Varoufakis, Jauch und die große Enttäuschung

Ja, der Tiefpunkt ist erreicht, was die „Berichterstattung“ über die Finanzkrise und Griechenland betrifft. Da hat „Le Bohémien“ mit seiner Kritik über die gestrige Sendung von Günther Jauch schon recht. Man braucht klarstellende Worte über Varoufakis‘ Aussagen, wie sie etwa Stefan Niggemeier hier findet.

Und ich? Ich kann es nicht fassen. Die Karriere von Günther Jauch begleite ich, seit er bei „Rätselflug“ dabei war oder zusammen mit Thomas Gottschalk moderierte. Nicht unbedingt weil ich ein Fan von ihm bin, sondern weil sich unsere Wege immer wieder kreuzten. Medial gesehen, nicht im realen Leben.

Ich hatte eine hohe Meinung von ihm. Meine Enttäuschung über das, was aus ihm geworden ist, fasst Ewan McGregor als Obi-Wan in dieser Szene sehr gut zusammen (Video ab Minute 7:10 anschauen, falls der Timecode nicht funktioniert): Obi-Wans Frust

Obwohl… ich befürchte, dass der Tiefpunkt doch noch nicht erreicht ist. Immer, wenn man glaubt, dass das so seit, passiert irgendwas, dass einem beweist, dass es immer NOCH tiefer geht. Und ich bin gerade am Überlegen, ob ich hier etwas ändern sollte. Eigentlich wollte ich verschiedene Themengebiete in diesem Blog nicht trennen, weil alles irgendwie zusammen gehört. Geschichten sollten auch Zukunftsvisionen bringen und von Gesellschaften handeln. Es sollte hier um die verschiedenen Geschichten (Science Fiction, Fantasy und mehr) gehen und um das, was dahinter steht. Aber ich bin mir selbst noch nicht sicher. Und bis ich mir sicher bin, wird es bunt gemischt weitergehen.

Ist doch wie in der Politik: Egal was passiert, einfach weitermachen. Merkt schon keiner.

„Die Freihandelslüge: Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet“ von Thilo Bode ab sofort im Handel

(c) DVA
(c) DVA

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat den TTIP-Befürwortern eine Fehl- und Desinformationskampagne vorgeworfen. Von der Bundeskanzlerin bis zur Europäischen Kommission, von den Wirtschaftsweisen bis zum BDI, von der US-Botschaft bis zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft werde falsch oder irreführend über das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA informiert. Das kritisiert foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode in seinem neuen Buch „Die Freihandelslüge: Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet“ (DVA), das er in Berlin der Öffentlichkeit vorstellte und ab sofort im Handel erhältlich ist.

Eine so breit angelegte Desinformationskampagne wie bei TTIP habe ich noch nie erlebt. Das Muster ist stets dasselbe: Die Chancen des Abkommens werden aufgebauscht, die Risiken geleugnet oder verschwiegen“, kritisierte Thilo Bode.

In seinem Buch erklärt der foodwatch-Gründer verständlich, um was es bei TTIP wirklich geht, warum das Abkommen demokratische Prozesse aushöhlt und wie sehr es die Verbraucher ganz konkret betrifft. Er klärt über die sensiblen Punkte auf, über die die Befürworter nicht offen sprechen: Kommt TTIP, würde es als völkerrechtlicher Vertrag über einzelnen Gesetzen stehen. Wenn EU und USA mit TTIP gesetzliche Standards gegenseitig anerkennen, könnten diese nicht mehr einseitig geändert werden. So hätte die wechselseitige Anerkennung etwa von Tierhaltungsbedingungen oder von Vorgaben für die Lebensmittelkennzeichnung zur Folge, dass die EU nicht mehr einfach ohne Zustimmung des Handelspartners USA bessere Standards in der Tierhaltung und mehr Transparenz über Produkteigenschaften beschließen könnte. Das Buch „Die Freihandelslüge“ zeigt, wie TTIP damit vor allem zu einem Programm zu werden droht, mit dem sich Konzerne in Zukunft unliebsamer Regulierungsvorhaben entledigen können.

Ich bin ein großer Verfechter des fairen Freihandels – genau deshalb bin ich gegen TTIP“, stellte Bode klar. „Bei diesem Abkommen geht es nicht um Freihandel, sondern um Freibeuterei. Das Recht der Konzerne auf ungestörtes Beutemachen würde ins Völkerrecht geschrieben, und die Gesetzgeber würden sich in Teilen selbst abschaffen: Regulierungsvorhaben könnten nur noch dann durchgesetzt werden, wenn der Handelspartner USA zustimmt. TTIP muss gestoppt werden.“

Bei Verhandlungen über einen so weitreichenden, völkerrechtlichen Vertrag sei es wichtig, eine offene und aufrichtige, öffentliche Debatte zu führen. Genau diese finde aber nicht statt, kritisierte Bode. In einem ausführlichen Hintergrunddokument hat foodwatch anhand von dutzenden Zitaten belegt, wie falsch und irreführend über TTIP informiert wird. Nur einige der Beispiele:

  • Der Einfluss von TTIP auf die Gesetzgebung wird geleugnet: „Der Spielraum für künftige Regulierungsvorhaben muss natürlich erhalten bleiben“, sagt zum Beispiel Bundeskanzlerin Angela Merkel – dabei stellt ihr eigenes Kanzleramt wahrheitsgemäß klar, „dass der Regelungsspielraum der EU und der EU-Mitgliedstaaten durch konkrete Vereinbarungen über eine enge transatlantische Regulierungszusammenarbeit, etwa im Rahmen einer gegenseitigen Anerkennung von Standards, in Teilen eingeschränkt werden kann“.
  • Hypothetische wirtschaftliche Potenziale werden zu Fakten erhöht: Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat in diesem Februar eine Broschüre mit „12 Fakten“ zu TTIP herausgegeben – mindestens 5 davon müssen jedoch korrigiert werden. Als „Fakten“ präsentiert die Arbeitgeber-Lobby zum Beispiel „Hunderttausende neue Arbeitsplätze“ und „119 Milliarden Euro Gewinne durch TTIP“ – tatsächlich handelt es sich dabei nicht um Fakten, sondern um Schätzungen auf Basis völlig spekulativer Annahmen über die Ausgestaltung von TTIP. Dass dieselben Studien bei anderen Annahmen zu viel niedrigeren Prognosen kommen, verschweigt die INSM.
  • Wirtschaftliche Prognosen werden größer dargestellt: „Die Schätzungen über zusätzliche Arbeitsplätze in der EU reichen von 400.000 bis 1,3 Millionen“, schreibt die CDU. Die Schätzungen selbst in den Studien, aus denen die von der CDU zitierten Zahlen stammen, beginnen tatsächlich bei nur rund 12.000 Jobs.
  • Aus langfristig eintretenden Niveaueffekten wird jährliches Wachstum gemacht: Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verspricht „rund 100 Mrd. Euro Wirtschaftswachstum pro Jahr“ in der EU – tatsächlich gehen Studien lediglich davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt der EU langfristig (im Jahr 2027) um diesen Betrag höher liegen könnte als ohne BIP – ein jährliches Zusatzwachstum wird gerade nicht vorhergesagt und erst recht nicht in dieser Größenordnung.
  • Einschränkungen werden unter den Tisch fallen gelassen: Selbst die „Wirtschaftsweisen“ im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung behaupten in ihrem Jahresgutachten 2014/2015, ein umfassendes TTIP „führt“ zu „weltweiten Beschäftigungszuwächsen: In Deutschland lägen sie bei 110.000 Personen.“ Die Ökonomen erwähnen nicht, dass diese Zahl in der Original-Studie als Obergrenze („bis zu“) und nur errechnet wurde für ein „sehr optimistisches Szenario, welches erhebliche Unsicherheiten involviert“.
  • Verlierer werden nicht erwähnt oder zu Gewinnern gemacht: Ein Vertreter der Europäischen Kommission bezeichnet TTIP als „große Goldgrube“ für Entwicklungsländer. Tatsächlich legt die Studienlage nahe, dass gerade Entwicklungsländer mit wirtschaftlichen Verlusten zu rechnen hätten.

Thilo Bode: Die Freihandelslüge. Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet. DVA 2015, 272 Seiten, 14,99 Euro. Seit dem 9. März im Buchhandel. Das Honorar von Thilo Bode fließt ausschließlich direkt in die Arbeit von foodwatch.

Das Buch gibt es im Buchhandel oder es kann hier bestellt werden:

 

Quelle: foodwatch e. V.

Leute, hört auf, die sozialen Berufe gegen die Lokführer auszuspielen!

Ich liebe diesen Spruch: „Jeder, der die vergangenen Tage nicht in einer vernagelten Kiste zugebracht hat, wird mitbekommen haben, dass…“ Ich verwende ihn gern, wenn es um etwas geht, in dem das mediale Trommelfeuer der Berichterstattung ein erträgliches Maß so langsam am Überschreiten ist, wenn es nicht sogar schon überschritten wurde. Dabei geht es mir nicht um den Umstand der Berichterstattung an sich, sondern auch die Form, die diese Berichterstattung angenommen hat.

Wie zum Beispiel beim Streik der Lokführer. Also: Jeder, der die vergangenen Tage nicht in einer vernagelten Kiste zugebracht hat, wird mitbekommen haben, dass die Lokführer, die in der „Gewerkschaft der Lokführer“ (GdL) organisiert sind, sich im Arbeitskampf befinden. Die Friedenspflicht ist beendet und die organisierten Lokführer versuchen, ihre Forderungen mit Hilfe von Streiks durchzusetzen. Gleichzeitig nimmt die Berichterstattung über diese Streiks immer bizarrere und teilweise ekelhafte Formen an. Von verschiedenen Boulevard-Medien wird der Streik auf die Person des Gewerkschaftsführers Claus Weselsky zugespitzt und personalisiert, die BILD-„Zeitung“ nennt ihn den „Größen-Bahnsinnigen“ (Verstehste, verstehste? „Größen-Bahnsinnigen“? Weil wegen „Größenwahn“ und „Bahn“? Verstehste? Dit is lustich!) , veröffentlicht die Telefonnummer seines Büros und andere manipulative Berichte, der „Focus“ („Fakten! Fakten! Fakten!“) zeigt Bilder seines Wohnhauses und nennt ihn den „meistgehassten Deutschen“ und das „Magazin“ „explosiv“ des Fernsehsenders „Ratlos, Talentlos, Lustlos“ (RTL) ist sich nicht zu blöde, Weselskys Ex-Frau als Kronzeugin für dessen schlechten Charakter zu befragen und den Schluss zu ziehen, dass es Weselskys „Fanatismus“  im Bezug auf Machtbesessenheit, den er gegenüber seiner Familie zeige, zu verdanken sei, dass die Lokführer „derzeit alles andere als beliebt“ seien. Unaufgeregte Artikel, die die Berichterstattung dahin führen wollen, wo sie hingehört, nämlich auf Fakten und Hintergründe, finden sich kaum. Lieber beteiligen sich die Schreiber am großen „Tieftauchwettbewerb in der Jauchegrube des Niveaus“.

Und dann auch noch das: Angestachelt durch die Medien gibt es nun Menschen, die einen Standpunkt weiterverbreiten und denen vermutlich nicht mal in ganzer Konsequenz klar ist, was sie da tun. In verschiedenen sozialen Netzwerken wie Facebook oder auch Twitter tauchen nämlich seit ein paar Tagen Grafiken auf, die ungefähr folgenden Inhalt haben:

Liebe [soziale Berufsgruppe]! Danke, dass Ihr nicht streikt, obwohl Ihr wirklichen Grund dazu hättet!*

Es existieren verschiedene Varianten davon, mal werden explizit Berufsgruppen genannt („Pflegekräfte“, „Altenpflegekräfte“, „Kindergärtnerinnen“, „Notfalldienste“), mal die „sozialen Berufe“ allgemein angesprochen; mal heißt es, diese hätten „einen wirklichen Grund“ zum Streiken, mal heißt es, diese hätten den Streik „nötiger„. Obwohl kein direkter Bezug auf den aktuellen Streik der Lokführer genommen wird, dürfte auch dem letzten Menschen, der noch zwei Gehirnzellen im Kopf hat, die miteinander verdrahtet sind, klar sein, dass es darum geht, den Streik der Lokführer in die Schmuddelecke zu stellen. Die Lokführer sollen mal ganz ruhig sein, andere haben „einen wirklichen Grund“ für einen Streik! In manchen Tweets wird mit dem Hashtag #GDL der Bezug dann auch direkt hergestellt.

So sehr ich die Intention hinter diesen Bildchen verstehe, meine erste Reaktion war: HÖRT AUF, DIE SOZIALEN BERUF GEGEN DIE LOKFÜHRER AUSZUSPIELEN! Ich bin selbst in einem sozialen Beruf tätig und ich finde diese Sprüche extrem kontraproduktiv. Sie spielen den falschen Leuten in die Hände, nämlich denjenigen, die das Streikrecht der kleinen Gewerkschaften einschränken wollen. Und den Medien, die auf diese Weise noch mehr Material für noch hasserfülltere Berichte bekommen. Obwohl, dank der Satire-Seite „Postillon“  wissen wir ja schon, auf was diese Berichte am Ende rauslaufen werden.

Liebe Kollegen in den sozialen Berufen und alle Menschen, die sich verpflichtet fühlten, die „Danke, dass Ihr nicht streikt“-Grafiken über Facebook, Twitter und so weiter zu verbreiten: Überlegt mal die folgenden Punkte:

1. Was soll dieser arrogante Elitarismus?

Ja, wir erfüllen eine wichtige Aufgabe an der Gesellschaft. Ja, unsere Arbeitsbedingungen sind – vorsichtig formuliert – nicht die besten. Aber warum erheben wir uns selbst dann über andere Berufsgruppen und sprechen denen ein Grundrecht ab? Wenn sich die Arbeitsbedingungen bei uns bessern sollen, brauchen wir die Solidarität der Bevölkerung und anderer Berufsgruppen, anders geht es nicht. Und angesichts dessen lassen wir die Solidarität mit anderen missen? Ausgerechnet die Berufsgruppe, die sich „sozial“ (vom lateinischen „socialis“ = „gesellschaftlich“) nennt? So ein Verhalten ist unwürdig.

2. Was können die Lokführer dafür, dass streiken in den Sozialberufen so schwer bis unmöglich ist?

Die Lokführer können – nach der Einhaltung gewisser Regeln – einfach so streiken. Die sozialen Berufe können das nicht, denn eine totale Arbeitsniederlegung geht aus ethischen Gründen nicht. Würden alle Krankenpflegekräfte streiken, würden die Patienten eines Krankenhauses keine Versorgung mehr erfahren. Es würde zu gesundheitlichen Folgeschäden bis hin zum Tod einzelner Menschen kommen. Deswegen muss während eines Streiks immer eine Notbesetzung vorhanden sein. In anderen sozialen Berufen ist es ähnlich und das ist die Crux: Ein totaler Streik würde die Patienten treffen, ein Streik mit Notbesetzung trifft die Kollegen, die mit „Not-Personal“ einen einigermaßen geregelten Ablauf aufrecht erhalten müssen. Das eigentliche Ziel, nämlich über die Maßnahmen die Arbeitgeberseite zu einem besseren Angebot zu bewegen, ist so nur schwer zu erreichen.

Aber: Ist das die Schuld der Lokführer? NEIN! Aber ich möchte wetten, wenn es nicht doch zu absurd wäre, würden manche Boulevard-Medien das auch gern Claus Weselsky in die Schuhe schieben („Der Größen-Bahnsinnige verhindert Löhnerhöhung der Pflegekräfte!!einself!!“).

3. Sind vielleicht in der Vergangenheit eine Reihe von falschen Entscheidungen getroffen worden?

Von Artikeln wie diesem mache ich im Kopf verschiedene Versionen, bevor ich mich wirklich ans Schreiben mache. Eine erste Version dieses Artikels hatte eine Einleitung, in der ich mich darüber aufrege, dass auch hier in meinem Wohnort keine Züge mehr fahren und der Bahnhof verwaist sei. Die Schlusspointe dieser Einleitung wäre gewesen, dass ich feststelle, dass das ja gar nichts mit dem Streik zu tun hat, sondern mit dem Umstand, dass der Bahnhof hier schon vor Jahren stillgelegt und von Schienennetz abgetrennt wurde. Ich persönlich halte diese Entscheidung für kurzsichtig, aber nun ist es zu spät.

Und bei dem Streik denke ich mir auch: Sind vielleicht bei der Bahn einfach eine Reihe von falschen Entscheidungen getroffen worden, die den Beteiligten jetzt um die Ohren fliegen? Die Privatisierung der Bahn fand nicht nur Zustimmung, sie wurde sogar massiv kritisiert. Aber man hat sie durchgezogen. Zuvor waren die Lokführer Beamte und durften nicht streiken. Jetzt handelt die Bahn nach privatwirtschaftlichen Prinzipien, die Lokführer sind normale Arbeitnehmer und jetzt streiken sie halt. In dem Fall geht halt nur das „entweder – oder“, Rosinenpicken ist nicht erlaubt. Entweder die Bahn ist ein privates Unternehmen, dann ist das, was momentan läuft, einfach nur legitim – oder aber die Dienstleistung der Bahn ist so gesellschaftlich wichtig, dass sie anderen als den marktwirtschaftlichen Regeln unterliegen sollte, dann hätte man sie nicht privatisieren sollen.

Mit anderen Worten: Das Omelett liegt auf dem Teller. Guten Appetit! Aber jetzt ist es zu spät, sich über zerschlagene Eier aufzuregen.

4. Bildchen weiterverbreiten ist so einfach – wirkliche Solidarität zeigen, das ist schon schwerer.

Die Bilder und Sprüche werden ja nicht nur von Angehörigen der Sozialberufe weiterverbreitet, im Gegenteil, oft sind es Menschen, die dieser Berufsgruppe gerade nicht angehören. Mal ganz davon abgesehen finde ich die Anrede „Liebe [soziale Berufsgruppe]!“ peinlich redundant, wenn derjenige, der das Bild teilt, genau dieser Berufsgruppe selbst angehört. Aber zu denjenigen, die keinem sozialen Beruf angehören:

Zum einen schneiden sie sich ins eigene Fleisch. Denn wenn die sozialen Berufe Streiken „nötiger“ haben als die Lokführer, haben sie es dann nicht auch nötiger als andere Berufsgruppen? Zum Beispiel mal pauschal gesagt gegenüber denjenigen, die ihre Tätigkeit sitzend im Büro verbringen, während gerade Pflegeberufe mit schwerer, rückenschädigender Arbeit verbunden sind? Aber natürlich wissen diese Leute unterbewusst, dass ihnen hier keine Gefahr droht, denn:

Zum zweiten ist das Weiterverbreiten eines Bildchens nicht mehr als genau das: Es wurde ein Bildchen weiterverbreitet. Punkt. Es ist völlig egal, ob auf dem Bild steht, dass soziale Berufe einen „wirklichen Grund“ zum Streiken hätten, oder dass Konfuzius einmal gesagt hätte, dass man an Freitagabenden kein Pferd füttern solle, das man nicht reiten könne, oder ob es das Bild einer Katze ist, der jemand ein lustiges Hütchen auf den Kopf gesetzt hat, der Effekt ist immer gleich: Nur von kurzer Dauer! Die Wenigsten werden sich nächste Woche noch an das Zitat von Konfuzius erinnern, geschweige denn, dass sie es anbringen können, wenn die Situation danach ist. Die Wenigsten werden sich in ein paar Tagen noch an das Kätzchen mit dem Hütchen erinnern. Und wenn der Streik der Lokführer mal vorbei sein wird, ist es eine Frage der Zeit, bis die meisten vergessen haben, dass sie mal der Meinung waren, Sozialberufe hätten einen wirklichen Grund zum Streiken.

tldr;

Das bringt mich zum Kern von allem: Was die sozialen Berufe benötigen, ist echte Solidarität. Keine Pseudosolidarität durch Bildchen auf Facebook und keine Pseudokonkurrenz gegen die Lokführer. Doch die ist wesentlich schwerer umzusetzen, als auf „Teilen“ oder „Retweeten“ zu klicken. Zum Beispiel entsprechende Petitionen zu unterstützen (Petitionsausschuss des deutschen Bundestages hier, hier ist eine aktuelle Petition zum Thema „Angemessene Vergütung für Pflegekräfte„) oder dem zuständigen Abgeordneten eine Mail oder einen Brief zu schreiben – oder sie oder ihn bei einer Veranstaltung direkt ansprechen.

Was ganz wichtig ist: Wenn es denn mal einen Streik in einer sozialen Berufssparte gibt (ja, die gibt es tatsächlich auch!) nicht in den Reflex „die sollen nicht streiken, sondern arbeiten“** verfallen. Solidarität auch dann zeigen, wenn es für einen selbst mal ein bisschen unbequem wird. Zum Thema „Solidarität in unserer Gesellschaft“ weiß Max Uthoff noch ein paar kluge Worte zu sagen.

Und wie es der Zufall*** so will, zum Thema „Die Zukunft der Pflege alter Menschen“ ist gerade heute beim „Spiegelfechter“ eine Glosse erschienen, die einem die „schöne neue Welt“ präsentiert, auf die es zuläuft, wenn sich nichts ändert.

Und zu guter Letzt: Vorsicht, wenn man davon redet, dass eine Berufsgruppe einen Streik „nötiger“ habe als eine andere. Denn möglicherweise haben die Lokführer selbst den Streik ja auch „nötiger“ als die Berufsgruppe, der man selbst angehört. Dann kommt man aber ganz schön in Erklärungsnot, wenn man selbst mal für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen streikt. Und Schwupps! Steht mal selbst auf der anderen Seite des Arguments und muss sich anhören, eh keinen wirklichen Grund für den Arbeitskampf zu haben.

Behaltet das mal im Kopf. Und zwar länger als das alberne Bild mit der Katze, die ein lustiges Hütchen trägt.

 

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* = Ich verzichte hier auf die Einbindung von konkreten Tweets, da ich niemanden vorführen will. Wie gesagt, ich nehme mal an, dass die Verbreitung des Bildchens in bester Absicht geschah. Aber wie sagt man so schön? „Die Straße zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.“

** = Dieser Reflex taucht meist im Gespann mit dem „ich muss auch arbeiten und kann nicht streiken“-Reflex auf. Das hässliche Kind beider Reflexe heißt „wenn die noch streiken können, kann es ihnen gar nicht so schlecht gehen“.

*** = Die Gedanken zu diesem Artikel trage ich schon ein paar Tage mit mir herum. Zündfunke dazu, ihn doch noch zu schreiben war der Umstand, dass heute wieder eines der „Liebe Pflegekräfte“-Bildchen auf meiner Facebook-Pinnwand aufgetaucht ist. Erst als ich die Artikel über die GdL und den Streik gesucht habe, habe ich die Glosse entdeckt.

 

„Starfire“ wird zu „Earthfire“ – wie ein Science-Fiction-Film die Gegenwart abbildet

Im Jahr 1990 wurde der Science-Fiction-Film „Starfire“ produziert, dem von der Kritik eine ernsthafte Thematik bestätigt wurde, der allerdings arg verworrene Handlungsstränge habe. Der Film spielt im Jahr 2050. Die Aktivität der Sonne hat stark zugenommen. Wissenschaftler entdecken, dass die Ursache dafür in einem sich aufbauenden so genannten „Megaflare“ liegt, einer riesigen Gluteruption auf der Oberfläche der Sonne. Diese Eruption wird so gewaltig sein, dass sie bis in die Planetenbahnen hinaus reicht. Schlimmer noch: Die Erde wird genau im Bereich dieser Eruption sein, wenn sie passiert. Damit steht die Zerstörung des Planeten unmittelbar bevor. Die Lösung ist, eine Antimaterie-Bombe ins Zentrum der Eruption zu schicken und sie so zum Zusammenbrechen zu bringen, bevor sie entsteht. Für diese Mission wurde eine intelligente Bombe namens „Freddy“ konstruiert, mit der man kommunizieren kann. Freddy ist Hauptbestandteil der so genannten „Ra-Sonde“, die in die Sonne geschickt werden soll. An ihren Startplatz gebracht werden soll die Sonde durch das Raumschiff HELIOS, das von Captain Steve Kelso (Tim Matheson) befehligt wird.

Der Plot hat in der Tat viele verwobene Ebenen. Natürlich ist der Hauptplot der Versuch der Besatzung der HELIOS, die Ra-Sonde in Position zu bringen und die Mission zu einem erfolgreichen Ende zu führen. In einer anderen Ebene geht es um Kelso, seinen Vater Admiral „Skeet“ Kelso (Charlton Heston) und seinen Sohn Mike (Corin Nemec). Mike ist auf einer Militärakademie. Da ihm nicht erlaubt wird, seinen Vater vor dem Abflug der HELIOS zu treffen, flieht er mit einem Raumjäger, der in der Wüste von Red Sands abstürzt. Mike trifft auf den Wüstenbewohner Travis (Jack Palance) und später auf den Wissenschaftler Doktor Haas (Paul Koslo), der von seinem Arbeitgeber, dem Großindustriellen Arnold Teague (Peter Boyle) dort ausgesetzt wurde.

Und hier setzt der Teil des Plots ein, den ich aus heutiger Sicht interessant finde: Arnold Teague ist Boss des internationalen Riesenkonzerns IXL und seine Selbstbeschreibung wäre vermutlich „Wissenschaftsskeptiker“. Er glaubt nämlich nicht an die Berechnungen der Wissenschaftler, dass die Erde verbrannt werden würde und sieht seine Chance gekommen. Wenn die HELIOS-Mission fehlschlägt, wären alle Menschen der Welt überzeugt, das Ende wäre nahe. IXL könnte alles in seinen Besitz bringen, weil jeder alles verkaufen würde. Wenn der Megaflare – im Film auch die „Starfire-Theorie“ genannt, daher der Titel des Films – dann nicht eintritt und sich das Leben auf der Erde wieder normalisiert, würde IXL quasi der ganze Planet gehören. Und das auch noch völlig legal. Aber dazu muss HELIOS ein Fehlschlag werden. Teague beauftragt seinen Handlanger Borg (Dorian Harewood), der  genetisch modifizierten Alex Noffe (Annabel Schofield), die auf der HELIOS arbeiten soll, ein Gerät zu implantieren, mit der man sie wie einen ferngesteuerten Roboter lenken kann.  Die Besatzung der HELIOS hat dann auch alle Hände voll zu tun, als es während des Flugs zur Sonne zu verschiedenen „Zwischenfällen“ kommt. Noffe versteht es dabei gut, ihre Spuren zu verwischen und den Verdacht auf den für die Ra-Sonde vorgesehenen Piloten Ken Minami (Tetsuya Bessho) zu lenken.

Wer jetzt neugierig geworden ist auf den Film, er ist auf DVD noch erhältlich. Mir geht es aber um etwas anderes: Arnold Teague, den „Wissenschaftsskeptiker“. Ich muss zugeben, dass ich den Film, als ich ihn damals, Anfang der 1990er Jahre zum ersten Mal sah, sehr spannend fand, aber die Figur von Teague ziemlich übertrieben. Welcher Mensch, der bei klarem Verstand ist, würde daran zweifeln, dass „Starfire“ eintritt, wenn selbst sein eigener Wissenschaftler Haas irgendwann davon überzeugt ist? Allerdings gab es damals die Debatte um den Klimawandel noch nicht. Und da sollte ich eines besseren belehrt werden.

„Starfire“ basiert auf dem Buch Kuraishisu niju-goju nen des japanischen Autors Takeshi Kawata. Ich weiß nicht, wie stark die einzelnen Komponentn aus dem Roman stammen, aber entweder Kawata selbst oder die Drehbuchautoren Joe Gannon und Crispan Bolt haben es geschafft, die Ignoranz eines Mannes gegenüber der Wissenschaft auf den Punkt zu bringen. Und sogar der Grund, warum Teague die Wissenschaftler in Zweifel zieht, der mir damals etwas weit her geholt schien, ist bei genauerer Betrachtung gar nicht so abwegig. Im Gegenteil, er ist nach heutigen Maßstäben sogar recht realistisch (darauf bezogen, dass es tatsächlich Menschen gibt, die genau das glauben, auch wenn der Hintergrund himmelschreiender Blödsinn ist) . Als Teague den jungen Mike Kelso gefangen hat, erklärt er gegenüber diesem, dass „Starfire“ nicht kommt wird, weil Nostradamus (!!) gesagt hat, die Erde wird erst untergehen, wenn gewisse andere Zeichen eingetreten sind (man hätte auch darauf eingehen können, dass Nostradamus‘ angebliche Prophezeiungen bis ins 38. Jahrhundert reichen, die Menschheit also nicht 2050 untergehen kann, aber das sind Kleinigkeiten). Ein gestandener Großindustrieller zieht die Erkenntnisse der Wissenschaftler der Erde in Zweifel, weil ein französischer Arzt im 16. Jahrhundert eine Reihe von verworren geschriebenen Vierzeilern herausgebracht hat. Damals musste ich über diese Prämisse lachen. Mittlerweile ist mir das Lachen vergangen.

Denn inzwischen ist aus dem „Starfire“ in der Realität ein „Earthfire“ geworden: der Klimawandel, der von 97 % der Wissenschaftler als real und menschengemacht angesehen wird. Und auch hier melden sich die Arnold Teagues unserer Zeit zu Wort, die so genannten „Wissenschaftsskeptiker“. Ihre Argumente ähneln denen von Teague dabei sehr stark. Zum Teil könnten Aussagen von Teague im Film eine Zusammenfassung der Argumente der Klimawandelleugner sein. Wissenschaftler, so räsoniert der Vorstandsvorsitzende von IXL, hielten sich für was besonderes und dabei ändern sie doch ihre Theorien wie der Wind. Was Teague, wie so manche andere Menschen auch, übersieht, ist der Umstand, dass das nicht willkürlich passiert. Auch gibt es kaum Wissenschaftler, die ihre Theorien von vornherein als unumstößlich Wahrheiten verbreiten. Die Theorien müssen durch relevanten Forschungen bestätigt sein. Dabei kann es sein, dass im Laufe der Zeit Teile einer Theorie durch Forschungsarbeit widerlegt wird und ein Wissenschaftler wäre ein schlechter Wissenschaftler, wenn er darauf nicht einginge und die Theorie entsprechend ändert. Was den Klimawandel betrifft, so wurden diese Anpassungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemacht und es bestätigte sich immer mehr, dass der Klimawandel menschengemacht ist und wir etwas tun müssen, wenn wir nachfolgenden Generationen die Erde nicht als Schlachtfeld der Elemente hinterlassen wollen.

Teague sieht aber auch noch in seiner so genannten „Skepsis“ eine Möglichkeit, Profit zu schlagen: Wenn alle denken, die Welt geht unter, kann ich ihre Häuser, Grundstücke, Waren oder was auch immer billig aufkaufen und bin dann der Herrscher der Welt. Genau das gleiche erleben wir derzeit: Wann immer versucht wird, höhere Umweltstandards einzuführen, gibt es jene, die aus Angst um ihren Profit dagegen sind. Und mit TTIP sollen solche Standards durch die Hintertür ausgehebelt werden: Ein Konzern, der seinen Profit in Gefahr sieht, soll einen Staat verklagen können. Wir sehen das heute schon bei den Stromkonzernen, die Deutschland wegen des Atomausstiegs verklagen. Dass auf der anderen Seite die fortschreitende Umweltzerstörung aber letztlich irgendwann dazu führen wird, dass es nichts mehr gibt, mit dem man Profit machen könnte, wird von den Teagues der Gegenwart gerne ausgeblendet. „Teague setzt darauf, dass ‚Starfire‘ nicht kommen wird“, umschreibt Haas während des Films den Standpunkt des Großindustriellen. Und mehr ist es auch in der Gegenwart nicht: Nichts, was sich auf Fakten oder Forschung gründet, es ist ein „darauf setzen“, ein Wetten, ein Spielen. Russisches Roulette mit der ganzen Welt.

Vieles, was die „Klimaskeptiker“ vorzubringen haben, ist argumentativ nicht besser als Teagues Gerede von Nostradamus. Und ja, tatsächlich ist viel Religiöses oder Pseudo-Religiöses dabei. Mich hat es zum Beispiel sprachlos gemacht, als Bewohner einer Südsee-Insel, die komplett im Meer versinken wird, wenn die Ozeane ansteigen, ihr Unverständnis über die Situation so zum Ausdruck brachten: Gott habe doch in der Bibel versprochen, es gäbe keine Sintflut mehr. Deswegen habe er doch den Regenbogen geschickt. Das bezieht sich auf die Geschichte von Noah und der Sintflut, an deren Ende Gott tatsächlich das Versprechen gibt, dass es keine Flut mehr geben wird. Den Regenbogen erfindet Gott dann als Zeichen seines Versprechens.

Aber der Regenbogen wird die steigenden Meere nicht aufhalten. Das Schlimme ist: Der Mensch offensichtlich erstmal auch nicht mehr, seit die Antarktis des Kipppunkt überschritten hat und ihr Eisschild rapide abschmelzen wird. Die Zeichen des Klimawandels werden langsam aber sicher immer deutlicher. Das Problem ist: Die letzten „Skeptiker“ werden erst überzeugt sein, wenn das Klimachaos da ist. Und dann ist es zu spät.

Deswegen wird es Zeit, den Arnold Teagues unserer Zeit die rote Karte zu zeigen. Endgültig. Dazu kann man sogar ein Zitat aus „Starfire“ abwandeln, das der Wissenschaftler Haas sagt, als er eindringlich an Teague appelliert:

„Es gibt keinen Zweifel: ‚Earthfire*‘ wird kommen! Die Umweltschutz-Mission**, selbst wenn der Risikofaktor enorm ist, sie kann glücken!“

 

* im Original-Zitat „Starfire“
** im Original-Zitat „Ra-Mission“

AMAZON-Bashing – mal ein paar andere Gedanken

Deutsche Schriftsteller sind sich sicher: AMAZON manipuliert die Ranglisten. Und woher wissen die das? Ein Beweis dafür wurde, soweit ich das mitgekriegt habe, nicht vorgelegt, stattdessen wird nun eine Aktion gestartet, ein offener Brief, den einige bekannte deutsche Autoren (als Kopie einer Aktion, die ursprünglich von amerikanischen Autoren gestartet wurde) mit unterzeichnet haben, darunter Günther Wallraff. Tenor: AMAZON ist das BÖSE! Mir ist diese Schwarz-Weiß-Malerei zu einfach, deswegen hier ein paar Links zu Gegengedanken:

Den Kritikern geht es nicht wirklich um das Produkt „Buch“, sondern um ein elitäres Vorrecht, dass sie seit der Erfindung des Buchdrucks immer wieder vehement verteidigen: zur einflussreichen Bildungs- und Kulturelite zu gehören.“
Brasch & Buch: „Na, heute schon Amazon gebasht?“

„Verlagsgruppen wie Bonnier sind in erster Linie Wirtschaftsunternehmen. Sie haben sich nicht der Förderung der Kultur verschrieben, sondern der Produktion gewinnversprechender Texte. Sie stellen Konsumgüter mit Aussicht auf ein wirtschaftliches Plus her. Zufällig (!) handelt es sich dabei um Bücher, und Bücher haben einen hohen emotionalen Wert.“
Erase and Rewind: „Moral und Gewinne: Amazon mal wieder“

Bei dem letzten Text möchte ich auch noch auf einen Kommentar in der Spalte darunter verweisen, in dem ein Kommentator, der offenbar mal in der Verlagsbranche gearbeitet hat, darauf hinweist, dass die Verlage um keinen deut anders handeln als Amazon selbst:

„Das sind mindestens so knallharte Herren, wie die von Amazon, wenn es um ihre Konditionen und – um die jährliche Rendite – geht. (…) Das sollte also bitte berücksichtigt werden, wenn sich ausgerechnet die Bonnier Gruppe als Lämmchen darzustellen versucht, das auf dem unmenschlichen Altar von Amazon geschlachtet werden soll.“
– Kommentator Vilber (den ganzen Kommentar siehe hier)

Der offene Brief soll kommende Woche veröffentlicht werden. Mal sehen, was dann noch folgt…

 

Das Leben imitiert die Kunst (mal wieder): „MAD“, der rauchende Rentner aus Düsseldorf und die Medien

Manchmal finde ich es erschreckend, dass sich nach Jahrzehnten der Erkenntnis immer noch nichts ändert. Keine Ahnung, warum das so ist. Vielleicht, weil man es schon immer so gemacht hat.

Quelle: MAD Nr. 94
Quelle: MAD Nr. 94

Der Grund für diesen Artikel findet seinen Ursprung Mitte der 1970er Jahre, vermutlich im Jahr 1975. Leider habe ich keine genaueren Angaben finden können, anhand der Zahl mutmaße ich aber, dass die Nummer 94 des Magazins „Deutsches MAD“ entweder 1975 oder 1976 erschienen sein muss. In dieser Ausgabe gab es einen satirischen Artikel über die Presse in Deutschland. Eigentlich sollten Presseberichte doch neutral, das ist der Aufhänger, und anhand der fiktiven Zeitungen „Der Ausblick“ und „Die Rückschau“ wird gezeigt, dass das eben nicht so ist. Die Zeitungen werden gegenüber gestellt und berichten im Grund über exakt die gleichen Dinge, nur ist „Der Ausblick“ eben fortschrittlich und „Die Rückschau“ konservativ – und entsprechend ist der Tenor der Artikel.

Quelle: MAD Nr. 94
Quelle: MAD Nr. 94

Selbst etwas so harmloses wie der Abriss eines Hauses wird einmal als gelungene Sanierung gefeiert und auf der anderen Seite als Zerstörung eines Kulturguts verteufelt. Und die Erhöhung des Preises der Zeitung wird beim „Ausblick“ als soziale Errungenschaft gefeiert, die den Arbeitern zugute kommt, während die „Rückschau“ hemmungslos über die gierigen Gewerkschaften herfällt, die die Arbeitgeber zur Annahme einer Lohnerhöhung von 5% nötigten.

Natürlich ist mir klar, dass es das immer noch gibt. Allerdings ist es mir bisher eher immer bei politischen Themen aufgefallen, also dort, wo eine politische Agenda verfolgt wird (und man kann auch immer ganz gut voraussagen, welche Zeitung – beziehungsweise welche Verlagsgruppe – welche Position einnimmt). Mittlerweile scheint es aber Formen anzunehmen, bei denen ich nur den Kopf schütteln kann, indem alles irgendwie politisiert wird. Konkret kann man das an dem Urteil über den rauchenden Rentner aus Düsseldorf sehen.

Ich versuche mal, so neutral wie möglich zusammenzufassen, was passiert ist: Einem Rentner aus Düsseldorf wurde die Wohnung gekündigt, weil er in der Wohnung rauchte, der Rauch ins gemeinschaftliche Treppenhaus abzog und dort die Nachbarn belästigte. Ein Gericht in Düsseldorf hat nun bestätigt, dass die Kündigung rechtens ist. Zwar kann man einem Menschen das Rauchen in seiner eigenen Wohnung nicht verbieten, aber der Mieter müsse darauf achten, dass die Nachbarn nicht belästigt werden. Man merke wohl: In DIESEM SPEZIELLEN FALL hat ein Gericht entschieden, dass die Belästigung der Nachbarn höher einzuschätzen ist, als das Gewohnheitsrecht des Rentners.

Doch auf einmal ist die Rede von einem „richtungsweisenden Urteil“. Wieso? Es galt doch auch vorher schon, dass ich meine Wohnung riskiere, wenn ich irgendetwas mache, das zur Belästigung der Nachbarn führt (Lärm, Müll abladen). Und das Rauchen in der eigenen Wohnung bleibt doch unangetastet, es geht lediglich darum, dass IN DIESEM SPEZIELLEN FALL die Nachbarn sich belästigt gefühlt haben. Damit nicht genug. Heute früh habe ich in der Presseschau des Deutschlandfunks die Kommentare von mehreren Zeitungen zu der Sache gehört. Speziell bei zwei Zeitungen wurde ich hellhörig, denn sofort fühlte ich mich an das MAD-Heft Nr. 94 erinnert.

Die rechts-konservative „Welt“ kommentiert: „Nach dem Rauchverbot in Kneipen und Restaurants ist das ein weiterer Schritt zur Diskriminierung der Menschen, oft aus der Unterschicht, die in die schöne neue Welt junger, gesunder, erfolgreicher und wohlriechender Menschen nicht passen. Dem Spießertum der Vermieter und der Gesundheitsfanatiker begegnet man aber nicht, indem man es verbietet, sondern vor allem, indem man das Wohneigentum fördert. Das hilft zwar Herrn A. nicht, aber wie man hört, hat er viele Angebote erhalten, anderswo zu rauchen. So muss es sein, Liberté toujours!“

Die links-liberale „taz“ meint hingegen: „Nein, das ist keine Grundsatzentscheidung darüber, ob jemand in seiner Wohnung rauchen darf oder nicht. Auch wenn der Fall dazu hochstilisiert wird. Denn darum geht es wirklich: Um die Umwandlung einer wenig lukrativen Mietwohnung in einen teuren Büroraum. Mit Eigenbedarf kann man da schlecht kommen. Also suchte die Vermieterin nach einer Möglichkeit, um den fünfundsiebzigjährigen Friedhelm A. nach mehr als 40 Jahren aus seiner kleinen Parterrewohnung zu vertreiben. Und sie fand einen Weg. Der starke Tabakkonsum ihres Ex-Hausmeisters war ein willkommener Vorwand, um den Mieterschutz auszuhebeln. Dass sie mit ihrer Räumungsklage nach dem derzeitigen Stand Erfolg hat, ist deshalb eine schlechte Nachricht nicht speziell für Raucher, sondern für alle Mieter.“

Beim Kommentar der „Welt“ muss ich sagen: Geht’s eigentlich noch eine Nummer größer? Von der Kündigung der Wohnung eines Rauchers wegen der Geruchsbelästigung für andere Mieter darauf zu schließen, dass man Wohneigentum mehr fördern soll, damit einen die „Gesundheitsfanatiker“ und „Spießer“ (ausgerechnet die „Welt“ benutzt dieses Wort!) in Ruhe die eigene Bude vollqualmen lassen, ist schon ein gewaltiger Sprung. Mal ganz davon abgesehen, dass der Rentner auch Probleme bekommen hätte, wenn seine Wohnung eine Eigentumswohnung gewesen wäre. Eigentum sagt nicht, dass man dann die Nachbarn belästigen darf. Insofern geht dieses hochgesteckte Argument an der eigentlichen Sache vorbei, erfüllt aber voll und ganz den Zweck, den „Gesundheitsfanatikern“ eins mitzugeben. Übrigens, liebe „Welt“, wenn man sich schon gegen „Diskriminierung“ echauffiert, sollte man vielleicht das Wort „Unterschicht“ vermeiden, das ist nämlich genauso diskriminierend.

Aber auch die „taz“ produziert eine gewaltige Fallhöhe: Nicht die Sorge um die Gesundheit der anderen Mieter, sondern der Blick auf den eigenen Geldbeutel treibe die Vermieterin an. Sie wolle seine Wohnung in Büroräume umwandeln und ihn deswegen raushaben. Dann liegt da wohl eine Verschwörung, oder wie kommt es dann zustande, dass Zeugen die Geruchsbelästigung und die mündlichen Abmahnungen, die der Rentner bekommen habe, bestätigen? Außerdem bestätigt der Kommentator zuerst, dass das Urteil „hochstilisiert“ werde, um es dann selbst hochzustilisieren: Zu einem Angriff auf den Mieterschutz. Dazu taugt das Urteil aber nicht, denn es ist ein Einzelfall. Wenn morgen der nächste Vermieter klagt, weil ein Mieter durch sein exzessives Rauchen zu einer Geruchsbelästigung wird, wird dieser Fall völlig neu verhandelt werden. Und wie ich schon schrieb: Belästigung anderer Mieter – egal durch was – war ja schon immer ein Grund, die Wohnung gekündigt zu bekommen.

Also was bleibt von rechts-konservativer und links-liberaler Empörung? Eigentlich nichts, denn beide schießen übers Ziel hinaus. Zwar mag man sagen, das sind Kommentare, die dürfen auch mal polarisieren. Ja, aber Kommentaren tut es auch gut, wenn sie unaufgeregt daher kommen, besonders bei Themen, die nicht ganz so groß sind, wie man glaubt. Die ständige Aufgeregtheit ist es doch, die die Leser abstumpfen lässt, so dass sie sich dann, wenn es einen Grund für Aufregung gibt, eben dies nicht mehr tun. Und wenn die Kommentare sich so aufplustern wie in diesem Fall, dann wirkt es völlig daneben, vor allem, wenn wie im Fall der „Welt“ große gesellschaftliche Zusammenhänge hergestellt werden. Wir brauchen kein Friedhelm-A.-Wohnungsbau-Förderprogramm durch die deutsche Bundesregierung und auch der Mieterschutz wird durch ein Einzelfallurteil nicht ausgehebelt.

Mad Nr. 94 erschien 1975 oder 1976. Man stelle sich vor, das ist fast vierzig Jahre her. Geändert hat sich seit damals… nichts. Im Gegenteil. Traurig.

 

Disclosure: Quelle für die Kommentare ist dieser Beitrag im Deutschlandfunk, die Kommentare selbst entstammen der Zeitung „Die Welt“ und der „taz“. Ob die Kommentare bei den jeweiligen Zeitungen auch online zu lesen sind oder nicht, weiß ich nicht. Eine Verlinkung auf Presseerzeugnisse erfolgt in diesem Blog seit der Einführung des so genannten „Leistungsschutzsrechts“ generell nicht mehr, mit der Angabe der Namen der entsprechenden Zeitungen ist der Quellenangabe genüge getan, Links sind dazu nicht nötig. Wer die Originalartikel lesen möchte, bemühe bitte eine Suchmaschine seiner Wahl.  

Als ich den Artikel gestern las, hätte ich nie gedacht, dass es auch diese Dinge über die Fußball-WM zu erfahren gibt! Schockierend!

Herzlich willkommen zum zweiten Teil des Experiments „Reißerische Überschriften, die Leute anlocken sollen“. Na, auch aufgeregt über den Werbe-Artikel von gestern? Aber bitte, das ist doch kein Grund zum Aufregen. Jeder springt im Moment auf den Zug auf. Ist doch kein großes Ding.

Soll ich Euch sagen, was ein Grund zum Aufregen ist? Obwohl, nein, besser ist es, Euch zu zeigen, worüber Ihr Euch bei der WM aufregen sollt. Ich bin selbst kein Fußballfan, war ich noch nie, aber die WM hat mich als Kind doch immer gefangen genommen. Mit allem, Sammelbilder und so. Aber wie ich jetzt erfahren musste, war es schon damals nicht unbedingt das „nette Fußballfest“, als das es heute immer noch verkauft wird.

Und das ist es, worüber sich das Aufregen lohnt. Mehr Details gab es vor drei Tagen bei Max Uthoff und Claus von Wagner in der Satire-Sendung „Die Anstalt“. Habt Ihr knapp eine Stunde Zeit? Es lohnt sich. Die ganze Sendung kann man hier anschauen.

Und dann wisst Ihr, worüber Ihr Euch aufregen sollt!

„America the Ugly“ – ein Softdrinkwerbespot spaltet „God’s own country“

War was? Ach ja, Superbowl. Hab ich erstmal nur am Rande mitgekriegt, da ich es nicht so mit den Ballsportarten habe. Interessanterweise wird selbst in Amerika Football hier und da kritisch gesehen wegen den exorbitanten körperlichen Schäden, die die Spieler im Lauf einer Karriere davontragen. Mein Bild vom Football ist mehr geprägt durch amerikanische Serien, in denen es immer so aussieht, als wollten Highschool-Mädchen nur eins, nämlich Cheerleader werden, während die Jungs alle Quarterback werden wollen, damit sie bei einem Cheerleader-Mädchen landen können. In der Kontroverse, die sich an der letzten Superbowl-Fernsehübertragung entzündet hat, geht es aber nicht um Football. Nicht im geringsten.

Es geht um einen Werbespot. Die Werbespost zum Superbowl sind besonders gemacht und das müssen sie auch sein: Die Fernsehsender verlangen Mondpreise für eine halbe Minute Sendezeit (wir reden hier nicht von zehn- oder hunderttausenden Dollars, wir reden von Millionen!). Entsprechend einprägsam und aufwändig werden die Werbespots gestaltet. So auch der Spot von Coca-Cola. Damit das geneigte Lesepublikum weiß, wovon ich schreibe, machen wir gerade mal eine kleine Werbepause.

Direkter Link zum Video: http://youtu.be/443Vy3I0gJs

Wer den Spot jetzt zum ersten Mal gesehen hat, wird ahnen, was das Blut von – hauptsächlich konservativen – Amerikanern zum Kochen bringt: Das Lied „America the Beautiful“ – was manche Amerikaner als „zweite Nationalhymne“ betrachten – wird nicht nur in Englisch, sondern auch in anderen Sprachen, unter anderem Spanisch und Arabisch, gesungen. Nun ist der ganze Spot natürlich so extrem patriotisch gestaltet wie Coca-Cola süß ist, mit dem entsprechenden Pathos, aber die Bildzusammenstellung und der Gesang passen den Konservativen nicht. Es wird also in fremden Sprachen gesungen und es werden unterschiedliche Menschen gezeigt darunter – Gott bewahre! – ein anscheinend schwules Pärchen.

Die Reaktionen darauf stiegen in Twitter auf, wie Bläschen in einer gerade geöffneten Cola-Flasche, Reaktionen, die einen permanentes Kopfschütteln verursachen konnten. „Un-amerikanisch“ sei der Werbesport, „Mexikaner, Terroristen, Juden und Nigger“ (man beachte die Zusammenstellung und Wortwahl) seien „keine Amerikaner“, in so einem Werbespot solle man „Amerikanisch“ (jep!) sprechen und nicht wenige kündigten an, nie wieder Coca-Cola zu trinken (täte mich interessieren, was die beim nächsten Besuch im McDonald’s machen). Wer seinen Kopf jetzt noch nicht genug geschüttelt hat, dem empfehle ich diesen Beitrag: „Speak English! Racist revolt as Coca-Cola airs multilingual ‚America the Beautiful‘ SuperBowl Ad„.

Etliche regten sich auch über das gezeigte schwule Pärchen auf. Das hat eine besondere Note, diejenige, die den Text von „America the Beautiful“ geschrieben hat, Katherine Lee Bates, hat jahrelang mit einer anderen Frau zusammengelebt. Man muss hier zwar vorsichtig sein, denn das ganze ereignete sich im 19. Jahrhundert, das heißt, offen eine lesbische Partnerschaft zu leben war nicht nur schwierig, sondern schlichtweg unmöglich. Dennoch gibt es Anzeichen, dass die Verbindung zwischen Katherine Lee Bates und der anderen Frau, Katharine Coman, mehr war als eine platonische Beziehung.

Besser ausdrücken kann es natürlich Colbert vom „Colbert Report“:

The Colbert Report
Get More: Colbert Report Full Episodes,Video Archive

Direkter Link zum Video: http://www.colbertnation.com/the-colbert-report-videos/432753/february-03-2014/coca-cola-s-diverse–america-the-beautiful–ad

Okay, noch nicht genug der Idiotie gehabt? Dann hab ich noch was: Zum zweiten Mal in Folge lehnte das Fernsehen das Ausstrahlen eines SodaStream-Werbespots während des Superbowl ab. Der Grund: Die – wesentlich zahlungskräftigeren – Sponsoren Coca-Cola und Pepsi werden darin angegangen. Letztes Jahr sollte gezeigt werden, wieviel Plastik sich einsparen ließe, wenn die Menschen ihre Getränke selbst sprudeln, was natürlich ein direkter Angriff auf die Wegwerf-Plastikflaschen der beiden Getränkekonzerne war. Und dieses Jahr… nun, seht selbst:

Direkter Link zum Video: http://youtu.be/zxq4ziu-wrI

Ja, der Grund für die Ablehnung sind vier Worte: „Sorry, Coke and Pepsi.“ Was mich sehr wundert, da ich schon Werbespots gesehen habe, in denen sich Coke und Pepsi gegenseitig auf schlimmere Art und Weise fertig gemacht haben.

Aber ich muss das alles, was ich in diesem Beitrag beschrieben habe, nicht verstehen. Ich bin ja auch nur ein Mensch.

Bitte gehen Sie jetzt weiter! Es gibt hier nichts mehr zu sehen!

„Sogar meine Mama findet Dich toll“ – Der Kampf eines Singles an mehreren Fronten

– Es ist symbolisch für unser Ringen gegen die Unterdrückung!
– Symbolisch für sein Ringen gegen die Realität.

Zwei Revoluzzer der „Volksfront von Judäa“ in „Das Leben des Brian“. Sie könnten auch von der „Bertelsmann-Stiftung“ reden…

Die wirren Gedanken, die diesen Artikel formen, schwirren mir schon länger im Kopf herum, weil ich es nämlich so langsam satt habe. Der berühmte „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, war eine Studie der von der Muffe gepufften Bertelsmann-Stiftung über eine angeblich „zukunftsfähige“ Rente. Die „geniale“ Idee dieser Menschen, die sonst offenbar keine Probleme haben, ist die, dass die Höhe der Rente von der Kinderzahl abhängt. Wer drei und mehr Kinder hat, kriegt die reguläre Rente, darunter gibt’s Abschläge. Wer keine Kinder hat, soll bitte schön leise verhungern.

Der widerliche Gedankengang hinter diesen offenkundig kleingeistigen Plänen ist der, dass es nur eine Sorte von „Kinderlosen“ gibt: Asoziale Volksschädlinge, die sich gegen Kinder entscheiden, weil sie zu faul oder zu geizig oder beides sind, um Kinder groß zu ziehen. Das brachte meine Hutschnur zum Reißen und gab den Inititalfunken, um diesen Artikel endlich zu schreiben.

Im Gegensatz zur schwarz-weißen „böse Kinderlose“-und-„gute Kinderreiche“-Welt der Bertelsmann-Stiftung gibt es nämlich einen bunten Strauß an Variationen auf beiden Seiten. Es gibt sicherlich gute Gründe, bewusst eine Familie mit Kindern zu gründen. Darum geht es in diesem Artikel nicht, deswegen lassen wir die außen vor. Es gibt sicher auch gute Gründe, sich als Paar bewusst dagegen zu entscheiden, Kinder zu bekommen in der heutigen Gesellschaft. Auch darum geht es in diesem Artikel nicht, die lassen wir deshalb auch außen vor. Es gibt Paare, die gern Kinder bekommen würden, doch es funktioniert nicht. Es gibt Paare, die gern Kinder adoptieren würden, doch sie dürfen aus verschiedensten Gründen nicht. Um alle diese Varianten geht es auch nicht, also lassen wir sie auch außen vor. Für sich genommen würde jeder dieser Komplexe einen eigenen Artikel oder gar eine Artikelreihe ergeben. Doch das will ich – im Gegensatz zu gewissen Stiftungen – denen überlassen, die da mehr Ahnung haben.

Mir geht es um eine ganz bestimmte Gruppe der „Kinderlosen“: der ungewollte Single.

Ich habe schon unglaublichen Schwachsinn von Politikern und irgendwelchen Lobbyisten gehört. Dass ich ein Luxusleben führe und mich nicht zu beklagen habe. Dass ich (höchstpersönlich) die Rentenversicherung kaputtmache. Dass ich mir meinen Ruhestand auf Kosten von anderen vergolden lasse (ja klar, und meine Lieblingsbeschäftigung ist auch, am Freitag den Oberstufenschülern am Gymnasium aufzulauern und sie zu beschimpfen: „Haha, Du Schwachmat wirst irgendwann mal meine Rente zahlen müssen, obwohl ich keine Kinder habe!“). Und jetzt die Bertelsmann-Stiftung, die unverhohlen diskriminierend daherkommt.

Und jedes Mal, wenn ich sowas höre, ärgere ich mich. Denn ich bin nicht freiwillig in der Situation, es hat sich so ergeben. Jedes Mal möchte ich dem Dummschwätzer, der solche Parolen von sich gibt, ins Gesicht brüllen:

– Komm, leck Dich doch selbst am A****…

Monty Python: „Die Ritter der Kokosnuss“

Die sich vermutlich sehr toll vorkommenden Befürworter einer solche „Gebärprämie“ sind dem Wahnwitz verfallen, dass jeder, der ernsthaft einen Partner haben möchte, auch einen kriegt. Das gleicht dem Wahnwitz, dass jeder, der Arbeit will, auch welche bekommt. In beiden Fällen wird völlig ausgeblendet, dass es auch äußere Umstände gibt, die das ganze beeinflussen. Dass es nun mal Menschen gibt, die nicht zueinander passen. Und dass die Partnersuche aus verschiedenen Gründen immer schwieriger wird.

In meinem speziellen Fall, das muss ich leider so einsehen, spielt das Alter eine große Rolle. Ich bin Anfang 40 und gehöre einer kleinen Gruppe unserer Bevölkerung an: die „echten Singles über 40“, das heißt, ich war noch nie verheiratet und habe auch keine Kinder. Ich hatte ein paar Beziehungen, aber die sind bisher immer in die Brüche gegangen. Um die folgenden Punkte darzulegen, werde ich das ganze jetzt komplett aus meiner Warte schreiben, das heißt, da ich heterosexuell bin, werde ich nur noch von Frauen statt neutral von „PartnerInnen“ schreiben.

Was hat es nun mit dieser „echten-Single“-Sache auf sich? Natürlich kann einen eine Trennung von einem Partner, mit dem man nicht verheiratet war, auch auf eine besondere Weise prägen, aber eine Scheidung ist nochmal ein ganz anderes Kaliber. Nicht nur, dass man sich von dem Mensch trennt, mit dem man eigentlich Rest seines Lebens verbringen wollte, es kommt auch noch zu juristischen Auseinandersetzungen. Möglicherweise müssen gemeinsam angeschaffte Sachen irgendwie getrennt werden, Anwälte wollen bezahlt sein und so weiter. Geschiedene sind deswegen gern etwas vorsichtiger, sich nochmal festzulegen auf einen Partner. Und mehrfache Hochzeiten und Scheidungen erlebt man in der Regel auch nur bei den Menschen, die sich das überhaupt leisten können.

Das heißt, schon von den nüchternen Zahlen her betrachtet ist die Menge an Menschen, die nicht aufgrund von Scheidungserfahrungen irgendwelche Vorbehalte gegen eine neue Beziehung haben, geringer als vor zehn oder zwanzig Jahren. Die Zahl verringert sich sogar noch weiter, denn in dem Alter, in dem ich bin, gibt es noch dazu etliche Frauen, die zwar nie verheiratet waren, sich aber sagen: „Jetzt habe ich X Beziehungen gehabt, es funktioniert einfach nicht, ich lasse es bleiben.“

Also, was tun? Um die Anzahl zu erhöhen, aus dem eng gesteckten Altersrahmen ausbrechen? Nein, keine so tolle Idee. Das hat zwar schon immer gegolten, aber in der modernen Zeit gilt es mehr den je: Wenn der Altersunterschied zu groß ist, verursacht das Probleme. Schon neun oder zehn Jahre können eine komplett andere Generation sein. Man ist völlig anders aufgewachsen und oft fällt es gerade dem jüngeren Partner schwer, für den älteren Verständnis aufzubringen. Da spielt nämlich noch etwas mit: der ältere Partner (vor allem wenn der Altersunterschied recht groß ist) bringt mehr Lebenserfahrung mit, was der jüngere oft nicht nachvollziehen kann. Die Entscheidungen des älteren sind oft geprägt von vielfältig gemachten Erfahrungen, während der jüngere „einfach mal ausprobieren“ möchte. Nun ist „einfach mal ausprobieren“ per se nichts schlechtes, aber auch hier schlägt die fortgeschrittene Erfahrung zu: Manche Sachen möchte man nicht „einfach mal ausprobieren“, vielleicht weil man sich erinnert, was für ein Kampf das Ausprobieren das letzte Mal war und man froh ist, dass es vorbei ist. Jüngere Partner neigen dazu, so genannte „Herausforderungen“ übertrieben positiv zu sehen und dass sie was bringen können, selbst wenn es schiefgeht. Der erfahrene Partner sieht, dass das einzig Positive der Umstand ist, dass er jetzt weiß, dass er sowas nie wieder machen möchte. Er hat seine Erfahrung schon.

Doch gemach – wie kann man überhaupt Frauen kennenlernen? So genannte „Flirtexperten“ raten einem dazu, immer und überall Ausschau zu halten und Frauen anzusprechen, selbst im Supermarkt oder bei einer sonstigen zufälligen Begegnung. Tolle Idee. Viele Menschen stehen beim Einkaufen unter einem gewissen Stress, die finden es bestimmt toll, von irgendeinem Typem angequatscht zu werden, wenn sie gerade darauf konzentriert sind, ihren Einkaufswagen mit Dingen anzufüllen, die auf ihrer Einkaufsliste stehen und am Schluss nichts vergessen ist.

Also Internet? Die Mitgliedschaft in Singleportalen, die angeblich gut sind, ist teuer. Richtig, richtig teuer. Und was kriegt man für sein Geld? Keine Ahnung. Zwar gibt es immer wieder Berichte von unabhängigen Testern, aber ganz ehrlich: In meinem ganzen Bekanntenkreis gibt es nicht eine einzige Person (egal welchen Geschlechts), die ihren Partner über eine kostenpflichtige Singlebörse kennengelernt hat.

Aber Rettung naht, es gibt ja auch noch die (nahezu) kostenlosen Singlebörsen. Und was bringen die? Na ja, zum Beispiel sowas:

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Und das ist die erste Nachricht überhaupt, die ich von „Samanta“ bekommen habe. Also, aus meinem Profil und einer kurzen Nachricht von mir weiß „Samanta“ schon, dass sie ihren Traummann in mir gefunden hat und sogar ihre Mama findet mich toll? Was ich da ausgeschwärzt habe, ist übrigens die Webseite eines kostenpflichtigen Singleportals. Und das ist die Masche, auf die man hier häufig trifft, der Versuch, die Singles zu einem Zahlportal zu ziehen. Tatsächlich war das Profil von „Samanta“ schon gelöscht, als ich die Nachricht überhaupt erstmal gelesen habe (ich sitze nicht pausenlos vor dem Computer, weil ich denke, dass ja Nachts um 4:12 Uhr die Nachricht von meiner Traumfrau kommen könnte). Und ich frage mich: Gibt es tatsächlich Männer, die auf einen so plumpen Trick reinfallen?

Nun mag der eine oder die andere sagen, hey, mit solchen Leuten muss man da rechnen, aber man darf nicht aufgeben! Okay, versuch ich es nochmal: Hallo, Andrea!

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Na, aber das tu ich doch gern, wenn man schon so freundlich angeschrieben wird. Ich schreibe ihr also noch eine Nachricht mit ein paar Dingen über mich und frage sie etwas zu den Hobbies in ihrem Profil. Ihre Antwort:

bd-andrea02

 

 

Der geneigte Leser möge nun bei folgendem Ratespiel mitmachen: Was ist es wohl, das ich da zwischen den Smileys quasi zensiert habe?

  1. Ein Kompliment über meine sexuelle Leistungsfähigkeit.
  2. Ihre Mama findet mich toll.
  3. Ort und Zeit, wann und wo wir uns treffen sollen.
  4. Die URL eines kostenpflichtigen Singleportals und ihren angeblichen Benutzernamen dort

Wenn der geneigte Leser 1, 2 oder 3 als Antwort favorisiert, hat er wohl immer noch nicht verstanden, worum es in diesem Artikel geht. 4 ist natürlich richtig. Ich habe keine genaue Statistik geführt, aber ich schätze, dass 98 % aller Antworten, die ich bekommen habe, so oder so ähnlich aussehen.

Bei einem anderen Singleportal, wo nur die erste Nachricht kostenlos verschickt werden konnte (und schon die Antwortmöglichkeit musste mit Geld freigeschaltet werden), bekam ich immer wieder Nachrichten von Frauen, bei denen ich feststellte, dass unterschiedliche Frauen total identische Nachrichten schrieben, sogar mit den gleichen Rechtschreibfehlern. Da draußen betreibt also jemand einen gewissen Aufwand, um Singles das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Das alles frustriert. Auf „herkömmlichen“ Weg funktioniert es nicht, im Internet funktioniert es nicht, und alles das kommt mir in den Sinn, wann immer ein Politiker seine Visage in eine Kamera hält und über die Singles als ganzes herzieht oder so grandiose Vorschläge macht wie die Bertelsmann-Stiftung. Es herrscht der Irrglaube, dass man einfach mehr Druck machen muss auf die Singles. Für manche sind wir aber auch einfach der Buhmann und dienen dazu, dass Familienmenschen sich überlegen fühlen können. Dass „die Singles“ keine heterogene Gruppe sind – geschenkt. Darüber denkt man nicht von 12 Uhr bis zum Mittagsläuten. Komischerweise verteufeln etliche Politiker das Internet, weil man seine Meinung da äußern kann, indem man sich hinter einem Pseudonym versteckt. Dabei verstecken sich doch gerade Politiker gern hinter solchen „Studien“, he, da ist ein Missstand, seht her, ich trete dafür ein, dass man diesen Missstand beseitigt. Ja, das tu ich wohl! Ich bin der Robin Hood der Familienpolitik und verteidige die Familien gegen den Single-Sheriff von Nottingham. Der war mir schon immer suspekt.

Kalt ist’s im Skriptorium, der Daumen schmerzt mich. Ich gehe und hinterlasse dieses Schreiben, ich weiß nicht, für wen, ich weiß auch nicht mehr, worüber.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“

Und was soll jetzt dieser Artikel? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Wie ich oben schrieb, geisterte die Idee schon lang in meinem Kopf herum, weil ich bei vielen Gelegenheiten diese Einseitigkeiten gesehen habe, jedes Mal, wenn „die Familie an sich“ über den grünen Klee gelobt wird, jedes Mal wenn Politiker oder so genannte „Politikwissenschaftler“ über Singles herziehen und so gar nicht verstehen wollen, wie komplex das Thema ist. Aber auf der anderen Seite: So ist es doch immer. Ich trage also wieder mal nichts Neues zum Thema bei. Aber wenigstens sind die Gedanken jetzt draußen. Vielleicht kann ich irgendwann nochmal auf das Thema zurückkommen, weil mir die Dinge etwas klarer geworden sind. Vielleicht auch nicht, vielleicht muss das Thema so chaotisch präsentiert werden, eben weil es so chaotisch ist, weil es eben nicht die eine Antwort gibt.

Da fällt mir etwas ein, dass mir im Zusammenhang mit dem Thema „unfreiwilliger Single“ passiert ist. Es handelt sich um eine Erfahrung, die mich etwas ratlos zurückließ, die aber auch in diesen chaotischen Komplex von Dingen gehört. Vor einigen Jahren war ich auf der Geburtstagsfeier eines Freundes. Dieser Freund nutzte die Feier, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen (auf eine nachgerade unverschämt romantische und phantasievolle Weise mit einem im Überraschungs-Ei versteckten Ring; manche Männer legen die Latte für alle anderen verdammt hoch). Ich – zu dem Zeitpunkt mal wieder Single – saß mit ein paar Damen am Tisch, die hin und weg waren von dem Antrag. Eine der Damen meinte, mich aufmuntern zu müssen und meinte: „Komm, wir backen Dir symbolisch eine Frau, dann findest Du auch eine! Welche ‚Zutaten‘ soll denn Deine Partnerin haben? Wie soll sie sein, was für Eigenschaften soll sie haben?“ Ich grübelte kurz und meinte dann: „Na ja, ich mag es, wenn die Frau komplett ist – also mit Hirn!“ Weit aufgerissene Augen starren mich entsetzt an, und dann sagt sie (eine Frau!) zu mir: „Also, damit schränkst Du Deine Auswahlmöglichkeiten aber ganz schön ein…“

Äh… wie bitte?

Ja, der Lanz, der kann’s… nicht!

Muss ich diesen Artikel schreiben? Eigentlich nicht. Eigentlich hat Stefan Niggemeier unter dem mit einer schönen Anspielung versehenen Titel „So mögen sie Gulaschsuppe essen: Eine Kritik der Kritik an der Lanz-Petition“ schon so viel gesagt. Fast alles, was ich zu dem Thema auch sagen möchte. Und eigentlich könnte ich hier auf Stefans Artikel verweisen und nach einem Absatz meinen Beitrag beenden, in die Welt hinausgehen, einen Baum pflanzen… oder sonst irgendwas tun, anstatt mich mit Markus Lanz zu befassen. Aber nein, das geht nicht.

Warum nicht? Das beschreibt „So mögen sie Gulaschsuppe essen“ sehr schön: Man wird offenbar weder wahr- noch ernstgenommen in der verrückten Welt des unglaublichen Qualitätsjournalismus, wenn man einfach nur sagt: „Dieser Meinung bin ich auch!“ Stefan zeigt in seinem Artikel sehr schön auf, wie etliche Vertreter der „klassischen Presse“ die Meinungsäußerung vieler Menschen diskreditieren, einfach weil sie aus nicht mehr als „Dieser Meinung bin ich auch!“ besteht. Für diejenigen, die es vielleicht noch nicht mitbekommen haben sollten: Markus Lanz hat in einer seiner Sendungen eine Gesprächssimulation zwischen ihm, dem „Stern“-Redakteur Hans-Ullrich Jörges und der Abgeordneten der „LINKEN“, Sahra Wagenknecht. „Gesprächssimulation“ deswegen, weil ein „Gespräch“ im klassischen Sinne ja daraus besteht, dass Person A eine Frage stellt und Person B diese Frage beantwortet (grob gesagt, jedenfalls). Wer sich aber Stefan Niggemeiers Niederschrift vom Lanz-Görges-Wagenknecht-Gespräch durchliest oder aber die entsprechenden Clips auf YouTube anschaut, der stellt fest, dass Lanz seine Gesprächspartnerin ständig unterbrach und komplizierte politische Sachverhalte auf so dummdreiste Fragen wie „Europa – ja oder nein?“ oder „Euro – rein oder raus?“ reduzierte.

Dem Gespräch folgte eine Welle der Empörung, denn offenbar ist das, was man da gesehen hat, nicht das, was sich viele Menschen unter einer politischen Diskussion vorstellen. Es ging soweit, dass eine Petition gestartet wurde, dass man Lanz die Sendung entziehen sollte. Die Unterzeichner dieser Petition sehen es nicht ein, warum Lanz‘ Gehalt von ihrem GEZ-Beitrag finanziert werden sollte, wenn dieser so schlechte Arbeit abliefert. Mit anderen Worten: Sie machten das, was jeder Arbeitgeber auch macht, wenn er in seinem Betrieb jemanden hat, der seinen Job nicht ordentlich erledigt.

In seinem neuen Artikel „So mögen sie Gulaschsuppe essen“ dokumentiert Stefan Niggemeier nun die Reaktion der „klassischen Medien“ auf diese Petition, und da sind wir wieder am Anfang meines Beitrags: Es wird nicht darauf eingegangen, ob diese vielen Menschen (zum Zeitpunkt, da ich dies hier schreibe, sind es knapp 220.000 Unterzeichner) möglicherweise einen Grund haben, die Petition zu unterzeichnen. Es wird nur darauf eingegangen, wie „einfach“ es doch sei, „anonym“ und „mit einem Klick“ seine persönliche Hysterie auszuleben. Mit anderen Worten: Weil also nicht jeder dieser 220.000 Menschen einen persönlichen Brief oder einen Artikel wie diesen hier schreibt, kann man die nicht ernst nehmen. Es fällt in den verschiedenen Publikationen immer wieder die Bezeichnung „Mob“, „Schwarm“ oder „Rudel“.

Geht’s noch?

Ich habe die Petition nicht unterzeichnet, aber da gebe ich ganz frei zu, dass das aus reiner Hoffnungslosigkeit geschah, die sich ja nun leider in Form von ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler bestätigt hat. Ich glaubte von Anfang an nicht, dass diese Petition irgendwas bringen wird. Himmler tut – erwartungsgemäß – so, als sei die Sendung, die der konkrete Anlass für die Petition gewesen ist, ein „einmaliger Ausrutscher“ von Lanz. Nein, ist sie nicht. Das geht schon länger so. Und weil bisher niemand was getan hat, bin ich davon ausgegangen, dass auch jetzt niemand was tut. Und wie man sieht, behielt ich Recht.

Dass jetzt viele Medien die Petition verteufeln, hat mich jetzt dazu bewogen, doch noch ein paar Zeilen zu schreiben. Denn ich möchte diesen Medien zurufen: VERDAMMT, ANALYSIERT DIE SITUATION, anstatt Euren billigen Ressentiments zu frönen! Nicht jeder hat die Nerven, die Zeit und die Möglichkeit, einen Artikel wie diesen hier zu schreiben, vor allem, da all das, was ich hier geschrieben habe, sich ja auch nur mit dem Worten „Stefan Niggemeier hat Recht!“ zusammenfassen ließe. Im Grunde genommen ist es nichts anderes als das, was die Unterzeichner der Petition auch gemacht haben. Mit diesem Artikel bringe ich nichts Neues mehr in die Diskussion. Alle Argumente wurden bereits dargelegt. Der Videobeweis auf YouTube existiert. Ich kann nichts anderes mehr schreiben als das, was schon vielfach geschrieben wurde. Ist meine Meinung jetzt aber mehr Wert, weil ich bin zum Anfang dieses Satzes hier bereits 687 Wörter verwendet habe, um sie auszudrücken, anstatt eine Petition mit einem Klick zu unterzeichnen?

Und eines ist mir besonders sauer aufgestoßen: Die ständige Unterscheidung nach „Zuschauer“ und „Internet“. Die „Zuschauer“ würden Lanz lieben, das „Internet“ aber nicht. So ein Quatsch! Jeder „Internetler“ ist auch „Zuschauer“, auch wenn das umgekehrt nicht immer der Fall sein mag.

Und jetzt sitze ich hier und frage mich, wie man das ganze auf den Punkt bringen kann. Es geht nicht. Wir haben es hier mit einem astreinen Scheingefecht zu tun. Die Aufmerksamkeit wird auf das „böse Internet“ gelenkt und keiner fragt sich, ob es vielleicht doch etwas an Lanz zu kritisieren gibt. Im Gegenteil, der Tenor ist ja, dass Lanz selbstverständlich einen guten Job macht und halt einmal einen schlechten Tag gehabt hat.

Äh… ne, finde ich jetzt nicht so. Deswegen habe ich als Überschrift für diesen Artikel auch den – leicht abgewandelten – Peter-Alexander-Klassiker gewählt:

„Ja, der Lanz der kann’s… nicht!“