„Hier spricht Edgar Wallace…“ – Die Rückkehr der Maritim-Hörspiele

Über Londons Straßen senkt sich dichter Nebel
Und schlägt Big Ben zur Mitternacht
Setzen Gangster in Bewegung alle Hebel
Bald ist die böse Tat vollbracht.

Wenn die Gangster sind auf Draht
Gerät in Aufruhr Scotland Yard
Gerät in Aufruhr Scotland Yard.

Edgar Wallace, bekannt durch seine gruseligen Krimiromane und – zumindest in Deutschland – durch die daraus entstandenen Filme, soll was für Kinder sein? Das war in den 1980er Jahren eine der ersten Reaktionen, als die Eltern am Hörspielstand die Folgen einer neuen Reihe des Labels „Maritim“ (die unter anderem auch „Tim und Struppi“ vertonten) sahen. Diese Eltern kannten die Wallace-Filme nur zu gut und wussten, wie unheimlich sie waren. Aber nein, es war kein Irrtum: Die Hörspielbearbeitung von Maritim wandte sich gezielt an Kinder und Jugendliche.

Und dann kommt Scotland Yard auch schon auf Touren
Ist an des Verbrechens Stelle
Sichert Fingerabdruck und die Reifenspuren
Will den Täter auf die Schnelle.

Kommt man nicht so recht in Fahrt
Gerät in Aufruhr Scotland Yard
Gerät in Aufruhr Scotland Yard.

Nicht weniger als 123 Kriminalromane hat Wallace geschrieben, 38 davon wurden in Deutschland aufwändig verfilmt und formten einen eigenen Stil. Außerdem schien es eine Gesetzmäßigkeit zu sein, dass entweder Klaus Kinski, Joachim Fuchsberger, Eddi Arent oder Heinz Drache mitspielten. Oder auch mehrere dieser Schauspieler zusammen.

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Für die Bearbeitung als Jugendhörspiel mussten die Wallace-Krimis etwas „entschärft“ werden, denn immerhin hatten die Originalfilme damals im Kino wegen ihrer Brutalität eine Altersfreigabe ab 16 Jahren. Man fügte etwas mehr Leichtigkeit und Humor dazu, ohne allerdings eine für die Filme typische Eddi-Arent-Figur einzuführen. Und im Gegensatz zu den Vorlagen, wo in fast jeder Geschichte andere Ermittler am Werk waren, arbeiteten in den Hörspielen die selben Detektive mehrmals.

Aus den Filmen wurde der Anfang des Titellieds übernommen. Eine dunkle Stimme sagt: „Hier spricht Edgar Wallace!“, dann fallen Schüsse. Im Gegensatz zu Peter Thomas‘ dramatischer bis drastischer Filmmusik dient das – gesungene – Titellied der Hörspielreihe mehr zur Einstimmung und Einführung, denn in der dritten Strophe wurde verraten, welche Ermittler in dieser Folge an der Arbeit sind.

Weiß man nicht weiter, muss Inspektor Jenkins her
Und mit ihm kommen Nick und Nicky.
Kein Kriminalfall war den dreien je zu schwer
Sie lösen alle Fälle quicky.

Sind die Gangster wohl verwahrt
Freut man sich bei Scotland Yard
Dann freut man sich bei Scotland Yard.

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Das Team, das in den ersten Folgen ermitteln darf, besteht aus Chefinspektor Joe Jenkins, seinem Assistenten Inspektor Elford und Jenkins‘ Neffen und Nichte Nick und Nicky. Jenkins wurde von Manfred Krug gesprochen (der später einen Tatortkommissar spielte), Elford von Günter Lüdke. Elford ist auch der einzige des Teams, der tatsächlich einem Wallace-Roman entstammt („Der Zinker“, dort ist er sogar der Hauptermittler), Jenkins, Nick und Nicky wurden für das Hörspiel erfunden. Nick hatte eine recht bekannte Stimme, nämlich die von Sascha Draeger (damals bekannt als Tarzan / Tim von „TKKG“, heute unter anderem auch als Synchronsprecher für Dean Cain – „Lois & Clark“). Die Kinder wurden offenbar mit dazuerfunden, damit das Publikum, das angesprochen werden sollte, zwei Identifikationsfiguren haben würde.

Vier Folgen lang durfte das Dreierteam – unterstützt von dem Reporter Joshua – Fälle lösen, nämlich „Der Zinker“, „Der Frosch mit der Maske“, „Der Hexer“ und „Die toten Augen von London“.  In „Der Frosch mit der Maske“ sind die Ermittler in der Vorlage Richard Gordon und Inspektor Elk, bei „Der Hexer“ Inspektor Higgins und bei „Die toten Augen von London“ Inspektor Larry Holt und Sunny Harvey. Interessant ist dabei, dass die Folge mit dem „Hexer“ ja eigentlich kein Ende hat, da dem Verbrecher am Schluss die Flucht gelingt, die Folge „Neues vom Hexer“ kam jedoch nicht im Anschluss und es ist auch ein anderes Team am Werk. Auf Joe Jenkins und Inspektor Elford folgen…

Doch kommt der Chefinspektor Bliss vom Yard dann her
Dann haben die Gangster nichts zu lachen.
Kein Kriminalfall war dem Detektiv zu schwer
Inspektor Bliss, er wird’s schon machen.

Sind die Gangter wohl verwahrt…

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Chefinspektor Bliss und sein Assistent Mander durften ebenfalls vier Fälle lang ermitteln. Sie lösten die Fälle „Die Bande des Schreckens“, „Neues vom Hexer“, „Das Gasthaus an der Themse“ und die Doppelfolge „Der Club der Vier“ / „Der unheimliche Mönch“. Bliss und Mander stammen ursprünglich aus dem Roman „Neues vom Hexer“, den Fall „Die Bande des Schreckens“ löste eigentlich Inspektor Long, „Das Gasthaus an der Themse“ Inspektor Wade, „Der unheimliche Mönch“ Inspektor Bratt und „Der Club der Vier“ der Versicherungsdetektiv Robert Brewer. Inspektor Bliss wird in den Hörspielen von Henry Kielman gesprochen, Mander von Manuel Ponto. Bei den Geschichten fällt auf, dass die jugendlichen Ermittler fehlen. Offenbar dachten die Produzenten, dass nach vier Folgen solche Figuren für das Publikum nicht mehr nötig seien. Bliss und Mander wurden wiederum abgelöst von…

Doch kommt Captain Stone vom Yard dann her
Dann haben die Gangster nichts zu lachen.
Kein Kriminalfall war dem Captain je zu schwer
Captain Stone, der wird’s schon machen.

Sind die Gangster wohl verwahrt…

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Captain Stone entstammt ebenfalls nicht direkt einer Edgar-Wallace-Geschichte. Zwar taucht in „Der grüne Bogenschütze“ ein Inspektor Featherstone auf, aber mit diesem hat Stone nicht viel gemein. Es fällt auch auf, dass Stone keinen Assistenten hat, sondern meist allein ermittelt. Der von Rolf Jülich gesprochene Captain durfte die Fälle „Das Geheimnis der gelben Narzissen“ (Ermittler im Buch: Inspektor Whiteside), „Die Tür mit den sieben Schlössern“ (Buch: Inspektor Martin), „Der grüne Bogenschütze“ (Inspektor Featherstone) und „Das indische Tuch“ (Anwalt Frank Tanner) bearbeiten. Und dann gab es da noch eine Folge…

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Nein, das ist kein Fehler. Beim Hörspiel Nr. 13, „Bei den drei Eichen“, gibt es in der Titelmusik keine dritte Strophe. Hier ermitteln – wie im Buch – Socrates Smith und sein Bruder. Und das war die letzte Folge der Reihe. Doch diese Reihe war für viele derjenigen, die in den 1908er Jahren im Teenager-Alter waren, der Einstieg in die Welt von Edgar Wallace. Und nur weil die Geschichten für Kinder und Jugendliche aufbereitet wurden, heißt dass noch lange nicht, dass sie deswegen ganz harmlos waren. Immer noch starben in den Episoden Menschen und es war immer noch sehr gruselig. Dabei stimmte alles, das Skript, die Darsteller, die Effekte und die Musik. Die Geschichten sind so geschrieben, dass sie ohne Erzähler auskommen, das heißt, die Figuren binden den Hörer unmittelbar ins Geschehen ein. Auch das trägt zum Gesamteffekt bei.

Gerüchteweise habe ich gehört, dass die Masterbänder der Hörspielreihe durch einen Wasserschaden verloren gegangen seien. Das kann ich leider nicht überprüfen, aber sei es wie es sei und wie auch immer sie es gemacht haben: Maritim hat nun alle Folgen der Edgar-Wallace-Reihe (ausgenommen „Bei den drei Eichen“) als Download im iTunes-Shop herausgebracht. Das heißt, die Fans von damals – und vielleicht auch neue Fans von heute – können sich auf die Reise begeben, wenn sich der Nebel über Londons Straßen senkt und Big Ben Mitternacht schlägt. Denn noch immer gilt der Satz, mit dem jedes Hörspiel endete:

Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein.

Die Hörspiele gibt es hier als Download:

  1. Folge 01: Der Zinker – Edgar Wallace
  2. Folge 02: Der Frosch mit der Maske – Edgar Wallace
  3. Folge 03: Der Hexer – Edgar Wallace
  4. Folge 04: Die toten Augen von London – Edgar Wallace
  5. Folge 05: Die Bande des Schreckens – Edgar Wallace
  6. Folge 06: Neues vom Hexer – Edgar Wallace
  7. Folge 07: Das Gasthaus an der Themse – Edgar Wallace
  8. Folge 08: Der unheimliche Mönch – Edgar Wallace
  9. Folge 09: Das Geheimnis der gelben Narzissen – Edgar Wallace
  10. Folge 10: Die Tür mit den sieben Schlössern – Edgar Wallace
  11. Folge 11: Der grüne Bogenschütze – Edgar Wallace
  12. Folge 12: Das indische Tuch – Edgar Wallace

 

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