Burma, Birma, Myanmar (4) – der Tag danach

„Geht die Welt auch unter, das ist uns egal.
Uns is‘ alles wurscht, mir geht’s gut und wie geht’s Ihnen?
(…)
Wir können uns nicht um alles kümmern.
Der Regenwald, der lässt uns ziemlich kalt.“
(aus dem Lied Würschtlstand von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, in dem es um die „Man-kann-ja-eh-nichts-machen“-Haltung geht)

Nun ist die Blogger-Aktion „Free Burma“ gestern also gelaufen – und was haben wir für seltsame Dinge gesehen. Kritik – okay, gehört mit dazu. Und zu den Vorzügen, in einer Demokratie zu leben, gehört es, anderer Meinung zu sein als andere. Niemand war gezwungen, daran teilzunehmen oder positiv darüber zu schreiben. Doch einige Dinge überschritten dann doch die Grenze, einige Blogger, die im Vorfeld hatten durchblicken lassen, dass sie an der Aktion teilnehmen werden, hatten eine eMail mit einer unverhohlenen Drohung erhalten (wir haben hier auf einen entsprechenden Artikel verwiesen; es wurde gedroht, das betreffende Blog werde aus allen Listen und Suchmaschinen – kurz: aus dem Internet – verschwinden). Gleichzeitig wurde die Diskussion mancherorts in eine Richtung gezogen, die man höflich als „ausgesprochen unfreundlich“ bezeichnen kann, Worte wie „Heuchler“ und „Lügner“ fielen, und es wurde das ständige Totschlagargument aus der Schublade gezogen, wer an der Aktion teilnehme, sei ja nur auf Links und Traffic aus. In diesem Zusammenhang fiel auch (mal wieder) das Wort „Linkhu**“.

Immer wieder wurde auf andere Krisengebiete oder die Situation in Deutschland hingewiesen, etwa im Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung und ähnlichem. Ehm… hat jemand mitgekriegt, dass seit einiger Zeit die Aktion „Stasi 2.0“ läuft? Dass da eine große Demonstration war? Sich um eine Sache zu kümmern heißt doch nicht zwangsläufig, die anderen Sachen aus den Augen zu verlieren.

Aber wo wir schon von der Situation in Deutschland sprechen, geradezu grotesk wurde es, als verschiedene Kommentare in Blogs auftauchten, die versuchten, Bezüge zu Deutschland herzustellen, wobei sich dabei ein Kommentarschreiber hervortat, der in mehreren Blogs wortwörtlich den gleichen Text einstellte und forderte, bevor man sich um Myanmar kümmerte, solle man doch in Deutschland den so genannten „Volksverhetzungsparagrafen“ abschaffen, weil dieser die Meinungsfreiheit einschränke (gleiche Textbausteine tauchten auch in Kommentar zu anderen Themen, zum Beispiel Berichten über die Verhaftung von Bloggern in Ägypten, auf). Der Gipfel jedoch war die Verunglimpfung des Buddhismus als (Zitat) „Schicki-Micki-Religion der Intellektuellen“. Dazu folgendes: Was die „Intellektuellen“ betrifft [merkwürdig, dass das Wort hier wie ein Schimpfwort gebraucht wird, was ist so schlimm daran, eine gute Bildung zu haben?], der Katholizismus war auch mal nicht gerade eine Religion für das „gemeine Volk“. Oder warum wohl sind die Liturgien des katholischen Gottesdienstes ursprünglich in Latein verfasst? Der Buddhismus kann auf eine Tradition von ca. 2500 Jahren zurückblicken und hat heute weltweit zwischen 350 und 500 Millionen Anhänger. Er steht also auf einer breiten Basis, die Bezeichnung „Schicki-Micki“ versucht aber anzudeuten, dass es sich um einige wenige Gläubige handelt, die noch dazu nur einem kurzweiligen Modetrend folgen. Und übrigens, Kommentar-Spam-Filter mögen es gar nicht, wenn man auf mehreren Blogs immer wieder die gleichen Kommentare einstellt und sorgen dafür, dass der Kommentar irgendwann von vorneherein ausgefiltert wird und ins Daten-Nirwana (Nirwana = ein Begriff aus dem Buddhismus) eingeht.

Ein paar Worte zum Schluss: Ja, es gibt noch sehr viele Baustellen auf dieser Welt. Und ja, auch da dürfen wir nicht wegsehen. Davon hat auch niemand geredet. Es war jetzt eben eine Aktion betreffend Myanmar, die eine so große Resonanz hervorgerufen hat. Und das innerhalb von ein paar Tagen. Das ist nicht als Schlusspunkt gedacht gewesen, sondern mehr als Auftakt. Vielleicht kann man es als Zeichen dafür sehen, welche Möglichkeiten das Internet hat, wenn man sie nur ausschöpft. Möglicherweise ein Schritt zum „Erwachsen werden“ des Internets.
Wer mit seinem Blog an der Aktion teilgenommen hat, kann ja nun mal einen netten Test machen. Es gibt eine Seite, „Great Firewall of China“, wo man ausprobieren kann, ob die eigene Webseite von China aus abgerufen werden kann. Ob die Beiträge über Burma wohl noch ein paar Seiten auf den „Index“ gebracht haben? Die Seite ist hier.

Update: Text&Blog hat uns in den Kommentaren darauf aufmerksam gemacht, dass schon über 5.000 Seiten mit Links zu free-burma.org gibt, seither hat sich die Zahl auf über 6.000 erhöht. Diese Liste kann man auf Technorati hier einsehen. Und im Beitrag von Text&Blog (Link zuvor schon eingefügt) gibt es einen sehr schönen Screenshot, der einem einen guten Überblick über die Aktion gibt. Nicht unerwähnt bleiben soll auch Von Mir Nix & Dir Nix, der den Text des Liedes „Würschtlstand“ von der EAV (siehe oben) aufgegriffen hat – und genau verstanden hat, wie das gemeint war.

9 Antworten auf „Burma, Birma, Myanmar (4) – der Tag danach“

  1. Wir dürfen getrost zur Kenntnis nehmen, dass keine(r), der/die/das sich irgendwie Gedanken gemacht und gebloggt hat zum Thema, die Aktion »irgendwie blöd« fand. Blöd stehen immer nur die da, die nichts tun – ausser nörgeln eben. Ist ja auch blöd, wenn einem nichts besseres einfällt als nichts. Schlecht für’s Gemüt…

    Einen schönen Tag, wenn’s auch nebelt…

  2. Schöne Zusammenstellung.
    Ich habe gestern und heute Nacht mal Screenshots aller Blogbeiträge der Teilnehmer aus meiner Blogroll (die meisten finden sich auch in deiner Auflistung) gemacht. Dort bekommt man einen schnellen Überblick, wie die Einbindung der Aktion in den einzelnen Blogs aussah:

    http://textundblog.de/?p=1835

  3. Danke für den nochmaligen Hinweis auf den aggressiven Spammer , welcher – so hatte er’s auch auf seiner Webseite angekündigt – mindesten 35 Blogs mit seinem gestanzten Kommentar versehen hat . Dieser „Volksverhetzungs-“ Trittbrettfahrer kam bis nach Frankreich , wo man ihn allerdings umgehend löschte .

    Rhetorisch interessant allerings , wie er sich mit dem ( berechtigten ) Hinweis auf Afrika zunächst die Aufmerksamkeit „liberaler“ Blogger für sich einzunehmen sucht . Im zweiten Absatz wird es dann heftig . Mann gehe nur per Google dem Namen nach , konsultiere seine Seite , und seine Richtung und Agenda werden rasch klar .

    Auf Ihre feine Zusammenfassung werden wir unsererseits zu gegebenem Anlass rekurrieren . Best !

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