Irgendwo im Weltall, fern der Erde, lag ein Planet…

– Auszug aus den „Galaktischen Annalen“ zum Jahresbeginn 3049:

Der Beginn ist eine sehr delikate Sache. Sie müssen wissen, in der Galaxis schreiben wir das Jahr 3049. Die Planetenunion wird regiert von Junker Andwa D’Ajema.

Die allerwichtigste Substanz im uns bekannten Universum ist die „Essenz“. Die „Essenz“ tritt in allerlei Formen auf, als Gas, flüssig, aber die häufigste Form ist von von verschiedenfarbigen
Kristallen.

Wenn man die „Essenz“ weise und mit Bedacht einsetzt, erzeugt sie Energie. Kraft. Bewegung. Doch negativ genutzt führt sie zur Unterdrückung. Zum Kampf. Zum Krieg. Menschen gegen andere Kreaturen. Menschen gegen Menschen, Völker gegen Völker, Planeten gegen Planeten.

Aus der traurigen Erfahrung zweier großer galaktischer Kriege und unzähligen Konfrontationen davor, dazwischen und danach hat der Rat des Galaktikums beschlossen, in der Galaxis Schutzzonen einzurichten für die Planeten, deren Entwicklungsstand so weit zurück liegt, dass sie noch nicht fähig sind, am Leben der übrigen zivilisierten Milchstraße teilzunehmen. Und eine Direktive des Galaktikums verbietet es anderen, sich in das Leben dieser Völker einzumischen.

Das wurde in der Vergangenheit nicht immer beachtet. Doch dafür gab es Gründe.

Eine dieser Schutzzonen heißt „Smaragd-Sektor“. In ihm liegt ein besonders primitiver Planet.
Sein Name ist „Erde“. Von dieser primitiven Welt ist kürzlich ein Ruf in die weiten des Universums ergangen. Der Ruf nach einer Zusammenkunft an einem geheimen Ort. Und ich weiß auch, warum.

Die Welt ist im Wandel. Ich spüre es im Wasser. Ich spüre es in der Erde. Ich rieche es in der Luft.

Es gibt ein Erwachen. Spürst Du es? Die dunkle Seite… und die helle…

Bild: NASA (gemeinfrei)
Bild: NASA (gemeinfrei)

Wisse, Erdling, dass das, was Du jetzt erfährst, sehr verworren und massiv erscheint, aber so sind die Zeiten nun mal: kompliziert und verworren. Einfache Antworten gibt es nicht mehr. Falls es sie je gegeben hat, dann ist ihre Zeit unwiderruflich vorbei. Doch habe keine Angst, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen. Ich will versuchen, Dich nicht zu überfordern und ich will auch nicht über Dinge sprechen, die lange vorbei und nicht wesentlich für gegenwärtige Ereignisse sind.

Am Anfang entstand das Universum. Das wurden von vielen kritisiert und allenthalben als Schritt in die völlig falsche Richtung angesehen. Dennoch wurden sich auch viele Gedanken gemacht. Was war hier vor tausend Jahren? Warum können Räder fahren? Sind Wolken schneller als der Wind? Und so entstand die „Big Bang Theory“…

Nicht DIESE „Big Bang Theory“! Könnten wir bitte beim Thema bleiben? Jedenfalls, aus den Wirren des Urknalls entwickelten sich die verschiedenen Milchstraßensysteme, so auch unsere. Und das hier ist ein Bild unserer Heimatgalaxis. Sei nicht allzu stolz darauf, Erdling, dass Dein Heimatsystem Sol den Mittelpunkt des Koordinatensystems bildet. Es ist eine Karte von der NASA, und die geht natürlich von der eigenen Perspektive aus. In den galaktischen Standardkarten bildet der Mittelpunkt der Galaxis den Ausgangspunkt des Koordinatensystems, aber das sei hier nur am Rande erwähnt. Ich möchte Dich nicht überfordern. Wenn Du Dir die Karte ganz genau betrachtest, merkst Du von selbst, dass Deine kleine Welt einen gelben Stern umkreist, der in einem völlig uninteressanten Teil der Milchstraße liegt.

Vor Äonen traten die „Kristallenen Meister“ auf den Plan. Mit einem Sternenschiff kamen sie an, zu der Zeit, als gerade das Leben begann in der Galaxis. Sie waren die älteste Lebensform des Universums und sie verstanden sich als eine Art „Hüter der Galaxis“, nur dass kein sprechender Baum unter ihnen war. Und kein Waschbär. Mal ganz ernsthaft, wer denkt sich sowas aus? Ein sprechender Waschbär? Waschbären sind viel zu unbeherrscht und ungeduldig, um eine Galaxis zu hüten, mal ganz davon abgesehen, dass ihr krankhafter Waschzwang dazu führt, dass sie ab und an mal ganze Planeten unter Wasser setzen. Und schwupps! Haben wir schon wieder irgendeine fromme Legende von einer Sintflut, die ein angeblich ach so gnädiger Gott über eine Welt gebracht hat, weil er seine geschaffenen Wesen zwar liebt und ihnen deswegen den Eigensinn gegeben hat, um sich unabhängig zu verhalten, sie dann aber drakonisch bestraft, wenn sie sich entsprechend ihres Eigensinns verhalten. Ich meine – hallo?? Kommt das sonst noch irgendwem komisch vor?

Verzeihung! Ich schweife schon wieder ab. Vor Äonen traten also die „Kristallenen Meister“ auf den Plan – und das mit den „Hütern der Galaxis“ habe ich schon erwähnt. Sie ließen sich auf dem Planeten ACELS im Sternsystem ACELS nieder und beobachteten fortan die Entwicklung unserer Galaxis. Und oh man, da gab es einiges zu beobachten.

Erste Hochkulturen entstanden auf verschiedenen Planeten des Scutum-Centaurus-Arm, die zunächst die interplanetare, dann schließlich die interstellare Raumfahrt entwickelten. Am Beginn der Galaktischen Zeitrechnung begannen diese Kulturen, sich immer weiter auszubreiten. Technologisch unterlegene Völker kamen dabei unter die Räder, eine Entwicklung, die die Meister von ACELS mit immer größerer Sorge betrachteten. Als dann der Gigatron-Antrieb entwickelt wurde und noch weiter entfernte Regionen der Galaxis in greifbare Nähe rückten, wurden die Machthaber immer skrupelloser. Sie eroberten fremde Sonnensysteme und führten Kriege um die neuen Territorien. Ständig musste die Karte in den vergangenen tausend Jahren neu gezeichnet werden.

Die letzte große Zäsur in der galaktischen Karte geschah im Jahr 2979, als der letzte Galaktische Krieg beendet war. Die Sieger und die Besiegten trafen sich auf dem Planeten ACELS, um Verträge auszuhandeln, die die Zukunft aller Völker betreffen sollten. Da man den Meistern von ACELS keinen Betrug zutraute, wurden sie beauftragt, alle Forderungen, Gebietsansprüche und sonstige Kleinigkeiten in eine große Überlegung einzubeziehen und das Angesicht der Galaxis neu zu zeichnen. 16 Tage berieten die Meister ohne Unterlass, bevor sie ihr Ergebnis präsentierten: eine neue Galaktische Karte und das Manifest eines alle freien Völker der Galaxis umfassenden Bündnisses, des „Galaktikums“. Sitz des „Galaktikums“ sollte der Planet NUSCROCANT werden, eine kleine Dreckkugel mit Atmosphäre, die man dem Volk, das einst dort lebte, einfach abgekauft hatte.

Die Wesen von ACELS hatten dabei sehr darauf geachtet, dass Schutzzonen eingerichtet werden. In der Vergangenheit war es mehrfach vorgekommen, dass Planeten kolonialisiert wurden, deren Bevölkerung der überlegenen Technologie der Kolonialherren nichts entgegen zu setzen hatte. Das sollte aufhören. Es war lediglich erlaubt, die Schutzzone zu durchfliegen, nicht aber, sich in die Geschicke der Welten, die dort lagen einzumischen.

Der Plan der Acelsianer wurde mit Begeisterung aufgenommen, doch die Tinte unter den Verträgen war noch nicht getrocknet, als neue Konflikte ausbrachen. Völker, die im Krieg noch Seite an Seite gekämpft hatten, gerieten in Streit über Territorien oder die Befürchtung, keinen Zugang zu gewissen Rohstoffen, namentlich der „Essenz“, zu haben. Das Galaktikum, das eigentlich ein Hort des Friedens und der Kooperation sein sollte, wurde dazu missbraucht, die Konflikte offen auszutragen. So bildeten sich neue Bündnisse und Feindschaften unter den Völkern der Galaxis.

Bild: NASA (gemeinfrei) , Bearbeitung: selbst
Bild: NASA (gemeinfrei) , Bearbeitung: selbst

Die Welten in dem Gebiet, das ursprünglich „Erobgard“ bezeichnet wurde, gründeten die „Union der Planeten“ [dunkelblau] mit dem Ziel, nur noch von freundlichen Nachbarn umgeben zu sein und sich gegenseitig zu helfen, sollte ein Verbündeter angegriffen werden. Die „Vespusianische Sternenallianz“ aus der Region Vespu Naútic [weiß] trat über separate Verträge in ein Bündnis mit den meisten Welten der Planetenunion ein, was sie die „Allianz von Pacnor“ nannten und hofften, nicht nur die Region von Vespu Sanoza [hellgrün] in die Zange nehmen zu können, sondern auch gegen die Udessar [dunkelrot] zu bestehen. Auf der anderen Seite verbündeten sich diese mit den Nol-Ens, einem Volk aus Assumur [hellrot].

Mitten zwischen drin liegen die Wüstenwelten von Tuarber [gelb], die zwar karg und arm an Wasser zu sein scheinen, aber man findet dort die seltensten Rohstoffe, was ihre Herrscher sehr reich hat werden lassen.

Die Region Afar [dunkelgrün] hingegen bestand einst aus Welten, deren Völker nur einfache Techniken entwickelten. Als einzelne Herrscher von Erobgard herausfanden, dass man diese Welten einfach würde ausbeuten können, ließen sie große Flotten von Kolonialschiffen dorthin starten. Die Einwohner der Planeten hatten den überlegenen und gut ausgerüsteten Truppen nichts entgegen zu setzen. Dieser Abschnitt der Geschichte, der unmittelbar in den ersten Galaktischen Krieg mündete, ist kein Ruhmesblatt und führte zum Entschluss, für andere nicht so weit entwickelte Welten die Schutzzonen einzurichten.

Bleibt noch Horas Ventur [hellblau] zu erwähnen, wo es Dschungel- und Wüstenwelten gibt, die so lebensfeindlich scheinen, dass sie lange Zeit als Strafplaneten benutzt wurden, und die so eine eigene Kultur entwickelten. Auch hier wurden die Ureinwohner durch Kolonialisten unterworfen.

Oh, und bei all‘ diesen kleinen Unrühmlichkeiten habe ich ein Gebiet ja fast vergessen: das Zentrum der Galaxis! Der Kern wird von niemandem direkt beansprucht und ist eigentlich durch den Vertrag des Galaktikums geschützt. Außerdem ist es sehr schwierig, in den Kern vorzudringen, denn er ist von einer Barriere umgeben, dem „Galaktischen Bogen“. Unter größten Schwierigkeiten versuchen immer wieder Forschungsschiffe in den Kern einzudringen und ihn zu erforschen. Denn wilde Legenden haben sich um diese Region gebildet, von einem unermesslichen Rohstoffreichtum ist die Rede oder dass sich dort irgendwo die mythische „Quelle der Materie“ befindet, dem Ursprung allen Seins und allen Lebens. Aber das ist ein Ammenmärchen, dass Eltern ihren Kindern beim Einschlafen erzählen, wenn sie wollen, dass sie später mal Rohstoffprospektoren werden.

Alle übrigen Gebiete, die keiner offiziellen Region angehören, gelten als Schutzzonen. Es würde diese Karte arg verkomplizieren, würden die unterschiedlichen dieser Zonen auch noch eingezeichnet, Ihr müsst nur eins wissen: Sol und die Erde liegen im Smaragd-Sektor, der von der Welt SMARAGDIA aus verwaltet wird.

Die Erde bot in der Vergangenheit Anlass zu Hoffnung, bald aus dem Schatten der einfachen Zivilisationen treten zu können. In dieser Phase der Entwicklung ist eine Zivilisation besonders verwundbar. Sie ist noch nicht stark genug, um sicher auf dem Pfad der Entwicklung fortzuschreiten. Es bedarf nur einer kleiner Störung und schon fällt sie zurück in barbarische Zeiten. Daher sahen die Wesen von ACELS es mit großer Besorgnis, als im Jahr 3013 eine unheilvolle Entwicklung begann: ein namenloses Imperium, angeführt von einem ominösen Imperator, begann Einfluss zu nehmen. Jener Unbekannte vergiftete den Geist etlicher Herrscher auf Seiten der PACNOR-Allianz. Dieses Gift schien den Geist der jeweiligen Person zu leeren und rief eine große Gier wach. Und die Gier ist eine unheilvolle Macht. Sie flüstert einem ein, dass man die Leere in der Seele mit materiellen Dingen und Macht füllen könnte. Gleichzeitig sorgt sie für eine ständige Angst, dass man diese Sachen wieder verlieren könnte oder dass man nicht genug davon hat. Der Vergiftete betrachtet andere mit Argwohn und unterstellt ihnen, sie würden nur wegnehmen wollen, was ihm gehört.

Auf diese Weise vergiftete der Imperator damals die Seelen des Prostaten Rogan Reónald von der Vespusianischen Sternenallianz und der Königin Thagret Matha der Pryderischen Dominanz, einem Mitglied der Planetenunion. Sie begannen, andere Welten mit Kälte zu überziehen. Ihr Handeln hatte grausame Konsequenzen für ihre beiden Völker und die Allianzen, denen sie angehörten.

Die Königin wurde verhasst beim eigenen Volk, doch ein gnädiger Wahnsinn, die Folge ihrer entleerten Seele, vernebelte schließlich in den letzten Jahren ihres Lebens ihren Geist, so dass sie das nicht mehr mitbekam. Doch es war längst zu spät: Thagret hatte das Gift schon an ihre Kinder weitergegeben.

Nachdem also die Dunkelheit über die Galaxis kroch, wurde der Imperator selber aktiv. Das war ungewöhnlich, denn bisher hatte er die Drecksarbeit anderen überlassen. Sein Ziel war offenbar der Smaragd-Sektor, genauer gesagt, die Erde. So beschlossen die Wesen von Acels, einen Plan auszuführen, den merkwürdigsten Plan, den sie je entwickelt hatten und der von langer Hand vorbereitet worden war, welcher beinhaltete, einigen Menschen vom Planeten Erde den Weg zu den Sternen zu weisen.

Jahrzehnte später werden die Menschen von damals von der Vergangenheit eingeholt. Wir schreiben das Jahr 3049 in der Galaxis, das entspricht dem Jahr 2015 auf der Erde – und die Situation in der Milchstraße hat sich nicht gebessert. Im Gegenteil, ähnlich einem Schreiber, der keine neuen Ideen mehr hat und alte aufwärmt, wiederholen sich alte Konflikte und Gewohnheiten und ergeben ganz neue Gefahren.

Bevor wir jetzt diese kleine Einführung in die große galaktische Politik beenden, möchte ich noch auf die Religion zu sprechen kommen. Wie der syrische Dichter Abu ‚l’Ala al-Maarri schrieb:

Die Welt ist in zwei Sekten unterteilt: In die mit Verstand, aber ohne Religion und die mit Religion, aber ohne Verstand.

Nun kann man sich vorstellen, dass bei so etwas großem wie unserer Galaxis natürlich eine unübersichtliche Menge von vielen kleinen lokalen Religionen gibt, wie etwa der Kult des kegelnden Weltenschauklers von Warwara, der Akasha-Kult auf Drofwal, die Verehrung des Großen Grünen Arkelanfalls der Jatravatiden oder der Glaube an die Allmacht des Geldes auf der Erde. Daneben hat jedoch die Religion um Puggenduhl den Schöpfer in den letzten 3.000 Jahren eine große Anhängerschar versammelt. Die Gründungsgeschichte dieser Religion geht wie folgt:

Vor etwas mehr als 3.000 Jahren – Religion ist keine exakte Wissenschaft, deswegen lässt sich das nicht so genau eingrenzen – soll es einer Raumfahrerin mit Namen Shi erstmals gelungen sein, durch den Galaktischen Bogen in das Zentrum unserer Milchstraße vorzudringen. Als sie zurückkehrte, behauptete sie nicht nur, den Bogen überwunden zu haben, sondern sie hatte angeblich irgendwo im Zentralbereich auch die legendäre „Quelle der Materie“ gefunden. Die Quelle habe sie geschwängert, so dass sie nun Drillinge erwarte. Die Legende behauptet, dass sie nach 33 Monaten Schwangerschaft (28 davon hatte Shi im Galaktischen Zentrum verbracht) am 3.3. nach dem Kalender der Compsognaten von Cricktonia um 3.33 Uhr drei Jungen im Abstand von jeweils 33 Minuten auf die Welt brachte. Die Geburt wurde vom Hohepriester des Puggenduhl persönlich auf dem Planeten Yrupugg unter völliger Geheimhaltung vorgenommen. Doch sofort nach der Geburt ließ der Hohepriester verkünden, dass die Auserwählten erschienen seien, die dazu bestimmt seien, die Boten der Religion von Puggenduhl zu sein. Dazu hatte der Hohepriester einige Schriftrollen aus der Bibliothek heraussuchen lassen, die das Kommen der Auserwählten in Prophezeiungen ankündigten. Dass die Prophezeiungen des Puggenduhl allesamt von einem Auserwählten sprachen und nicht von deren drei und dass dieser Auserwählte noch dazu nicht geboren wird, sondern auf einer Gans mit eisernen Flügeln, die statt einem Gänsekopf drei Löwenköpfe hat, vom Himmel hernieder kommt, und dass jede einzelne der Prophezeiungen mit dem Satz „So wird es geschehen, oder auch nicht, keine Ahnung!“ endet, dürfe man, so sagte der Hohepriester, nicht so wörtlich nehmen. Solche Prophezeiungen seien voller Symbole und Bildsprache. Die drei Auserwählten seien ja von einer Mutter quasi gleichzeitig geboren worden, also zählen sie wie einer und die Gans mit den eisernen Flügeln sei ein Symbolbild für das Raumschiff, mit dem Shi vom Himmel gekommen sei. Skeptiker merkten an dieser Stelle an, dass man verdammt viel Fantasie brauchte, um in den Formen von Shis Raumschiff eine Gans zu erkennen, oder sehr viel Alkohol oder bewusstseinserweiternde Drogen, aber man hörte nicht auf sie. Als der Hohepriester auch noch erklärte, der Satz „So wird es geschehen, oder auch nicht, keine Ahnung!“, der am Ende jeder der Prophezeiungen steht, sei eine Demutsgeste desjenigen gewesen, der die Visionen über die Zukunft gehabt habe, da er sich vor Puggenduhl klein und winzig und sich nicht würdig fühlte, den Willen des Schöpfers direkt zu verkünden.

Bis dahin war Puggenduhl ein relativ unbedeutender regionaler Schöpfergott gewesen, der Dinge erschaffen konnte, indem er sie aussprach, und den man außerhalb von Yrupugg eigentlich kaum kannte. Doch die Auserwählten sollten das ändern. Denn nun verbrachten sie ihr Leben damit, dass sie täglich darauf warteten, dass eine göttliche Eingebung kommen würde.

Der Älteste der drei hieß Marva, und er war auch der erste, der diese Eingebung erhielt, als er gerade 29 Jahre alt geworden war. Die Priester hielten das für ein großes Zeichen, denn wenn man von 33 drei abzog, und dann nochmal eins, dann ergab das 29. Wenn das nichts zu bedeuten hatte! Was genau geschehen ist an jenem Tag, darüber gibt es geteilte Meinungen. Kritiker sagen, Marva sei im Tempel über eine Teppichkante gestolpert, habe sich den Kopf angeschlagen und daraufhin einen epileptischen Anfall erlitten. Marva jedoch behauptete, Puggenduhl habe ihm die wahre Gestalt des Universums offenbart.

Die Schöpfungsgeschichte des Puggenduhl geht so: Am Anfang gab es nichts, nur Puggenduhl allein. Da ihn das langweilte, sprach er laut: „Ich habe so viel Zeit und nichts zu tun.“ So erschuf er mit seinen Worten die Zeit. Doch der Zeit war auch langweilig, denn es gab niemand, der sie maß, und nichts, das sie vergehen lassen konnte, so dass sie zu Puggenduhl ging, um sich zu beschweren. Und Puggenduhl sagte zur Zeit: „Setz‘ Dich, mach es Dir bequem und nimm Dir einen Keks.“ Und durch diese Worte entstand das Universum in Form eines Kekses, eines Butterkekses, um ganz genau zu sein. Und die Zeit ist dabei, den Keks zu zerkrümeln. Irgendwann wird der ganze Keks zerkrümelt sein und dann wird das Universum und alles, was sich darin befindet, zu Puggenduhl zurückkehren.

Marva wurde von da an als der Auserwählte mit der Vision gefeiert, worauf sein jüngerer Bruder Losue den Ehrgeiz entwickelte, ebenfalls eine Vision zu bekommen. Er versuchte das zu erreichen, indem er 33 Tage fastete, was letztlich zum gewünschten Ergebnis führte, auch wenn Kritiker dagegen hielten, er hätte aufgrund von Wasser- und Nahrungsmangel halluziniert. Losue verkündete, Puggenduhl habe ihm offenbart, dass das Universum zwar in Form eines Kekses erschaffen sei, aber nicht in Form eines einfachen Butterkekses! Alles habe zwei Seiten, eine dunkle und eine helle, und so sei auch der große Keks als Doppelkeks geschaffen worden: Zwei Kekse mit einer Cremefüllung in der Mitte. Am Ende aller Zeiten werden die Kekse geteilt und alle Guten leben in der Mitte von der Cremefüllung.

Nachdem nun schon zwei Auserwählte sich darum stritten, wer nun die richtige Vision empfangen hatte, wandte sich der jüngste der Brüder Almiha wieder seiner Arbeit zu, Computermonitore zu reparieren. Doch der Wirbel um seine Brüder hatten ihn unaufmerksam werden lassen, so dass er vergaß, den Strom zu unterbrechen und einen Schlag bekam. Er war ungefähr fünf Minuten bewusstlos, und als er wieder erwachte, hatte auch er eine „Vision“ gehabt. Das Universum, so verkündete er nun, sei tatsächlich ein Keks, aber kein Butter- oder Doppelkeks, denn es gäbe keine Ober- oder Unterseite, sondern nur eine Außen- und eine Innenseite. Das Universum sei in sich verschlungen wie ein Glückskeks und am Ende aller Zeit wird der Keks aufgebrochen und heraus kommt die letzte Botschaft Puggenduhls an die Schöpfung, was einen Zustand ewigen Glücks verursacht.

Nun waren es also drei Auserwählte, die behaupteten, die richtige Vision empfangen zu haben. Augenblicklich begannen die Anhänger der unterschiedlichen Auserwählten, sich gegenseitig zu bekämpfen – und im Verlauf der letzten 3.000 Jahre wurde das nicht besser. Eher im Gegenteil, schlimm genug, dass sich die Butterkekser, Doppelkekser und Glückskekser gegenseitig die Köpfe einschlugen und diesen Zwist auf den unterschiedlichsten Welten der Galaxis verbreiteten, es herrschte auch innerhalb einer Gruppe Uneinigkeit.

Bei den Butterkeksern stritt man sich darum, ob der Keks, der das Universum ist, nun gesalzen oder ein Süßgebäck ist. Radikale Fundamentalisten hingegen bestanden darauf, dass der Keks, der das Universum ist, natürlich weder gesalzen noch süß ist, denn das Leben ist hart, es nicht süß und nicht würzig.

Bei den Doppelkeksern stritt man sich vortrefflich darüber, ob die Cremefüllung des Doppelkekses, der das Universum ist, nun Schokoladen- oder Vanillegeschmack hat. Andere Sekten disputierten darüber, ob denn die dunkle Seite des Doppelkekses aus Vollkornmehl bestehe und verfolgten die Verfechter einer ballastreichen Ernährung als die, „die sich vom Bösen ernähren“.

Bei den Glückskeksern war der Zankapfel die Frage, ob der Glückskeks, der das Universum ist, tatsächlich Puggenduhls Botschaft enthält, oder ob das nur eine Metapher sei für die ewige Glückseligkeit, die dem Keks entströmt, wenn er aufgebrochen wird.

Mit anderen Worten: Die Situation ist schon verfahren genug, und das alles macht es nur noch schlimmer. Unversöhnlich stehen sich Fraktionen gegenüber, die die Hand an der Kehle des anderen haben und nur auf einen Grund warten, damit sie endlich zudrücken können. Und jene, die an den Frieden und an andere Lösungen gemahnen, werden kaum gehört, und wenn sie gehört werden, so werden sie doch nicht erhört, sondern verspottet.

Hörst Du das, Erdling? Das ist das Signal. Der Ruf. Er kommt von einem kleinen, unbedeutenden, blau-grünen Planeten im westlichen Spiralarm unserer Galaxis.

Von der Erde.

Die Zusammenkunft ist nahe.

Aber diese Geschichte muss noch erzählt werden.

 

Zum Text als episches Vorwort des Videokanals hier —> Klick!

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Auflösung der Anspielungen:

In diesem Text werden jede Menge Anspielungen auf andere Werke gemacht. Wer versucht hat, sie alle zu erkennen, kann hier nachprüfen, ob er das wirklich geschafft hat (der Text ist in heller Farbe geschrieben, man muss ihn markieren, um ihn lesen zu können):

„Der Anfang ist eine…“: „Der Wüstenplanet“
„Negativ genutzt führt sie…“: „Krieg der Sterne – Rückkehr der Jedi-Ritter“, Hörspieladaption mit Vokert Kraeft als Erzähler
„Die Welt ist im Wandel…“: „Der Herr der Ringe: Die Gefährten“, Vorwort des Films
„Es gibt ein Erwachen…“: „Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Macht“ (Trailer-Text)
„Am Anfang entstand das Universum…“: „Per Anhalter durch die Galaxis“
„Was war hier vor tausend Jahren? Warum…“: „Tausend Jahre sind ein Tag“ von Udo Jürgens

„Hüter der Galaxis“: „Guardians of the Galaxy“
NUSCROCANT: Coruscant, die Hauptwelt der Republik und später des Imperiums in „Star Wars“
„…der merkwürdigste Plan…“: Don Quijote verfolgt laut seinem Autor Miguel de Cervantes ebenfalls „den merkwürdigsten Plan, den ein Mensch sich ausdenken kann“.
„Quelle der Materie“: Captain Future und Perry Rhodan suchen ebenfalls beide nach der Quelle der Materie
„großer grüner Arkelanfall“: „Per Anhalter durch die Galaxis“
„die Compsognaten von Cricktonia“: Procompsognathus ist eine kleine Dinosaurierart, die in „Jurassic Park“ eine gewisse Rolle spielt. Geschrieben wurde „Jurassic Park“ von Michael Crichton.

Doctor Who: Zeit und der PROSIEBEN-Mahlstrom

„Was war das?“

Rose blickte sich um. Es war einer jener Blicke, die Frauen in Horrorfilmen gerne hatten, wenn sie in einem dunklen Haus ein Geräusch hörten, das sie nicht einordnen konnten und darauf warteten, dass der böse Axtmörder hinter der Kommode hervorsprang. Das Publikum jedoch wusste es besser, das Geräusch war bestenfalls die Hauskatze, die der Frau einen gehörigen Schrecken einjagen würde. Stattdessen würde sich der Axtmörder von hinten nähern und ihr – unter dem Einsatz von jeder Menge Kunstblut und einem schreienden Orchesterpart – ein frühzeitiges Ende bereiten.

Rose aber befand sich nicht in einem dunklen Haus. Es war nicht einmal ein Haus. Es war… ja, was eigentlich? Ein Raum, der sich im Innern einer so genannten „Police Box“ befand, einer Polizei-Notruftelefonzelle. Und das war das Verrückte: der Raum war von innen größer, als die Box von außen aussah. Eine gewöhnliche Police Box hätte nie im Leben die ganzen Apparaturen aufnehmen können, die sich allein hier, im Hauptkontrollzentrum fanden. Der Mittelpunkt desselben war eine große Konsole, die ein Achteck um eine transparente Säule bildete. In der Säule bewegte sich etwas auf und ab. Rose fand, dass „Etwas“ keine sehr wissenschaftliche Umschreibung war, aber sie wusste nicht genau, was dieses „Etwas“ sein sollte. Sie kannte nur seinen Zweck: die TARDIS, denn darum handelte es sich bei der Police Box mit dem großen Innenleben, auf Zeitreise zu schicken.

„Das war ein Geräusch!“

Der Mann mit den kurzen Haaren, der angestrengt auf die Kontrollen an einer der Konsolen blickte, versuchte, ihre Frage zu beantworten. Vom Aussehen her hätte man ihn altersmäßig auf irgendwo zwischen dreißig und vierzig eingeschätzt. Rose aber wusste es besser, er war nämlich viel älter. Aber wusste sie es eigentlich? Nein, auch nicht so genau. Denn alles, was sie von und über ihn wusste, wusste sie von ihm. Er nannte sich „der Doktor“ und war ein Zeitlord vom Planeten Gallifrey. Früher hatte es mal mehr Zeitlords gegeben, aber alle außerdem Doktor starben im großen Zeitkrieg, den die Bewohner von Gallifrey mit den Daleks geführt hatten.

„Ein Geräusch, das habe ich gehört“, bestätigte Rose. „Was macht das Geräusch?“

„Es klingt!“

Der Doktor sah sie direkt an und grinste. So, wie er es gerne tat. Er hatte eine unvergleichliche Art, das musste Rose immer wieder feststellen. Dennoch, sie bereute es nicht, dass sie ihn in seiner TARDIS begleitete.

„Können Sie vielleicht etwas präziser werden?“

„Ich bin selbst überrascht“, stellte der Doktor fest. „Die Instrumente zeigen eine Fluktuation im unteren PF-Band an. Die TARDIS wird irgendetwas weggezogen. Und zwar seitlich in der Zeit.“

Die TARDIS. „Time and Relative Dimensions in Space“, dafür stand diese Abkürzung. Sie war sowas wie eine Raumschiff-Zeitmaschinen-Kreuzung. Etwas, das man auf der Erde vielleicht als „Mehrzweckfahrzeug“ bezeichnet hätte. Wenn sie gestartet wurde, machte sie ein ganz charakteristisches, schleifendes Geräusch. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als würde sich die Police Box in Luft auflösen. Dabei bewegte sie sich nur in den Dimensionen.

Rose seufzte, als sie diese Erkenntnis nochmal durch den Kopf gehen ließ. Die TARDIS bewegt sich nur in den Dimensionen. Das klang, als ob es etwas zutiefst Alltägliches wäre. „Nur“. Aber das war es nicht. Zumindest nicht für sie. Rose Tyler war nämlich kein Zeitlord vom Planeten Gallifrey. Sie war eine junge Frau vom Planeten Erde. Aus London, um genau zu sein. Und um ganz genau zu sein: Aus dem London des Jahres 2005. Sie war Verkäuferin in einer großen Geschäftsmeile gewesen, bevor der Doktor diese in die Luft gejagt hatte. Nicht zum persönlichen Vergnügen, sondern weil sich dort zum Leben erweckte Schaufensterpuppen herumgetrieben hatten. Lebendes Plastik. Eine lange Geschichte. Aber es war ihr erstes gemeinsames Abenteuer gewesen.

Rose schreckte hoch. Jetzt merkte sie an den Bewegungen der TARDIS, dass diese von etwas erfasst worden war.

„Was war das?“, fragte sie ängstlich.

„Wir sind von einer großen Kraft erfasst worden“, antwortete der Doktor. Er wechselte nun seine Position zur nächsten Konsole.

„Was für eine Kraft? Eine gravimetrische Welle?“

Der Doktor blickte Rose erstaunt an. „Wo haben Sie denn das aufgeschnappt? In irgendsoeiner Science-Fiction-Serie?“

„Ja“, gab die junge Frau zu. „Wenn da ein Raumschiff erfasst wird, sind es immer irgendwelche Wellen.“

„Ich bitte Sie! Allein an der Art, wie die TARDIS erfasst wurde, hätten Sie doch merken müssen, dass es auf keinen Fall eine Welle sein kann. Wellen schubsen. Wir werden aber mehr gesaugt.“

„Doktor, das ist mir ziemlich egal, ob wir geschubst oder gesaugt werden. Was ist los?“

Der Doktor verfiel in Schweigen. Rose erinnerte sich an die gemeinsamen Erlebnisse. Nach dem Abenteuer mit dem lebenden Plastik hatte er sie gefragt, ob sie ihn nicht begleiten wolle bei seinen Reisen durch Raum und Zeit. Sie hatte zugesagt. Dann waren sie in die weit entfernte Zukunft gereist, zu einem Zeitpunkt, an dem die Sonne die Erde verschlingen würde. Sie waren im Jahr 1869 gelandet und hatten anschließend der ersten Landung von Außerirdischen im Jahr 2006 beigewohnt. Zuletzt waren sie im Jahr 2012 gewesen und hatten einen dieser Daleks getroffen. Ausgesehen hatte er wie ein extrem überdimensionierter Salzstreuer, aber seine Spezies hatte die Spezies des Doktors vernichtet. Im Anschluss an dieses Abenteuer waren sie wieder mit der TARDIS gestartet. Alles hatte so gut ausgesehen. Bis zu dem Geräusch…

„Na“, murmelte der Doktor vor sich hin, „wo bist Du, Du großer, böser Wolf?“

„Bitte was?“

„Na, die Kraft, die uns ansaugt. Die muss doch irgendwo… ahh, da ist es!“

Rose näherte sich der Konsole. Auf einem der Bildschirme erblickte sie etwas, das wie ein riesiger Strudel aussah, nur dass er kein Wasser strudelte, sondern kleine Lichtpunkte. In der Mitte des Strudels schien… sprichwörtlich nichts zu sein.

„Was ist das?“

Der Doktor verzog den Mund zu einem Lächeln. „Ich hatte befürchtet, dass wir es mit dieser Kraft zu tun bekommen. Das ist, was selbst die Zeitlords fürchten. Das ist der PROSIEBEN-Mahlstrom.“

„Der… PROSIEBEN-Mahlstrom? Und was tut der?“

„Er dreht sich und saugt Sachen an. Zum Beispiel unsere TARDIS.“

„Und warum tut er das?“

„Zu einer anderen Zeit befand sich an der Stelle einmal ein Planet mit Namen PROSIEBEN. Er wurde regiert von einem Senat, der seine Ratschläge von einem alten Ritterorden bekam, den Rittern der runden Quoten.  Diese bestimmten für das, was im Herrschaftsbereich des Planeten geschah, Quoten, ob die Leute sich für das interessierten, was geschah. Und wenn die Leute sich dafür nicht interessierten, aktivierten sie die Quoten-Helix. Und die Quoten-Helix entfernte das Ereignis aus der Zeitlinie.“

„Und das nur, weil sich die Leute dafür nicht interessierten?“

„Ja. Und zwar ganz egal, warum sie sich dafür nicht interessierten. Den Rittern der runden Quoten war der Gedanke ein Gräuel, das Leben mit Dingen vollzustopfen, die die Leute nicht interessierten. Ihre Logik war, dass wenn alle Dinge, für die sich die Leute nicht interessierten, entfernt würden, dafür allen anderen Dingen mehr Interesse entgegen gebracht wurden.“ Der Doktor zuckte mit den Achseln. „Leider ein Irrtum. Denn nur weil sich viele Leute für etwas interessieren, heißt das noch lange nicht, dass es besser ist als etwas anderes. Oder dass das, für das man sich nicht interessiert, schlechter wäre. Im Universum hat alles irgendwie eine Chance verdient. Aber das führt zu weit.“

„Und was ist dann mit dem Planeten geschehen?“

„Dummerweise funktioniert die Quoten-Helix nicht so, wie die Ritter der runden Quoten sich das gedacht hatten. Sie wollten eigentlich das entsprechende Ereignis komplett aus der Zeitlinie entfernen, so als hätte es nie stattgefunden. Stattdessen wurde es ab dem Moment, an dem die Helix aktiviert wurde, entfernt. Verstehen Sie, Rose, ungefähr so, als würde ein Autor nach dem Schreiben von zwei, drei Kapitel eines Buches plötzlich aufhören und die Geschichte nicht vollenden – und sie würde trotzdem gedruckt werden. Das verwirrte die Menschen. Außerdem funktionierte die Helix nicht immer gleich. Mal wurde ein Ereignis sofort aus der Zeitlinie entfernt, mal wurde es zuerst zeitlich verzerrt und dann erst entfernt, was für noch mehr Verwirrung sorgte. Der Senat wollte daraufhin das treiben der Ritter der runden Quoten unterbinden und schickte seine Starforce los.“

„Es kam zum Krieg? So wie bei Ihrem Volk und den Dalek?“

Der Doktor schüttelte den Kopf. „So kann man nicht sagen. Die Starforce verbündete sich mit den Rittern der runden Quoten und sie aktivierten die Quoten-Helix permanent, damit alles, für das sich die Leute nicht interessierten, sogleich aus der Zeitlinie gelöscht würde. Die Helix baute ein Interessens-Schwerpunkt-Feld auf, das so gewaltig war, dass daraus der Mahlstrom entstand.“

„Und wenn man ihm zu Nahe kommt…“, begann Rose.

„Macht es Flupp! Und man ist weg. Möglicherweise wird man aber auch zeitlich verzerrt. Letzteres ist uns gerade passiert. Ich konnte die TARDIS gerade noch an den Rand des Mahlstroms steuern. Ich musste dazu aber eine Tagverschiebungs-Parallaxe etablieren.“

„Können Sie das auch so erklären, dass man es ohne Physik-Studium versteht?“

Der Doktor brummte. „Hmmmmm, sagen wir, es ist so, als würde sich ihr wöchentlicher Termin bei der Maniküre von Samstag auf Sonntag verschieben.“

„Ich gehe nicht zur Maniküre“, entgegnete Rose. „Und Sonntags haben die sowieso geschlossen.“

„Sie dürfen das nicht so wörtlich nehmen!“, knurrte der Zeitlord. „Das war nur ein Beispiel! Ich habe die Tagverschiebungs-Parallaxe aktiviert und kann uns über einen fiktiven Zeitsprung in den Raum-Zeit-Fluss zurückbringen. Bevor Sie fragen“, fügte er an, als er Roses Gesicht sah, „ich hatte ursprünglich den 16. Februar 2008 angesteuert, als uns der Mahlstrom erwischte. Ich visiere nun mit dem Fiktivtransmitter den 13. April 2008 an, wir werden dort allerdings nicht materialisieren, sondern direkt zu einem neuen Ziel springen. Fällt Ihnen was ein?“

Rose legte ihre Stirn in Falten. „Was ist mit dem 16. Februar 2008, zu dem Sie sowieso wollten?“

„Geht nicht. Das sind die Auswirkungen der Quoten-Helix. Der 16. Februar 2008 interessiert nicht mehr.“

„Dann lassen Sie sich was einfallen. Sie sind doch sonst so kreativ.“

„Das bin ich wirklich!“, bestätigte der Doktor fröhlich. „Ich denke, ich weiß da was. Fiktivtransmitter an!“

Er betätigte einen Schalter. In dem Moment war ein Stöhnen zu hören. Rose drehte sich um.

„Oh, unser Gast! Den hatte ich total vergessen.“

„Ja“, sagte der Zeitlord. „Das macht der Mahlstrom. Vielleicht interessiert unser Gast uns einfach nicht.“

Rose sah den Doktor böse an. Dieser lächelte schulterzuckend. Dann wandte sie sich ab und ging zu dem jungen Mann, den sie am Ende des letzten Abenteuers mit an Bord genommen hatten. Adam. Er wirkte noch immer verwirrt. Das legt sich, dachte der Doktor.

„Fiktivtransmitter in Funktion!“, rief er dann. „Ich glaube, es klappt! Na dann!“

Wieder war das charakteristische schleifende Geräusch der TARDIS zu hören. Sie bewegte sich.

Wenn es dem Doktor gelingt, aus dem Mahlstrom zu entkommen, dürfen wir sein neuestes Abenteuer „Langzeitstrategie“ („The Long Game“) am 13. April 2008 um 17.00 Uhr bei ProSieben erleben (siehe hier). Hoffen wir das Beste, liebe Leser!

Armselig, Jämmerlich und Mitleiderregend

Gestern geschah’s, als ich ob der hereinbrechenden Nacht und der sie begleitenden Dunkelheit mich anschickte, für gemütliche Beleuchtung zu sorgen und eine Kerze entzündete. Sodann nahm ich eine Flasche meines Lieblingsgestränks, füllte mein Glas auf und setzte mich, um mich der Lektüre eines Buches zu widmen. Ich hatte den ersten Satze noch nicht vollendet, als ich leise, aber dennoch deutliche Stimmen vernahm.

„Ei!“, sagte die eine Stimme. „Schaut nur, er hat ein Lichtlein angezündet!“

„Ha!“, sagte die zweite. „Lasst uns näher herangehen!“

„Nun!“, sagte eine dritte. „Das ist doch mal eine angenehme Überraschung.“

Ich senkte das Buch, legte dabei meinen Zeigefinger zwischen die Seiten, um nicht zu verlieren, wo ich bereits gewesen war, und sah auf. Wie erschrak ich, als ich bei der großen Kerze, der ich noch vor wenigen Minuten den Docht entzündet hatte, drei kleine Gestalten sah, die die nämliche Flamme schwebend umkreisten. Und wie sahen sie aus! Kaum größer als meine Hand und gekleidet in weite, bunte Gewänder.

„Hallo?“, fragte ich vorsichtig in Richtung der Kerze, meinen Sinnen kaum vertrauend. Hat man jemals gehört, dass jemand eine solche Begegnung hatte?

„He!“, sagte einer der drei. „Er hat uns bemerkt.“

„Ja!“, ergänzte der nächste. „Wir waren ja auch laut genug.“

„Na!“, meinte der dritte. „Wir haben’s etwas an Höflichkeit fehlen lassen.“

Nunmehr erhob ich mich von meiner Sitzgelegenheit und ging auf die Kerze zu, die auf einem kleinen Beistelltisch stand. So vorsichtig bewegte ich mich, als befände sich dort ein scheues Tier, das einzufangen ich die Absicht hätte. Meine Gefühle waren eine Mischung aus Schrecken und Neugier. Ein Teil von mir konnte sich schwerlich vorstellen, dass diese kleinen Kreaturen, was auch immer sie waren, gefährlich sein konnten. Doch ein anderer Teil von mir gemahnte mich, nicht zu vorschnell zu handeln und mich von den Augen täuschen zu lassen.

So also näherte ich mich, meine Besucher nicht aus den Augen lassend. Und auch sie hatten mich mit ihren Blicken fixiert, wenngleich auf allen drei Gesichtern ein breites Lächeln zu sehen war. Auf meinem eher nicht, die Anspannung stand hineingeschrieben und nervös bewegte ich den Kiefer, wobei meine Zahnreihen aufeinander schabten. Endlich war ich bis auf einen Schritt an besagten Beistelltisch herangekommen. Passiert war bis dahin weiter nichts.

„Guten Abend“, erbot ich schließlich, „eine späte Stunde habt Ihr Euch für Euren Besuch ausgesucht.“

„Ho!“, sagte der erste. „Späte Stunde ist richtig, Besuch auch, aber aussuchen, das nicht.“

„Hi!“, bestätigte der zweite. „Er glaubt, wir wären aus freien Stücken hier.“

„Hu!“, amüsierte sich der dritte. „Obwohl wir’s diesmal gut getroffen haben.“

„Darf ich den fragen“, versuchte ich vorsichtig auszukundschaften, „mit wem ich’s zu tun habe?“

„Mein Name ist Armselig!“, rief der erste.

„Meiner ist Jämmerlich!“, erklärte der zweite.

„Meiner ist Mitleiderregend!“, ergänzte der dritte.

Ich verstand nicht sofort. Zunächst glaubte ich, meine drei Besucher wollten mit ihren Namen nicht herausrücken, weil sie für fremde Ohren so merkwürdig klängen. Doch mit einem Mal fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Das waren ihre Namen! Armselig, Jämmerlich und Mitleiderregend.

„So seht ihr aber gar nicht aus“, versuchte ich etwas Konversation zu betreiben. Mein Versuch entlockte den dreien ein lauthalses Kichern.

„Ah!“, bemerkte Armselig. „Wir haben’s wirklich gut getroffen!“

„Oh!“, stellte Jämmerlich fest. „Dabei hatten wir schon Bedenken!“

„Uh!“, fügte Mitleiderregend an. „Wir konnten ja nur von nichts Gutem ausgehen!“

Da kicherten sie wieder. Und als sie sich beruhigt hatten, sahen sie sich offenbar genötigt, das Kompliment zurückzugeben.

„Du siehst auch nicht so aus! Gar nicht armselig.“

„Nein, Du siehst wirklich nicht so aus! Gar nicht jämmerlich.“

„Gewiss nicht, so siehst Du nicht aus! Gar nicht Mitleid erregend.“

Nunmehr kniete ich mich auf den Boden neben den kleinen Beistelltisch. Auf diese Weise war ich mit meinem Gesicht auf einer Höhe mit der Flamme und den drei seltsamen Gestalten. So nahm ich einen weiteren Anlauf.

„Und, warum seid Ihr hier?“, fragte ich geradheraus.

„Du musst wissen“, antwortete mir Armselig, „dass wir Wortgeister sind!“

„Du sollst erfahren“, gab Jämmerlich an, „dass wir auf Reisen geschickt werden von einem Menschen zu einem anderen.“

„Du wirst hören“, vervollständigte Mitleiderregend, „dass wir von einem anderen Menschen zu Dir geschickt wurden.“

Wortgeister! Ein kühner Gedanke kam mir. Jemand hatte sie auf Reisen geschickt, dass bedeutete, dass irgendwo ein Mensch mich mit den Worten, die ihre Namen bildeten, bedacht hatte. Jemand schien ärgerlich zu sein, und der Grund dafür war wohl ich. Verwundert fragte ich die Erscheinungen, wer denn sowas hätte tun sollen, und in ihrer eigentümlichen Weise gaben sie mir bereitwillig Antwort. Als ich jedoch den Namen desjenigen hörte, der diese unfreundlichen Worte – und damit die Wortgeister – auf die Reise geschickt hatte, da verfiel ich in tiefes Grübeln. Den alten Zacharias hatte ich seit mindestens fünf, nein, sieben Jahren nicht mehr gesehen. Möglicherweise waren’s auch mehr, das wusste ich in dem Moment nicht. Es war lange her, und ich hatte damit abgeschlossen. Nun gut, die Art, wie wir nach einer Freundschaft getrennte Wege gegangen waren, war nicht sonderlich freundlich gewesen. Im Gegenteil, wir hatten eine Meinungsverschiedenheit gehabt. Doch an ein Beilegen selbiger war nicht zu denken, denn er hatte verlangt, ich sollte zugeben, im völligen Unrecht zu sein und mich bei ihm entschuldigen. Das konnte ich nicht, denn meiner Meinung nach war ich nicht im Unrecht, aber ich war Willens und bereit gewesen, zu akzeptieren, dass er eine andere Meinung hatte als ich. Selbiges war ihm aber nicht genug gewesen, und so spuckte er Gift und Galle und beschimpfte mich aufs Übelste. Unsere Wege trennten sich, und ich glaube, er hat es mir sehr übel genommen, dass ich nicht so tat, wie er gewollt hätte. Über die Jahre hatte ich damit abgeschlossen, wenngleich die Worte, die er zu mir gesagt hatte, wirklich übelster Art gewesen waren; aber man konnte ja nicht immer nur in der Vergangenheit leben, sondern musste sich letztlich auch der Zukunft zuwenden.
Ich erzählte den Wortgeistern die Geschichte mit ebendiesen Worten und fügte hinzu, dass es mir seltsam erschien, dass er nach so langer Zeit, in der wir uns völlig aus den Augen verloren hatten, noch einen Groll hegte.

„Ach!“, seufzte Armselig. „Der arme Groll!“

„Ach!“, seufzte auch Jämmerlich. „Sitzt in seinem Käfig und ist schon ganz fett, so sehr ist er gehegt worden!“

„Ach!“, seufzte sogar Mitleiderregend. „Bittet so sehr darum, dass es zu Ende sein möge und man ihn freiließe, doch sein Herr hört nicht!“

Das machte mich betroffen und ich überlegte, ob wir Menschen manchmal in unserer Eitelkeit schlichtweg übersehen, was wir dem Leben antun. Zugleich verwirrte mich sehr, was für kurzweilige Gesellen meine unfreiwilligen Gäste waren, waren sie doch aus einem Gefühl des Ärgers, der Wut oder gar des Zorns zu mir geschickt worden. Als ich meine Verwirrung in Worte fasste, schwebte Armselig zu mir herüber, so dass er direkt vor meinem Gesicht in der Luft stehenblieb.

„Ich will’s Dir erklären!“, bestimmte er. „Wenn Du einem Menschen gegenüberstehst, der ein Messer hat, so ist es doch ziemlich unerheblich, welche innere Einstellung Du zu dem Messer hast, nicht wahr?“

„Das kann man wohl sagen!“, mischte sich Jämmerlich ein, der auf einmal neben Armselig schwebte. „Es ist ganz unerheblich, ob Du glaubst, dass das Messer Dich verletzten könnte, oder nicht. Wenn der andere zusticht, wird es Dich verletzen, so oder so, oder?“

„Da braucht es keine großen Worte!“, sagte da Mitleiderregend, der mittlerweile zu seinen Freunden aufgeschlossen hatte. „Aber bei Worten ist das anders! Bei Worten ist es sogar ganz erheblich, welche innere Einstellung Du hast. Wenn Du es an Dich heranlässt, können Dich Wort genauso verletzen wie das Messer. Doch wenn Du Abstand hälst, ist selbst das giftigste Wort so harmlos wie eine Daune, na?“

„Und Ihr wollt sagen, weil ich zu der Sache bereits Abstand habe…“, begann ich, und die drei vervollständigten im Chor: „…sind wir keine boshaften Geister!“

Während sie sich nun wieder der Kerzenflamme zuwandten, sinnierte ich über das Tun der Menschen. Es war so schwer, zugleich aber auch so einleuchtend: Wenn ich dafür sorgte, dass ich innerlich Abstand zu einer Sache gewann, so konnte mich diese nicht mehr verletzen. Ja, fragte ich mich, wie sollte es denn sonst funktionieren? Niemand konnte mir das abnehmen, es war meine Aufgabe, den Käfig des Grolls zu öffnen und ihn laufenzulassen, anstatt ihn zu hegen, bis er rund und fett war. Und meine Gedanken gingen zum alten Zacharias, der vermutlich allein in der Finsternis seiner Wohnung saß und seine Grolle hegte. Vielleicht hatte er eine ganze Menagerie, von der er nicht lassen wollte.

Meine Besucher indessen hatten wohl meine Gedanken erraten, denn schon hatten Sie noch etwas zu erzählen.

„Weißt Du, warum Menschen das machen?“, fragte Armselig. „Sie schicken mit jedem schlechten Wort ein Stück ihres eigenen Schmerzes, ihrer eigenen Finsternis mit, in der Hoffnung, ihrer eigener Schmerz wird dadurch weniger.“

„Aber weißt Du, was stattdessen passiert?“, wollte Jämmerlich wissen. „Die Natur verabscheut das Vakuum. Sobald sie ein Stück aus ihrem Schmerz herausgetrennt haben, beginnt jener wieder zu wachsen, um die Lücke zu schließen. Und bald ist es schlimmer als zuvor.“

„Und weißt Du, was man tun muss?“, hakte Mitleiderregend nach. „Wenn der Schmerz weniger werden soll, musst Du selbst dafür sorgen, dass anderes an seine Stelle tritt. So kann keine Lücke entstehen, in die er wieder wachsen kann. Du musst den Schmerz wandeln in positive Empfindungen. Dann wird er abnehmen.“

Ich verstand. Und so seltsam es klang, ich verstand auch, dass manche Menschen diesen Weg eben nicht gehen. Denn es war viel einfacher, immer wieder kleine Stücke seines Schmerzes in Form von boshaften Worten zu versprühen, als sich dem langsamen Prozess der Wandlung hinzugeben.

„Du hast es schon geschafft“, unterbrach Armselig meine Gedanken. „Deswegen durften wir bei Dir in dieser Gestalt erscheinen. Und das hat uns sehr gefallen.“

„Denke daher immer an uns“, ergänzte Jämmerlich. „Hege deswegen keinen Groll gegen den alten Zacharias. Das hat der arme Groll nicht verdient.“

„Du ahnst nicht, wie oft der Alte uns schon auf den Weg geschickt hat“, vervollständigte Mitleiderregend. „Und viel zu oft mussten wir als böse Geister ein Unwesen treiben. Gelegenheiten wie diese sind viel zu selten.“

Und damit verabschiedeten sie sich von mir, um in der Zeitspanne eines Wimpernschlags genauso geheimnisvoll zu verschwinden, wie sie erschienen waren. Zurück blieb ich allein mit einer brennenden Kerze, einem vollen Glas und einem Buch, das ich noch immer in der Hand hielt. Während ich mich erhob und zu meiner Sitzgelegenheit zurückkehrte, versuchte ich im Gedanken zu rekapitulieren, was für ein Tag wohl war, denn ich fragte mich, welchen besonderen Anlass der alte Zacharias gehabt haben könnte, mir ausgerechnet heute die Wortgeister zu schicken. Doch so sehr ich mir auch das Gehirn zermarterte, ich kam zu keinem Ergebnis. Nur zu dem, dass jemand, der einen Groll über lange Zeit hegte, keinen besonderen Anlass brauchte, um boshafte Worte an einen anderen Menschen zu schicken.

Nur Schmerz.

Monty Python’s „Spann-a-lot“ – Realsatire in Deutschland

Seit gestern ist die Meldung draußen, dass der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen einen in Berlin inhaftierten Soziologen aufgehoben hat. Der Mann musste sich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verantworten. Im Verlauf des Verfahrens sind die Methoden der Ermittler in die Kritik geraten, nach denen der Verdächtige offenbar anhand von neun (!) Worten, die er in einem Artikel gebraucht hatte, von der Staatsanwaltschaft ins Visier genommen worden war. Diese neun Worte wurden auch – in anderem Zusammenhang – von einer terroristischen Gruppe in deren Schreiben verwendet. Aus diesem Umstand wurde offenbar ein Verdachtsmoment konstruiert, der ausreichte, den Soziologen in Untersuchungshaft zu nehmen. Das Spreeblick-Blog schreibt hier über die Aufhebung des Haftbefehls und die Geschichte der Ereignisse seit der Inhaftierung, netzopolitik.org bringt Zitate des BGH und weist auf das Blog der Lebensgefährtin des Soziologen hin (siehe hier) und auch das RA-Blog räumt der Begründung des BGH großen Raum ein (hier).

Mir persönlich kam mal wieder Monty Python in den Sinn. Schon vor einiger Zeit wurden in diesem Blog zwei Artikel veröffentlicht, in denen Monty-Python-Szenen auf neue Situationen umgeschrieben wurden (Monty Python’s „Die Blogger der Kokosnuss“ / Monty Python’s „Das Leben des Blogger“). Auch beim Lesen der Artikel oben fiel mir so eine Szene ein, die mir schon seit ein paar Tagen wieder im Kopf herumgeistert. Auslöser dafür waren eigentlich Berichte über eine Spezialpolizei in England, die auf Flughäfen Reisende auf Terrorverdacht überprüfen soll und dabei allen Ernstes fragt, ob man Terrorist sei oder einen Anschlag in England geplant habe.

Das Original der nachfolgenden Szene, in der es auch darum geht, wie schnell der Falsche in eine unangenehme Situation kommen kann, stammt aus der 5. Sendung der ersten Staffel von „Monty Python’s Flying Circus“. Die Änderungen sind dem Zeitgeist geschuldet.

Ein Schalter am Flughafen London, die Zollabfertigung. Ein Beamter steht hinter dem Tresen. Ein Mann mit einem Koffer kommt dazu. Er legt den Koffer auf die Schaltertheke.

Beamter: (hält ein Merkblatt hoch) Haben Sie das gelesen?

Mann: Nein. Oh, ja doch ja!

Beamter: Haben Sie irgendetwas anzumelden?

Mann: Ja. (hektisch) Nein! Nein, nein, nein! Nichts anzumelden. Nichts in meinem Koffer, nein!

Beamter: Sie sind kein Mitglied einer terroristischen Vereinigung, schmuggeln Sprengstoff oder Bauteile für eine Bombe?

Mann: Ja, schon, Elektronikkomponenten, C4 und eine Zeitschaltuhr. (wieder hektisch) Nein! Nein, nein! Eine Zeitschaltuhr! Nein! Nicht mal eine Zeitschaltuhr! Nein, überhaupt keine Bauteile. Gar keine Bauteile, nein!

Beamter: Welches Land haben Sie besucht?

Mann: Afghanistan. (hektisch) Nein! Nein… äh… nicht Afghanistan! Nein! Es fängt mit „A“ an, aber es war nicht Afghanistan… hm, was könnte es gewesen sein? Ich habe ein so schlechtes Namensgedächtnis. Wie heißt nochmal das Land mit „A“, in dem absolut keine Terroristen ausgebildet werden?

Beamter: Andorra?

Mann: Andorra! Das war’s! Genau, Andorra!

Beamter: Auf dem Aufkleber auf Ihrem Koffer steht „Kabul“.

Mann: Ja, sehen Sie, dann war es Andorra.

Beamter: Kabul liegt in Afghanistan.

Mann: In Afghanistan, wie? Hmmm… ja.

Beamter: In Afghanistan – wo die Terroristen ausgebildet werden.

Mann: (sieht sich scheinbar gedankenverloren um, dann:) Einen schönen Schalter haben Sie hier!

Beamter: Haben Sie Geld in afghanischer Währung, Sir?

Mann: Nein. Bloß die Bombe (hektisch) – bloß meine Bomb… mein bombastisches Interesse an Währungen. Die Kurse sind bombastisch und ich verfolge sie. Aber ich hab kein Geld, nein.

Beamter: Das kam ihnen jetzt aber sehr schnell über die Lippen. (Im Koffer fängt auf einmal eine Zeitschaltuhr zu rattern an. Der Mann schlägt auf dem Koffer herum, um sie zum Verstummen zu bringen, hat aber zunächst keinen Erfolg.) Haben Sie da eine Zeitschaltuhr drin?

Mann: Nein, nein, meine Güte, nein, nein… nur Unterhemden! (Er schlägt nochmals auf den Koffer, worauf das Rattern verstummt.)

Beamter: Es klang aber wie eine Zeitschaltuhr, die losgegangen ist.

Mann: Nein, kann nicht sein… war wohl ein Unterhemd.

Beamter: Ein Unterhemd, das losgegangen ist.

Jetzt fängt der Koffer wieder an zu rattern. Der Mann schlägt darauf ein, diesmal allerdings erfolglos.

Mann: (verzweifelt) Also gut, ich gebe zu, ich bin ein Terrorist! Dieser Koffer ist mit den Komponenten für eine Zeitbombe vollgestopft. Ich habe wissentlich versucht, einen Anschlag vorzubereiten. Ich war ein verdammter Idiot.

Beamter: Ich glaube Ihnen nicht.

Mann: Es stimmt aber. Ich bin ein Terrorist.

Beamter: Erzählen Sie mir nichts. Sie könnten ja nicht einmal Einwickelpapier schmuggeln, geschweige denn Bauteile für eine Bombe.

Mann: (empört) Was soll das denn heißen? Ich schmuggle schließlich schon länger! Kameras, Mikrofilme, Raketenbauteile – was Sie wollen, ich habe es geschmuggelt!

Beamter: Also bitte, gehen Sie weiter! Sie stehlen uns die Zeit!

Mann: Hier! (er reißt den Koffer auf, in dem sich die Bestandteile einer Bombe offenbaren – einschließlich Zeitschaltuhr) Hier, sehen Sie her!

Beamter: Also, wie ich das sehe, können Sie diese Bauteile auch legal in London gekauft haben, bevor Sie nach Afghanistan geflogen sind.

Mann: Bitte? Man braucht eine Lizenz, um C4-Sprengstoff legal zu kaufen – außerdem wäre es doch blöd, registrierten Sprengstoff von London nach Afghanistan mitzunehmen!

Beamter: Es gibt Leute, die das tun. Also bitte: Koffer zu und weitergehen! Verschwenden Sie hier nicht unsere Zeit, wir müssen die richtigen Terroristen kriegen!

Mann: (brüllt) Ich BIN ein Terrorist! Ein richtiger Terrorist! Hören Sie mir nicht zu? Ein Terrorist, ein gemeiner Verbrecher! (ein zweiter Beamter kommt hinzu und führt ihn aus der Zollabfertigung heraus; er wehrt sich heftig)

Ein Priester in Soutane ist der nächste. Er ist gerade hereingekommen und verfolgt, wie man den Mann abführt. Dann stellt er eine kleine Tasche auf den Tresen.

Priester: Armer Kerl. Ich glaube, er braucht Hilfe.

Beamter: (zieht eine Waffe und legt auf den Priester an) So, Freundchen, Schluss mit Ihren Sprüchen! Ab in den Durchsuchungsraum und Kleider runter!

Er kommt hinter dem Tresen hervor, nimmt den Priester in den Polizeigriff und stößt ihn vor sich her durch eine Tür.

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“Jede Lüge braucht einen Mutigen, der sie zählt” – BILDBlog.de: Der Werbespot – Eine künstlerische Rezension

von Thorsten Reimnitz

<satire>

Link: BildBlog-Werbespot bei sevenload.com

Gerade frisch auf die Schirme gekommen, das neueste Werk von Regisseur Tobi Baumann mit dem provokanten Titel „Jede Lüge braucht einen Mutigen, der sie zählt“, eine Verfilmung des Buchs von Chris Geletneky. Wir erleben ein Epos in 49 Sekunden. Ein Allerweltsehepaar, das in einem einigermaßen luxuriösen Haus lebt, trifft sich wieder, als Jürgen, der Ehemann (Christoph Maria Herbst), offenbar von einer Geschäftsreise zurückkehrt. Die Begegnung mit Birgit, der Ehefrau (Anke Engelke), findet im Wohnzimmer des Anwesens statt. Die beiden starten ein scheinbar harmloses Geplänkel, wie es jeden Tag tausendfach stattfindet, doch nur für den Zuschauer sichtbar beginnt ein Zähler zu ticken. Scheinbar werden einige Sätze, die die beiden miteinander wechseln, gezählt. Eine leichte Ahnung erschleicht den Zuschauer, was es mit dem Zähler auf sich hat, als Birgit nach Karin fragt und Jürgen dazu meint, sie sei nicht mit in der Schweiz gewesen. Dann verwendet Tobi Baumann das Stilmittel des Handlungsbruchs, indem er einen Sprecher (Michael Lott) den Titel des Werks sagen lässt: „Jede Lüge braucht einen Mutigen, der sie zählt“. In der letzten Szene des Films erleben wir noch den Auftritt des Sohnes (Tim Schmeckel), der uns bewusst macht, wie sehr diese Ehe bereits nur mehr noch Fassade ist.

Und darum geht es in Baumanns Werk: Fassade. Da ist ein Ehepaar, das eine nach außen harmonische Beziehung lebt. Der Mann geht auf Geschäftsreise, die Frau vermisst ihn und umgekehrt. Doch hinter der Fassade sieht es anders aus, zwischen den beiden fällt kaum ein Satz, der nicht eine Lüge enthält. Ja, selbst so ein einfaches Satzkonstrukt, wie es der Sohn am Ende abliefert („Papa!“), kommt nicht ohne Lüge aus. Und hier muss man scharf unterscheiden, und darin liegt die Subtilität in Geletnekys Buch: Nicht der Sohn lügt. Er lebt eine Lüge, die er für die Wahrheit hält und ist so ohne eigenes Zutun gefangen in dem Gebäude, das seine vermeintlichen Eltern aufgebaut haben. Die Tragik dieser Figur wird durch das unbekümmerte Spiel des Jung-Schauspielers Tim Schmeckel hervorragend in Szene gesetzt.

Die Figur des Jürgen hingegen bleibt für den Zuschauer den ganzen Film über Namenlos. Er wird von Birgit nur mit dem Allerweltskosenamen „Schatz“ genannt. Geletneky will uns sagen: „Wir sind alle Jürgen!“ Wir wollen lieber die Fassade leben, als uns mit den wahren Dingen zu beschäftigen. Christoph Maria Herbst (der auch gern für das Schauspieler-Ehepaar Christoph und Maria Herbst gehalten wird) brilliert als aalglatter Selbstdarsteller, dem es gelingt, bei der letzten Lüge („Karin? Nä!“) seiner Frau sogar noch in die Augen zu sehen. Und wie er beim Hereinkommen den Namen seiner Frau ruft („Birgi-i-it?“), das ist kein zärtliches Rufen nach der geliebten Ehefrau, sondern zeigt den Zynismus, mit dem dieser Mann seine Beziehung lebt.

Für die Figur der Birgit wurde die Schauspielerin Anke Engelke gewählt. Diese war zuletzt auf der großen Leinwand in „Die Simpsons – Der Film“ als Marge Simpson zu sehen, eine Rolle, für die sie täglich zwölf Stunden in die Maske musste: erst wurden ihre Stimmbänder mit Salzsäure angeraut, dann zwei Meter lange, blaue Haarteile an ihrem Kopf befestigt und zuletzt ihr gesamter Körper mit gelber Schminke eingefärbt. Doch die Mühe hat sich gelohnt, und das hat sie auch in Baumanns Werk. Engelke schafft es, als Birgit ihren Partner freundlich anzugrinsen, während sie in Wirklichkeit das dargebrachte Geschenke, eine (Zitat) „wunderschöne“ Brosche, für grauenvoll hält.

So ist dieses Ehepaar also gefangen im „Status Quo“ der Tristesse eines Alltags, aus dem es offenbar für beide nur die kleinen Fluchten in oberflächliche Affären gibt. Leidtragender ist der Sohn, und hier wird die Abstufung offenbar, die Geletneky geschickt einsetzt: Birgit wird im Film mit Namen benannt, Jürgen hat nur im Buch einen Namen, der Sohn aber hat weder im Film noch im Buch einen Namen und wird nur als „kleiner Racker“ bezeichnet. Auch hier wird geschickt das Stilmittel des Zynismus angewandt, obwohl der Abstieg des Jungen schon vorgezeichnet ist. Mit 10 desillusioniert, Alkoholiker mit 13, mit 15 Drogen, mit 18 unfreiwillig die Freundin geschwängert, so dass ihm kein anderer Ausweg mehr bleibt, als von Talkshow zu Talkshow zu ziehen und seine traurige Geschichte einem gierigen Millionenpublikum zum Fraß vorzuwerfen.

Doch Baumanns Film verspricht Hoffnung. Wie eine Offenbarung kommt nach der Feststellung, dass jede Lüge einen Mutigen braucht, der sie zählt, gleich nachgeliefert, dass es diesen Mutigen auch gibt: BILDBlog.de! Es ist ein Gefühl, das schon René Goscinny und Albert Uderzo in dem Asterix-Band „Tour de France“ (Original-Titel „Le Tour de Gaule“, Frankreich 1965) so vortrefflich erzeugen konnten. Als dort zwei Unschuldige anstelle von Asterix und Obelix von den Römern gefangen genommen und auf den Richtplatz vorgeführt werden, treten Asterix und Obelix mutig auf, um den Irrtum aufzuklären und den Unschuldigen zu helfen. Das Publikum ruft dabei: „Bravo, Asterix und Obelix! Helft unseren Helden!“ Und auch wir möchten angesichts der Botschaft des Films ausrufen: „Bravo! Helft unserem Helden!“ Wir möchten uns nicht mehr länger mit der Fassade abgeben, bei der uns unwichtige oder aufgebauschte Details als Skandal verkauft werden, über den wir uns aufregen sollen. Wir wollen über die wichtigen Dinge des Lebens sprechen! Wir sind nicht Jürgen! Der Held kommt daher, wie der Retter auf dem weißen Ross, wie der Heilige Gral, wie das Licht nach langer Dunkelheit.

So kann der Zuschauer am Schluss für sich den Befreiungsschlag vollziehen und sich distanzieren. Auch hier leistet Baumann ganze Arbeit, indem die letzte Einstellung gefilmt wird, während sich die Kamera von dem Geschehen entfernt. So wird für den Zuschauer die sich erhöhende Distanz sichtbar. „Du bist nicht drin!“, will Baumann sagen, „Du kannst Dich zurückziehen!“ Alles weitere bleibt dem Zuschauer überlassen. Er kann sich nun dem Helden zuwenden und das BILDBlog besuchen, oder aber so weitermachen wie bisher und damit zu Jürgen werden.

Fazit: Ein rundum gelungenes Werk, das man immer wieder anschauen kann. Ob es Geletneky und Baumann nach dieser Vorlage wagen, eventuell eine Fortsetzung zu produzieren, wird man abwarten müssen. Möglicherweise gibt es ja noch eine „extended Version“.

Jede Lüge braucht einen Mutigen, der sie zählt

Deutschland 2007
Regie: Tobi Baumann
Buch: Chris Geletneky (nach Vorlagen von Christoph Schultheis und Stefan Niggemeier)
Darsteller: Christoph Maria Herbst, Anke Engelke, Tim Schmeckel und Michael Lott als „His Master’s Voice“

</satire>

Cyril Courage: Theoretische Unterlassung einer praktischen Tat

Es war einmal, das ist noch gar nicht so lange her, im Land jenseits der bunten Happiche, das da Absurdistan genannt wurde. In diesem Land, das uns allen näher liegt als uns lieb ist, lebt Cyril Courage. In Absurdistan erlebt Cyril etliche Abenteuer. Dies ist eins davon…

Hin und wieder kann es auch Cyril nicht vermeiden, einkaufen gehen zu müssen. Also begibt er sich in einen Laden, so wie das jeder von uns tut. Doch während er so am Regal steht, da nimmt er im Augenwinkel eine Bewegung war. Moment, was war das? Hat da der Mann, der ungefähr zwei Meter neben ihm steht, tatsächlich gerade etwas aus dem Regal genommen und in seine Tasche gesteckt? Ein Ladendieb? Cyril ist sich unsicher. Er hat nicht genau gesehen, was der Nebenmann getan hat. Aber er beschließt, so zu tun, als würde er sich intensiv mit der Warenauswahl beschäftigen, die vor ihm steht und hofft, dass es dem anderen nicht komisch vorkommt, dass er seine exorbitante Sorgfalt Damenbinden zuwendet. Doch tatsächlich! Knapp eine Minute später greift der andere Mann wieder ins Rega, nimmt etwas heraus und steckt es unauffällig in seine Manteltasche. Jetzt hat Cyril genug gesehen! Den Mann nicht aus den Augen lassend geht er ans andere Ende des Regals, wo eine Verkäuferin steht. Er erzählt ihr, was er gerade gesehen hat und sie alarmiert den Hausdetektiv, der keine zwei Minuten später am Ort des Geschehens eintrifft. Tatsächlich findet er bei einer Taschenkontrolle einiges Diebesgut und nimmt den Mann mit in sein Büro. Cyril Courage kommt auch mit, als Zeuge. Der Detektiv verständigt die Polizei und den Geschäftsführer.

Beide treffen kurz darauf im Büro des Detektivs ein und lassen sich die Situation schildern. Der Geschäftsführer ist außer sich. Er will eine Anzeige gegen den Ladendieb machen – und auch gegen Cyril Courage! Der versteht die Welt nicht mehr. Er hat doch schließlich den Ladendieb entdeckt! Ja, meint der Geschäftsführer, aber er hat ihn nicht sofort gemeldet. Cyril wehrt ab, schließlich sei er sich nicht sicher gewesen, denn den ersten Griff ins Regal hatte er nur flüchtig gesehen. Der Geschäftsführer jedoch meint, dass es theoretisch möglich gewesen wäre, dass der Dieb nach diesem Griff seinen Raubzug beendet und den Laden verlassen hätte. Dann hätte ihn Cyril womöglich nicht gemeldet und sich theoretisch der Beihilfe zur einer Straftat durch Unterlassen schuldig gemacht. Das ist auch, weswegen ihn der Geschäftsführer anzeigen will: theoretische Unterlassung einer praktischen Tat.

Cyril versteht die Welt nicht mehr. Noch weniger, als sich der Geschäftsführer das Diebesgut ansieht und brummend meint, das könne er sowieso nicht mehr verkaufen – und es dem Dieb schenkt.

Diese Situation ist absurd? In der Tat. Genauso absurd wie die Abmahnung an Stefan Niggemeier wegen eines Kommentars, den jemand in seinem Blog abgegeben hat. Dieser Kommentar, in dem offenbar Bezüge zum Nazi-Regime hergestellt wurden, war völlig daneben und auch juristisch fragwürdig. Das bestreitet niemand, nicht einmal Stefan Niggemeier. Deswegen hat er ihn ja auch sofort, nachdem er ihn gesehen hat, gelöscht. Das reicht jedoch der Firma, die mit dem Kommentar beleidigt wurde nicht. Niggemeier sei verantwortlich für den Kommentar, egal ob er schon gelöscht sei oder nicht. Inzwischen geistert jemand durch die Kommentar-Spalten der Blogs, die über die Sache berichten, der behauptet, von der abmahnenden Firma zu sein. Er stellt die Sache so hin, als würde Niggemeier versuchen, den Nazi-Kommentar zu verharmlosen (hat er gar nicht) und – und das ist der Gipfel – wiederholt das Zitat wortwörtlich! Als Begründung für die Abmahnung wird angegeben, dass dieser Kommentar ja, wenn Niggemeier nicht gleich am nächsten Tag, sondern erst einen Tag später nachgesehen hätte, einen Tag länger für alle zu lesen gewesen wäre (theoretisch).

Wir fassen zusammen: Stefan Niggemeier wird abgemahnt, weil er einen beleidigenden Kommentar, den man so nicht stehenlassen kann, theoretisch auch sehr viel später hätte löschen können, als er ihn gelöscht hat. Dann wird er beschuldigt, den Kommentar zu verharmlosen, was er gar nicht hat, und als Gipfel wird das Zitat, das Niggemeier nicht schnell genug gelöscht hat, nun in anderen Blogs in der Rechtfertigung der Abmahnung munter weiter verbreitet.

Monty Python’s “Das Leben des Blogger”

Um noch einmal auf die Aktion von endl.de zurück zu kommen, das Blogger-Leben in Monty-Python-Szenen umzuschreiben (siehe hier), die ich mit „Die Blogger der Kokosnuss“ hier schon bedacht habe (was dann zu dem netten Untertitel dieses Blogs führte), so haben mich verschiedene Ereignisse der letzten Tage dazu inspiriert, eine weitere Szene zu bearbeiten. Die Inspiration kam durch neue Abmahnereien von Blogs, wie sie Stefan Niggemeier zum Beispiel hier beschreibt (noch mehr steht hier, hier, hier, hier und hier, außerdem gibt es eine Diskussion auf dem RA-Blog). Es geht mir dabei nicht so sehr um die aktuelle Sache an sich, jeder soll sein Recht bekommen, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Allerdings scheint es langsam in Mode zu kommen, mit den Leuten vorher nicht mehr zu reden, sondern – wie in den USA – gleich mit dem Rechtsanwalt und einer kostenpflichtigen Abmahnung zu kommen. Manchmal hätte einfach eine freundliche eMail gereicht, um die Sache – eine Bezeichnung oder, wie auch schon geschehen, ein Foto – aus der Welt (beziehungsweise von der Homepage / dem Blog) zu schaffen. Keiner hätte Stress gehabt.

Die bearbeitete Szene stammt aus dem Film „Das Leben des Brian„. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, deren Haustieren, Bekleidungsstücken etc. etc. ist weder irgendwie so gemeint oder auch anders in jedem Fall ein ehrlich nicht bös gemeinter Zufall, echt ehrlich!

Szene 8: Eine Steinigungsstätte. Ein Rechtsanwalt mit ein paar Gehilfen stellt den zu steinigenden MC zur Rede. Eine große Menschenmenge hat einen Halbkreis um die Situation gebildet. 90% davon sind Frauen mit [falschen] Bärten, da Frauen zur Steinigung eigentlich nicht zugelassen sind. Im Umkreis stehen einige Medienjournalisten und betrachten das ganze argwöhnisch.

Anwalt: MC, Sohn des Neunzehn von ap…

MC: (zu einem Gehilfen des Anwalts, der ihn an einer Kette festhält) Was muss ich jetzt sagen? Ja?

Gehilfe des Anwalts: Ja.

MC: Ja.

Anwalt: Du bist von den Abmahnern für schuldig befunden worden, den Namen des Herrn genannt zu haben, und so sollst Du als Gotteslästerer zu Tode gesteinigt werden.

MC: Hören Sie, ich hatte gerade ganz wunderbar zu Abend gegessen, und da hab ich bloß in meinem Blog geschrieben: „Dieses Stück Heilbutt war ein Mahl für Jehova.“

Anwalt: Blasphemie! Er wiederholt seine Lästerung!

Frauen: (kreischend) Ja, hat er.

Anwalt: Habt ihr das gehört?

Frauen: (kreischend) Ja, haben wir. Wirklich.

Anwalt: (irritiert) Kann es sein, dass Weibsvolk anwesend ist?

Die Frauen schütteln alle die Köpfe und verneinen mit absichtlich tief gestellter Stimme. Der Anwalt wendet sich wieder MC zu.

Anwalt: Nun denn, kraft der Amtsgewalt, die mir verliehen…

Eine der Frauen wirft einen Stein, der MC trifft.

MC: Aua! Wir haben doch noch gar nicht angefangen!

Anwalt: (dreht sich um) Raus damit, wer war das? Wer hat den geschmissen?

Schweigen.

Anwalt: Wird’s bald? Wer hat ihn geschmissen?

Einige der Frauen zeigen auf die Übeltäterin.

Frauen: (kreischend) Sie war’s. (plötzlich, mit absichtlich tief gestellter Stimme) Er war’s. Er. Der da.

Übeltäterin: (mit sehr tiefer Stimme) Tut mir leid, ich dachte, wir hätten schon angefangen.

Anwalt: Abmarsch nach hinten.

Übeltäterin: (enttäuscht) Oje.

Sie geht nach hinten.

Anwalt: Es ist doch immer das gleiche, einer tanzt immer aus der Reihe. Also, wo waren wir?

MC: Hören Sie, ich weiß nicht, was daran Blasphemie sein sollte, wenn man einfach nur „Jehova“ sagt!

Die Frauen schnappen hörbar nach Luft.

Frauen: (mit hoher Stimme) Er hat es wieder gesagt! (mit tiefer Stimme) Er hat es wieder gesagt.

Anwalt: (zu MC) Du machst es nur noch schlimmer für Dich!

MC: Noch schlimmer? Wie könnte es denn noch schlimmer werden? (laut) Jehova, Jehova, Jehova…

Anwalt: Ich warne Dich! Wenn Du noch einmal „Jehova“ sagst…

Prompt kommt ein Stein aus der Menge geflogen und trifft ihn am Hinterkopf.

Anwalt: So! Wer hat den geworfen?

Frauen: (mit hoher Stimme) Sie war’s. Er war’s. (mit tiefer Stimme) Er war’s.

Sie deuten auf Frau P. Der Anwalt baut sich vor ihr auf.

Anwalt: Warst Du das?

Frau P: Ja.

Anwalt: Und…?

Frau P: Sie haben „Jehova“ gesagt.

Die Frauen kreischen alle auf und beschmeißen sie aus nächster Nähe mit Steinen. Sie fällt zu Boden. Schneller Schnitt auf die Reaktion der Medienjournalisten. Sie schütteln die Köpfe und raunen einander zu.

Anwalt: (laut) Aufhören! Hört auf, wollt Ihr wohl aufhören! Jetzt hört mal her, niemand steinigt irgendjemand, bevor ich nicht auf dieser Pfeife geblasen habe! Selbst wenn… und ich möchte, dass das absolut klar ist… selbst wenn jemand „Jehova“ sagt.

Eine kurze Pause. Dann schmeißen alle Frauen Steine auf den Anwalt, und er sackt zusammen. Fünf Frauen schleppen im Eilschritt einen riesigen Felsbrocken herbei und lassen ihn auf den Anwalt fallen.

Frau: Guter Wurf!

Alles applaudiert. Die Medienjournalisten schütteln traurig die Köpfe.

Monty Python’s “Die Blogger der Kokosnuss”

Im Blog von endl.de ist eine sehr schöne Idee ausgearbeitet, nämlich bekannte Stellen aus Monty-Python-Filmen (oder TV-Shows) in „Blogger-Situationen“ umzuschreiben. Dort hat man das mit einer Szene aus „Das Leben des Brian“ gemacht und dazu aufgerufen, selbst etwas zu schreiben. Als Fan von Monty Python kann ich mir eine solche Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen, nehme allerdings einen anderen Film:

7. Szene: Eine Wiese. Im Hintergrund ist eine Burg zu sehen, das „Castle of V.i.S.d.P.“, das allerdings verlassen zu sein scheint. Artus, der Chefredakteur, kommt des Wegs, hinter ihm sein Gefolgsmann Patsy, der zwei Kokosnüsse im Takt zusammenschlägt, um die Hufe eines Pferdes zu imitieren. Im Vordergrund schuftet sich ein Blogger auf seinen Knien ab und versucht mit bloßen Händen und einem Zweig, den Boden umzugraben. Etwas weiter ist eine Bloggerin zu sehen. Artus und Patsy reiten heran und kommen vor dem Blogger zum Stehen.

  • He! Alte Frau!
  • [dreht sich um] Ich bin ’n Mann!
  • Tut mir leid. Alter Mann, welcher Redakteur lebt dort in der Burg?
  • Ich bin siebenunddreißig.
  • Wie bitte?
  • Ich bin erst siebenunddreißig… Ich bin nicht alt.
  • Das tut mir leid, ich wusste nicht, wie ich dich anreden soll.
  • So sagt Dennis zu mir.
  • Das wusste ich nicht, dass du Dennis heißt.
  • Gefällt euch „Winkelried“ besser?
  • Nein, ich mag Namen, die auf „-is“ enden, Dennis, Willis, Isis…
  • Deswegen müsst ihr doch nicht gleich anfangen, Ostfriesenwitze zu erzählen. Was macht ihr denn so den Tag über?
  • Nun, ich bin Chefredakteur.
  • Ach, Chefredakteur sein ist auch nicht abendfüllend. Wie seid ihr das geworden, Chefredakteur? Ich wette, ihr habt den ersten Platz beim „Wolken-um-die-Ecke-schieben“ gemacht! Oder seid ihr der beste beim Sprücheklopfen, etwa mit „My Home is in Kassel“? Ihr klammert euch an ein überholtes imperialistisches Dogma, das die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit in dieser Gesellschaft aufrechterhält. Wenn es jemals irgendeinen Fortschritt geben soll …
  • [sie kommt dazu] Hier drüben gibt es richtig schönen Dung … Oh! Guten Tag.
  • Guten Tag, gute Frau … Ich bin Artus, der Chefredakteur… Kannst du mir sagen, wer dort in der Burg wohnt?
  • Chefredakteur der was?
  • Der Journalisten.
  • Wer sind denn die Journalisten?
  • Wir alle… Wir sind alle Journalisten, die wir für die Öffentlichkeit schreiben und berichten… Und ich bin euer Chefredakteur.
  • Ich wusste gar nicht, dass wir einen Chefredakteur haben. Ich dachte, wir seien ein autonomes Kollektiv.
  • Du machst dir was vor. Wir leben in einer Diktatur, in einer sich selbst erhaltenden Autokratie, die der Arbeiterklasse…
  • Fängst du schon wieder an mit deiner „klassenlosen Gesellschaft“?
  • Aber nur darum geht es doch. Wenn bloß…
  • [unterbricht ihn] Ihr guten Leute, ich bitt‘ euch, ich habe es eilig. Welcher Redakteur wohnt dort in der Burg?
  • Da wohnt niemand.
  • Aber wer ist dann euer Herr?
  • Wir haben keinen Herrn.
  • Was?
  • Ich hab’s euch doch gesagt, wir sind Blogger! Eine anarcho-syndikalistische Kommune, und jeder von uns darf schreiben und berichten. Außerdem darf jeder mal abwechselnd für eine Woche „Vierte Gewalt“ spielen.
  • Ja…
  • Wir schreiben gern über aktuelle Politik, aber eigentlich zur Hauptsache nur selbstreferenzielles Zeug…
  • Ja, verstehe …
  • … und lesen auch mal in anderen Blogs nach, um Artikel über deren Artikel zu schreiben…
  • Schweig.
  • … oder aber wir schreiben über das, was wir gerade tun, Wasser trinken, auf der Toilette sitzen, schlafen…
  • Schweig! Ich befehle dir, den Mund zu halten!
  • Befehlen, wie? Was glaubt er eigentlich, wer er ist?
  • Ich bin euer Chefredakteur.
  • Also, ich hab Euch nicht gewählt.
  • Chefredakteure werden nicht gewählt.
  • Und wie seid Ihr dann Chefredakteur geworden, mh?
  • Die Dame des Presserechts, deren Arm in feinste Seide schimmernd gekleidet war, hob sich aus den Tiefen des Wassers empor und reichte mir das Zepter, um also kundzutun, dass ich, Artus, durch göttliche Vorsehung bestimmt sei … Darum bin ich euer Chefredakteur .
  • Hört mal, komische Frauen, die rücklings in Teichen liegen und Zepter austeilen – das ist doch keine Basis für die unabhängige Kontrolle von einem Regierungssystem. Die „Vierte Gewalt“ muss einem Mandat der Massen entspringen und nicht irgendeiner verlogenen Wasserzeremonie.
  • Schweig still!
  • Glaubt ihr etwa, ihr habt die Macht, nur weil eine dahergelaufene Wasserschlampe euch mit’m Zepter zugewinkt hat?
  • Halt den Mund!
  • Ich mein, wenn ich durch die Gegend laufen und behaupten würde, ich sei der große Herrscher, weil mir irgend so eine angefeuchtete Schnepfe ein Zepter hinterhergeschmissen hätte – die Leute würden doch mit der Zwangsjacke kommen.
  • [packt ihn am Kragen] Wirst du jetzt endlich dein Maul halten? Halt dein Maul!
  • [laut] Aha! Da sehen wir die Gewalt, auf die sich das System der traditionellen Medien stützt!
  • Halt’s Maul!
  • [weitere Blogger werden von dem Geschrei angelockt und beobachten das Geschehen] Kommt und seht euch die Gewalt an, auf die sich das System stützt. Hilfe, Hilfe, ich werde unterdrückt!
  • Blöder Blogger! [er stößt Dennis in den Dreck und schickt sich an weiterzureiten]
  • Ohooo! Habt ihr das gehört? Habt ihr gesehen, wie er mich unterdrückt hat?
  • Los jetzt, Patsy [Sie reiten davon. Die Kamera zieht auf.]
  • [im Hintergrund verschwindend] Habt ihr alle gesehen, wie er mich unterdrückt hat? Ich hab’s euch doch die ganze Zeit gesagt …

Soweit mein Beitrag zum Thema, inspiriert durch einige Diskussionen und Äußerungen von Journalisten in letzter Zeit. Aber es ist alles reine Fiktion, Ähnlichkeiten mit realen Personen wäre zufällig. Vielleicht auch unvermeidlich.

Noch weitere Wortmeldungen?

Paris Hilton – mal drinnen, mal draußen…

Der Sprecher der „Tagesschau“ sagte einen legendären Satz: „Die Tagesschau ist eigentlich nicht die Art von Nachrichten, über Paris Hilton zu berichten…“ Korrekt. Dass die Tagesschau dann trotzdem über Paris Hilton berichtete, lag daran, dass sich in Amerika momentan die Geister scheiden an Paris Hiltons nicht verbrachter Zeit im Gefängnis. Manche reagieren auch mit Parodie:

Andere fordern – wie hier geschehen -, dass man sich wieder den wichtigen Dingen des Lebens zuwendet.

Die Wandlung des Sumpfs

Nachdem ich die Geschichte „Meine Begegnungen am Sumpf“ in diesem Blog veröffentlicht hatte, habe ich einige sehr positive Rückmeldungen erhalten. Und manche fragten mich, ob denn der Sumpf keine Möglichkeit hat, sich zu wandeln. Doch, natürlich hat er die. Und gerade heute habe ich durch Zufall eine Geschichte gefunden, die ich sehr passend finde. Da sie nicht von mir ist, gebe ich sie hier nicht wieder, sondern verweise auf eine andere Webseite, wo sie unter dem Titel „Der Felsen und der Sumpf“ zu lesen ist (es sind zwei Geschichten auf dieser Seite, die vom Felsen und vom Sumpf ist weiter unten).
Bevor Sie hier weiterlesen, gehen Sie bitte zuerst auf diese Seite und lesen sich die Geschichte durch. Sie ist kurz und prägnant. Anschließend können Sie hierher zurückkehren, denn im Folgenden will ich etwas auf diese Geschichte eingehen.

Der Sumpf, den ich in meiner Erzählung beschrieben habe, ist etwas anders als der in dieser Geschichte, er lässt sich nämlich nicht auf andere ein. Insofern ähnelt er eher dem Fels. Möglicherweise erleben wir hier zwei Formen der Wandlung. Der Sumpf aus meiner Geschichte wird sich zum Felsen wandeln, da er immer härter wird. Er lässt sich nicht auf andere ein. Auch nicht auf die Bäche aus der anderen Geschichte. Also kommt kein frisches Wassser in den Sumpf, keine frischen Gedanken und Ideen. Der Sumpf erstarrt und erhebt sich als Felsen über die Landschaft.
Anders ist der Sumpf aus der anderen Geschichte, er ist offen und begrüßt die zwei Bäche, die zu ihm fließen. Und im Zuge seiner Offenheit wandelt er sich zu einem See, und immer mehr Lebewesen suchen seine Nähe. Durch die Offenheit wandelt sich sowohl der Sumpf als auch der Bach. An dem Fels jedoch würde der Bach abprallen. Der Bach wäre gezwungen, sich zu wandeln, während der Fels sich gar nicht wandelt. Diese Beziehung ist gänzlich anders, es herrscht kein Austausch, zumindest nicht auf der gleichen Ebene, denn während die Wandlung des Sumpfes zum See in einem relativ kurzen Zeitraum abläuft, bräuchte der Bach Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, um merkliche Spuren an dem Fels zu hinterlassen. Und diese wären im Vergleich zur Wandlung des Sumpfes minimal.

Jeder hat es in der Hand, am stetigen Wandel in der Welt teilzunehmen oder sich diesem zu verweigern. Bei letzterem darf man sich dann aber nicht wundern, wenn jemand – so wie der Bach zum Fels – sagt: „Ich will nicht Dein Freund sein.“ Wandel heißt aber nicht, dass man sich selbst völlig aufgeben muss. Ein See ist immer noch ein Gewässer, genauso wie ein Sumpf. Und es heißt auch nicht, dass man mit Jedermann befreundet sein muss. Das geht nicht. Man muss das rechte Maß finden, das ist die Schwierigkeit. Der Fels aus der zweiten Geschichte verlangt nur von den anderen die Wandlung, damit sie zu ihm passen. Er denkt, umgekehrt muss es nicht sein. Entweder die anderen passen oder nicht. Deswegen ist er am Schluss einsam.

Auf der Seite mit der Geschichte vom Fels und vom Sumpf findet sich noch eine andere, „Die Schwertlilie“. Diese hat ein interessantes Schlusswort, das auch auf diese Geschichte passt, denn es geht im Grunde um die Unkenntnis über andere, deswegen möchte ich dieses zum Abschluss hier zititeren:

„Die Hochmütigkeit und das Gefühl der Minderwertigkeit sind Geschwister. Sie entstehen aus Unkenntnis seiner selbst und der Umwelt.“