Der allmächtige "Canon"

Unter dem englischen Begriff „canon“ versteht man im Deutschen das – nur wenig veränderte – „Kanon“. Eigentlich ist damit ein Plan gemeint (zum Beispiel ein Lehrplan), in der Typografie ist es ein veraltetes Maß für Schriftgrößen. In modernen Zeiten von Serien bezeichnet man aber noch etwas mit diesem Begriff, und zwar den Hintergrund einer Serie. Der Kanon soll dafür sorgen, dass zwischen einzelnen Episoden einer Serie keine Ungereimtheiten entstehen, dass zum Beispiel eine Hauptfigur in einer Folge erzählt, sie sei ein Einzelkind – und zwei Folgen später erhält sie plötzlich Besuch von ihrem Bruder.

Je komplexer ein Serienbau wird, desto schwieriger wird die Sache mit dem Kanon. Bei STAR TREK beispielsweise ging man deswegen schon einen radikalen Weg. Ich erinnere mich noch an meinen Besuch auf der „Federation Con 2“ 1994. Dort war Richard Arnold zu Gast, Experte in Sachen „Star Trek“. In einer Fragestunde wollte ein Fan etwas über das Verhältnis zwischen William Riker und Deanna Troi wissen (zur Erinnerung: Zu dem Zeitpunkt lief STAR TREK TNG noch, DS9 hatte gerade begonnen). Arnold hakte nach, was genau sie denn wissen wolle, und sie begann, von dem Buch „Imzadi“ zu erzählen, das die Affaire zwischen Riker und Troi etwas genauer beleuchtete als dies in der Fernsehserie der Fall gewesen war. An diesem Punkt unterbrach Richard Arnold den weiblichen Fan: „Vergesst die Bücher!“, sagte er. „Die Bücher haben nichts mit der Show zu tun, außer dass sie auf ihr basieren.“ Er führte weiterhin aus, es gäbe über 200 Bücher zu STAR TREK, man könne es nicht schaffen, dass die alle reibungslos miteinander funktionieren – oder mit der Show selbst. Er zitierte dann Gene Roddenberry, der offenbar einmal gesagt hatte: „Was in der Show passiert, ist Fakt – was in den Büchern passiert, ist Fiktion.“
Bei STAR TREK hatte man es also aufgegeben, den Kanon auf die Bücher zu erweitern. Man hielt sich damit alle Optionen offen, denn wie „Imzadi“, so nahmen sich einige Bücher einiger Dinge an, die in der Serie nur kurz erwähnt wurden. Allerdings konnte es auch sein, dass Drehbuchautoren späterer Folgen oder Filme sich des Themas annehmen wollten – und die wollten natürlich nicht an ein Romanskript gebunden sein. Bestes Beispiel hier ist der Roman „Sie kamen von fremden Sternen“, der vom ersten Kontakt mit den Vulkaniern berichtet. Das Thema wurde in „STAR TREK – Der erste Kontakt“ neu aufgenommen.
Sich an den TV-Serien-Kanon zu halten, war den Leuten schon schwer genug, wenngleich es bei STAR TREK einen ganzen Stab gab, der sich um die Details kümmerte (wie etwa Michael Okuda um die Technik). Also versuchte man es bei den Romanen erst gar nicht.

Das genaue Gegenteil war – zumindest eine Zeitlang – STAR WARS. George Lucas verlangte, dass alles, was offiziell unter dem Namen „Star Wars“ vertrieben wurde, auch in den Kanon passte. Das ging so weit, dass der „European Star Wars Fanclub“ zu dem Zeitpunkt, als er zum „Official Star Wars Fanclub“ wurde, in seinem Magazin keine Fangeschichten mehr abdruckte. Warum? Weil der Club „official“ geworden war, das heißt, alles, was in seinem Magazin abgedruckt wurde, musste dem Kanon entsprechen. Das hätte aber bedeutet, dass jede Fangeschichte, die man hätte abdrucken wollen, erst ins Englisch übersetzt und nach USA hätte geschickt werden müssen, wo sie überprüft worden wäre, ob sie in den „Kanon“ passt. Erst wenn aus den USA das „Okay“ gekommen wäre, hätte sie abgedruckt werden dürfen. Für Fangeschichten wäre das ein ziemlicher Aufwand gewesen.
Aber auch hier kam ein Bruch. Wer die ursprüngliche Romanfassung des Films „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ liest, wird feststellen, dass Obi-Wans Geist Luke erzählt, Owen Lars (der Feuchtfarmer, bei dem Luke aufgewachsen ist) sei sein eigener Bruder gewesen. Außerdem erzählt er, Anakin Skywalker sei in eine Schmelzgrube gestürzt und deswegen so grausam entstellt. Und in der offiziellen Fortsetzung „Erben des Imperiums“ von Timothy Zahn behauptet Mara Jade gegenüber Luke, dass Darth Vader seinen Arm verloren habe, sei die Strafe des Imperators für den Verlust des ersten Todessterns gewesen. Im gleichen Buch wird auch erzählt, die Klone, die in den Klonkriegen als Soldaten verwendet wurden, seien geistig instabil gewesen und deswegen später nicht mehr verwendet worden.
Dann kamen die Prequel-Filme. Owen Lars entpuppte sich tatsächlich als Anakins Halbbruder und machte es plausibel, warum Luke ihn „Onkel Owen“ nannte. Anankin verlor beide Arme, bevor er in die schwarze Rüstung gesteckt wurde. Er stürzte nicht in eine Schmelzgrube, sondern zog sich „nur“ schwere Verbrennungen zu. Was die Klone betrifft, so wurde sogar angedeutet, dass diese selbst 20 Jahre später noch vom Imperium benutzt wurden. Und davon, dass bestimmte Jedi-Meister – wie der in „Erben des Imperiums“ auftauchende Jorus (auch Joruus) C’Baoth – geklont worden seien, weiß man in den Prequels nichts.
Auch bei STAR WARS hat man sich mittlerweile von dem auf alle Medien bezogenen Kanon verabschiedet.

Jemand, der gar nichts von einem Kanon hielt, war offenbar Douglas Adams. Als er „Per Anhalter durch die Galaxis“ schrieb, spielte er mit dem jeweiligen Medium, für das er schrieb. Die erste Variante der Geschichte war ein Radiohörspiel in mehreren Fortsetzungen. Als er dieses in die berühmten „Anhalter“-Romane umarbeitete, veränderte er bewusst die Geschichte, ließ manches weg und fügte manches neues hinzu oder Teile neu zusammen. Als die BBC dann Anfang der 1980er eine Kurzserie produzierte, wurden wieder Teile verändert und neu zusammengesetzt. Und bei dem 2005 in die Kinos gekommenen Film wurden wiederum Teile verändert, neu geschrieben und neu zusammengesetzt (man denke nur an John Malkovichs Auftritt als „Humma Kavula“, eine Figur, die ausschließlich im Kinofilm zu sehen ist und ihm auf den Leib geschrieben wurde).

Der Kanon – geliebt und gehasst. Dadurch, dass es ihn gibt, verleiht es einer Serie oder einem ähnlichen Projekt eine innere Konsistenz. Gleichzeitig mag er auch einschränkend sein. Auf diese Weise ist er eigentlich wie das Leben selbst. Das Problem vieler Serien war nur das gleichzeitige „zurück auf Anfang“, das dort herrschte und besagte, dass am Ende einer Episode der gleiche Zustand zu herrschen hatte, wie am Anfang. Eine Nebenhandlung über mehrere Folgen weiter zu verfolgen, kam im SF-Bereich eigentlich erst so richtig mit BABYLON 5 auf. Bis dahin gab es Geschichten wie „Tuvix“ bei „Star Trek Voyager“, als Tuvok und Neelix durch einen Transporterunfall zu einer Person verschmolzen und diese neue Person für sich beanspruchte, auch ein Recht auf Leben zu haben, das allerdings zum Ende der Episode zwangsweise durch Janeway beendet wurde, damit zur nächsten Folge wieder Tuvok und Neelix zur Verfügung standen. Eine leichte humoristische Anmerkung dazu hingegen gab es in „Der hippokratische Eid“ von „Star Trek Deep Space Nine“, als O’Brien und Bashir eine tiefergehende Meinungsverschiedenheit haben und Bashir am Ende der Episode meint, die beiden sollten ihre gemeinsamen Aktivitäten erst einmal bleiben lassen – für mindestens eine Woche (also bis zur nächsten Episode).

Dass es auch fast ganz ohne Kanon geht, zeigt eine andere Serie, „Die Simpsons“. Hier wird alles der laufenden Handlung untergeordnet, wenn es in einer Folge notwendig ist, dass man vom Haus der Simpsons aus das Gefängnis sieht, dann ist das so, auch wenn in einer anderen Episode dort etwas völlig anderes zu sehen ist. Es gibt lediglich einige wenige Konsistenzen innerhalb der Serie (zum Beispiel der Tod von „Zahnfleischbluter Murphy“ oder Flanders Ehefrau Maud), ansonsten haben die Autoren ziemlich freie Hand. Allerdings spielen sie auch gerne damit, respektive sie parodieren die Versuche anderer Serien, einen Kanon einzuhalten oder die Tatsache, dass denen das eben nicht gelingt. Ein Teil dieses Konzeptes ist es unter anderem, dass Homer Simpson hin und wieder mal von seinem eigentlichen Job im Kernkraftwerk entlassen wird, aber merkwürdigerweise doch immer wieder auf den gleichen Posten wieder eingestellt wird.

Also Kanon oder nicht Kanon, das ist hier die Frage… Ich würde sagen, Konsistenz muss sein. Man möchte seine Lieblingsserie wiedererkennen, wenn man sie sieht. Bei den Simpsons ist das etwas anderes, da weiß man, worauf man sich einlässt – und immerhin dient der Bruch der Konsistenz hier der Unterhaltung. In anderen Serien wirkt es eher störend, vor allem, wenn der Bruch zu auffällig ist. Ich persönlich bin gleichzeitig auch ein Freund von Entwicklungen, deswegen hat mich BABYLON 5 so fasziniert. Während in anderen Serien die Entwicklung sehr unterschwellig und abhängig von den verschiedensten Autoren war – und zumeist auch ein Produkt des Zufalls -, war sie hier von vorneherein gewollt und gemacht. Denn wie heißt es so schön: Im Universum gibt es nur eine Konstante – die Veränderung. Panta rhei, alles fließt.
Es mag schwierig sein, vor allem, wenn ein Projekt schon sehr komplex ist, aber der Kanon gibt ihm auch etwas einzigartiges, einen Boden, auf dem es fest stehen kann. Und das ist auch wichtig. Selbst bei den Simpsons.

Paris Hilton – mal drinnen, mal draußen…

Der Sprecher der „Tagesschau“ sagte einen legendären Satz: „Die Tagesschau ist eigentlich nicht die Art von Nachrichten, über Paris Hilton zu berichten…“ Korrekt. Dass die Tagesschau dann trotzdem über Paris Hilton berichtete, lag daran, dass sich in Amerika momentan die Geister scheiden an Paris Hiltons nicht verbrachter Zeit im Gefängnis. Manche reagieren auch mit Parodie:

Andere fordern – wie hier geschehen -, dass man sich wieder den wichtigen Dingen des Lebens zuwendet.

dieGesellschafter: Kongress zum Thema “Empowerment – Selbsthilfe und Selbstunternehmung in der Bürgergesellschaft”

Vom 19.-21. September 2007 findet in Magdeburg ein Kongress zum Thema „Zivilgesellschaftliches Engagement und Selbstorganisation als Zukunftsmodell“ statt. Durch den Empowerment-Kongress soll eine breite Diskussion auf wissenschaftlicher und professioneller Ebene entfacht werden, auf welche Art sich die Bürgergesellschaft durch Selbsthilfe und Selbstunternehmung im Sinne einer solidarischen Ökonomie („Think global, act local!“) nachhaltig und konvivial organisieren kann. Hier werden Ideen, Konzepte und Umsetzungsvorschläge für die Bereiche soziale Arbeit, Gesundheit, Psychotherapie und bürgerschaftliches Engagement, wie auch für die öffentliche und private Wirtschaft und Verwaltung konkretisiert und konzentriert. Infos unter:
http://www.kongress2007.de/

G8 in Heiligendamm: Jetzt is’ aber rum, oder?

„Und wenn ich ihre Fragen höre, hörst Du auch Fragen? Was sagen Dir ihre Stimmen? Vielleicht denkst Du einfach, sie singen Dir Lieder vor.“ Er dachte darüber nach und entdeckte den Fehler in der Überlegung.
„Vielleicht singen sie Dir Lieder vor“, sagte er, „und ich glaube, sie stellen mir Fragen.“
(Der Mann, der das Universum regiert, führt einen Monolog mit seiner Katze über Menschen, die kommen und Fragen stellen in Das Restaurant am Ende des Universums von Douglas Adams)

So, jetzt ist der G8-Gipfel vorbei. Und was hat man nicht alles vorher erwartet. Der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben, das findet auch das ZDF-Magazin „Frontal 21“ ganz „Toll!“ Aber was vorn rein geht, muss auch hinten wieder raus. Was ist also hinten herausgekommen? Eine lächelnde Kanzlerin und elf Minuten Weltpolitik, sagt die ZDF-Nachrichtensendung „heute“. Dafür der ganze Aufwand, der Zaun, die Polizei und so? Muss das sein, das fragt auch der Kommentator von der „Tagesschau“. Und Herbert Grönemeyer sieht keinen Sinn darin, sich mit Politikern gemein zu machen. Diese Redewendung habe ich schon lange nicht mehr gehört. Aber irgendwo hat er Recht, wenn das Resultat nicht mehr ist als ein paar halbherzige Erklärungen. Aber war das nicht zu erwarten?

Aber jetzt, jetzt is‘ rum, endgültig. Endgültig? Nicht ganz, denn die Mitarbeiter von einem Blog sind noch vor Ort und versprechen hier, dass sie noch etwas nachreichen wollen. Erst dann is‘ rum.

Der Beherrscher des Universums döste in seinem Sessel vor sich hin. Nach einer Weile spielte er wieder mit dem Bleistift und dem Papier und war entzückt, als er endeckte, wie man mit dem einen auf dem anderen einen Strich macht. Draußen tönten irgendwelche Geräusche, aber er wusste nicht, ob sie wirklich waren oder nicht. Dann redete er eine Woche lang mit seinem Tisch, um mal zu sehen, wie der reagieren würde.
(Douglas Adams: Das Restaurant am Ende des Universums)

G8 in Heiligendamm: Die Wahl zur “Miss Verständnis”

Das Hauptproblem – eines der Hauptprobleme, denn es gibt mehrere – eines der vielen Hauptprobleme beim Regieren von Leuten ist, von wem man sich das gefallen lässt, oder vielmehr, wer es schafft, die Leute soweit zu kriegen, dass sie sich’s gefallen lassen. Zusammenfassend: Es ist eine allseits bekannte Tatsache dass die Leute, die sich am meisten wünschen, Leute zu regieren, gerade deshalb diejenigen sind, die am wenigsten dazu geeignet sind. Um die Zusammenfassung zusammenzufassen: Jeder, der imstande ist, sich zum Präsidenten wählen zu lassen, sollte um alles in der Welt daran gehindert werden, dass er seinen Job ausübt. Um die zusammengefasste Zusammenfassung zusammenzufassen: Leute sind ein Problem.
(Douglas Adams über Präsidenten und andere „regierige“ Personen in Das Restaurant am Ende des Universums)

Die „Bild“-Zeitung hat Angela Merkel heute zur Miss gekürt. In der Hauptschlagzeile wird verkündet, sie werde (von „Bild“) offiziell zur „Miss World“ ernannt. Begründung: sie hat so viel erreicht, Klimaschutz, Bush und Putin sind wieder lieb zu einander und Afrika wird geholfen. Ja, die Zeitung erlaubt sich sogar ein Wortspiel, indem sie in einer Überschrift feststellt, Angela Merkel sei „auf dem Gipfel der Macht“.
Hurra?

Also, ich weiß nicht. Wenn man auf dem Gipfel ist, gibt es nämlich nur noch eine Richtung: steil bergab…
„Ich denke, Fisch ist was Schönes, aber dann denke ich, dass Regen was Nasses ist, also wer bin ich schon, dass ich mir da ein Urteil erlauben kann?“
(Der Mann, der das Universum regiert in Das Restaurant am Ende des Universums von Douglas Adams)

G8 in Heiligendamm: Wo ist die Republik?

„Dass es noch Sklaverei gibt… die Anti-Sklaverei-Gesetze der Republik besagen…“
„Die Republik existiert hier draußen nicht!“
(Die Politikerin Padmé Amidala wird von Shmi Skywalker auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt in STAR WARS Episode I: Die dunkle Bedrohung)

Zunächst einmal danke für die freundlichen Kommentare auf den ersten Beitrag über den G8-Gipfel (Beitrag steht hier!). Dabei wurde ein wenig erstaunt festgestellt, wie gut doch die STAR-WARS-Zitate auf manche Situation passen. Ja, das tun sie, denn auch STAR WARS erzählt irgendwie vom Leben. Man darf nur nicht den Fehler machen, nach platten Gleichsetzungen zu suchen, also zum Beispiel „Imperator = Hitler und Imperium = 3. Reich“. Zwar mag vieles von historischen Begebenheiten inspiriert sein, aber letzten Endes ist es doch eine ganz andere Geschichte, in deren Verlauf sehr viele verschiedene Wahrheiten gesagt werden.

Wie zum Beispiel das Zitat oben. Wie ich darauf komme? Nun, Shmi Skywalker lebt auf Tattoine, einem Planeten des so genannten „Outer Rim“, oder Deutsch gesagt, in der „Randzone“. Heiligendamm liegt auch in einer „Randzone“, und als ich heute einen Bericht über die Gefangenensammelstelle Rostock las, kam mir das Zitat in den Sinn: „Die Republik existiert hier draußen nicht.“ Zwar geht es nicht um Sklaverei, sondern um die Behandlung von festgenommenen, trotzdem muss man sich fragen, ob das wirklich unsere Republik ist, wenn Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht werden, in dem 24 Stunden am Tag das Licht an ist (Klimaschutz??) und genauso lange Videoüberwachung herrscht; wenn es Anwälten unmöglich gemacht wird, mit ihren Mandanten zu sprechen und diese nicht einmal nach draußen telefonieren dürfen. Ein ausführlicher Bericht der „Tagesschau“ steht hier. Vielleicht mögen diese Menschen Straftaten begangen haben, aber deswegen haben sie trotzdem noch Rechte.

Und gern weise ich hier nochmal auf das Gipfelblog hin. Während ich über tausend Kilometer von Heiligendamm entfernt die Ereignisse nur aus zweiter Hand kommentieren kann, gibt es hier Infos, Ereignisse und Erlebnisse „frisch vom Tisch“.

Nachtrag: Inzwischen gibt es noch mehr Berichte über die so genannten „Gefangenensammelstellen“, auch mit Foto des „Käfigs“. Beiträge stehen im Gipfelblog, bei netzpolitik.org und indymedia. Wer noch weitere Berichte findet, kann diese per Kommentar an diesen Beitrag anfügen.

Wenn man mal zum Fußball will…

Huhuuu!

Ja, okay, ich geb’s ja zu – ich war’s! Wie, was ich war? Verfolgen Sie denn keine Sportnachrichten? Gestern, beim Fußballspiel Finnland gegen Belgien in Helsinki? Da war ich dabei. Ich habe mir einen guten Platz ausgesucht. Kann ich wissen, dass man sich nicht auf die Latte vom Tor setzen darf? Ich bin doch nur ein Waldkauz.
Ich wollte einfach mal herausfinden, was die Menschen so toll an dem Spiel finden. Deswegen bin ich auch gleich nach Finnland, weil ich gehört habe, das Menschen ihrem Lieblingsverein über die Kontinente hinweg nachfolgen, nur um 11 anderen Menschen 90 Minuten lang zuzusehen, wie sie sich um einen Ball streiten. Ich habe deswegen spontan beschlossen, Belgien zu meinem Lieblingsverein zu erklären. Weiß auch nicht, warum. Gefällt mir irgendwie, das Land. Also bin ich meiner neuen Lieblingsmannschaft gefolgt, war ganz schön anstrengend. Aber es verkehren ja genügend LKW, da konnte ich mich ein wenig ausruhen. Leider war ich nicht pünktlich zum Anpfiff da und habe wohl was wichtiges verpasst, nämlich den Zeitpunkt, wenn der Ball ins Netz fliegt. Soll angeblich sehr toll sein. Doch kaum war ich da, da haben alle aufgehört zu spielen. Der Schiedsrichter wollte nicht weitermachen, bevor ich nicht weg wäre. Dafür habe ich dem blöden Kerl einen Häufchen auf sein Auto gemacht. Ich bin ein Vogel, ich darf das. Und nichts fordert uns Vögel so sehr heraus, wie ein frisch gewaschenes Auto.
Leider weiß ich immer noch nicht, was so toll an Fußball ist. Ich habe eine halbe Ewigkeit gebraucht, um von Helsinki wieder hier zu sein. Ich glaube, ich schaue mich nach einer anderen Sportart um.

Hey, wie wäre es mit B-OWL-ing?

Ach ja, und ich habe es mit meiner Aktion tatsächlich geschafft: ich bin der Zeitung!

Huhuuuu!
Euer Siegfried

G8 in Heiligendamm: Sinn, Wahrheit, Realität und Standpunkte

„Warum hast Du mir das verschwiegen? Du hast mir erzählt, (Darth) Vader hätte meinen Vater verraten und ermordet!“
„Dein Vater wurde von der dunklen Seite der Macht verführt. Er war nun nicht mehr Anakin Skywalker, er wurde Darth Vader. Als das geschah, war der gute Mann, der Dein Vater einst war, vernichtet. Ich habe Dir also die Wahrheit gesagt… von einem gewissen Standpunkt aus.“
„Von einem gewissen Standpunkt aus?“
„Luke, auch Du wirst noch lernen, dass viele Wahrheiten, an die wir uns klammern, von unserem persönlichen Standpunkt abhängig sind.“
(Obi-Wan Kenobi und Luke Skywalker diskutieren über die Wahrheit der Aussage, dass Darth Vader Anakin Skywalker getötet habe, obwohl beide ein- und dieselbe Person sind in STAR WARS Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter.)

Zurzeit treffen sich die so genannten „G8-Staatschefs“ in Heiligendamm an der Ostsee. Das ist soweit jedem bekannt. Wem es nicht bekannt ist, der muss die letzten Tage und Wochen in einer zugenagelten Kiste mitten in der Wüste Gobi zugebracht haben. Der Berichterstattung darüber konnte man nicht entkommen, in keinem Medium. Berichtet wurde über die Sicherheitsmaßnahmen und darüber, wie Leute dagegen demonstrieren wollen. Das wirft die Frage auf: Worum geht es bei G8 eigentlich von der Sache her? Die Tatsache, dass diese Gipfeltreffen die so genannten „Globalisierungsgegner“ auf den Plan ruft, lässt vermuten, dass es damit etwas zu tun hat. Gleichzeitig wird aber immer wieder betont, die G8 wären keine „Weltregierung“.

Das wäre auch etwas zu viel verlangt. Zur G8 gehören die USA, Japan, Russland, Kanada, Frankreich, Italien, Großbritannien und Deutschland. Insgesamt vereinen diese 8 Länder 63 % der weltweiten Wirtschaftskraft, obwohl in ihnen nur 13 % der weltweiten Bevölkerung lebt. Dass diese „Großen 8“ trotzdem Entscheidungen treffen, die Konsequenzen für den ganzen Planeten haben, ist einer der Hauptkritikpunkte der Gegner. Aber wird bei dem Gipfel überhaupt etwas entschieden? Nicht so richtig, denn in vielen Punkten – Umweltschutz, Hedgefonds und einige andere – sind die Differenzen so groß, dass man nicht allzu viel erwarten kann und es Leute gibt, die jetzt schon davon reden, das der Gipfel gescheitert sei.

Entsprechend gibt es politisch interessierte Leute, die sich gegen den G8-Gipfel zur Wehr setzen mit Hilfe ihres verbrieften Rechts auf freie Meinungsäußerung. Sie wollen ihren Standpunkt klarmachen. Leider sind da – wie zum Beispiel auch im Fußball – Menschen dabei, die diese Gelegenheit einfach nutzen wollen, ihren unterdrückten Aggressionen freien Lauf zu lassen. Und schon geraten wir in den Sog von Ereignissen, die erneut die Frage nach Wahrheit stellen. Denn in Rostock kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei. Hinterher wurde groß über diese Auseinandersetzung in den Medien berichtet, obwohl einige Leute, die vor Ort waren, diese Demonstration ganz anders erlebt haben (wie zum Beispiel hier beschrieben). Und was die Zahl der Verletzten betrifft, so muss sogar von offizieller Seite zurückgerudert werden (wie der NDR hier berichtet).

Der merkwürdige Nachgeschmack der Sache ist jedoch eine Meldung, und die kam nicht von irgendwem, sondern von „der“ Presseagentur in Deutschland schlechthin, nämlich der „Deutschen Presseagentur“, kurz „dpa“. Ein Globalisierungsgegner mit Namen Walden Bello soll demnach gesagt haben: „Wir müssen den Krieg in diese Demonstration reintragen. Mit friedlichen Mitteln erreichen wir gar nichts.“ Das Zitat diente daraufhin verschiedenen anderen Medien (Bild, Spiegel Online, B.Z., weitere Berichte der dpa, Stuttgarter Nachrichten, diverse Schweizer Zeitungen, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Kölnische Rundschau sowie diverse Blogs) als Mittel, um zu widerlegen, den Demonstranten gegen den G8-Gipfel ginge es um friedliche Demonstrationen, sondern dass die Krawalle von den Rednern auch noch angestachelt worden seien.
Dass Walden Bello in Wirklichkeit etwas ganz anderes gesagt hat, nämlich: „Vor zwei Jahren hat es geheißen: Wir sollen den Krieg nicht in die Diskussion mit reinbringen. Wir sollen uns nur auf Armutsbekämpfung konzentrieren. Aber ich sage: Wir müssen den Krieg hier mit reinbringen. Denn ohne Frieden kann es auch keine Armutsbekämpfung geben.“, wird nur in einem kurzen Clip auf myvideo.de dargestellt. Es dauert drei Tage, bevor die dpa sich korrigiert (Stefan Niggemeier dokumentiert die Ereignisse hier sehr schön und deutlich). Eine ehemalige Mitarbeiterin der dpa, Christiane Link, veröffentlich daraufhin ihre Einschätzung und stellt dar, dass den Korrespondenten der dpa keine Alleinschuld trifft. Jeder Journalist hätte die Meldung überprüfen können, vor allem, da sie kurz nach den Ereignissen bereits im Internet in Blogs kursierte und hier auch darauf hingewiesen wurde, was Bello wirklich gesagt hatte (ihr Bericht steht hier). Sie findet nicht so sehr die – trotzdem problematische – Falschmeldung der Agentur bemerkenswert, sondern mehr, mit welcher blinden Gläubigkeit sie übernommen und von niemandem angezweifelt wurde, obwohl doch in Heiligendamm eine ganze Horde von Journalisten sitzt, die sich ihr eigenes Bild hätten machen oder im Zweifelsfall im Internet hätten nachschauen können.
Das ganze treibt noch seltsamere Blüten. Wie „Taxman Tom“ feststellt, geht es inzwischen so weit, dass sich Blogs mit dem „Schwarzen Block“ solidarisieren und ganz unverblümt die Ansicht verkünden, Gewalt gegen den Staat / die G8 / Sachen, die mir nicht gehören / Leute, die nicht ich sind sei nicht nur legitim, sondern notwendig (Taxman bezieht hier seine Position gegen die Gewaltsympathisanten).

Die ganze Sache ist nicht einfach, aber sie wird einfach gemacht, indem sie einfache Dinge reduziert wird. Man redet lieber in Schlagworten, sehr gerne von der „Gesellschaft“, die besser werden soll. In Science-Fiction-Geschichten, die in einer weit entfernten Zukunft spielen, gab es meistens ein traumatisches Ereignis, das die Menschheit schlagartig besser machte (Dritter Weltkrieg, Großdiktatur oder ähnliches). In der Realität ist es sehr viel schwieriger. Viele Standpunkte, viele Wahrheiten und vieles sehr unangenehm. Wie uns zum Beispiel das Gipfelblog an dieser Stelle darauf hinweist, dass wir uns gerne selbst als „Umwelt-Gutmenschen“ sehen, obwohl wir uns in vielen Dingen völlig anders verhalten und es nicht einmal merken. Mit seiner facettenreichen Berichterstattung ist das Gipfelblog daher auch sehr lesenswert. Denn es vermittelt nicht nur eine Sichtweise, sondern viele. Genau das ist das Schwierige, diese vielen Sichtweisen unter einen Hut zu bringen, die vielen verschiedenen Wahrheiten zu berücksichtigen, so dass sich ein großes Ganzes ergibt. Ob dem G8 das gelingt, muss sich zeigen. Nicht nur heute oder in einer Woche, sondern in den kommenden Jahren.

Sehr schön wäre es natürlich, wenn in ungefähr 50 Jahren in einem Geschichtsbuch stehen würde: „Beim G8-Gipfel 2007 im deutschen Heiligendamm wurde ein Durchbruch geschafft, der eine Entwicklung einleitete, die der Menschheit seither Frieden und steigenden Wohlstand bescherte.“ So wird es aber definitiv nicht sein. Denn das klingt sehr nach einer einfachen Lösung, wie man sie in einem Zukunftsroman verwenden könnte. Außerdem geben wir damit zu viel Verantwortung an einige wenige Leute ab. Das darf nicht sein, denn damit würden wir es uns viel zu bequem machen. Wir sind gefragt.

„Ich glaube nicht, dass das System funktioniert.“
„Wie würdest Du es Dir denn vorstellen?“
„Wir brauchen ein System, in dem die Politiker sich zusammensetzen und ein Problem besprechen, sich darauf einigen, was das beste für das gesamte Volk ist und es dann tun.“
„Das ist genau das, was wir machen. Das Problem ist nur, dass oft keine Einigkeit erzielt wird.“
„Nun, dann sollte man es eben erzwingen.“
„Wer denn? Wer sollte sie dazu zwingen?“
„Weiß ich nicht. Irgendjemand.“
„Du?“
„Ich meine nicht mich.“
„Aber irgendjemand.“
„Jemand, der weise ist.“
„Das hört sich sehr nach einer Diktatur für mich an.“
„Na ja. Wenn es funktioniert…“
(Anakin Skywalker und Padmé Amidala diskutieren über Demokratie und eine „alternative Regierungsform“ in STAR WARS Episode II: Der Angriff der Klon-Krieger)

Nachtrag: Das erste Treffen der “Neuzeit”

So, jetzt gibt es noch etwas nachzuholen, und zwar eine kleine Vermeldung zun ersten Treffen der „Neuzeit“, wie es scherzhaft jemand genannt hat. So langsam kommt der SF-Treff Bodensee wieder auf die Beine.

Am 31. Mai / 1. Juni 2007 trafen sich SF-Fans aus der ganzen Bodensee-Region. Da die Fans aus insgesamt 4 Ländern kamen (D, A, CH und F!), war der Ort für dieses Treffen sicherlich richtig gewählt: der EUROPA-PARK in Rust. Wir hatten einen angenehmen Aufenthalt, auch wenn er für manche wegen eines abendlichen „Beinahe-Hotelbrands“ fast zu einem Abenteuer ausgeartet wäre. Darum merke: Wenn Dir drei mit Atemschutz bewaffnete Feuerwehrleute mit laufender Kettensäge in einem Treppenhaus entgegenkommen, solltest Du Dir Gedanken machen.

Davon abgesehen waren die zwei Tage sehr gelungen, wir entdeckten Atlantis und etliches mehr. Zu Mittag wurde am ersten Tag der griechische Imbiss ausprobiert, am zweiten das Schlossrestaurant „Balthasar“.

Nun liegt es an den Teilnehmern, aus dieser Veranstaltung wieder eine regelmäßige zu machen. Der Anfang ist immerhin getan!