei waren schlüssig. Von diesen schien nur einer wirklich unzusammenhängend zu sein, aber der wurde tatsächlich von jemandem geschrieben, der kein Englisch sprach und Babblefish.com als Übersetzer verwendete. (Kostprobe: Ich liebe Ihre Artikel und spiele Ihre Musik meinen Babies vor wurde zu Ich liebe Babies und will Ihre Artikel berühren.)
Dümmste eMail: Ein Komponist, der meinte, er würde sich alle meine Lieder herunterladen, sie auf CD brennen, und sie an alle seine Freunde weitergeben. Danke!
Größte Ironie: Ich schreibe dies auf einem Sony Vaio Laptop, der mit meinem ersten CD-Brenner und leichten Anleitungen geliefert wurde, wie man eine CD kopieren oder eine Datei herunterladen kann.

Auszüge aus den eMails:

Vor einigen Jahren schloß die Musikindustrie mit den CD-Herstellern ein Abkommen, eine Abgabe pro CD-Rohling zu erhalten, um den Effekt von kopierter Musik auszugleichen… die Plattenindustrie bekommt eine Tantieme für jeden Audio-CD-Rohling, damit er dafür verwendet werden kann, Musik zu kopieren, nimmt das Geld, und dreht sich dann um und beschwert sich, daß die CD verwendet wird, um unauthorisierte Kopien anzufertigen. Also was jetzt? Entscheiden sie sich!
(bohannon)

America On Line (AOL) wurde so beliebt, indem sie CDs mit ihrem Produkt per Post versandte. Ihre Zuwachsraten stiegen schnell über die Kapazität ihrer Infrastruktur, aber dieses Problem wird die Musikindustrie nicht betreffen: Sie habt die Infrastruktur schon. Warum um alles in der Welt nimmt sie nicht mehr kleine Künstler unter einen ein-Platten-Vertrag, mit Vorkaufsrechten für die Plattenfirmen garantiert, bei einem vergleichsweise geringen Betrag für den Künstler für die erste Platte? Sie könnten CDs genauso wie AOL versenden, außer mit vielleicht 20 Stücken von verschiedenen Künstlern pro CD, Quartalsweise verschickt? Achtzig gute Künstler pro Jahr, in Ihrem Briefkasten. Wenn nur einer davon anspricht, gebraucht die Plattenfirma ihr Vorkaufsrecht, der Künstler kann nicht zu einer anderen Firma abwandern, und sie werden unter einen normalen Plattenvertrag genommen. Jemand, auf den die Kundschaft nicht anspringt, wird nach einer CD wieder entlassen… wenigstens bekommt er einen Versuch. Wären die Kosten für diese Werbung wirklich mehr als die Kosten für den Kampf gegen Tauschbörsen?
(henry1)

…sie sollten den Hinweis der Filmindustrie und moderner DVDs annehmen, die den Käufer so mit klarem und eindeutigem Wert überladen, daß selbst diejenigen, die nicht mit der Wimper zucken, eine CD herunterzuladen ohne dafür zu zahlen,… keine Motivation hätten, dutzende Stunden zu verbringen, etwas herunterzuladen und den Wert und die Qualität zusammenzufügen, der auf einer DVD für 25 US$ (€22,-) verfügbar ist. Ich habe schon DVDs für 20 US$ (€17,60) gekauft, wo der Film selbst nur die Spitze des Eisbergs war — Musikstücke, Dokumentationen, interaktive Präsentationen, Audiostücke, Standbilder, Bildschirmschoner, und so weiter, und so weiter. …Sie können immer noch mit eindeutigem Wert kämpfen — sei es in Videos, Spielen auf dem Rechner, Freikarten, besonderen Kennwörtern, um Bonusstücke herunterzuladen, Demostücke und Tanzmixen… Karaokestücken von jedem Lied, alternative Textaufnahmen… Wer könnte, oder würde, die Zeit aufwenden wollen, das alles herunterzuladen und zu reproduzieren? Solange die Erfahrung des Verbrauchers an einer Musik-CD mit einer oder zwei Stunden Herunterladen und einem kurzen Brennen des Ganzen auf CD dupliziert werden kann, werden sie niemanden, der sich die CD kaufen würde (aber es nicht tut, weil er sie herunterladen kann), überzeugen, sie doch zu kaufen… Anstatt alles zu tun, um sich der Kundenbasis, die ihre Produkte regelmäßig kauft, zu entfremden, sollten sie sich darauf konzentrieren, ihren Produkten Mehrwert hinzuzufügen.
(kevin)

Eine Schlußbemerkung:

Unsere Abgeordneten sind nicht im Bundestag/Nationalrat oder dem Europaparlament, weil sie mehr verdienen vollen. Sie sind dort, weil sie Macht und Einfluß wollen. Ohne ihr Amt haben sie nichts davon.
Wenn sie glauben, daß ihre Aktionen dazu führen, daß große Teile der Bevölkerung gegen sie stimmen, wird kein Geldbetrag genug sein, um ihre Zusammenarbeit zu erkaufen. Wenn sie Ihre Abgeordneten wissen lassen, in Massen, daß Sie sie nicht wählen werden, wenn sie lächerliche Maßnahmen unterstützen, wie beispielsweise das Gesetz, daß es Medienkonzernen erlaubt, Viren auf Rechnern von jedem zu verbreiten, den sie wegen Dateitausch verdächtigen, und wenn genug von Ihnen ihnen das erklären, werden sie nicht Hand in Hand mit der RIAA oder IFPI arbeiten.
Wir können nicht realistisch mit den Gelden der Plattenfirmen, die diese für Rechtsstreite ausgeben können, konkurieren, aber wir können drohen, die Abgeordneten, die mit ihnen im Bett sind, abzuwählen. Und am Ende sind es die Wählerstimmen, die sie ernst nehmen.

Bemerkung der Autorin: Sie sind eingeladen, diesen Artikel auf jeder entsprechenden Webseite oder in jedem Druckmagazin zu veröffentlichen, wir erbitten allerdings, daß Sie einen direkten Verweis auf http://www.janisian.com und eine Autorenangabe mit veröffentlichen!

Schreiben Sie Ihrem Abgeordneten des Bundestages, Nationalrats und Europaparlaments und verschaffen Sie sich in dieser Sache Gehör!

 

Dem bleibt nichts hinzu zu fügen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert