Europa ist nicht tolerant, Europa ist janusköpfig – ein Nachtrag zum ESC

Publikum: Buuuh! Buuuh!
Monty Burns: Rufen die „Buh“?
Mr Smithers: Aber nein, die rufen „Buörns!“
Monty Burns: (zum Publikum) Ruft Ihr „Buh!“ oder „Buörns!“?
Publikum: Buuuuh!
Hans Maulwurf: Ich hab aber „Buörns“ gerufen.

– „Die Simpsons“

Der römische Gott Janus wird mit zwei Gesichtern dargestellt, die in entgegen gesetzte Richtungen blicken. Wohlgemerkt, es ist nicht so, dass er zwei Köpfe hat. Er hat einen Kopf mit zwei Gesichtern. Es heißt, er kann damit sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blicken. Deswegen ist der Monat „Januar“ nach ihm benannt, da man ja zum Jahreswechsel sowohl auf das vergangene Jahr zurückblickt, als auch gespannt darauf schaut, was das neue Jahr bringen wird. Allerdings hat sich von diesem Gott auch die nicht ganz so schmeichelhafte Vokabel „janusköpfig“ abgeleitet, mit der man Menschen umschreibt, die zwei Dinge tun oder zwei Meinungen vertreten, die sich komplett widersprechen. Oft geht es dabei um Unehrlichkeit, nämlich dass der entsprechenden Person dieser Widerspruch bewusst ist und sie es mit Absicht macht (zum Beispiel, um sich zwei Optionen offen zu halten). Aber es gibt auch die, denen der Widerspruch nicht auffällt, dem sie sich da hingeben. Und damit sind wir beim „Eurovision Song Contest“ angekommen.

Die eine Seite hat Stefan Niggemeier schon sehr schön aufgearbeitet: „Conchita Wurst punktete bei den Zuschauern in ganz Europa„. Für diejenigen, die die letzten 30 Stunden in einer zugenagelten Kiste ohne Kontakt zur Außenwelt verbracht haben: Österreich hat den ESC gewonnen und zwar mit dem Beitrag „Rise like a Phoenix“ von Conchita Wurst, eigentlich Tom Neuwirth, einem homosexuellen Travestiekünstler, der mit der Kunstfigur Conchita zum Nachdenken über das Anderssein anregen wollte. Und ganz offenbar ist ihm das gelungen. Stefan Niggemeier arbeitet in dem verlinkten Artikel sehr schön heraus, dass das Publikum relativ einhellig – manchmal im Gegensatz zu den jeweiligen Jurys – für diesen Beitrag stimmte. Möglicherweise hat Europa damit ein Zeichen für Toleranz gesetzt und möglicherweise (aber ich fürchte, das ist schon zu weit gedacht) haben es diejenigen, die bei den Homosexuellen-Rechten immer die Bremse reinhauen wollen, ein klein wenig schwerer, ihre Legitimation zu erklären.

Leider haben die Zuschauer gestern auch das hässliche Gesicht Europas gezeigt: Das der Intoleranz und Spaltung. Beim Voting von Russland wurde kräftig gebuht und auch so manche 12 Punkte für den russischen Beitrag wurde mit kräftigen Buh-Rufen begleitet. Gestern machte auf Twitter dann noch ein Witz die Runde, der sich von der Szene aus den „Simpsons“ ableitet, die ich an den Anfang dieses Beitrags gestellt habe. Kurz zur Erklärung: In dieser speziellen „Simpsons“-Episode finde in Springfield ein Filmfestival statt. Natürlich lässt auch Kernkraftwerksbesitzer und Multimilliardär Monty Burns einen Film produzieren, in dem er sich als Retter und Menschenfreund darstellen lässt, der am Ende sogar als Messias in den Himmel aufsteigt. Als der Film vorbei ist, kommt es zu der oben beschriebenen Szene, das Publikum buht, Smithers versucht, Burns zu überzeugen, dass sie ihm in Wahrheit mit „Buörns“-Rufen zujubeln (zur Erklärung, falls das nicht klar sein sollte: der Name „Burns“ wird auf Englisch natürlich „börns“ ausgesprochen). Aber der einzige, der wirklich „Buörns“ gerufen hat, ist Hans Maulwurf.

Angesichtes des ESC wurde diese Szene nun so abgewandelt[1]:

Publikum: Buuuuh! Buuuuh!
Vladimir Putin: Rufen die „Buh“?
Dmitri Medwedew: Aber nein! Die Rufen „Buhtin! Buhtin!“.
Vladimir Putin: (zum Publikum) Ruft Ihr „Buh!“ oder „Buhtin!“?
Publikum: Buuuuh!
Weißrussland: Ich hab aber „Buhtin“ gerufen.

Ja. Schade, Europa, aber irgendwas ist ja immer. Nicht nur dass die anti-russischen Ressentiments, mit denen unsere so genannten „Leitmedien“ uns seit Wochen bombardieren, sich offenbar gut verfangen haben, nein, man buht, weil eine Moderatorin aus Russland ein paar Zahlen verkündet, als sei sie Putin persönlich; und man buht Punktevergaben an eine russische Sängerin aus, als sie sie Putin persönlich. Und das ganze wird auch noch witzig gefunden. Individuen scheint es in Russland keine mehr zu geben, es gibt nur noch „Putin“. Zu Zeiten des kalten Krieges wurde immer vor „dem Iwan“ gewarnt, wenn man die UdSSR irgendwie personifizieren wollte und „der Russe“ einem zu unpersönlich schien. Heute ist es „der Putin“ – Gottseidank muss man nicht mehr auf fiktive Figuren wie den „Iwan“ zurückgreifen – und der Konflikt wird selbst in den ESC hinein getragen.

Mit anderen Worten: Die Stimmung ist so aufgeheizt, dass allein schon deswegen eine Lösung des Ukraine-Konflikts auf Gesprächsbasis vom Volk nicht mehr positiv aufgenommen werden wird. Man sieht es ja schon an den permanenten Kehrtwendungen, die die „Leitmedien“ vollziehen: Erst heißt es, Putin soll endlich mit der OSZE verhandeln, und wenn er Verhandlungsbereitschaft signalisiert, heißt es wieder, Putin würde nur taktieren. Ich sehe es schon kommen, dass jede friedliche Lösung dieses Konflikts, sollte sie überhaupt noch kommen, als „Kniefall vor Putin“ bewertet werden wird.

Und das ist die Quintessenz dessen, was man als „janusköpfig“ bezeichnet: Die Zuschauer des ESC mögen mit ihrem Entschluss, Conchita Wurst gewinnen zu lassen, wirklich ein Zeichen für Toleranz in der Gesellschaft gesetzt haben. Mit ihren Buh-Rufen für eine russische Sängerin und eine russische Moderatorin haben sie aber auch ein Zeichen der Engstirnigkeit gesetzt. Die Vielfalt, die auf der einen Seite in Form von Conchita Wurst bejubelt wird, wird auf der anderen Seite völlig negiert nach dem Motto: „Ihr Russen seid doch alle gleich!“

Mit beiden Seiten werden wir jetzt umgehen müssen. Denn ich sehe noch etwas anderes kommen: Die Stimmen jener, die die gesellschaftliche Vielfalt, wie sie auch durch Conchita Wurst dargestellt wird, ablehnen, werden lauter und schriller werden. Spätestens am Montag wird die konservative Medienlandschaft das Jagdhorn blasen. Natürlich auch – so wie in den vergangenen Wochen – gegen Putin, aber vermutlich wird das ESC-Ergebnis mit dazu kommen.

Und wetten: Irgendjemand holt wieder die alte Geschichte mit den osteuropäischen Ländern, die sich gegenseitig die Punkte zuschieben, aus dem Keller!

 

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[1] Wegen der Quelle: Ich habe diesen Witz gestern bzw. heute früh in meiner Twitter-Timeline gehabt, ihn dann aber nicht mehr wiedergefunden. Es war ein Re-Tweet, der Witz war ursprünglich auf Englisch. Falls jemand die Quelle kennt, bitte in die Kommentare eintragen.

„Maleficent – Die dunkle Fee“: Ein paar Gedanken über Gut und Böse

(c) Walt Disney Pictures
(c) Walt Disney Pictures

Die letzten drei Tage haben wir über den Disney-Film „Maleficent – Die dunkle Fee“ berichtet, der am 29. Mai 2014 Premiere feiert (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Vorschau-Video). Ich möchte mich heute dem Thema des Films etwas nähern, denn es gibt hier einen Trend zu beobachten, den ich persönlich grundsätzlich gut finde. Ob er in „Maleficent“ auch gut umgesetzt ist, wird der Film dann beweisen müssen.

Schweifen wir dazu erstmal etwas ab von diesem Film und nehmen wir ein anderes Disney-Meisterwerk: „Aladdin“. Es ist die Nacherzählung der Geschichte „Aladin und die Wunderlampe“ aus der Sammlung „Geschichten aus 1001 Nacht“. In dem Film gibt es einen großen Widersache für den Helden: Dschafar (im Original „Jafar“ geschrieben), der sich der Wunderlampe bemächtigen will, um den Sultan anstelle des Sultans zu werden. Aber warum? Dschafar ist zu Beginn des Films bereits Großwesir, hat also schon eine gewisse hohe Stellung und – da er Magier ist – auch Macht. Warum will er Sultan werden? Und damals, als der Film erschien – 1992 -, wäre als Erklärung noch ausreichend gewesen: Na ja, er ist halt der Bösewicht, und solche Typen wollen immer mehr Macht haben, als sie derzeit besitzen. Ende der Erklärung.

„Ralph – Du Bösewicht! Aber das doch nicht heißt, Du auch… böser Wicht!“*

Es ist die simple Erklärung: Da gibt es das Böse, und es gibt Menschen, die dem Bösen verfallen. Meistens steckt hinter „dem Bösen“ auch eine Person, bei der christlichen Religion der Teufel, respektive Luzifer. In dieser einfachen Erklärung wird die Komplexizität des Menschen einfach geleugnet und teilweise mit Absicht die Augen vor der Möglichkeit verschlossen, dass in jedem Menschen das Potential zu einem „Bösewicht“ steckt. Es müssen nur die entsprechenden Umstände herrschen, und es kommt heraus. Mit der Psychoanalyse des 20. Jahrhunderts wurde dieser Bereich erstmals ernsthaft erforscht. Die Analytiker erkannten, dass es Zusammenhänge gibt etwa zwischen traumatischen – und auch nicht-traumatischen – Erfahrungen, die eine Person gemacht hat und der Persönlichkeit, die diese dann entwickelt. Kein Mensch ist „einfach böse“, er wird es durch bestimmte Sachen. Wobei das mit dem „böse sein“ an sich schon schwierig ist, denn: Wann genau hat man die Grenze überschritten und ist „böse“? Gerade im alltäglichen Leben ist das schwer zu erkennen, denn ich meine, wer hat schon eine dunkle Fee im Bekanntenkreis, die bei der Taufe des eigenen Nachwuchses erscheint und diesen verflucht?

Gleichzeitig wird dabei den Bösewichtern das „Mensch-sein“ abgesprochen. Okay, eine Fee kann im engeren Sinne sowieso nicht als „menschlich“ betrachtet werden, aber ich denke, es ist klar, worauf ich hinaus möchte. Nehmen wir als besseres Beispiel Scar aus „König der Löwen“, obwohl der per se auch kein Mensch ist. Aber er ist auch kein übernatürliches Wesen, im Gegensatz zu dem Magier Dschafar und der Fee Maleficent. Solchen Bösewichtern wird das „Normal-sein“ abgesprochen, sie sind eben böse, stehen unter dem Bann des Bösen, einer merkwürdigen, nicht greifbaren Macht. Und damit wurde festgelegt, dass man sie auch nicht zu verstehen braucht. Es gibt nichts zu verstehen, so hieß es, denn das ist eben „das Böse“.

Tatsächlich blieb das in den Disney-Filmen auch lange Zeit so, wie man am Beispiel Dschafar oder Scar sieht. Warum will Dschafar den Sultan absägen? Keine Ahnung. Warum trachtet Scar seinem Bruder nach dem Leben? Wird nicht erklärt. Warum ist Ursula, die Meerhexe aus „Arielle“, böse? Erfahren wir nicht. Und so weiter. Aus dieser Zeit fällt mir spontan nur ein Disney-Bösewicht ein, der einen Ansatz von Hintergrund zeigt (aber nicht mehr!): Prinz John Ohneland aus der animierten „Robin-Hood“-Version. Von ihm erfahren wir, dass er neidisch ist auf seinen Bruder Richard Löwenherz und deswegen unbedingt selbst König bleiben will.

In den 1990er Jahren änderte sich das langsam und die Bösewichte bekamen ihre eigene Hintergrundgeschichte. Die neueste Stufe dieser Entwicklung (zumindest was meine Beobachtungen betrifft) war der Roman „Wicked – Die Hexen von Oz„, aus dem 2003 ein Musical wurde. In diesem Buch wird die Geschichte des Films „Der Zauberer von Oz“ genauer beleuchtet, und zwar aus der Perspektive der „bösen“ Hexe des Westens. Hier wurde ein bekannter und in mehreren Werken als „böse“ dargesteller Charakter genommen und erklärt, was sie so hat werden lassen. Das Werk hält einige Überraschungen bereit, so zum Beispiel auch, dass der „Zauberer von Oz“ gar nicht so gut ist, wie man glaubt. Aber genau das ist das Thema: Menschen sind vielschichtig und komplex. Die „bösen“ genauso wie die „guten“.

Und wer sich anschaut, was „Wicked“ zeigt, der wird zweifellos auf die Parallelen zu „Maleficent“ kommen. Das ist auch das Wermutströpfchen, das ich jetzt schon bei der Disney-Produktion sehe: Das Déjà-Vue-Gefühl. Zwar handelt es sich dabei lediglich um das „Konzept“, von dem man sich hat inspirieren lassen, aber wenn man bedenkt, was Disney veranstaltet, was das Urheberrecht und dessen Auslegung betrifft, ist es ein wenig janusköpfig.

Nichtsdestotrotz hoffe ich persönlich, dass sich der Trend fortsetzt, der den Zuschauer auch etwas mehr fordert, nämlich dass Charaktere komplex dargestellt werden. „Maleficent“ ist da ein guter Schritt in die richtige Richtung, es wäre aber großartig, wenn das Konzept auch bei zukünftigen Entwürfen von Schurken und Helden beibehalten würde. Das heißt jetzt nicht, dass die ganzen Disney-Klassiker neu aus der Perspektive des Bösewichts verfilmt werden sollen, sondern dass bei den neuen Filmen da von Anfang an dran gedacht wird und es nicht wieder so sein wird, dass die einzige Motivation, die der Zuschauer erfährt, ein „ist halt so!“ bleibt.

Das ist natürlich auch ein Risiko. George Lucas hat für seine Prequel-Trilogie von STAR WARS viel Prügel einstecken müssen, unter anderem auch dafür, dass viele Dinge „irgendwie total anders“ sein. Nein, eigentlich nicht, sie haben Tiefe bekommen. Denn während bei den Originalfilmen die Fronten klar nach „schwarz“ und „weiß“ getrennt waren, ist das bei den Prequels gar nicht mehr so. Die Jedi machen Dinge, die nicht unbedingt so „gut“ sind und die Sith haben haben auch ein paar Punkte zu sagen, die einen zum Nachdenken bringen können. Aber um dieses Thema kümmere ich mich ein andermal. Und da Disney nun auch STAR WARS gehört, ist es auch in deren Verantwortung, es gutes draus zu machen.

Also hoffe ich auf mehr Schurken, die nicht einfach nur „böse“ sind, sondern hinter denen etwas steckt. Wie war das noch gleich?

„Ich bin böse und das ist gut. Ich werde niemals gut sein und das ist gar nicht schlimm. Es gibt keinen, der ich lieber sein möchte als ich.“*

 

* aus „Ralph reicht’s“

„Sogar meine Mama findet Dich toll“ – Der Kampf eines Singles an mehreren Fronten

– Es ist symbolisch für unser Ringen gegen die Unterdrückung!
– Symbolisch für sein Ringen gegen die Realität.

Zwei Revoluzzer der „Volksfront von Judäa“ in „Das Leben des Brian“. Sie könnten auch von der „Bertelsmann-Stiftung“ reden…

Die wirren Gedanken, die diesen Artikel formen, schwirren mir schon länger im Kopf herum, weil ich es nämlich so langsam satt habe. Der berühmte „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, war eine Studie der von der Muffe gepufften Bertelsmann-Stiftung über eine angeblich „zukunftsfähige“ Rente. Die „geniale“ Idee dieser Menschen, die sonst offenbar keine Probleme haben, ist die, dass die Höhe der Rente von der Kinderzahl abhängt. Wer drei und mehr Kinder hat, kriegt die reguläre Rente, darunter gibt’s Abschläge. Wer keine Kinder hat, soll bitte schön leise verhungern.

Der widerliche Gedankengang hinter diesen offenkundig kleingeistigen Plänen ist der, dass es nur eine Sorte von „Kinderlosen“ gibt: Asoziale Volksschädlinge, die sich gegen Kinder entscheiden, weil sie zu faul oder zu geizig oder beides sind, um Kinder groß zu ziehen. Das brachte meine Hutschnur zum Reißen und gab den Inititalfunken, um diesen Artikel endlich zu schreiben.

Im Gegensatz zur schwarz-weißen „böse Kinderlose“-und-„gute Kinderreiche“-Welt der Bertelsmann-Stiftung gibt es nämlich einen bunten Strauß an Variationen auf beiden Seiten. Es gibt sicherlich gute Gründe, bewusst eine Familie mit Kindern zu gründen. Darum geht es in diesem Artikel nicht, deswegen lassen wir die außen vor. Es gibt sicher auch gute Gründe, sich als Paar bewusst dagegen zu entscheiden, Kinder zu bekommen in der heutigen Gesellschaft. Auch darum geht es in diesem Artikel nicht, die lassen wir deshalb auch außen vor. Es gibt Paare, die gern Kinder bekommen würden, doch es funktioniert nicht. Es gibt Paare, die gern Kinder adoptieren würden, doch sie dürfen aus verschiedensten Gründen nicht. Um alle diese Varianten geht es auch nicht, also lassen wir sie auch außen vor. Für sich genommen würde jeder dieser Komplexe einen eigenen Artikel oder gar eine Artikelreihe ergeben. Doch das will ich – im Gegensatz zu gewissen Stiftungen – denen überlassen, die da mehr Ahnung haben.

Mir geht es um eine ganz bestimmte Gruppe der „Kinderlosen“: der ungewollte Single.

Ich habe schon unglaublichen Schwachsinn von Politikern und irgendwelchen Lobbyisten gehört. Dass ich ein Luxusleben führe und mich nicht zu beklagen habe. Dass ich (höchstpersönlich) die Rentenversicherung kaputtmache. Dass ich mir meinen Ruhestand auf Kosten von anderen vergolden lasse (ja klar, und meine Lieblingsbeschäftigung ist auch, am Freitag den Oberstufenschülern am Gymnasium aufzulauern und sie zu beschimpfen: „Haha, Du Schwachmat wirst irgendwann mal meine Rente zahlen müssen, obwohl ich keine Kinder habe!“). Und jetzt die Bertelsmann-Stiftung, die unverhohlen diskriminierend daherkommt.

Und jedes Mal, wenn ich sowas höre, ärgere ich mich. Denn ich bin nicht freiwillig in der Situation, es hat sich so ergeben. Jedes Mal möchte ich dem Dummschwätzer, der solche Parolen von sich gibt, ins Gesicht brüllen:

– Komm, leck Dich doch selbst am A****…

Monty Python: „Die Ritter der Kokosnuss“

Die sich vermutlich sehr toll vorkommenden Befürworter einer solche „Gebärprämie“ sind dem Wahnwitz verfallen, dass jeder, der ernsthaft einen Partner haben möchte, auch einen kriegt. Das gleicht dem Wahnwitz, dass jeder, der Arbeit will, auch welche bekommt. In beiden Fällen wird völlig ausgeblendet, dass es auch äußere Umstände gibt, die das ganze beeinflussen. Dass es nun mal Menschen gibt, die nicht zueinander passen. Und dass die Partnersuche aus verschiedenen Gründen immer schwieriger wird.

In meinem speziellen Fall, das muss ich leider so einsehen, spielt das Alter eine große Rolle. Ich bin Anfang 40 und gehöre einer kleinen Gruppe unserer Bevölkerung an: die „echten Singles über 40“, das heißt, ich war noch nie verheiratet und habe auch keine Kinder. Ich hatte ein paar Beziehungen, aber die sind bisher immer in die Brüche gegangen. Um die folgenden Punkte darzulegen, werde ich das ganze jetzt komplett aus meiner Warte schreiben, das heißt, da ich heterosexuell bin, werde ich nur noch von Frauen statt neutral von „PartnerInnen“ schreiben.

Was hat es nun mit dieser „echten-Single“-Sache auf sich? Natürlich kann einen eine Trennung von einem Partner, mit dem man nicht verheiratet war, auch auf eine besondere Weise prägen, aber eine Scheidung ist nochmal ein ganz anderes Kaliber. Nicht nur, dass man sich von dem Mensch trennt, mit dem man eigentlich Rest seines Lebens verbringen wollte, es kommt auch noch zu juristischen Auseinandersetzungen. Möglicherweise müssen gemeinsam angeschaffte Sachen irgendwie getrennt werden, Anwälte wollen bezahlt sein und so weiter. Geschiedene sind deswegen gern etwas vorsichtiger, sich nochmal festzulegen auf einen Partner. Und mehrfache Hochzeiten und Scheidungen erlebt man in der Regel auch nur bei den Menschen, die sich das überhaupt leisten können.

Das heißt, schon von den nüchternen Zahlen her betrachtet ist die Menge an Menschen, die nicht aufgrund von Scheidungserfahrungen irgendwelche Vorbehalte gegen eine neue Beziehung haben, geringer als vor zehn oder zwanzig Jahren. Die Zahl verringert sich sogar noch weiter, denn in dem Alter, in dem ich bin, gibt es noch dazu etliche Frauen, die zwar nie verheiratet waren, sich aber sagen: „Jetzt habe ich X Beziehungen gehabt, es funktioniert einfach nicht, ich lasse es bleiben.“

Also, was tun? Um die Anzahl zu erhöhen, aus dem eng gesteckten Altersrahmen ausbrechen? Nein, keine so tolle Idee. Das hat zwar schon immer gegolten, aber in der modernen Zeit gilt es mehr den je: Wenn der Altersunterschied zu groß ist, verursacht das Probleme. Schon neun oder zehn Jahre können eine komplett andere Generation sein. Man ist völlig anders aufgewachsen und oft fällt es gerade dem jüngeren Partner schwer, für den älteren Verständnis aufzubringen. Da spielt nämlich noch etwas mit: der ältere Partner (vor allem wenn der Altersunterschied recht groß ist) bringt mehr Lebenserfahrung mit, was der jüngere oft nicht nachvollziehen kann. Die Entscheidungen des älteren sind oft geprägt von vielfältig gemachten Erfahrungen, während der jüngere „einfach mal ausprobieren“ möchte. Nun ist „einfach mal ausprobieren“ per se nichts schlechtes, aber auch hier schlägt die fortgeschrittene Erfahrung zu: Manche Sachen möchte man nicht „einfach mal ausprobieren“, vielleicht weil man sich erinnert, was für ein Kampf das Ausprobieren das letzte Mal war und man froh ist, dass es vorbei ist. Jüngere Partner neigen dazu, so genannte „Herausforderungen“ übertrieben positiv zu sehen und dass sie was bringen können, selbst wenn es schiefgeht. Der erfahrene Partner sieht, dass das einzig Positive der Umstand ist, dass er jetzt weiß, dass er sowas nie wieder machen möchte. Er hat seine Erfahrung schon.

Doch gemach – wie kann man überhaupt Frauen kennenlernen? So genannte „Flirtexperten“ raten einem dazu, immer und überall Ausschau zu halten und Frauen anzusprechen, selbst im Supermarkt oder bei einer sonstigen zufälligen Begegnung. Tolle Idee. Viele Menschen stehen beim Einkaufen unter einem gewissen Stress, die finden es bestimmt toll, von irgendeinem Typem angequatscht zu werden, wenn sie gerade darauf konzentriert sind, ihren Einkaufswagen mit Dingen anzufüllen, die auf ihrer Einkaufsliste stehen und am Schluss nichts vergessen ist.

Also Internet? Die Mitgliedschaft in Singleportalen, die angeblich gut sind, ist teuer. Richtig, richtig teuer. Und was kriegt man für sein Geld? Keine Ahnung. Zwar gibt es immer wieder Berichte von unabhängigen Testern, aber ganz ehrlich: In meinem ganzen Bekanntenkreis gibt es nicht eine einzige Person (egal welchen Geschlechts), die ihren Partner über eine kostenpflichtige Singlebörse kennengelernt hat.

Aber Rettung naht, es gibt ja auch noch die (nahezu) kostenlosen Singlebörsen. Und was bringen die? Na ja, zum Beispiel sowas:

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Und das ist die erste Nachricht überhaupt, die ich von „Samanta“ bekommen habe. Also, aus meinem Profil und einer kurzen Nachricht von mir weiß „Samanta“ schon, dass sie ihren Traummann in mir gefunden hat und sogar ihre Mama findet mich toll? Was ich da ausgeschwärzt habe, ist übrigens die Webseite eines kostenpflichtigen Singleportals. Und das ist die Masche, auf die man hier häufig trifft, der Versuch, die Singles zu einem Zahlportal zu ziehen. Tatsächlich war das Profil von „Samanta“ schon gelöscht, als ich die Nachricht überhaupt erstmal gelesen habe (ich sitze nicht pausenlos vor dem Computer, weil ich denke, dass ja Nachts um 4:12 Uhr die Nachricht von meiner Traumfrau kommen könnte). Und ich frage mich: Gibt es tatsächlich Männer, die auf einen so plumpen Trick reinfallen?

Nun mag der eine oder die andere sagen, hey, mit solchen Leuten muss man da rechnen, aber man darf nicht aufgeben! Okay, versuch ich es nochmal: Hallo, Andrea!

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Na, aber das tu ich doch gern, wenn man schon so freundlich angeschrieben wird. Ich schreibe ihr also noch eine Nachricht mit ein paar Dingen über mich und frage sie etwas zu den Hobbies in ihrem Profil. Ihre Antwort:

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Der geneigte Leser möge nun bei folgendem Ratespiel mitmachen: Was ist es wohl, das ich da zwischen den Smileys quasi zensiert habe?

  1. Ein Kompliment über meine sexuelle Leistungsfähigkeit.
  2. Ihre Mama findet mich toll.
  3. Ort und Zeit, wann und wo wir uns treffen sollen.
  4. Die URL eines kostenpflichtigen Singleportals und ihren angeblichen Benutzernamen dort

Wenn der geneigte Leser 1, 2 oder 3 als Antwort favorisiert, hat er wohl immer noch nicht verstanden, worum es in diesem Artikel geht. 4 ist natürlich richtig. Ich habe keine genaue Statistik geführt, aber ich schätze, dass 98 % aller Antworten, die ich bekommen habe, so oder so ähnlich aussehen.

Bei einem anderen Singleportal, wo nur die erste Nachricht kostenlos verschickt werden konnte (und schon die Antwortmöglichkeit musste mit Geld freigeschaltet werden), bekam ich immer wieder Nachrichten von Frauen, bei denen ich feststellte, dass unterschiedliche Frauen total identische Nachrichten schrieben, sogar mit den gleichen Rechtschreibfehlern. Da draußen betreibt also jemand einen gewissen Aufwand, um Singles das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Das alles frustriert. Auf „herkömmlichen“ Weg funktioniert es nicht, im Internet funktioniert es nicht, und alles das kommt mir in den Sinn, wann immer ein Politiker seine Visage in eine Kamera hält und über die Singles als ganzes herzieht oder so grandiose Vorschläge macht wie die Bertelsmann-Stiftung. Es herrscht der Irrglaube, dass man einfach mehr Druck machen muss auf die Singles. Für manche sind wir aber auch einfach der Buhmann und dienen dazu, dass Familienmenschen sich überlegen fühlen können. Dass „die Singles“ keine heterogene Gruppe sind – geschenkt. Darüber denkt man nicht von 12 Uhr bis zum Mittagsläuten. Komischerweise verteufeln etliche Politiker das Internet, weil man seine Meinung da äußern kann, indem man sich hinter einem Pseudonym versteckt. Dabei verstecken sich doch gerade Politiker gern hinter solchen „Studien“, he, da ist ein Missstand, seht her, ich trete dafür ein, dass man diesen Missstand beseitigt. Ja, das tu ich wohl! Ich bin der Robin Hood der Familienpolitik und verteidige die Familien gegen den Single-Sheriff von Nottingham. Der war mir schon immer suspekt.

Kalt ist’s im Skriptorium, der Daumen schmerzt mich. Ich gehe und hinterlasse dieses Schreiben, ich weiß nicht, für wen, ich weiß auch nicht mehr, worüber.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“

Und was soll jetzt dieser Artikel? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Wie ich oben schrieb, geisterte die Idee schon lang in meinem Kopf herum, weil ich bei vielen Gelegenheiten diese Einseitigkeiten gesehen habe, jedes Mal, wenn „die Familie an sich“ über den grünen Klee gelobt wird, jedes Mal wenn Politiker oder so genannte „Politikwissenschaftler“ über Singles herziehen und so gar nicht verstehen wollen, wie komplex das Thema ist. Aber auf der anderen Seite: So ist es doch immer. Ich trage also wieder mal nichts Neues zum Thema bei. Aber wenigstens sind die Gedanken jetzt draußen. Vielleicht kann ich irgendwann nochmal auf das Thema zurückkommen, weil mir die Dinge etwas klarer geworden sind. Vielleicht auch nicht, vielleicht muss das Thema so chaotisch präsentiert werden, eben weil es so chaotisch ist, weil es eben nicht die eine Antwort gibt.

Da fällt mir etwas ein, dass mir im Zusammenhang mit dem Thema „unfreiwilliger Single“ passiert ist. Es handelt sich um eine Erfahrung, die mich etwas ratlos zurückließ, die aber auch in diesen chaotischen Komplex von Dingen gehört. Vor einigen Jahren war ich auf der Geburtstagsfeier eines Freundes. Dieser Freund nutzte die Feier, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen (auf eine nachgerade unverschämt romantische und phantasievolle Weise mit einem im Überraschungs-Ei versteckten Ring; manche Männer legen die Latte für alle anderen verdammt hoch). Ich – zu dem Zeitpunkt mal wieder Single – saß mit ein paar Damen am Tisch, die hin und weg waren von dem Antrag. Eine der Damen meinte, mich aufmuntern zu müssen und meinte: „Komm, wir backen Dir symbolisch eine Frau, dann findest Du auch eine! Welche ‚Zutaten‘ soll denn Deine Partnerin haben? Wie soll sie sein, was für Eigenschaften soll sie haben?“ Ich grübelte kurz und meinte dann: „Na ja, ich mag es, wenn die Frau komplett ist – also mit Hirn!“ Weit aufgerissene Augen starren mich entsetzt an, und dann sagt sie (eine Frau!) zu mir: „Also, damit schränkst Du Deine Auswahlmöglichkeiten aber ganz schön ein…“

Äh… wie bitte?

Ja, der Lanz, der kann’s… nicht!

Muss ich diesen Artikel schreiben? Eigentlich nicht. Eigentlich hat Stefan Niggemeier unter dem mit einer schönen Anspielung versehenen Titel „So mögen sie Gulaschsuppe essen: Eine Kritik der Kritik an der Lanz-Petition“ schon so viel gesagt. Fast alles, was ich zu dem Thema auch sagen möchte. Und eigentlich könnte ich hier auf Stefans Artikel verweisen und nach einem Absatz meinen Beitrag beenden, in die Welt hinausgehen, einen Baum pflanzen… oder sonst irgendwas tun, anstatt mich mit Markus Lanz zu befassen. Aber nein, das geht nicht.

Warum nicht? Das beschreibt „So mögen sie Gulaschsuppe essen“ sehr schön: Man wird offenbar weder wahr- noch ernstgenommen in der verrückten Welt des unglaublichen Qualitätsjournalismus, wenn man einfach nur sagt: „Dieser Meinung bin ich auch!“ Stefan zeigt in seinem Artikel sehr schön auf, wie etliche Vertreter der „klassischen Presse“ die Meinungsäußerung vieler Menschen diskreditieren, einfach weil sie aus nicht mehr als „Dieser Meinung bin ich auch!“ besteht. Für diejenigen, die es vielleicht noch nicht mitbekommen haben sollten: Markus Lanz hat in einer seiner Sendungen eine Gesprächssimulation zwischen ihm, dem „Stern“-Redakteur Hans-Ullrich Jörges und der Abgeordneten der „LINKEN“, Sahra Wagenknecht. „Gesprächssimulation“ deswegen, weil ein „Gespräch“ im klassischen Sinne ja daraus besteht, dass Person A eine Frage stellt und Person B diese Frage beantwortet (grob gesagt, jedenfalls). Wer sich aber Stefan Niggemeiers Niederschrift vom Lanz-Görges-Wagenknecht-Gespräch durchliest oder aber die entsprechenden Clips auf YouTube anschaut, der stellt fest, dass Lanz seine Gesprächspartnerin ständig unterbrach und komplizierte politische Sachverhalte auf so dummdreiste Fragen wie „Europa – ja oder nein?“ oder „Euro – rein oder raus?“ reduzierte.

Dem Gespräch folgte eine Welle der Empörung, denn offenbar ist das, was man da gesehen hat, nicht das, was sich viele Menschen unter einer politischen Diskussion vorstellen. Es ging soweit, dass eine Petition gestartet wurde, dass man Lanz die Sendung entziehen sollte. Die Unterzeichner dieser Petition sehen es nicht ein, warum Lanz‘ Gehalt von ihrem GEZ-Beitrag finanziert werden sollte, wenn dieser so schlechte Arbeit abliefert. Mit anderen Worten: Sie machten das, was jeder Arbeitgeber auch macht, wenn er in seinem Betrieb jemanden hat, der seinen Job nicht ordentlich erledigt.

In seinem neuen Artikel „So mögen sie Gulaschsuppe essen“ dokumentiert Stefan Niggemeier nun die Reaktion der „klassischen Medien“ auf diese Petition, und da sind wir wieder am Anfang meines Beitrags: Es wird nicht darauf eingegangen, ob diese vielen Menschen (zum Zeitpunkt, da ich dies hier schreibe, sind es knapp 220.000 Unterzeichner) möglicherweise einen Grund haben, die Petition zu unterzeichnen. Es wird nur darauf eingegangen, wie „einfach“ es doch sei, „anonym“ und „mit einem Klick“ seine persönliche Hysterie auszuleben. Mit anderen Worten: Weil also nicht jeder dieser 220.000 Menschen einen persönlichen Brief oder einen Artikel wie diesen hier schreibt, kann man die nicht ernst nehmen. Es fällt in den verschiedenen Publikationen immer wieder die Bezeichnung „Mob“, „Schwarm“ oder „Rudel“.

Geht’s noch?

Ich habe die Petition nicht unterzeichnet, aber da gebe ich ganz frei zu, dass das aus reiner Hoffnungslosigkeit geschah, die sich ja nun leider in Form von ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler bestätigt hat. Ich glaubte von Anfang an nicht, dass diese Petition irgendwas bringen wird. Himmler tut – erwartungsgemäß – so, als sei die Sendung, die der konkrete Anlass für die Petition gewesen ist, ein „einmaliger Ausrutscher“ von Lanz. Nein, ist sie nicht. Das geht schon länger so. Und weil bisher niemand was getan hat, bin ich davon ausgegangen, dass auch jetzt niemand was tut. Und wie man sieht, behielt ich Recht.

Dass jetzt viele Medien die Petition verteufeln, hat mich jetzt dazu bewogen, doch noch ein paar Zeilen zu schreiben. Denn ich möchte diesen Medien zurufen: VERDAMMT, ANALYSIERT DIE SITUATION, anstatt Euren billigen Ressentiments zu frönen! Nicht jeder hat die Nerven, die Zeit und die Möglichkeit, einen Artikel wie diesen hier zu schreiben, vor allem, da all das, was ich hier geschrieben habe, sich ja auch nur mit dem Worten „Stefan Niggemeier hat Recht!“ zusammenfassen ließe. Im Grunde genommen ist es nichts anderes als das, was die Unterzeichner der Petition auch gemacht haben. Mit diesem Artikel bringe ich nichts Neues mehr in die Diskussion. Alle Argumente wurden bereits dargelegt. Der Videobeweis auf YouTube existiert. Ich kann nichts anderes mehr schreiben als das, was schon vielfach geschrieben wurde. Ist meine Meinung jetzt aber mehr Wert, weil ich bin zum Anfang dieses Satzes hier bereits 687 Wörter verwendet habe, um sie auszudrücken, anstatt eine Petition mit einem Klick zu unterzeichnen?

Und eines ist mir besonders sauer aufgestoßen: Die ständige Unterscheidung nach „Zuschauer“ und „Internet“. Die „Zuschauer“ würden Lanz lieben, das „Internet“ aber nicht. So ein Quatsch! Jeder „Internetler“ ist auch „Zuschauer“, auch wenn das umgekehrt nicht immer der Fall sein mag.

Und jetzt sitze ich hier und frage mich, wie man das ganze auf den Punkt bringen kann. Es geht nicht. Wir haben es hier mit einem astreinen Scheingefecht zu tun. Die Aufmerksamkeit wird auf das „böse Internet“ gelenkt und keiner fragt sich, ob es vielleicht doch etwas an Lanz zu kritisieren gibt. Im Gegenteil, der Tenor ist ja, dass Lanz selbstverständlich einen guten Job macht und halt einmal einen schlechten Tag gehabt hat.

Äh… ne, finde ich jetzt nicht so. Deswegen habe ich als Überschrift für diesen Artikel auch den – leicht abgewandelten – Peter-Alexander-Klassiker gewählt:

„Ja, der Lanz der kann’s… nicht!“

Wir haben nichts zu verbergen!

Wir haben nichts zu verbergen!

Wer auch nichts zu verbergen hat, darf uns gerne besuchen kommen. Wir haben die Toilettentür bereits ausgehängt und im Flur liegen Kleiderhaken bereit. Das Nacktsein ist leider erforderlich, solange bis wir uns durch einen Nacktscanner an der Tür absichern können.
Es macht dir sicher nichts aus, wenn wir deinen Aufenthalt auch zeitlich dokumentieren (visuell, auditiv) und die Daten auch (teilweise gegen Geld) Dritten zur Verfügung stellen. Immerhin sollte es dir egal sein, wenn du nichts zu verbergen hast.
Aufgrund der Nacktheit und der damit erhöhten Ansteckungsgefahr, ist von jedem außerdem ein gesundheitlicher Fragebogen auszufüllen (sexuelle Vorlieben, Geschlechtspartner der letzten sechs Monate, Auslandsaufenthalte, bekannte Krankheiten, Impfungen, etc.) – ggf. ist eine Abtastung der Körperöffnungen erforderlich.
Zur Gefahrenabwehr sind die Hände immer sichtbar zu platzieren. Taschen dürfen nicht mit in die Wohnung genommen werden. Liegengebliebene Kleidungsstücke werden aus Sicherheitsgründen gesprengt. Vor dem Besuch bei uns ist der Grund anzugeben. Handys dürfen nur nach vorheriger Kontrolle verwendet werden und wenn, dann darf nur noch mit Lautsprechfunktion telefoniert werden. In unserer Wohnung und während des gesamten Aufenthalts ist jederzeit in ausreichender Lautstärke zu sprechen, damit der Nachbar nicht versehentlich denkt, wir hätten etwas zu verbergen.

Wenn du also nichts zu verbergen hast und meinst, dass Überwachung gar nicht so schlimm ist, dann beschwere dich nicht über Frauenärzte, die heimlich Fotos von „ihren“ Patientinnen machen. Frag dich lieber, was die Frauen zu verbergen haben? Wenn du nichts zu verbergen hast, dann kannst du dich mit deinem Proktologen ja das nächste mal auf dem Marktplatz zur Prostatauntersuchung treffen… oder im Cafe mit deinem Psychologen.

Wenn du nichts zu verbergen hast, mach doch was du willst… aber halte mich nicht für so beschränkt, dass ich dir den Blödsinn glaube.

– Kopiert von Oliver Heidrich, der auch nichts zu verbergen hat. Er hat immerhin ein Facebook-Profil.

Skepkon-Vortrag „Düstere Legenden“ (Hoaxilla-Podcast) [Video]

Es wird immer wichtiger, skeptisch zu bleiben, denn die Manipulation ist allgegenwärtig, in den Medien, aber auch in der Politik. Nun gibt es die so genannten „düsteren Legenden“, genauer gesagt, die „Vorstadtlegenden“, moderne Mythen über unheimliche Wälder, unheimliche Tiere und unheimliche Menschen wie die „Spinne in der Yucca-Palme“. Nun mag man sagen, sowas ist doch harmlos. Nein, nicht immer. Zum Beispiel kursierte vor Jahren eine Geschichte (und vielleicht kursiert sie noch immer), dass ein Motorradfahrer nach einem Unfall scheinbar unverletzt aufstand, sich über sein Glück freute und den Helm abnahm – worauf sein Schädel auseinander fiel und er starb. Sein Schädel sei unter dem Helm gebrochen und nur noch von dem Helm zusammengehalten worden. Diese Geschichte wurde jahrelang als Warnung kolportiert, einem Motorradfahrer nach einem Unfall niemals den Helm abzunehmen, sondern dieser müsse im Krankenhaus aufwändig „heruntergesägt“ werden. Nun arbeite ich selbst im Rettungsdienst und kann sagen: So ein Ereignis hat es nie gegeben und auch weiterhin wird bei den Erste-Hilfe-Kursen gelehrt, wie man einem Motorradfahrer nach einem Unfall den Helm abnimmt. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, bei solchen Erzählungen skeptisch zu bleiben.
Der Podcast „Hoaxilla“ berichtet regelmäßig über solche Mythen und bei der Skepkon haben die beiden Macher einen Live-Vortrag gehalten. Hier ist er:

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Direkter Link zum Video: http://youtu.be/juOW9pTQc_8

Nostalgia Chick: Top 11 Villainesses [Video]

Die „Top 11“ der Bösewicht…innen… was auch immer…

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Direkter Link zum Video: http://blip.tv/nostalgia-chick/nostalgia-chick-top-11-villainesses-1486702

Friedemann Weise — Abmahnanwalt [Video mit Musik]

Es gibt ja ein Zitat von William Shakespeare, das besagt, dass als erstes alle Anwälte getötet werden sollen*. Wem das zu brutal ist, der kann ja erstmal nur ein Lied über Anwälte machen. Und wem das zu allgemein ist, der kann das Lied auch genau fassen – hier ist „Abmahnanwalt“ von Friedemann Weise:

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Direkter Link zum Video: http://youtu.be/w0tJ9tD28Do

* Aus dem Drama „König Heinrich VI.“, 4. Akt, 2. Szene

Nostalgia Critic: Is Parody Dead? [Video]

Doug Walker geht in seinem neuesten Video der Frage nach, ob das Genre der Parodie tot ist. Er macht ein paar Beobachtungen, die ich auch gemacht habe, gerade was die Parodien neueren Datums betrifft. Und ich dachte immer, ich wäre dem „Früher-war-alles-besser“-Blues verfallen.

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Direkter Link zum Video: http://blip.tv/nostalgiacritic/nc-is-parody-dead-6583177

Monty Arnold’s Flying Circus: Eulenstreckzeit

Vor einiger Zeit schrieb ich einen sehr kurzen Artikel zu einem Artikel von Stefan Niggemeier, in dem dieser den Texter und Sprecher der Clips bei „Upps! – Die Superpannenshow“ vorstellte: Monty Arnold (bevor die Frage aufkommt, der Mann heißt wirklich Montgomery mit Vornamen, „Monty“ ist eine völlig legale Abkürzung davon). Der Artikel damals war deswegen kurz, weil Stefan Niggemeier eigentlich schon alles geschrieben hatte und ich eigentlich nur hätte wiederholen können.

Nun startet heute Nacht bei RTL eine neue Staffel von „Upps!“. Diesen Tag hat Stefan Niggemeier zum Anlass genommen, sich nochmal genauer mit Monty Arnold und den Ursprüngen seines Humors und seiner Art, die Clips mit Kommentaren zu versehen, auseinanderzusetzen. Eigentlich könnte ich nun hier an dieser Stelle auf Niggemeiers Artikel „Perlen für die Pannenshows: Monty Arnold und das Wunder von ‚Upps!‚“ verweisen und gut ist.

Okay, das mit dem Verweisen habe ich damit getan – aber „gut ist“?

Nein, nicht ganz. Denn während ich den Artikel las, sind die ersten Kommentare dazu veröffentlicht worden, die mich doch arg verwundert haben. Man muss Monty Arnold, seine Art des Humors, ja, man muss auch Hanns Dieter Hüsch, der Arnold als eine Quelle der Inspiration diente, nicht mögen. Das ist jedem selbst überlassen. Aber was ich allein in den ersten Kommentaren lese, überrascht mich und ein erster Reflex in meinem Hirnstamm hustete: „Typisch Deutsch!“ Denn da ist die Rede davon, dass nicht nur Arnold schlecht ist, auch Hüsch sei schlecht gewesen: Er habe dafür gesorgt, dass die Stummfilm-Meisterwerke in Deutschland einen schlechten Ruf haben; was er mit ihnen gemacht hat, sei wie wenn (Zitat) „Klein-Schmierfink Picasso übermalt“ hätte.

Entschuldigung, geht’s noch ’ne Nummer größer?

Sicher, Buster Keaton, Ben Turpin, Oliver Hardy, Stan Laurel und wie sie alle heißen waren Pioniere in ihrem Feld. Aber es ging eigentlich darum, das Publikum zu unterhalten, es zum Lachen zu bringen. Und das ist ihnen gelungen. Eine Überhöhung, wie der Vergleich mit Picasso, ist eigentlich nicht nötig, denn die Meisten dieser Filme waren nicht mehr und nicht weniger als Slapstick-Komödien (im Gegensatz zu Picassos Gemälden, die ja auch noch eine Botschaft transportieren sollen). Hüsch und seine Mitarbeiter haben sich in den 1970er Jahren überlegt, wie sie die Stummfilme in die Gegenwart des Fernsehens bekommen können, ohne dass sie für ein Publikum, das nicht mehr gewohnt ist, Texttafeln zwischen den Szenen zu lesen, langweilig werden. Die Begleitkommentare, die ihrerseits den aufgesetzen Ton von Fernsehdokumentationen parodieren sollen, waren ihre  Lösung. Das muss man – wie ich oben schon schrieb – nicht gut finden. Aber Hüsch und alle anderen, die an der deutschen Überarbeitung damals mitgewirkt haben, sind deswegen doch keine Ikonoklasten.

Ich habe als Kind „Väter der Klamotte“ gern gesehen und mir gefällt Monty Arnolds Stil. Und damit wende ich mich wieder anderen Dingen zu und wünsche ein schönes Wochenende!