10 Comics, die man gelesen haben sollte (Teil 4)

Mein schriftliches Staatsexamen liegt endlich hinter mir, und so kann ich meine kleine Serie zum Thema Comics fortsetzen. Heute widme ich mich einem ganz besonderen Kleinod. Und somit bestätigt sich auch ein weiteres Mal: Keine Regel ohne Ausnahme…

Don Rosa: Onkel Dagobert – Sein Leben, seine Milliarden

– Vorbemerkung

Ich wäre wohl kein Comicfan, wenn ich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt Disneys Lustige Taschenbücher gelesen hätte. Eingefleischten Fans dürfte bekannt sein, dass die Geschichten darin zum größten Teil aus Italien und nicht aus Amerika kommen. Auch einige Figuren wie Gamma aus der vierten Dimension oder Dussel Duck sucht man in den USA eher vergeblich. Doch der unbestrittene Vater der Ducks und all ihrer Geschichten ist sicherlich der Amerikaner Carl Barks. Er prägte die Charaktere wie kein anderer. Nach seinem Tod wurden immer wieder verschiedene Zeichner als Erben Carl Barks bezeichnet, und einer davon sticht dabei besonders aus der Menge heraus: Don Rosa. In Deutschland erscheinen seine Arbeiten schon länger unter dem Titel „Onkel Dagobert“ beim Ehapa-Verlag. Deren ersten 6 Bände enthielten die Geschichte, über die ich hier berichten möchte. Diese Biographie über Dagoberts Aufstieg zur reichsten Ente der Welt wurde so beliebt, dass diese 6 Bände nur noch für horrende Summen auf Tauschbörsen oder Ebay erhältlich sind. Aber Ehapa sei Dank erschien 2003 eine neue Gesamtausgabe, die zugleich Segen und Fluch ist. Mehr dazu später.

Inhalt

In 12 Haupt- und 6 Bonuskapiteln beschreibt Don Rosa detailliert den Werdegang und Aufstieg Dagoberts. Dabei liefert er Erklärungen für viele typische Eigenheiten der liebgewonnenen Figur, zeigt uns etwa, wie er zu seinem Glückskreuzer kam, seine schottischen Wurzeln, wie die Idee des Geldspeichers entstand, und wie er seine große Liebe fand. Wir lernen zahlreiche neue Figuren (und alte Bekannte neu) kennen, darunter sogar Donald Ducks Eltern! Es gibt also eine Menge zu entdecken. Doch damit nicht genug: So nebenbei eröffnet sich uns ein Stück Weltgeschichte wenn Dagobert dem Goldrausch in Alaska erliegt, in Oklahoma beim Rennen um kostenloses Land teilnimmt oder etwa auf dem Mississippi als Schaufelraddampfer-Kapitän Karriere macht.

Kritik

Zu Beginn meiner kleinen Reihe sagte ich ja, dass ich Comics schätze, die nicht so cartoonig, sondern eher detailreich gezeichnet sind. Nun, hier haben wir das Beste zweier Welten: Die Bilder von Don Rosa strotzen nur so vor liebevoller Details, klar skizzierten Hintergründen und Anspielungen auf das Werk Barks und die reale Welt. Die aufwändige Recherche, die Rosa im Vorfeld betrieben hat, macht sich überall bemerkbar. Im Vergleich zu den „normalen“ Disney-Comics können seine Bilder düsterer und überfrachtet wirken, was Puristen ihm übel nehmen. Aber ich kann mich nicht satt sehen und entdecke selbst beim wiederholten Lesen noch kleine Details, wie etwa einen fiesen Cowboy, der so abgebrüht ist, dass er eine Klapperschlange als Gürtel trägt.

Die Geschichte ist ein Meisterwerk: Don Rosa nimmt jeden auch nur klitzekleinen Hinweis Carl Barks auf, prüft ihn und integriert ihn in sein Epos. Und weil das noch nicht genügt, bastelt er noch den realgeschichtlichen Hintergrund darum. Und weil das noch nicht genügt, beleuchtet er noch ganz nebenbei die Beziehung zu vielen anderen Figuren wie Klaas Klever, MacMoneysack (den eigentlichen Erfzeind in den amerikanischen Comics) oder die Panzerknacker. Und weil das noch nicht genügt, verleiht er der Comic-Geschichte unerwartete Tiefe durch feine Psychologisierung, wenn er etwa zeigt, wie sehr Onkel Dagobert Donald und dessen drei Neffen braucht.

In seiner Gesamtausgabe trägt Ehapa leider zum Eindruck der Überfrachtung bei, weil man das Format der Hefte aus Kostengründen verkleinerte und die Bilder dementsprechend einschrumpfte. Das hilft natürlich nicht wirklich. Andererseits ist sie mit ausführlichen Artikeln zur Entstehung der Geschichten nur so gespickt. Selbst Laien, die den Namen Barks noch nie gehört haben, wird somit der Einstieg in die faszinierende Welt der Ducks enorm erleichtert.

Fazit: Wer denkt, Disney sei nur seelenloser Kommerz und Ikonen wie Dagobert Duck könne man keine neuen Facetten mehr abgewinnen, wird hier eines Besseren belehrt. Und dabei königlich unterhalten. Wer die Ducks auch nur ansatzweise mag und dieses Juwel noch nicht kennt, sollte jetzt besser schnell einkaufen gehen!

10 Comics, die man gelesen haben sollte (Teil 2)

2. Chevalier/Segur: Die Zeit der Asche (La Saison des Cendres)

Cover der dt. Ausgabe
Cover der dt. Ausgabe

  • Vorbemerkungen

1980 erschien zum ersten Mal das Magazin „Schwermetall – Phantastische Comics für Erwachsene“ in Deutschland. Einige namhafte Comicautoren aus Frankreich hatten dieses Label gegründet, darunter Moebius, der nicht nur wegen klassischen Comic-Abenteuern wie „John Difool“ ein Begriff sein sollte, sondern auch durch seine Mitarbeit an Filmen wie „2001 – Odyssee im Weltraum“ oder „Alien“. Dennoch zeichnete sich recht bald ab, was man unter Comics für Erwachsene zu verstehen hatte. Genau, Schweinkram. Frauen-mit-Rückenproblem-Comics wie Druuna zementierten bald den Ruf des Magazins, das des Öfteren mit Klagen der Bundesprüfstelle zu kämpfen hatte. Doch ohne dieses Magazin wäre folgende Perle vielleicht nie zu uns gekommen. 1987 erschien der erste Band, und dieses Comic brachte mich zum ersten Mal auf den Gedanken, dass Comics auch für Erwachsene eine spannende Lektüre sein könnten, dass sie nicht auf ein kindliches Publikum abzielen könnten, selbst ohne explizite Sexszenen. Die Zeit der Asche ist der erste Band von insgesamt dreien, die Nachfolgebände tragen die Titel „Das Land der Träume“ und „Das Blut der Könige“.

  • Inhalt

Drei Zwerge begeben sich unter der Führung von Noren auf die Suche nach ihrem zukünftigen König, der sich im Land Ewandor aufhalten soll. Bald gesellt sich zu ihnen der Gauner und Heiler Firfin, dessen Sinnen und Streben in erster Linie der Suche nach Kostbarkeiten gilt, und so hat er es auch auf den kostbaren Sand der Zwerge abgesehen. In der Stadt Gaedor kommt zum Schutz der kleinen Gruppe der Krieger Morkai hinzu, der, da nicht besonders helle, sie allerdings zeitweise in ziemliche Schwierigkeiten bringt. Und so kämpfen sie sich durch ein Land voller tödlicher Gefahren, stets auf der Hut vor dem grausamen Donnerritter…

  • Kritik

Von besoffen-brummligen Zwergen und übermenschlich guten Elfen ist hier keine Spur. Die von Chevalier und Segur geschaffene Welt ist feindlich, tödlich und so ganz anders als der übliche Fantasy-Einheitsbrei. Mit ihrem einzigartigen Zeichenstil fangen sie geschickt diese Andersartigkeit, diese Alterität, ein und entführen uns in pastellfarbene Welten voller bizarrer organischer Formen. Immer wieder beweisen sie dabei einen Einfallsreichtum, den man manchen Fantasy-Buchautoren heute wünschen würde. Doch das heißt nicht, dass Die Zeit der Asche jedem gefällt. Es geht hier nicht gerade zimperlich zu, und entsprechend ist der Humor ruppig und teilweise brachial (aber nicht niveaulos). An diesem Kleinod kommt man als wahrer Comic-Liebhaber nur schwer vorbei.

10 Comics, die man gelesen haben sollte (Teil 1)

Um die hervorragende Reihe des G.I. abzurunden, habe ich beschlossen, noch einige Comics von Hergés Nachfahren unter die Lupe zu nehmen. Diese Liste ist natürlich höchst subjektiv. Wer also jetzt schreit: „Aber wo ist denn XY?“, oder: „Comic Blabla ist tausendmal besser!“, dem kann ich nur sagen: Pah! Eloquent, aber deutlich.

Ein paar kurze Worte über mich, die dem geneigten Leser helfen mögen, zu verstehen, nach welchem Kriterium die Comics ausgewählt wurden: Ich bin kein Allesleser. Obwohl ich es immer wieder mal versuche, konnte ich mich beispielsweise noch immer nicht mit Mangas anfreunden. Ich mag es, den individuellen Stil von Zeichnern zu erkennen, was sicherlich bei Manga auch möglich ist, aber ich denke, niemand wird mir absprechen können, dass dieser Comicstil grundsätzlich von seiner immer gleichen Bildsprache lebt. Ein wenig wie Disney.

Zweitens liebe ich Comics, die aufwändig gezeichnet sind. Daher spreche ich häufig von Graphic Novels – klingt wichtig und sondert uns Fans ein wenig von der Kinderecke ab. Schwer fällt mir die Wahl zwischen einer guten Geschichte und einem schönen Zeichenstil. Die schönsten Bilder können eine lahme Story kaum retten. Da halte ich vielleicht zwei Bände lang durch. Eine fantastische Geschichte kann mir durch grässliche Bilder aber erst recht madig gemacht werden. Daher an dieser Stelle eine Bitte um Verzeihung an alle Sandman-Fans: Die Grafik ist schauderhaft – and not in a good way!

Es folgt also in willkürlicher Reihenfolge meine Abhandlung verschiedener Comics, die man einfach kennen sollte.

1. The Dark Knight Returns/Die Rückkehr des dunklen Ritters

  • Vorbemerkungen:
Cover der englischen Ausgabe

Als Comic-Fan kommt man an diesem bahnbrechenden Meisterwerk aus der Feder von Frank Miller kaum vorbei. Auch die Tatsache, dass der Titel des aktuellen Kinofilms recht ähnlich klingt, ist kein Zufall. Als die Geschichte im Juni 1986 erschien, sorgte sie für eine kleine Sensation. Obwohl sich die Batman-Reihe seit den 70ern allmählich von ihren kindischen Wurzeln löste – man denke an die Fernsehserie mit Adam West, die in den Jahren zuvor das Bild von Batman prägte – war dieser Batman etwas völlig Neues. Kälter, realistischer, skrupelloser, zwielichtiger – und nichts für Kinder. Viele Kritiker sehen daher in diesem Comic auch die eigentliche Geburtsstunde des Graphic Novels. Und ja, auch sie nutzten den Begriff vor allem dazu, diese Werke von Comics für Kinder abzuheben. Die Geschichte von Batman spielt nicht in der gleichen Welt wie die Heftserien des DC-Verlags, sondern in einer möglichen nahen Zukunft. Solche Gedankenspiele in der Comicwelt werden heutzutage als „Elseworld“-Comic bezeichnet, ein etwas irriger Begriff, da man Gotham City auch sonst nicht wirklich in einem Atlas entdecken wird.

  • Inhalt:

20 Jahre sind vergangen, seit Bruce Wayne sein Cape an den Nagel hängte. Der Tod seines zweiten Kindpartners Robin, der vom Joker erschossen wurde, hatte ihn derart mitgenommen, dass er kapitulierte. Gotham City ist ein verfallener, schmutziger Ort geworden, in dem Jugendgangs ungezügelt ihr Unwesen treiben, in dem die Medien einen gewaltigen Einfluss auf das Denken der Bevölkerung haben. Als Harvey Dent, besser bekannt als Two-Face, aus der Irrenanstalt entlassen wird und sogleich wieder Verbrechen verübt, streift sich Bruce erneut sein dunkles Outfit über. Auch ein neuer Robin findet sich schließlich, die 13-jährige Carrie, die Batman nur sehr widerstrebend akzeptiert. Doch ob Batman ein Retter oder ein Vigilant ist, der sich über das Gesetz stellt, wird in den Medien zu einer hitzigen Diskussion ausgewälzt. Und die Rückkehr des dunklen Ritters lockt auch alte Feinde aus den Schatten heraus…

  • Kritik:

„Die Rückkehr des dunklen Ritters“ hat Maßstäbe gesetzt. Es ist ein wenig wie mit vielen Trendsettern – sie haben die Dinge nicht erfunden, aber populär gemacht und geprägt. In diesem Batman gibt es Ironie, eine intelligente Handlung, die non-linear erzählt wird. Es gibt also Foreshadowing, Rückblicke, subjektive Sichtweisen. Frank Miller verwendet einen Bildstil, der viel von Licht und Schatten lebt. Dieser Stil wird noch heute in allen Batman-Comics und Filmen kopiert. Die Geschichte funktioniert auf vielen Ebenen: Als Heldensaga, als Zivilisationskritik, Medienschelte, Krimigeschichte, politische Satire oder Endzeitthriller. Und all das mündet in einem furiosen Finale. Woran man sich zweifellos gewöhnen muss, ist Frank Millers Zeichenstil. Dieser scheidet die Geister – man liebt es oder man hasst es. Zumindest hier sind die Bilder noch nicht so abstrakt, obwohl Miller zeitweise durchaus eher grob stilisiert. Doch die Art, wie er teilweise Bilder in Panels unterteilt, zersplittert, neu zusammenfügt, das muss man einfach bewundern.

Die Reihe wurde 2001 von Frank Miller fortgesetzt. „The Dark Knight Strikes Again“ wurde ebenfalls ein Erfolg, konnte aber bei weitem nicht so überzeugen wie der Erstling. Dies lag vor allem an dem radikalen Grafikstil mit sehr groben Skizzierungen und surrealen Farbgebungen. Ich persönlich habe es nicht durchgestanden, die Bilder ließen mich Blindheit herbeisehnen.

Tim und Struppi – Die Reihe (Einblicke / Ausblicke)

In den letzten drei Wochen sind wir alle Abenteuer von Tim, dem „pfiffigen Reporter“, und seinen Weggefährten durchgegangen. Den letzten Wunsch respektierend wurde die Reihe nach Hergés Tod im Jahr 1983 nicht fortgesetzt und auch das unvollendete Werk „Tim und die Alpha-Kunst“ nicht vervollständigt. Das wöchentliche Magazin „Tintin“ wurde bald eingestellt. Der Popularität der Comicfigur ist jedoch ungebrochen, sie ist ein Stück belgisches Kulturgut geworden. Bestes Beispiel ist das Jubiläum, das im Jahr 2004 gefeiert wurde: 75 Jahre Tim. Eine große Zeitung verzichtete an diesem Tag auf sämtliche Fotos, ausnahmslos alle Artikel waren mit Szenen aus den Tim-und-Struppi-Alben bebildert. In dem Fall dürfen sich die Fans schon auf 2009 freuen, wenn es das 80jährige Jubiläum zu feiern gibt.

Hier nochmals alle Beiträge der Reihe über die Alben:
Tim im Lande der Sowjets
Tim im Kongo
Tim in Amerika
Die Zigarren des Pharaos
Der blaue Lotos
Der Arumbaya-Fetisch
Die schwarze Insel
König Ottokars Zepter
Die Krabbe mit den goldenen Scheren
Der geheimnisvolle Stern
Das Geheimnis der „Einhorn“
Der Schatz Rackhams des Roten
Die sieben Kristallkugeln
Der Sonnentempel
Im Reiche des schwarzen Goldes
Reiseziel Mond
Schritte auf dem Mond
Der Fall Bienlein
Kohle an Bord
Tim in Tibet
Die Juwelen der Sängerin
Flug 714 nach Sydney
Tim und die Picaros
Tim und der Haifischsee
Tim und die Alpha-Kunst

Zu Tim gibt es inzwischen auch einiges an Sekundärliteratur. Für all jene, die es bedauern, dass es keine neuen Abenteuer mehr geben wird, ist sicherlich der Comic „Die Abenteuer von Hergé“ ein kleiner Trost. Hier gerät der Zeichner selbst in den Mittelpunkt, es ist quasi eine Biographie in Comicform – was passt wohl besser zu einem Comiczeichner? Hier werden in Episoden Einblicke in Hergés Leben gewährt, wobei man ständig auf verschiedene Tim-Geschichten anspielt. Anlässlich Hergés 100. Geburtstag im Jahr 2007 kam eine neue, erweiterte Auflage heraus, die auf acht Seiten zwei neue Episoden enthält.

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Bereits ausführlich an dieser Stelle besprochen habe ich „Auf den Spuren von Tim und Struppi“ von Michael Farr. Der Autor stellt die Entstehung jedes einzelnen Albums dar, welche Dinge Hergé beeinflusst haben und was er alles verarbeitet hat. Der Fokus wird dabei bewusst auf Tim gehalten, andere Arbeiten Hergés (wie etwa „Stups und Steppke“) werden nur am Rand erwähnt.

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Auch im Internet gibt es einige Seiten, die sich mit den Abenteuern des ewig jungen Reporters befassen. Die „Comic Radio Show“ beispielsweise würdigt an dieser Stelle das 75jährige Jubiläum der Comic-Reihe, und an dieser Stelle den 100. Geburtstag Hergés. In beiden Artikeln finden sich übrigens Bilder, die nicht so weit verbreitet sind, so zum Beispiel ein Foto, das eine Szene aus dem Realfilm „Tim und das Geheimnis des goldenen Vlieses“ zeigt und das von der Optik her einen recht guten Eindruck macht. Und an dieser Stelle vermeldet die „Comic Radio Show“, man habe im Nachlass von Bob de Moor, Hergés Assistent, der 1993 verstorben ist, ein verschollenes Abenteuer mit dem Titel „Tim in Australien“ wiederentdeckt. Der Leser möge jedoch ganz oben in dem Artikel nachschauen, an welchem Tag dieser veröffentlicht wurde, um ihn zu verstehen.

Tim hat auch mich als junger Leser sehr beeindruckt, was man am Zustand mancher Hefte meiner Sammlung auch sieht. Ich wollte sogar selbst eine zeitlang Comiczeichner werden, doch leider fehlt mir da offenbar ein Stück Talent, die Szenen, die ich mir vorgestellt habe, auch so zu Papier zu bringen, dass man sie erkennt. Die Abenteuer des Reporters haben mir über manche Krankheit hinweg geholfen und über den Verlust meiner Milchzähne. Als ich erfuhr, dass es Kinofilme vom Tim gibt, wollte ich diese unbedingt sehen, hatte aber Pech: 1969 (zu „Der Sonnentempel“) war ich noch nicht geboren und 1973 (zu „Tim und der Haifischsee“) war ich zu jung. Und in den 1970er Jahren war das noch nicht so mit Video anschauen. „Der Sonnentempel“ wurde schließlich Ende der 1970er Jahre in der ARD als Zweiteiler ausgestrahlt, „Tim und der Haifischsee“ Anfang der 1980er Jahre (nicht als Zweiteiler).

Und damit sind wir schon bei der Zukunft Tims, denn die liegt offenbar im Kino. Genau rechtzeitig zum Jubiläum 2009 planen Steven Spielberg („E.T.“, „Indiana Jones“, „Schindlers Liste“) und Peter Jackson („Der Herr der Ringe“) einen computeranimierten Film, respektive, es wird sich um eine Trilogie handeln, basierend auf den Comicbüchern. Spielberg und Jackson waren sich einig, dass Tim das Potential für einen guten Film habe, man aber Hergé nicht gerecht werde, wenn man diesen mit echten Schauspielern produziere. Deswegen wird die Reihe als Computeranimation entstehen, die aber fotorealistisch aussehen soll. Die beiden haben sich da hohe Ziele gesteckt und wir dürfen gespannt sein, was das Resultat betrifft. Kurze Artikel über das Projekt erschienen im Gurdian und bei BBC News.

Die Zukunft des Reporters scheint also gesichert zu sein. Seit 2002 gibt es Deutschland übrigens auch „Tim – Das Magazin“, das vier Mal im Jahr erscheint. Die letzte Ausgabe trägt die Nummer 23 und erschien Winter 2007 / 2008, eine aktuellere scheint im Moment nicht zu geben, ist aber angekündigt. Die Fans dürfen also gespannt sein, wie die Reise des Reporters und seiner Gefährten weitergeht.

Zum Abschluss noch meine persönlichen Favoriten:

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Tim und Struppi: Tim und die Alpha-Kunst [Rezension]

Wiederum acht Jahre nach „Tim und die Picaros“ machte sich Hergé daran, ein neues Abenteuer von Tim zu zeichnen, das den Eindruck macht, als sei es als krönender Abschluss einer langen Reihe geplant gewesen. Ob es so ist, werden wir nie erfahren; Hergé starb am 3. März 1983, bevor er es vollenden konnte.

Inhalt: Auf der Flucht vor der Castafiore gelangt Haddock zufällig in eine Kunstgalerie. Dort wird er von einem Kunstexperten angesprochen, der etwas mit Tim bereden möchte und einen Termin vereinbart. Zu dem Termin erscheint er jedoch nicht, er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Nachdem er bereits der zweite Experte ist, der einen plötzlichen und merkwürdigen Tod gestorben ist, stellt Tim Nachforschungen an und kommt so dem Magier Endaddin Akass auf die Spur, der ihn frappant an irgendjemand erinnert. Die Spur führt ihn und Haddock nach Ischia, wo der Künstler Ramo Nash seine „Alpha-Kunst“ entworfen hat.

Kritik: Eine Kritik dieses Albums ist nicht möglich. Von der gesamten Geschichte sind etwa 40 Seiten vorhanden, davon sind vier mit Bleistift in eine Form gebracht, dass man nach ihnen hätte die fertigen Albumseiten zeichnen können. Der Rest liegt lediglich im Form von (teilweise sehr groben) Skizzen vor, die nur Aufbau, Bildkomposition und die Handlung der Geschichte aufzeigen. Zudem bricht die Geschichte genau an einer der spannendsten Stellen ab. Nach den Notizen war Hergé sich selbst noch nicht mal sicher, wie er die Situation dort wieder lösen sollte; falls er doch schon eine Idee hatte, so hat er sie mit ins Grab genommen.

Nachdem Hergé verfügt hatte, dass niemand nach seinem Tod die Geschichte um Tim fortsetzen sollte (entgegen vieler anderer Serien aus dem franko-belgischen Raum, wie etwa „Spirou und Fantasio“ oder „Percy Pickwick“), beschloss man, diesen Wunsch zu respektieren. Obwohl Bob de Moor, Hergés Assistent, das Album sicherlich gern fertiggestellt hätte, ließ man es, wie es war und veröffentlichte es so, zusammen mit ein paar Seiten Notizen mit Ideen. Aus diesen Notizen geht hervor, dass „Tim und die Alpha-Kunst“ ein wahres Panoptikum an Tim-Figuren geworden wäre, neben der Castafiore, Luise und Igor Wagner, Herrn Kiesewetter, der Metzgerei Schnitzel, den Schul(t)zes und Emir Ben Kalisch Ezab waren noch Auftritte vorgesehen für Gibbons (aus „Der blaue Lotos“), Dawson (ebenfalls „Der blaue Lotos“ und „Kohle an Bord“), Chicklet (aus „Der Arumbaya-Fetisch“), Madame Yamilah und ihr Mann (aus „Die sieben Kristallkugeln“), Iwan Sakharin und die Gebrüder Vogel-Faull (aus „Das Geheimnis der Einhorn“) sowie Carreidas und Mik Esdanitoff (aus „Flug 714 nach Sydney“). In einer anderen Notiz wird sogar Doktor Krollspell („Flug 714 nach Sydney“) erwähnt, sowie die Länder Syldavien, Bordurien und Sondonesien in Spiel gebracht.

Tim trifft zudem zum ersten Mal auf eine Frau, die unter den sonstigen weiblichen Figuren hervorsticht. Aber ob Hergé es gewagt hätte, tatsächlich sowas wie Romantik einzubringen oder gar ein definitives „Happy-End“ für seinen ewigen Junggesellen geplant hatte, lässt sich aus den Aufzeichnungen nicht schließen. Auch hier hat der Zeichner das Geheimnis mit ins Grab genommen.

„Tim und die Alpha-Kunst“ ist definitiv nur etwas für absolute Tim-Fans oder für Comicfreunde, die sich für die Arbeitsweise von Hergé interessieren, die man an den Skizzen natürlich sehr schön nachvollziehen kann, von fast fertigen Szenen am Anfang bis zu groben Strichzeichnungen und angehäuften Ideen am Schluss.

Auf der einen Seite ist es schade, dass Hergé verfügte, niemand solle nach seinem Tod sein Werk weiterführen. Auf der anderen Seite aber auch wieder nicht, denn Tim von einem anderen Zeichner, das wäre nicht Tim gewesen. Der Popularität der Figur hat das keinen Abbruch getan.

Mit dieser Folge endet die Reihe um die Abenteuer von Tim und Struppi. Ein Beitrag steht jedoch noch aus, ein Über- und Ausblick. Dieser erscheint morgen.

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Tim und Struppi: Tim und der Haifischsee [Rezension]

Nachdem der Erfolg von Tim immer mehr wurde, dachte man auch darüber nach, Spielfilme um den Reporter zu produzieren. Tatsächlich waren die ersten Kinofilme, die 1960 und 1964 entstanden, Realfilme mit einem Schauspieler namens Jean-Pierre Talbot in der Hauptrolle: „Tim und das Geheimnis des goldenen Vlieses“ und „Tim und die blauen Orangen“. Beide Filme sind bisher nicht in Deutsch erschienen.

Schon 1959 wurde eine Kurzepisode als Zeichtrick umgesetzt, und zwar „Der Fall Bienlein“, der allerdings herbe Kritik einstecken musste, da er in weiten Teilen von der Handlung des Albums zum Teil gravierend abwich.

1969 gab es den ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm: „Der Sonnentempel“, natürlich nach dem gleichamigen Album und seinem Vorgänger „Die sieben Kristallkugeln“. Nach dessen Erfolg wurde 1972 ein weiterer Kinofilm produziert, von dem es erst hinterher ein Album geben sollte: „Tim und der Haifischsee“.

Inhalt: Bienlein ist auf Einladung eines geheimnisvollen Mäzens nach Syldavien gekommen, um an einer dreidimensionalen Kopiermaschine zu arbeiten. Als Tim und Haddock, begleitet von den Schul(t)zes ihn besuchen wollen, kommt es zu mehreren seltsamen Zwischenfällen: das Lufttaxi, das sie zu Bienleins Villa bringen soll, stürzt ab, Leute schleichen ums Haus und Unterlagen von Bienlein verschwinden. Als schließlich auch noch Tims neue syldavische Freunde Nico und Nuschka von Froschmännern entführt werden, wird klar, dass ein Gangster Bienleins Kopiermaschine haben möchte, weil man mit ihr perfekte Kopien von wertvollen Kunstgegenständen herstellen kann. Tim lässt sich zum Schein auf die Erpressung ein – und sehr zu seiner Überraschung ist der Gangsterboss ein alter Bekannter.

Kritik: Das Drehbuch zu diesem Film wurde nicht von Hergé, sondern von Greg – alias Michel Regnier – geschrieben. Das merkt man dem Buch auch an, denn der „Haifischsee“ ähnelt sehr stark einer James-Bond-Geschichte (und mit dem Spruch „Der James Bond der Comicwelt“ wurde der Film auch beworben). Ganz im Stil von James Bond ist die Gangsterorganisation in einem mit allen technischen Finessen ausgestatteten Geheimversteck sowie die Tatsache, dass der Oberbösewicht das Geheimversteck in die Luft sprengt, als er er verlässt, wobei er den Held zurücklässt und hofft, dass dieser bei der Explosion umkommt.

An diesem Punkt muss man die Kritik auseinanderspalten. Zuerst zum Album, das man nach dem Film gestaltet hat: das hat leider sehr viele Schwächen. Die Geschichte wurde als Film konzipiert und nutzt viele Stärken des Mediums aus, die sich leider nicht in ein Album übertragen lassen. Hinzu kommt, dass es etwa zwanzig Seiten weniger Umfang hat als die anderen Abenteuer, trotzdem werden aber etliche Teile der Handlung gekürzt und in Form von Texten wiedergegeben. Die Bilder des Films wirken, als seien sie dem Film direkt entnommen und ein wenig bearbeitet worden, zum Beispiel um Bewegung darzustellen, sie stammen aber definitiv nicht aus dem Film (wer Film und Album direkt vergleicht, wird das bemerken; beispielsweise malt Haddock im Film auf einem Plakat der Castafiore einen Bart mit Hilfe eines Streichholzes, das er gerade verwendet hat, um seine Pfeife anzuzünden, im Album sieht man ihn mit einem zufriedenen Lächeln einen Kugelschreiber in seine Jacke zurückstecken). Man hat aber – aus welchen Gründen auch immer – die Optik beibehalten (deutliche Abgrenzung Vordergrund – Hintergrund). Auf diese Weise ist das Album wohl nur etwas für jene, die ihre Sammlung vollständig halten wollen.

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Nun zum Film: Der ist durchaus empfehlenswert. Wie bereits gesagt nutzt er einige Stärken des Mediums, zum Beispiel, dass sich Slapsticksituationen sehr viel besser darstellen lassen. Ich habe an einigen Stellen laut aufgelacht, die besonders gelungen waren (zum Beispiel kämpfen Haddock und Tim an Schluss mit den Bösewichten, während im Hintergrund ein Fernseher mit einem Fussballspiel läuft – und der Kommentar des Spiels passt genau auf den Kampf). Allerdings muss man, um den Film genießen zu können, es akzeptieren, dass es keine typische Tim-Geschichte ist. Es ist eben Kino, ein wenig kann man es vergleichen mit den Änderungen, die an den James-Bond-Büchern von Ian Fleming vorgenommen wurden, als man sie verfilmte.

Wer sich für „Tim und der Haifischsee“ interessiert, sollte also lieber den Film sehen, anstatt das Album zu lesen. Dieser ist zusammen mit „Der Fall Bienlein“ und „Der Sonnentempel“ in einer Spielfilmbox erschienen. Daher an dieser Stelle noch eine Betrachtung der frühen filmischen Umsetzung vom „Sonnentempel“:

Tim und Struppi im Sonnentempel
Die Geschichte ist bekannt aus dem Doppelalbum „Die sieben Kristallkugeln“ / „Der Sonnentempel„. Allerdings wurden etliche Änderungen vorgenommen:

  • Die Geschichte des ersten Bandes wurde generell stark zusammengekürzt, so dass Bienlein bereits nach 9 Minuten Film (einschließlich Titelmusik) entführt wird.
  • Dadurch fehlt der komplette Einstieg mit Haddock und Tim im Varieté. Auch der Auftritt von General Alcazar fällt komplett weg.
  • Die Geschichte der Expedition, die die Mumie von Rascar Capac findet und nach Europa bringt, wird in einem Vorwort wiedergegeben. Darin wird auch erwähnt, dass bereits fünf der sieben Forscher in Tiefschlaf gefallen sind (anders als im Album, in dem der fünfte Forscher wegen einer Unachtsamkeit von Schulze und Schultze Opfer des Angriffs wird).
  • Der Angriff auf den sechsten Forscher wird gezeigt und im Gegensatz zum Album sieht man, dass die Indios ein Blasrohr benutzen, um die Kristallkugeln zu ihrem Ziel zu bringen.
  • Der siebte Forscher wird im Film Professor Bergamott genannt (Birnbaum im Album), Mühlenhof heißt „Moulinsart“ (französischer Originalname).
  • Aus einem Grund, der nicht näher erklärt wird, befindet sich die Mumie des Rascar Capac in Mühlenhof. Die ganze Sequenz, in der diese von einem Kugelblitz getroffen wird und Birnbaum über den Fluch spricht, findet dort statt.
  • In dieser Sequenz nimmt Bienlein zudem den Schmuck des Rascar Capac sofort an sich, Birnbaum wird Opfer des letzten Kristallkugel-Anschlags und Bienlein entführt (im Album finden diese Ereignisse teilweise Nachts, teilweise erst am nächsten Tag statt). Es stellt sich die Frage, warum Tim und Haddock, die sich mit Birnbaum in einem Raum befinden, nicht auch Opfer der Dämpfe werden, die die Kristallkugel verströmt, nachdem sie zerbrochen ist, und von denen Menschen in den merkwürdigen Schlafzustand versetzt werden.
  • Die Entführer fliehen mit Bienlein nicht in einem Auto, sondern im Hubschrauber. Dadurch entfällt die ganze Handlung darum, dass die Entführer das Fluchtfahrzeug tauschen und schließlich im Hafen versenken.
  • Auf die Spur des Schiffes Pachacamac, das Bienlein und seine Entführer nach Südamerika bringt, kommen Tim und Haddock nicht durch Bienleins Hut, sondern durch einen stotternden Augenzeugen, der Bienlein gesehen hat.
  • Als Tim sich in Peru heimlich an Bord der Pachacamac schleicht, erfährt er sofort, dass die Reise der Entführer nach Jauga gehen wird. Dadurch trennen er, Haddock und die Schul(t)zes sich nicht, letztere sind auf der ganzen Expedition zum Sonnentempel mit dabei (im Album folgen die „beiden Unvergleichlichen“ – Zitat Haddock – einer anderen Spur und verlieren Tim und Haddock dabei).
  • Den Weg nach Jauga setzen die Vier mit einer Draisine fort, nachdem man ihren Wagen vom Zug abgekoppelt hat (im Album fährt ihnen ein Montagewagen aus Jauga entgegen, nachdem man dort das Fehlen des Waggons bemerkt hat). Neu hinzugekommen ist eine Szene, in der das „Pisco-Fest“ in Jauga gezeigt wird (Pisco ist das Nationalgetränk von Peru, von dem Haddock ins Schwärmen gerät). Tim wird nicht von dem Hohepriester aus dem Sonnentempel beschattet, was zur Folge hat, dass ihm dieser auch nicht den Talisman gibt, nachdem Tim Zorrino geholfen hat. Dadurch gibt es später keinen Grund, Zorrino vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen zu bewahren (siehte weiter unten).
  • Zorrino erwartet Tim und seine Gefährten nicht an der Brücke, sondern ein Stück am Fluss lang. Bei der Kanufahrt gehen die Schul(t)zes für eine zeitlang verloren.
  • Der Alptraum, den Tim an der ersten Rast hat, ist anders umgesetzt, wirkt aber nicht minder verstörend.
  • Die Ereignisse um die Indios, die Zorrino entführen, und den Kondor, der Struppi wegschleppt, sind miteinander verbunden worden. Die Indios tauchen später nicht mehr auf, weil die ganze Szene, in der Haddock den Lamas über eine mit Schnee bedeckte Ebene nachläuft, ebenfalls fehlt.
  • Auch im Dschungel wurde einiges weg gelassen, wie etwa der Tapir oder der Ameisenbär.
  • Der geheime Zugang zum Sonnentempel wird auf die gleiche Weise entdeckt, allerdings gibt es keinen Erklärungsversuch, wieso es in der Höhle nicht dunkel ist (im Album ist von „phosphoriszierendem Gestein“ die Rede). Die Stelle, in der Tim auf ein altes Inkagrab stößt, fehlt.
  • Der oberste Inka hat eine Tochter, die um das Leben von Zorrino und seinen Gefährten (ja, in dieser Reihenfolge!) bittet. Anders als im Album wird Zorrino ebenfalls zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt, was natürlich damit zusammenhängt, dass der Junge den Talismann nicht wie im Album gekriegt hat (siehe weiter oben).
  • Die Exekution wird wie im Album angesetzt, aber die Schul(t)zes stehen ebenfalls auf dem Scheiterhaufen. Bienlein spricht nicht davon, dass er das ganze Spektakel für einen Hollywood-Film hält.
  • Als der oberste Inka daran geht, die Voodoopuppen zu zerstören, die die gequälten Wissenschaftler zeigen, stellt sich heraus, dass es auch für Haddock eine Puppe gegeben hat, die aber nicht eingesetzt wurde. Warum es diese Puppe gibt, wird nicht erklärt, auch nicht, warum sie nicht eingesetzt wurde.
  • Die Stelle, in der Haddock aus einer Quelle Wasser trinkt, das er dann einem Lama ins Gesicht spuckt, findet bereits am Sonnentempel statt. Die Satteltaschen voll mit Gold werden nicht gezeigt.
  • Schließlich müssen noch die zwei Lieder erwähnt werden, eines, in dem Zorrino das Leben im Dschungel besingt, das andere, ein trauriges Duett zwischen ihm und der Tochter des obersten Inkas mit dem Titel „Warum darf Zorrino nicht leben?“. Beide kommen natürlich nur im Film vor.

Kritik:

Der Film wirkt leider sehr hektisch – und ob er unbedingt etwas für Tim-Fans ist, die die Handlung des „Kristallkugeln“/“Sonnentempel“-Doppelbandes natürlich ganz genau kennen, sei mal dahingestellt. Die ersten zwanzig Minuten wirken so, als wolle man die lästige Vorgeschichte um die sieben Kristallkugels schnell abhandeln, um endlich zum eigentlichen Thema des Films kommen zu können, dem Sonnentempel. Dabei kommt leider die inhaltliche Geschlossenheit abhanden, etwa wenn nicht erklärt wird, warum sich die Mumie von Rascar Capac in Mühlenhof befindet (die einzige Erklärung ist natürlich die, dass man dadurch keinen neuen Schauplatz – Birnbaums Villa – ins Spiel bringen musste, was wiederum Szenen einsparte). Es ist meine persönliche Vermutung, dass die Voodoopuppe, die Haddock zeigt, deswegen in die Szene im Sonnentempel eingefügt wurde, weil sich die Mumie im Schloss befunden hat. Dummerweise wird das nicht erklärt, der oberste Inka sagt schlicht und ergreifend: „Auch Du solltest leiden!“
Der Film hinterlässt bei mir gemischte Gefühle. Er ist handwerklich gut gemacht, kommt aber an seine Vorlage nicht heran. Mehr als einmal wirkt er, als habe man auf Biegen und Brechen Abenteuerkino für Kinder machen wollen und die vielen Raffinessen, die Hergés Geschichte hat, schlicht außen vor gelassen. Verantwortlich für das Drehbuch zeichnet übrigens ebenfalls Greg.

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Erst 1991 machte man sich daran, die Tim-Reihe nochmals in Zeichentrickfilme umzusetzen, diesmal in einer Serie. Verfilmt wurden alle Bände bis auf „Tim im Lande der Sowjets“, „Tim im Kongo“ und (natürlich) „Tim und die Alpha-Kunst“. Die Serie hält sich – im Gegensatz zur 1959er Version von „Der Fall Bienlein“ – recht eng an Hergés Vorlagen, auch wenn an einigen Stellen zusätzliche Szenen eingefügt wurden. Natürlich sind sie zeichentricktechnisch auch besser als die alten Versionen.

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Tim und Struppi: Tim und die Picaros [Rezension]

Die Abstände zwischen den einzelnen Tim-Alben waren im Laufe der Zeit immer länger geworden. Bis „Tim in Tibet“ kamen die Abenteuer stets aufeinander (mit Ausnahme der Zwangspausen, etwa im Krieg). Bis zu „Die Juwelen der Sängerin“ dauerte es zwei Jahre, dann fünf Jahre bis „Flug 714 nach Sydney“. Mit diesem Album feierte Hergé seinen 60. Geburtstag. Doch danach sollten neun Jahre ins Land gehen, bis 1975 wieder eine Geschichte fertiggestellt war.

Inhalt: Kapitän Haddock stellt fest, dass er seinen geliebten „Loch Lomond“-Whisky nicht mehr mag, doch das ist nur seine kleinste Sorge. Nachdem General Alcazar in „Kohle an Bord“ noch seinen ewigen Widersacher Tapioka besiegt und die Macht in dem südamerikanischen Land San Theodorus übernommen hatte, hat sich nun der Wind wieder gedreht. Tapioka ist an der Macht und Alcazar in den Dschungel geflohen. Als Bianca Castafiore, begleitet von den Schul(t)zes, auf Tour in das Land kommt, entdeckt man angeblich geheime Papiere, mit der sie der Verschwörung beschuldigt wird. In die Verschwörung sollen auch Haddock und Tim verwickelt sein, da die Castafiore zu den beiden guten Kontakt habe. Als Haddock dem in einer blumigen Sprache widerspricht, lädt Tapioka ihn, Tim und Bienlein nach San Theodorus ein, um die Sache zu klären. Tim wittert eine Falle, doch etwas muss getan werden: die Castafiore, ihre Zofe Luise und Igor Wagner werden zu langen Haftstrafen verurteilt, die Schul(t)zes gar zum Tode. Hilfe kann vielleicht Tims alter Freund General Alcazar bringen – zusammen mit seinen Soldaten, den Picaros.

Kritik: Was mich persönlich als Kind an dem Album am meisten beeindruckt hat, war ein Kunstgriff, den Hergé verwendet hat, um die Situation in Südamerika auf die Spitze zu nehmen. Als Haddock und Bienlein in San Theodorus eintreffen, sieht man ihren Flieger, der über einem Elendsviertel, einer Favela, wie man sie aus vielen Fernsehberichten kennt, den Flughafen ansteuert. An den in tiefster Armut lebenden Menschen gehen zwei Polizisten vorbei und über den Hütten prangt ein Schild mit dem Spruch „Viva Tapioca“. Das letzte Bild des Albums zeigt den Flieger mit Tim, Haddock und Bienlein, der gerade startet und die drei in die Heimat zurückbringt. Die Szene im Vordergrund ist fast identisch, das Elendsviertel, die armen Menschen und zwei Polizisten (die andere Uniformen tragen und statt Schnauz- nun Vollbärte) – und ein Schild mit dem Spruch „Viva Alcazar“. Das hat mich damals schon zum Nachdenken gebracht, und genau das soll die Szene auch. Egal, wie der Machthaber heißt, an der Situation der armen Leute hat sich nichts geändert.

Viel geändert hat sich aber an den Figuren. In diesem Album ist es Tim, der sich zunächst weigert, mit ins Abenteuer zu gehen. Haddock verträgt keinen Alkohol mehr, was er einer Erfindung von Professor Bienlein verdankt, die sich im Verlauf der Geschichte noch als sehr nützlich erweisen wird. Und Bienlein hat offenbar ein paar Skrupel abgelegt, seine Erfindung an Haddock zu testen, ohne diesem etwas zu sagen. Als das Album erschien, war Tim fast 50 Jahre in den verschiedensten Abenteuern unterwegs. Eine gewisse Müdigkeit ist ihm anzumerken.

Die Geschichte ist jedoch auch jene mit der am stärksten zum Ausdruck gebrachten Sozialkritik. Dazu gehört nicht nur die oben bereits erwähnte Szene mit den Elendsvierteln, sondern auch die betrunkenen Arumbayas, die gnadenlose Staatsmacht eines General Tapioka oder der Hintergrund des Konflikts zwischen Tapioka und Alcazar, den Tim am Anfang erklärt und der klar macht, dass zwei ausländische Firmengruppen die jeweilige Seite für ihre eigenen Interessen unterstützen. Aber auch im Kleinen sieht man es, denn als Tim auf der ersten Seite mit seinem Moped auf Mühlenhof ankommt, trägt er einen Helm mit einem Aufkleber der Friedensbewegung.

Durch die besonderen Umstände wurde dieses Abenteuer leider zum letzten vollständigen und es ist durchaus auch ein würdiger Abschluss, obwohl Hergé diesen offenbar erst für die nächste Geschichte vorgesehen hatte. Bevor ich jedoch zu dieser komme, die leider unvollständig geblieben ist, muss noch ein Seitenblick auf eine andere Geschichte geworfen werden. „Tim und die Picaros“ jedenfalls ist eine gute Geschichte mit starkem Hintergrund.

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Tim und Struppi: Flug 714 nach Sydney [Rezension]

Vier Jahre dauerte es, bevor Hergé nach „Die Juwelen der Sängerin“ sich an ein neues Tim-Abenteuer machte. Dessen Auflösung sollte unter den Fans der Reihe sehr umstritten sein.

Inhalt: Auf dem Weg zu einem Astronautik-Kongress in Sydney laufen Tim, Haddock und Professor Bienlein dem Multimillionär Laszlo Carreidas über den Weg, der sie spontan einlädt, in seinem privaten Überschallflugzeug mitzukommen. Auf diese Weise geraten sie mitten in eine Entführung: der Privatjet wird zwangsweise auf eine Insel im Pazifik umgeleitet. Nachdem er dort mehr schlecht als recht gelandet ist, offenbart sich der Kopf hinter der Entführung: Rastapopoulos, der sich von Carreidas‘ Vermögen einen Teil abzweigen möchte. Um die Nummer eines geheimen Schweizer Bankkontos zu erfahren, bedient sich der Verbrecher eines von dem zwielichtigen Doktor Krollspell entwickelten Serums, das Carreidas dazu bringen soll, seine Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Den Gefangenen wird klar: Sobald der Millionär geredet hat, wird man sie beseitigen. Sie entkommen ihren Wachen, doch auf der Flucht beginnt Tim Stimmen zu hören, die ihn zu einer Höhle geleiten. Dort treffen sie auf einen ungewöhnlichen Gast.

Kritik: Hergé interessierte sich für die Überlegungen, ob es außerirdisches Leben gibt, und das so sehr, dass er – nach „Die Juwelen der Sängerin“ – erneut mit einem Prinzip seiner Reihe brach: Dass ein gewisser Grad von Realismus eingehalten wird. Das Auftauchen einer fliegenden Untertasse führte dazu, dass das Album von vielen Fans kritisiert wurde. Auch wenn die Außerirdischen selbst nicht gezeigt werden, geht der Zeichner doch hier sehr weit ins Spekulative.

Unabhängig von diesem Aspekt wirkt der Auftritt von einer „nicht-irdischen“ Macht ein wenig wie ein „Deus ex Machina“: die Flucht von der Insel und vor Rastapopoulos, seinem Gefolgsmann Allan Thompson und deren Helfershelfern (sondonesische Freiheitskämpfer, denen der notorische Gangster ein Märchen aufgetischt hat) gelingt ihnen nur durch die „Hilfe von oben“. Das macht die Geschichte leider etwas schwach, obwohl sie sehr vielversprechend beginnt.

Wenn man von dieser Schwäche mal absieht, hat das Abenteuer aber ebenfalls einige großartige Höhepunkte, etwa wenn Allan bei der Begegnung mit einem Nasenaffen an Rastapopoulos erinnert wird oder wenn das Wahrheitsserum, das Krollspell Carreidas verabreicht, dazu führt, dass dieser wirklich die absolute Wahrheit erzählt: er fängt an, sämtliche Schandtaten seines Lebens, beginnend von seiner Kindheit an, zu gestehen. Ähnlich wie bei „Indiana Jones und das Königreich das Kristallschädels“ muss man entweder die Anwesenheit von Außerirdischen ankzeptieren oder über sie hinwegsehen und den Rest genießen, dann hat man auch hier ein nettes, kurzweiliges Abenteuer mit vielen humoristischen Höhepunkten.

Das Cover des Albums war übrigens nach dem Flugzeugabsturz am Amsterdamer Flughafen 1992 Vorlage für eine bitterböse Parodie: ein Poster, das Aktionisten gegen den Flughafen gestalteten. „Vlucht LY-1862 naar Schiphol“ (Deutsch „Flug LY-1862 nach Schiphol“) heißt es dort statt dem Originaltitel, die Steinstatuen, die das Bild links und rechts begrenzen, wurden durch rauchende Trümmer ersetzt und statt Tim und seinen Gefährten stehen in der Mitte Feuerwehrleute, die gerade dabei sind, den Brand des Absturzes zu löschen (eine Version dieses Posters kann man auf dieser Seite ganz unten betrachten). Am 2. Oktober 1992 war eine Boeing 747, der „Flug LY-1862“, kurz nach dem Start von Schiphol in zwei Amsterdamer Hochhäuser gestürzt. Nach der Katastrophe war die Diskussion darüber, ob Flughäfen so nah an Wohngebieten stehen sollten, wieder aufgeflammt.

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Tim und Struppi: Die Juwelen der Sängerin [Rezension]

Die bisherigen Geschichten vom Tim und Struppi waren Abenteuer im „klassischen Sinn“: der Held zieht hinaus in die Welt und findet dort eine Situation vor, die er bereinigt. Für das neueste Album brach Hergé jedoch mit diesem Prinzip. Das Abenteuer sollte nach Mühlenhof kommen.

Inhalt: Ganz überraschend meldet sich Bianca Castafiore zum Besuch im Mühlenhof an. Als Haddock überstürzt abreisen will, fällt er über eine kaputte Treppenstufe und verstaucht sich den Knöchel. An ein Entkommen ist somit nicht mehr zu denken und so muss er die Ankunft der Castafiore, ihrer Zofe Luise und ihrem Pianisten Igor Wagner über sich ergehen lassen – mit allen Konsequenzen, einer Fernsehübertragung von Mühlenhof und umherschnüffelnden Journalisten, die auf der Suche nach einer Story sind. Doch plötzlich verschwindet das wertvollste Stück vom Schmuck der Castafiore: ein Smaragd, den ihr der Mahardscha von Gopal geschenkt hat.

Kritik: Wollte man ein Tim-und-Struppi-Theaterstück verfassen, „Die Juwelen der Sängerin“ wäre die ideale Vorlage. Der Schauplatz ist und bleibt Mühlenhof – und das reicht auch. Über das Chaos, das die Ankunft der „italienischen Nachtigall“ auslöst bis zum Verschwinden des Smaragds gibt es allerhand komische Situationen, die in einer Krimihandlung verwoben sind. Hergé macht es dabei sichtlich Spaß, falsche Spuren zu legen und auch mit Ressentiments zu spielen, etwa wenn die Schul(t)zes eine in der Nähe von Mühlenhof lagernde Gruppe Zigeuner des Diebstahls verdächtigen, ohne einen wirklichen Anhaltspunkt dafür zu haben. Die Geschichte geht so von Spur zu Spur, bis Tim schließlich die richtige Idee kommt. Und wenn der geneigte Leser das erste Bild des Abenteuers genau betrachtet, so wird er feststellen, dass die Lösung dort schon versteckt ist.

Für diese Geschichte wurde eine neue Nebefigur mit eingebaut: der Maurer Stein, der eigentlich die kaputte Treppenstufe richten sollte, sich aber immer entschuldigt, weil er keine Zeit gehabt hat. Interessanterweise ist er aber Mitglied der „Harmonie Mühlenhof“, die dem Kapitän und der Castafiore ein Ständchen bringt (und wer genau hinschaut, wird auch Metzgermeister Schnitzel entdecken). Stein steht hier stellvertretend für die Handwerker, die ihre Termine nie einhalten, weil „was dazwischen kam“.

Dieses Album unterscheidet sich durch die vom Ort her eingeschränkte Geschichte sehr von den bisherigen. Es passiert auch nichts von einer ähnlichen Dramatik wie in den bisherigen Abenteuern. Niemand wird bedroht, niemand ist in Gefahr und der „Schurke“ hinter der ganzen Sache ist nicht Rastapopoulos. Deswegen kann es sein, dass „Die Juwelen der Sängerin“ bei dem einen oder anderen Fan nicht so gut ankommt, denn die bekannten Pfade werden hier konsequent verlassen. Für mich persönlich war es eine erfrischende Abwechslung. Leider war meine ursprüngliche Ausgabe bei einem Umzug so beschädigt worden, dass ich sie leider entsorgen musste. Daher habe ich eine neue Auflage gekauft und eine Änderung festgestellt: In der alten Fassung war die Titelschlagzeile des Magazins „Tempo di Roma“ eingedeutscht („Die Diva und der Papagei“), in der neuen Fassung hat man die Authentizität etwas mehr hervorgehoben, indem man diese Schlagzeile italienisch („La Diva e il Pappagallo“) ließ.

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Tim und Struppi: Tim in Tibet [Rezension]

1958 war kein gutes Jahr für Hergé. Eingespannt durch die Arbeit an den Abenteuern von Tim litt seine Ehe. Der Zeichner musste schließlich erkennen, dass die Liebe erloschen war, was ihn in eine tiefe Krise stürzte. In Albträumen fand er sich in einer Welt wieder, in der alles weiß war – weiß wie ein unbeschriebener Bogen Papier. Er zog einen Psychologen zu Rate, der ihm auf den Kopf zu sagte, dass er nie wieder eine Geschichte beenden würde und es besser wäre, das Zeichnen ganz aufzugeben. Hergé jedoch tat, was die moderne Psychoanalyse als „Konfrontationstherapie“ bezeichnet: Er verarbeitete alles – die weißen Flächen, seine Krise und den Rat, einfach aufzugeben – in einem neuen Tim-Abenteuer.

Inhalt: Tim, Haddock und Bienlein machen Urlaub in den Alpen, als ein Brief von Tschang Tschong-Jen (aus „Der blaue Lotos“) kommt. Er kommt nach London, will aber vorher Tim noch einen Besuch abstatten. Unglücklicherweise stürzt seine Maschine in den Bergen von Tibet ab. Laut Zeitungsberichten hat kein Passagier überlebt, doch aufgrund eines Traumes, den er hat, ist Tim davon überzeugt, dass Tschang noch lebt. Gegen alle Widrigkeiten und den ewig nörgelnden Kapitän Haddock macht sich der Reporter auf zur Absturzstelle in den Bergen, um seinen Freund zu retten.

Kritik: „Tim in Tibet“ zeigt eine neue Nuance auf, denn in dieser Geschichte gibt es keinen Bösewicht oder eine große Bedrohung. Es geht um innere Werte wie Freundschaft und was man für eine Freundschaft bereit ist, auf sich zu nehmen. Tim ist bereit, sehr viel auf sich zu nehmen. Immer wieder ist er bereit, allein aufzubrechen, aber jedes Mal kommt Haddock – entgegen seiner Ansagen – wieder mit. Auch hier ist das Thema „Freundschaft“, denn eigentlich hat Haddock mit Tschang nichts zu schaffen und ist davon überzeugt, dass jener bei dem Absturz ums Leben kam, dennoch lässt er sich in dieses Abenteuer mitziehen.

Auf hervorragende Weise ist es Hergé gelungen, den Lokalkolorit einzufangen, etwa bei dem traditionellen Gruß, bei dem tibetanischen Kloster und nicht zuletzt bei den schneebedeckten Weiten der Berge, die letztlich nichts als eine Reflektion der großen, weißen Flächen sind, die dem Zeichner in seinen Albträumen begegneten. Indem er mit viel Gefühl eine persönliche Situation verarbeitete, hat er eine starke und authentische Geschichte geschaffen, in der ein seltener Moment zu sehen ist: Angesichts der Nachricht, dass Tschang mit dem Flugzeug abgestürzt ist, kommen dem sonst so unerschrockenen Reporter die Tränen.

Durch alle diese Faktoren sticht das Album aus der Reihe heraus wie der Gipfel des Himalaja. Auch so kann man ein Abenteuer erleben, bei dem die Spannung nicht so sehr um die Frage „Wie kommt der Held aus dieser gefährlichen Situation wieder heraus?“ geht, sondern um: „Was tut der Held als nächstes? Wie geht es weiter?“ Und als Leser ist man geneigt, Tim anzufeuern, wenn er wieder einen Hinweis entdeckt, was Tschang widerfahren sein könnte.

Sehr zum Ausdruck bringt Hergé auch seine Faszination für den tibetanischen Buddhismus, wobei ihm bei der Ausarbeitung die politische Realität in die Quere kam: Der Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibetet, gab dem Druck der chinesischen Regierung nach, die das Land 1949 hatte besetzen lassen, und floh im März 1959 nach Indien ins Exil. „Tim in Tibet“ wurde im November des gleichen Jahres abgeschlossen. Die persönliche Situation des Zeichners hatte sich bis dahin zum Positiven gewandelt.

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