„Hier spricht Edgar Wallace…“ – Die Rückkehr der Maritim-Hörspiele

Über Londons Straßen senkt sich dichter Nebel
Und schlägt Big Ben zur Mitternacht
Setzen Gangster in Bewegung alle Hebel
Bald ist die böse Tat vollbracht.

Wenn die Gangster sind auf Draht
Gerät in Aufruhr Scotland Yard
Gerät in Aufruhr Scotland Yard.

Edgar Wallace, bekannt durch seine gruseligen Krimiromane und – zumindest in Deutschland – durch die daraus entstandenen Filme, soll was für Kinder sein? Das war in den 1980er Jahren eine der ersten Reaktionen, als die Eltern am Hörspielstand die Folgen einer neuen Reihe des Labels „Maritim“ (die unter anderem auch „Tim und Struppi“ vertonten) sahen. Diese Eltern kannten die Wallace-Filme nur zu gut und wussten, wie unheimlich sie waren. Aber nein, es war kein Irrtum: Die Hörspielbearbeitung von Maritim wandte sich gezielt an Kinder und Jugendliche.

Und dann kommt Scotland Yard auch schon auf Touren
Ist an des Verbrechens Stelle
Sichert Fingerabdruck und die Reifenspuren
Will den Täter auf die Schnelle.

Kommt man nicht so recht in Fahrt
Gerät in Aufruhr Scotland Yard
Gerät in Aufruhr Scotland Yard.

Nicht weniger als 123 Kriminalromane hat Wallace geschrieben, 38 davon wurden in Deutschland aufwändig verfilmt und formten einen eigenen Stil. Außerdem schien es eine Gesetzmäßigkeit zu sein, dass entweder Klaus Kinski, Joachim Fuchsberger, Eddi Arent oder Heinz Drache mitspielten. Oder auch mehrere dieser Schauspieler zusammen.

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Für die Bearbeitung als Jugendhörspiel mussten die Wallace-Krimis etwas „entschärft“ werden, denn immerhin hatten die Originalfilme damals im Kino wegen ihrer Brutalität eine Altersfreigabe ab 16 Jahren. Man fügte etwas mehr Leichtigkeit und Humor dazu, ohne allerdings eine für die Filme typische Eddi-Arent-Figur einzuführen. Und im Gegensatz zu den Vorlagen, wo in fast jeder Geschichte andere Ermittler am Werk waren, arbeiteten in den Hörspielen die selben Detektive mehrmals.

Aus den Filmen wurde der Anfang des Titellieds übernommen. Eine dunkle Stimme sagt: „Hier spricht Edgar Wallace!“, dann fallen Schüsse. Im Gegensatz zu Peter Thomas‘ dramatischer bis drastischer Filmmusik dient das – gesungene – Titellied der Hörspielreihe mehr zur Einstimmung und Einführung, denn in der dritten Strophe wurde verraten, welche Ermittler in dieser Folge an der Arbeit sind.

Weiß man nicht weiter, muss Inspektor Jenkins her
Und mit ihm kommen Nick und Nicky.
Kein Kriminalfall war den dreien je zu schwer
Sie lösen alle Fälle quicky.

Sind die Gangster wohl verwahrt
Freut man sich bei Scotland Yard
Dann freut man sich bei Scotland Yard.

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Das Team, das in den ersten Folgen ermitteln darf, besteht aus Chefinspektor Joe Jenkins, seinem Assistenten Inspektor Elford und Jenkins‘ Neffen und Nichte Nick und Nicky. Jenkins wurde von Manfred Krug gesprochen (der später einen Tatortkommissar spielte), Elford von Günter Lüdke. Elford ist auch der einzige des Teams, der tatsächlich einem Wallace-Roman entstammt („Der Zinker“, dort ist er sogar der Hauptermittler), Jenkins, Nick und Nicky wurden für das Hörspiel erfunden. Nick hatte eine recht bekannte Stimme, nämlich die von Sascha Draeger (damals bekannt als Tarzan / Tim von „TKKG“, heute unter anderem auch als Synchronsprecher für Dean Cain – „Lois & Clark“). Die Kinder wurden offenbar mit dazuerfunden, damit das Publikum, das angesprochen werden sollte, zwei Identifikationsfiguren haben würde.

Vier Folgen lang durfte das Dreierteam – unterstützt von dem Reporter Joshua – Fälle lösen, nämlich „Der Zinker“, „Der Frosch mit der Maske“, „Der Hexer“ und „Die toten Augen von London“.  In „Der Frosch mit der Maske“ sind die Ermittler in der Vorlage Richard Gordon und Inspektor Elk, bei „Der Hexer“ Inspektor Higgins und bei „Die toten Augen von London“ Inspektor Larry Holt und Sunny Harvey. Interessant ist dabei, dass die Folge mit dem „Hexer“ ja eigentlich kein Ende hat, da dem Verbrecher am Schluss die Flucht gelingt, die Folge „Neues vom Hexer“ kam jedoch nicht im Anschluss und es ist auch ein anderes Team am Werk. Auf Joe Jenkins und Inspektor Elford folgen…

Doch kommt der Chefinspektor Bliss vom Yard dann her
Dann haben die Gangster nichts zu lachen.
Kein Kriminalfall war dem Detektiv zu schwer
Inspektor Bliss, er wird’s schon machen.

Sind die Gangter wohl verwahrt…

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Chefinspektor Bliss und sein Assistent Mander durften ebenfalls vier Fälle lang ermitteln. Sie lösten die Fälle „Die Bande des Schreckens“, „Neues vom Hexer“, „Das Gasthaus an der Themse“ und die Doppelfolge „Der Club der Vier“ / „Der unheimliche Mönch“. Bliss und Mander stammen ursprünglich aus dem Roman „Neues vom Hexer“, den Fall „Die Bande des Schreckens“ löste eigentlich Inspektor Long, „Das Gasthaus an der Themse“ Inspektor Wade, „Der unheimliche Mönch“ Inspektor Bratt und „Der Club der Vier“ der Versicherungsdetektiv Robert Brewer. Inspektor Bliss wird in den Hörspielen von Henry Kielman gesprochen, Mander von Manuel Ponto. Bei den Geschichten fällt auf, dass die jugendlichen Ermittler fehlen. Offenbar dachten die Produzenten, dass nach vier Folgen solche Figuren für das Publikum nicht mehr nötig seien. Bliss und Mander wurden wiederum abgelöst von…

Doch kommt Captain Stone vom Yard dann her
Dann haben die Gangster nichts zu lachen.
Kein Kriminalfall war dem Captain je zu schwer
Captain Stone, der wird’s schon machen.

Sind die Gangster wohl verwahrt…

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Captain Stone entstammt ebenfalls nicht direkt einer Edgar-Wallace-Geschichte. Zwar taucht in „Der grüne Bogenschütze“ ein Inspektor Featherstone auf, aber mit diesem hat Stone nicht viel gemein. Es fällt auch auf, dass Stone keinen Assistenten hat, sondern meist allein ermittelt. Der von Rolf Jülich gesprochene Captain durfte die Fälle „Das Geheimnis der gelben Narzissen“ (Ermittler im Buch: Inspektor Whiteside), „Die Tür mit den sieben Schlössern“ (Buch: Inspektor Martin), „Der grüne Bogenschütze“ (Inspektor Featherstone) und „Das indische Tuch“ (Anwalt Frank Tanner) bearbeiten. Und dann gab es da noch eine Folge…

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Nein, das ist kein Fehler. Beim Hörspiel Nr. 13, „Bei den drei Eichen“, gibt es in der Titelmusik keine dritte Strophe. Hier ermitteln – wie im Buch – Socrates Smith und sein Bruder. Und das war die letzte Folge der Reihe. Doch diese Reihe war für viele derjenigen, die in den 1908er Jahren im Teenager-Alter waren, der Einstieg in die Welt von Edgar Wallace. Und nur weil die Geschichten für Kinder und Jugendliche aufbereitet wurden, heißt dass noch lange nicht, dass sie deswegen ganz harmlos waren. Immer noch starben in den Episoden Menschen und es war immer noch sehr gruselig. Dabei stimmte alles, das Skript, die Darsteller, die Effekte und die Musik. Die Geschichten sind so geschrieben, dass sie ohne Erzähler auskommen, das heißt, die Figuren binden den Hörer unmittelbar ins Geschehen ein. Auch das trägt zum Gesamteffekt bei.

Gerüchteweise habe ich gehört, dass die Masterbänder der Hörspielreihe durch einen Wasserschaden verloren gegangen seien. Das kann ich leider nicht überprüfen, aber sei es wie es sei und wie auch immer sie es gemacht haben: Maritim hat nun alle Folgen der Edgar-Wallace-Reihe (ausgenommen „Bei den drei Eichen“) als Download im iTunes-Shop herausgebracht. Das heißt, die Fans von damals – und vielleicht auch neue Fans von heute – können sich auf die Reise begeben, wenn sich der Nebel über Londons Straßen senkt und Big Ben Mitternacht schlägt. Denn noch immer gilt der Satz, mit dem jedes Hörspiel endete:

Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein.

Die Hörspiele gibt es hier als Download:

  1. Folge 01: Der Zinker – Edgar Wallace
  2. Folge 02: Der Frosch mit der Maske – Edgar Wallace
  3. Folge 03: Der Hexer – Edgar Wallace
  4. Folge 04: Die toten Augen von London – Edgar Wallace
  5. Folge 05: Die Bande des Schreckens – Edgar Wallace
  6. Folge 06: Neues vom Hexer – Edgar Wallace
  7. Folge 07: Das Gasthaus an der Themse – Edgar Wallace
  8. Folge 08: Der unheimliche Mönch – Edgar Wallace
  9. Folge 09: Das Geheimnis der gelben Narzissen – Edgar Wallace
  10. Folge 10: Die Tür mit den sieben Schlössern – Edgar Wallace
  11. Folge 11: Der grüne Bogenschütze – Edgar Wallace
  12. Folge 12: Das indische Tuch – Edgar Wallace

 

Technische Rezension: „Detective Dee und das Geheimnis der Phantomflammen“ von Tsui Hark

(c) Koch Media
(c) Koch Media

OT:                      Detective Dee and the Mystery of the Phantom Flame
Laufzeit:               124 Minuten
FSK-Freigabe:     ab 12 Jahren
Studio                  Huayi Brothers Media Corporation / Koch Media
Herstellungsjahr: HK 2010
Disc:                    1 Blu-Ray
Tonformate:        Deutsch  DTS-HD-MA 5.1, Mandarin DTS-HD-MA 5.1
Extras:                 Wendecover ohne FSK-Logo
Hauptdarsteller:   Andy Lau; Carina Lau; Li Bing Bing; Tony Leung Ka Fai
Regie:                   Tsui Hark

 

Film:

China im Jahr 689, das Kaiserreich der Tang-Dynastie erlebt seine Blütezeit. In der Hauptstadt entsteht eine 220 Meter (!) hohe Buddhastatue zu Ehren von Wu Zetian, die erste Frau die den kaiserlichen Thron besteigen wird. Als sowohl der Polizeiminister wie auch der Bauleiter des Projekts auf mysteriöse Weise in Flammen aufgehen, beauftragt die angehende Kaiserin den ehemaligen Vertrauten Di Renjie, genannt Detective Dee, die seltsamen Vorfälle vor ihrer Krönung aufzuklären. Dieser sitzt allerdings nach einem mißlungenen Putschversuch gegen sie im Gefängnis, trotz allem ist er einer der wenigen, dem Wu Zetian vertraut. Zusammen mit Jing, der Vertrauten der zukünftigen Kaiserin, versucht er, das Rätsel zu lösen. Dabei kommen sie einem Komplott auf die Spur, das das Reich zerstören könnte.

 

Info:

Der Film wird auch als Mischung von „Indiana Jones“ und „Sherlock Holmes“ beworben. Dies ist durchaus zutreffend, da die Hauptfigur Dee sowohl ein kampferprobter Abenteurer als auch ein erstklassiger Ermittler mit einem hohen Intellekt ist. Natürlich gibt es auch in diesem Film die typische fernöstliche Magie, wie man sie auch aus anderen Filmen kennt. Die entsprechenden Effekte werden aber nie zum reinen Selbstzweck, sondern sind gut in die Handlung integriert, das gleiche gilt natürlich auch für die Action- und Kampfszenen, ganz ähnlich den „Indiana-Jones“-Filmen.

Auch sein Verhalten gegenüber der zukünftigen Kaiserin ist äußerst interessant. Während alle anderen vor ihr Knien und buckeln, benimmt er sich ihr gegenüber, als wäre er gleichgestellt. Die Tatsache, dass er einst einen Putsch gegen sie angezettelt hat, scheint sie nicht im Geringsten zu stören. Ganz im Gegenteil, es scheint, als wäre er der einzige, dem Wu wirklich vertraut, auch weil er ihr unverblümt und ohne Rücksicht seine Meinung sagt.

 

Bild:

Das Bild besitzt einen erstklassigen Kontrast als auch einen hervorragenden Schwarzwert.

Die Schärfe ist absolut nicht zu bemängeln, ebenso wenig wie die Farben. Dadurch kommen die vielen feinen Strukturen wie Details bei den Kostümen, Gebäuden und Requisiten und sogar Hautporen unglaublich gut zum Vorschein. Bei der Komprimierung sind keinerlei Artefakte zuerkennen, alles in allem wirklich ein Spitzenbild.

 

Ton:

Der deutsche Ton ist genau wie der Originalton äußerst kraftvoll und wirklich hervorragend abgemischt. Die einzelnen Soundlayer sind sehr gut definiert und jederzeit ortbar, auch der Subwoofer macht ebenfalls gut Druck. Alles in allem eine sehr gute räumlich Darstellung aller Objekte.

 

Bonusmaterial:

  • Interviews (39.50 Min);
  • B-Roll (16.58 Min);
  • Slideshow (2.10 Min);
  • Postergalerie (1.34 Min);
  • Trailer (2.20 Min);
  • Originalteaser (1.34 Min);
  • Trailershow (5.04 Min):
        • Abgehöhrt – Trau niemals einem Cop (1.17 Min);
        • Moon (2.01 Min);
        • Five Minutes of Heaven (1.46 Min)

       

      Fazit:

      „Detective Dee“ ist ein mit Fantasy-Elementen gespickter Abenteuerfilm der zwei bekannte Figuren in sich vereint, ein wunderschönes Kleinod unter den ganzen Actionfilmen aus Hong Kong und den USA. Die Blu-Ray enthält nicht gerade üppiges, aber immerhin einigermaßen informatives Bonusmaterial, das Bild und der Ton sind allerdings hervorragend.

      Auch wer mit dem asiatischen „Kampf- und Magie-Genre“ nicht viel anfangen kann, sollte hier doch einmal einen Blick riskieren, es lohnt sich. Für alle Fantasy-Abenteuer-Fans und Freunde des Asia-Films.

       

      „Detective Dee und das Geheimnis der Phantomflammen“ kann man unter anderem hier bestellen:

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      10 Comics, die man gelesen haben sollte (Teil 5)

      Wir nähern uns der Halbzeit meiner kleinen Reihe. Daher präsentiere ich ein weiteres Kleinod, das vielleicht nicht jedem bekannt sein dürfte. Dem Comic-Kenner ist der Name Ledroit nicht fremd. Als Zeichner wurde er vor allem durch die Comic-Reihe „Die Chroniken des Schwarzen Mondes“ bekannt, welche seit 1990 erscheint und mittlerweile auf 13 Bände kommt. Allerdings schied Ledroit bereits nach fünf Bänden aus. Das merkt man aber auch. Eine kürzere, aber dafür umso bemerkenswertere Reihe ist die folgende:

      Ledroit/Mosdi: Xoco

      – Vorbemerkung

      Zwei Bände mit den Titeln „1: Der Obsidian-Schmetterling“ und „2: Der Herr des Schattens“ umfasst die Geschichte von Mosdi mit den Zeichnungen von Ledroit aus dem Jahr 1996. Sechs Jahre später erschien eine Nachfolgegeschichte, wiederum in zwei Bänden. Und auch hier schied Ledroit als Zeichner aus und wurde durch Christophe Palma ersetzt. Ich selbst kenne die Fortsetzung nicht, habe aber mir sagen lassen, dass zwar die Bilder prächtig sind, die Geschichte aber nicht mehr das hohe Niveau des Erstlings halten kann.

      – Inhalt

      New York 1931: Brooklyn steht unter dem Schock einer brutalen Mordserie. Bereits auf der ersten Doppelseite zeigt uns der Autopsie-Bericht eines schrecklich zugerichteten Körpers, womit wir hier zu rechnen haben. Mona Griffth, Tochter eines Antiquitätenhändlers, glaubt an einen Zusammenhang mit einem antiken Dolch, der sich im Besitz ihres vor zehn Jahren ermordeten Vaters befand. Bei ihren Nachforschungen trifft sie auf Xoco, einen Schamanen, der das Geheimnis des Dolches kennt. Bald merken sie, dass sie sich einem sehr mächtigen und uralten Feind aus der Vergangenheit stellen müssen…

      -Kritik

      Wer Krimis, Film Noir und die Geschichten von H.P. Lovecraft mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Unglaublich, was hier an grafischer Opulenz geboten wird. Im Gegensatz zu anderen Comics sind hier die Panels meistens auf schwarzem Hintergrund, was die Wucht der Bilder noch verstärkt und den düsteren Gesamteindruck unterstützt. Die Geschichte ist verwirrend und nichts für den schwachen Magen. Im Film Noir trifft der abgehalfterte Detektiv zumeist auf eine mysteriöse Dame, die ihn tiefer in den Strudel der Ereignisse reißt. Hier ist es interessanterweise genau andersrum: Mona Griffith wird aus ihrem normalen Leben gerissen und muss sehen, dass sie lebend davonkommt.

      Man muss sich schon etwas Zeit nehmen, Xoco liest sich nicht mal eben auf dem Klo. Doch wer sich darauf einlässt, wird mit einer interessanten Gruselmär belohnt, die durch einen einzigartigen visuellen Stil mit irrwitzigen Perspektiven, teilweise annähernd fotorealistischen Zeichnungen, tollem Licht-und-Schattenspiel und angemessen bleichen Farben besticht.

      Fazit: Düstere, spannende Erwachsenen-Unterhaltung!

      CSI: NY – Staffel 4 beginnt

      In meinem Beitrag über die RTL-Serie „112 – Sie retten dein Leben“ hatte ich geschrieben, dass ich mich nun wieder angenehmeren Dinge zuwenden werde. Und schon ist es soweit:

      Nachdem die 3. Staffel von „CSI: NY“ mit einem furiosen Finale beendet wurde (worüber ich mir hier ein paar kritische Gedanken gemacht habe), beginnt heute VOX mit der Ausstrahlung der Staffel 4. Wie bei „CSI: Miami“ ist auch diese Staffel aufgrund des Autorenstreiks Ende letzten Jahres nur 21 statt der gewohnten 23 Folgen lang.

      Anlässlich des Serienstarts beantwortet Michael Reufsteck für das „Fernsehlexikon“ die Frage, warum die Ermittler bei CSI immer mit den Taschenlampen suchen, anstatt das Licht anzumachen und hat noch eine kleine Dreingabe: Ein Interview mit Gary Sinise, das er seinerzeit für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ gemacht hat. Zu finden ist es hier: Mac-Lite.

      CSI: Miami / CSI: NY – Eine kritische Nachbetrachtung

      Nach „CSI: NY“ ist nun auch die letzte Folge der aktuellen deutschen Staffel von „CSI: Miami“ im Fernsehen gelaufen und es wird Zeit für eine Bestandsaufnahme und eine Nachbetrachtung. Leider gibt es da ein paar Dinge, die dem Betrachter etwas negativ in Auge fallen.

      Bei CSI: NY gab es in der dritten Staffel einige bemerkenswerte Episoden, etwa der Besuch von Scotty Valens (aus der Serie Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen), als am Tatort eines alten Falls das Blut von Stella Bonasera gefunden wird. Sheldon Hawkes wurde aufgrund von manipulierten Beweisen eines Mordes verdächtigt, den er nicht begangen hatte. Mac Taylor musste nicht nur mit seiner Beziehung zu Doktor Peyton Driscoll umzugehen lernen, er geriet auch in die Mühlen der Politik, als sich ein Mörder vor seinen Augen vom Dach eines Hauses stürzte und es so aussah, als habe er ihn gestoßen. Wehren konnte sich Taylor nur, indem er einen Vorgesetzen mit einem von diesem schlampig recherchierten Fall konfrontierte und so die Einstellung des Verfahrens gegen ihn erreicht. Lindsay Monroe wurde mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, als sie gegen einen Mann aussagen musste, der drei ihrer Freundinnen ermordet hat, als sie ein Teenager war. Erst danach ist sie bereit, sich auf eine Beziehung mit Danny Messer einzulassen. In der Finalepisode der Staffel schließlich wurde das Hauptquartier überfallen. Taylor und Bonasera gelang es jedoch, die Angreifer zurückzuschlagen, unter anderem, indem sie eine Sprengfalle mit Gasflaschen installierten.

      Nicht weniger turbulent hatten es die Ermittler von CSI: Miami. Die fünfte Staffel begann schon spektakulär mit der Reise nach Brasilien, die Horatio Caine und Erik Delko antreten, um den Mörder von Marisol „Delko“ Caine (Eriks Schwester, Horatios Frau) aufzuspüren. Natalia Boavista und Maxine Valera wurden verdächtigt, Natalias Ex-Ehemann erschlagen zu haben, nachdem dieser nach einer Verabredung mit Maxine tot in seinem Haus gefunden wurde. Erik Delko wurde Opfer eines Trickbetrügerpärchens und zu regelmäßigen Zahlungen verurteilt (gegen die er wegen der nicht ganz legalen Reise nach Brasilien keine Rechtsmittel einlegte) und schließlich bei einer Schießerei in den Kopf getroffen. Er überlebte knapp, musste sich aber wieder an seine Arbeit gewöhnen. Und zuletzt war da Ryan Wolfe, der innerhalb von einer Episode von den Autoren komplett demontiert wurde: er hat illegal und während der Arbeitszeit gespielt – also wurde er fristlos entlassen. Die Staffel endete mit dem Anfang der langen Strecke, sich wieder zu rehabilitieren, was unter den strengen Augen von Innenermittler Rick Stetler beinahe unmöglich scheint.

      Vor einiger Zeit lief auf ARTE eine Sendung, in der es um Folter ging. Nicht um Folter aus dem Mittelalter, und auch nicht um Folter in unterdrückerischen Regimes – nein, um Folter, wie sie beispielsweise die USA anwenden, um aus Terrorverdächtigen Informationen zu bekommen. Hierbei kam ein Experte zu Wort, der sich zu der Frage äußerte, wie es sein kann, dass ein Präsident einer Nation, die eigentlich eine freiheitlich-demokratische Grundordnung hat, sein Veto einlegen kann, wenn der Kongress der USA versucht, die Folter generell zu verbieten. Vor allem ging es um die Frage, wieso das Volk dieses Veto auch noch in großen Teilen toleriert. Der Experte sprach von der Stimmung, die derzeit in den USA herrsche und die seiner Meinung nach von Fernsehserien befördert wird. Als Beispiel wurde hier 24 angeführt und ein Ausschnitt aus einer Episode gezeigt, in der die Hauptfigur Jack Bauer einen Terrorverdächtigen mit Stromschlägen foltert, um schneller an Informationen zu kommen. Solche Dinge, so die Meinung des Experten, würden eine grundsätzlich positive Einstellung zur Folter fördern, denn es wird der Eindruck erweckt, es treffe ja den Richtigen.

      Und da sind wir bei einem Punkt, der mir bei den beiden Serien sehr negativ aufgefallen ist. Ohne Skrupel bauen Taylor und Bonasera in der Finalepisode aufgrund ihres Fachwissens eine Sprengfalle mit Gasflaschen und platzieren einen gefangenen Straftäter als Köder, obwohl sie wissen, dass sowohl er als auch die Person, die versucht, ihn zu befreien, getötet wird. Horation Caine und Erik Delko fliegen nach Rio de Janeiro, um den Mörder von Marisol zur Strecke zu bringen – was sie auch tun. Sie üben also Selbstjustiz. Sie hinterfragen ihr Handeln nicht einmal – jedenfalls wurde das in der Serie nicht zum Ausdruck gebracht. Im Gegenteil, als beispielsweise die Sprengfalle hochgeht und den Anführer der Angreifer und den als Köder missbrauchten Handlanger tötet, spaziert Mac Taylor mit den Worten davon, er brauche dringend Urlaub und werde diesen in London verbringen. Auch Horation Caine scheint keine Probleme damit zu haben, sich durch den Mord am Mörder seiner Frau mit diesem auf eine Stufe zu stellen, außerhalb des Gesetzes (auch wenn in Brasilien die Korruption blüht, so bin ich doch sicher, dass Mord dort – egal aus welchem Grund – ungesetzlich ist). Analog zu dem oben genannten Beispiel aus 24 kann ich mir vorstellen, dass solche Episoden bei manchen Zuschauern den Eindruck hinterlassen, Selbstjustiz wäre in Ordnung. Von der äußerst einseitigen Darstellung der Zustände in Brasilien mal ganz abgesehen.

      Was letzteres betrifft, so könnte man fast sagen: „Ein Esel nennt den anderen Langohr.“ Denn auch das amerikanische Rechtssystem kommt nicht so gut weg. Alles ist durchwoben mit Politik, Sheriffs und Staatsanwälte, die kein Interesse an einer sorgfältigen Aufklärung eines Verbrechens haben, sondern sich nur um ihre Wiederwahl sorgen. Sollte diese Zustandsbeschreibung der USA auch nur zu einem kleinen Teil gerecht werden, wäre hier wohl dringend geboten, etwas grundlegend zu ändern.

      Und noch ein Punkt ist mir negativ aufgefallen: Die steigende Tendenz, die Hauptfiguren der Serie in prekäre Situationen zu bringen. Sheldon Hawkes muss sich wegen eines Mordes verantworten, den er nicht begangen hat. Stella Bonasera wird von Scotty Valens verdächtigt, weil man ihr Blut an einem Tatort gefunden hat. Mac Taylor wird vorgeworfen, er habe einen Tatverdächtigen vom Dach eines Hauses gestoßen. Natalia Boavista und Maxine Valera werden des Mordes verdächtigt. Erik Delko wird erst verklagt und dann angeschossen. Und Ryan Wolfe wird fristlos entlassen. Nun, natürlich ist letzterer an seiner Situation nicht ganz unschuldig, aber darum geht es nicht – es geht ums Schreiben. Denn schließlich hat irgendein Autor die Idee gehabt, dass es doch ganz toll wäre, Wolfe in diese Situation zu bringen. Doch was soll diese Häufung von persönlichen Extremschicksalen? In den ersten Staffeln hat das Prinzip der Serien doch trotzdem funktioniert, als man sich auf die klassische „Wer war der Täter?“-Variante verlassen hat. Das ist doch eigentlich auch der Kern dieser Serien: Crime Scene Investigation – Tatortermittlung. Natürlich gehört das Privatleben der Hauptfiguren mit dazu, aber da wurde in letzter Zeit meiner Ansicht nach eine Schippe zu viel aufgelegt. Es gibt ja eigentlich niemanden, gerade bei den beiden Serien, der nicht irgendein schwerwiegendes privates Trauma hinter sich hat: Mac Taylor verlor seine Frau beim Zusammensturz des World Trade Center, Danny Messer wurde als Kind missbraucht, Sheldon Hawkes kam mit dem Tod von einem Patienten nicht klar und wechselte deswegen in die Pathologie, Lindsay Monroe beobachtete den Mord an ihren Freundinnen… und wer noch kein Trauma hat, der kriegt eins, wie etwa Stella Bonasera, die von einem Ex-Freund verprügelt wird, der sich als gemeingefährlicher Stalker herausstellt.

      Das Fazit: Es gab gute Episoden, aber mit dem Drama ist es für meinen Geschmack eindeutig übertrieben worden. Und falls jetzt jemand meint, dass man die Figuren in solchen Serien natürlich interessant gestalten müsse, so kann ich nur sagen: Ja – aber kann man eine Figur nicht auch interessant gestalten, ohne dass sie gleich als Kind missbraucht wurde? Vor allem wenn eine solche Häufung auftritt, wird es irgendwann einfach zu viel. Fast hat es den Anschein, als ginge es darum, wer wohl am meisten traumatisiert ist.

      So bleibt bei diesen Staffeln ein etwas merkwürdiger Beigeschmack, sowie die Hoffnung auf die nächsten, die ja – wegen des Streiks der Drehbuchautoren – kürzer sein werden als normal. Ich bin gespannt, ob die Autoren das Geld, das sie nun mehr kriegen, wert sind.