Warum glaubt eigentlich jeder, dass er zum Komiker berufen sei?

In den 1970er gab es die ersten Fernsehsendungen von und mit Komiker Otto Waalkes. Otto, der zuvor nur Platten und Bühnenshows gemacht hatte, wusste das Medium Fernsehen gut zu nutzen. In einer seiner Sendungen gab es einen Sketch: Neblige Szenerie, düstere Stimme aus dem Off: Das Grauen würde einen erwarten, schlaflose Nächte… dazwischen immer wieder Gruselgestalten, die durchs Bild huschen. Dann: Das Grauen! Der Nebel lüftet sich… und hervor tritt Schlagersänger Heino mit der Gitarre unter dem Arm und singt „Schwarzbraun ist die Haselnuss“. Ja, kapiert! Das Grauen! Schlager! Heino! Hahahahahahahahaha! Ein Brüller! Was haben wir gelacht und uns auf die Schenkel geklopft!

Das waren noch Zeiten, als man den Humor jenen Leuten überließ, die Ahnung davon hatten, Loriot, Otto Waalkes, Rudi Carrell… Heute jedoch scheint es, als sei eine überwiegende Anzahl Menschen zum Komiker berufen. Das wäre für sich genommen noch nichts schlimmes, den Deutschen wird ja gerne die Humorlosigkeit nachgesagt und etwas mehr Humor täte jedem gut, aber es gibt unglaublich viele Leute, die meinen, sie seien unglaublich witzig. Das geht so weit, dass man jedes Wort, das man sagt, sich genau überlegen muss, um nicht Zielscheibe eines schon tausend Mal gebrachten Witzes zu werden, der mit der Zeit einfach nicht besser wird.

Die erste Gruppe der selbsternannten Komiker kann man mit dem Begriff „Epigonen“ versehen. Das sind jene, die das Programm eines bekannten Komikers nicht nur auswendig gelernt, sondern dessen CD zu Staub zermalen und geraucht haben. Solche Leute fallen dadurch auf, dass sie ständig Dinge sagen wie „Ja, hallo erstmal, ich weiß gar nicht, ob Sie’s wussten…“, „Ich bin’s, [gequäkt] ja-haa!“, „Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden.“ oder „Bleiben Sie dran, ich pfeif‘ auf Sie!“ Auf Knopfdruck – oder das entsprechende Stichwort – können diese Leute das komplette Programm eines Rüdiger Hofmann, Otto, Wigald Boning, Michael Mittermeier oder Michael „Bully“ Herbig abspulen. Nicht, dass das jetzt falsch verstanden wird, wenn man einen alten Gag in einen neuen Zusammenhang bringt, kann das mitunter lustig sein. Aber wenn man seit Jahren etwas wiederholt, was ein anderer sich mal ausgedacht hat, wird das auf die Dauer einfach nur nervig. Etwas mehr Originalität wäre schön gewesen, muss aber nicht sein… ahhh! Jetzt fange ich auch schon damit an! Es scheint sich dabei um ein Virus zu handeln!

Die zweite Gruppe lässt sich überschreiben mit dem Titel „Ich bin der neue [hier Komiker Ihrer Wahl einsetzen]“. Das sind Menschen, die alles irgendwie kommentieren oder ins (vermeintlich) Lustige drehen müssen. Bei der Arbeit beginnt es morgens schon. Ein Kollege kommt mit dem Fahrrad – schon darf man sich die ersten Bemerkungen zum Thema „Ständer“ anhören. Ein anderer fragt: „Und, was hast Du so das Wochenende getrieben?“ Antwort: „Das geht nur mich und meine Frau was an.“ Ha ha. Getrieben, schon kapiert. Oh, diese Kopfschmerzen…

Wehe, ein Kollege befindet sich in einem anderen Raum und man ruft ihn her. Er ruft: „Ich komme!“ Antwort eines anderen Kollegen: „Was, gleich hier? Sau!“ Ja ja, auch kapiert, „ich komme“. He, he. Ich bin ja so müde…

Es ist auch empfehlenswert, im täglichen Gespräch das Wort „Schlaufe“ anstatt „Öse“ zu verwenden. Warum? Na, raten Sie mal… meine Kopfschmerzen werden einfach nicht besser. Und sollte ein Haus oder ein Raum zwei Eingänge haben, sollte man es vermeiden zu sagen: „Ich komme von hinten.“, wenn man nicht zum fünfhunderttausendsten Mal den Spruch „von hinten kostet’s Hundesteuer“ hören will. Oh, mein Kopf… vielleicht hilft ja die dritte Aspirin.

Ebenfalls besondere Vorsicht gilt es zu haben, wenn man von Katzen erzählt. Wetten, dass irgendjemand den Begriff „Muschi“ ins Spiel bringt? Früher war das alles so harmlos, da konnte man seine Katze einfach „Muschi“ nennen. Gerade da ist es noch schwieriger geworden, denn ich erinnere mich an ein Lied aus dem Kindergarten, das hieß „Meine Katz‘ heißt ‚Mohrle'“. Schwarze Katzen wurden (in Süddeutschland) gern so genannt, aber das geht ja auch nicht mehr, da der Begriff „Mohr“ – und erst recht nicht dessen Verniedlichung „Mohrle“ – nicht mehr politisch korrekt ist. Und „Muschi“ ist irgendwann zwischen 1970 und 1999 ins Doppeldeutige abgerutscht.

Früher hieß es mal, die Sendung „Klimbim“ sei schlimm, was die sexuelle Anzüglichkeit betrifft. Aber im Gegensatz zu den heutigen Möchtegern-Komikern, die mit verklemmten Pseudobegriffen wie „Ständer“ oder „Muschi“ hantieren, wurde da wenigstens Klartext geredet. Inzwischen scheint es ja kaum noch was zu geben, was man nicht doppeldeutig verstehen kann und worauf man natürlich von den Komikern der zweiten Kategorie dann hingewiesen wird: „meiner ist länger“, „Busch“… die Liste ließe sich fortführen. Endlos!

Dann gibt es da natürlich noch die dritte Kategorie, das sind die Menschen, die wirklich witzig sind und wissen, wann sie welche Pointe anbringen können und dass sie ein- und denselben Witz nicht tausendmal wiederholen sollten. Aber um die geht es gerade nicht, tut mir leid! Also lassen wir sie mal außer Acht.

Um zum Anfang dieses Beitrags zurück zu kehren, wie kam ich überhaupt darauf, dies hier zu schreiben? Ich berichtete von dem Horror-Gag, den Otto schon in den 1970er Jahren brachte. Das ist nun also mindestens 30 Jahre her. Doch dann… ja, dann beschloss Marc Terenzi, seines Zeichens ehemaliger Sänger der Boygroup „Natural“, Ehemann von Sarah Connor, in diesem Jahr mit einem Freizeitpark ein Experiment zu machen. Offenbar mag er Experimente, ein anderes war ja die Vermarktung seiner Hochzeit auf Pro 7 unter dem Titel „Sarah und Marc in Love“ (was offenbar erfolgreich genug war, dass es zu dem Sequel „Gülcans Traumhochzeit“ geführt hat, die Frau, die mit Ihrer Hochzeit nicht nur einen Brötchenmillionär, sondern auch noch endlich einen Nachnamen bekommt). Das neue Experiment ist nicht so sehr für ihn eins, sondern mehr für den Partner, mit dem er es durchführt, denn diesen Oktober sollen im Rahmen von Halloween im Europa-Park Rust erstmals die „Terenzi Horror Nights“ stattfinden, bei denen er eine Grusel-Show mit echten Hollywood-Profis auf die Beine stellt.

Liebe Leserin, lieber Leser, was glaubt Ihr haben die Leute in den Foren, in denen es um den Europa-Park oder um Freizeitparks generell geht, geschrieben? „Horror-Show mit Marc Terenzi? Ich dachte, wenn der singt, ist das genug Horror. Hö hö hö!“ Ha. Ha. Brüller. Was haben wir gelacht und uns auf die Schenkel geklopft… über einen mindestens 30 Jahre alten Gag. Der war nicht mal originell. Natürlich muss man die Musik von Marc Terenzi (oder Heino) nicht mögen. Aber der Witz war schon so ausgelutscht, dass er einfach nur noch weh tut. Und das Schlimme: Er wurde nicht nur in einem Forum gebracht. Offenbar gibt es in jedem Forum eine Person, die dem Klassenclown in der Schule entspricht. Und alle diese Klassenclowns haben sich zusammengeschlossen zur „Achse des Schnöden“, zur „Koalition der Billigen“, zur „Allianz der Ignoranz“ und haben den Witz weiter getragen an Orte, wo man ihn schon längst kannte.

Manchmal ist weniger eben mehr. Und wenn irgendwann ein Freund erzählt, dass er einen Ständer bekommen und anschließend die Muschi seiner besten Freundin gebürstet habe, dann versucht einfach mal, dabei nichts Verfängliches zu denken: Der Mann ist Musiker. Nachdem man ihm einen neuen Notenständer geliefert hatte, musste er sich um eine Katze kümmern, die er gerade bei sich in Pflege hat, weil seine beste Freundin nämlich im Urlaub ist.

Das Leben kann so harmlos sein…

Grundgesetz: One for you, one for me…

„Start spreadin‘ the news…“ Mit diesen Worten beginnt das Lied „New York, New York“ von Frank Sinatra. Ungefähr übersetzt bedeutet es „verbreitet die Neuigkeit“ oder etwas wörtlicher „fangt an, die Neuigkeit zu verbreiten“. Egal wie, diese Worte umschreiben, was wir mit einer Aktion machen wollen, die vor einigen Tagen begonnen wurde, und wir fordern ebenfalls dazu auf: „start spreadin‘ the news…“

Worum geht es? Phantastik-Projekt-Blogger Thorsten Reimnitz hat im ASTROCOHORS-Blog die Aktion „Grundgesetz zum Weitergeben bestellen“ aufgegriffen, die ursprünglich von Karans Blog stammt. Jeder Bürger kann sich nämlich beim Referat „Öffentlichkeitsarbeit“ des Deutschen Bundestages bis zu 3 Exemplare des Grundgesetzes kostenlos bestellen. Karans Idee war, dass jeder sich diese 3 Exemplare bestellen soll: eins für sich selbst, zwei zum Weitergeben (z. B. an Freunde oder Arbeitskollegen). Diese Idee wurde dann von Sven Scholz nochmals erweitert: man solle doch eins der Grundgesetze an Innenminister Schäuble schicken, als Reaktion auf dessen zuletzt verbreitete Ideen (Einsatz der Bundeswehr im eigenen Land, gezielte Tötung von „Gefährdern“ ohne Gerichtsurteil etc.).

Letzteres hat sich inzwischen zu einer großen Aktion ausgewachsen, an der sich nunmehr über 200 Blogs und zusätzlich etliche Foren beteiligen. Und es ist eine gute Aktion, dem Minister vor Augen zu führen, was das Wort „Demokratie“ eigentlich bedeutet und dass es Einwände gibt, die man ernst nehmen sollte. In den genannten Blogs finden sich weitere Links zu anderen, mit weiteren Informationen und zum Teil mit Bannern zu der Aktion.

Nachtrag: Die Aktion hat noch weitere Kreise gezogen, der Betreiber des Blogs „Frank Wettert“ hat verschiedene Magazine und Nachrichten-Redaktionen auf die Aktion aufmerksam gemacht. Richtige Reaktionen gibt es bisher offenbar keine, nur dass man die Nachricht an die entsprechenden Redakteure weitergeleietet habe. Aber was nicht ist…

Ein Satz zum Thema…

…oder besser gesagt, zwei Zitate zum Thema „Präventivstaat in Aktion“ betreffend die Razzien gegen G8-Kritiker (Bericht auf Telepolis siehe hier):

Verehrtes Publikum, jetzt kein Verdruss:/ Wir wissen wohl, das ist kein rechter Schluss./ Vorschwebte uns: Die goldene Legende./ Unter der Hand nahm sie ein bitteres Ende.“
(Der gute Mensch von Sezuan)

Wäre es da/ Nicht doch einfacher, die Regierung/ Löste das Volk auf und/ Wählte ein anderes?“
(Die Lösung)

Beide Zitate stammen von Bertolt Brecht.

STAR WARS, Herr der Ringe und Michael Moore

Eine gute Frage: Wo liegen die Gemeinsamkeiten von STAR WARS, „Herr der Ringe“ und Michael Moore? Jemand, der dies liest, wird vermutlich erst mal sowas sagen wie „Wie bitte?“ (oder kürzer: „Hä?“). Aber nachdem der Dokumentarfilm „Manufacturing Dissent“ herauskam und in der deutschen Presse darüber berichtet wurde, habe auch ich mir meine Gedanken gemacht. Und festgestellt, dass es mal wieder ein sehr altes Thema ist.

Michael Moore ist bekannt als Mensch, der die Wahrheit ans Licht holt, vor allem, wenn sie unbequem ist. In dem Film „Roger and me“ prangert er die Politik großer Firmen an, sich einen Dreck um ihre Angestellten zu scheren, in „Bowling for Columbine“ die Waffenverrücktheit der amerikanischen Nation und in „Fahrenheit 9/11“ die Verlogenheit von Präsident Bush und seiner Regierung. Hinzu kamen etliche Publikationen wie „Downsize this!“ oder „Stupid White Men“. Doch durch den Film „Manufacturing Dissent“ bekommt Moores Denkmal ernsthaft Risse. Für seine Filme. so wird hier festgestellt, hat er die Wahrheit so lange gebogen, bis sie zu seinen Aussagen passte; in einen Fällen hat er diese Wahrheit sogar konstruiert. Das Portrait, das Debbie Melnyk und Rick Caine eigentlicht von ihm zeichnen wollten, unterschied sich gänzlich von dem, das sie nun gezeichnet haben. Sie wollten Moores Arbeit und seine Verdienste dokumentieren. Jetzt haben sie seine – manchmal nicht ganz sauberen – Methoden dokumentiert.

Was ist passiert? Hämisch melden sich die typischen „Ich habe es ja schon immer gewusst“-Kommentatoren zu Wort, die ihre Wahrheit komischerweise bisher verborgen hielten und ausgerechnet jetzt ans Licht bringen. Natürlich, so heißt es, dürfe man Michael Moores Filme nicht sooooo ernst nehmen. Das ist halt Unterhaltung. Ach so, ist es so einfach? Wie immer, wenn man eine einfache Antwort auf eine komplexe Frage gibt, so muss man auch diesmal sagen: Nein, so einfach ist es nicht.

Gehen wir für dem Moment mal weg von Michael Moore und wenden uns etwas anderem zu: STAR WARS. Die Geschichte vom „Krieg der Sterne“ beschreibt eine intergalaktische Republik, die zerbricht und zu einem galaktischen Imperium pervertiert wird, in dem ein Mann allein als „großer Diktator“ herrscht. Eine Rolle spielen dabei die Jedi-Ritter, Hüter des Friedens und der Gerechtigkeit in der Republik. Als ein Junge, Anakin Skywalker, mit ungewöhnlichen Fähigkeiten auftaucht, werden sie an eine alte Prophezeiung erinnert: Da soll einer kommen, der der Macht – dem Energiefeld, das alle lebenden Dinge erzeugen, sie umgibt und durchdringt und so die Galaxis zusammenhält – das Gleichgewicht zurückgeben soll. Der Rat der Jedi ist skeptisch, lediglich der forsche Qui-Gon Jinn konfrontiert sie mit der Überzeugung: „Er ist der Auserwählte! Das müsst Ihr doch sehen!“ Nach Qui-Gons Tod übernimmt dessen Schüler Obi-Wan Kenobi die Ausbildung des jungen Anakin, was er allerdings erst darf, nachdem auch er den Rat konfrontiert: „Ich werde den Jungen ausbilden, auch ohne die Erlaubnis des Rats, wenn ich muss!“
Die anderen Jedi sehen in Anakin eine Gefahr und sie scheinen Recht zu behalten: Letztlich tritt Anakin zu den Gegnern der Jedi, den Sith über und hilft so dem Imperator, sein Imperium aufzubauen. Erst nach Jahrzehnten der Terrorherrschaft wendet sich Anakin wieder gegen seinen Herrn, tötet ihn und beendet so die Herrschaft der Sith.
Konfuzius hat einmal gesagt: „Die Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel!“ Worüber sind aber die Jedi gestolpert? Vereinfacht gesagt, war es ihre starre Philosophie. Genau genommen waren die Jedi und die Sith sich gar nicht so unähnlich, sie waren wie die selbe Ziffer, bei der lediglich das Vorzeichen anders war, die Jedi hatten das Plus und die Sith das Minus. Die Jedi verkörperten die helle Seite der Macht, die Sith die dunkle. Beide Seiten strebten gleichsam nach der Vernichtung der anderen Seite. Die Jedi taten das, indem sie scheinbar starr einem Kodex folgten, der nicht zur Disposition stand. Gerade in Episode 1 der STAR-WARS-Saga, „Die dunkle Bedrohung“, muss der Kodex für vieles herhalten, Qui-Gon darf den Rat nicht in Frage stellen, das ist gegen den Kodex, Anakin darf eigentlich nicht ausgebildet werden, das ist gegen den Kodex und so weiter.
Die Jedi scheinen auch eine große Furcht vor der dunklen Seite zu haben, denn wie Yoda es in Episode 5 („Das Imperium schlägt zurück“) formuliert: „Begibst Du Dich auf diesen Pfad [die dunkle Seite] einmal, für immer wird beherrscht davon Dein Leben!“ Die Jedi lehnen die dunkle Seite völlig ab. Die Sith aber nutzen das aus. Nicht nur dass es ihnen gelingt, die Jedi glauben zu machen, sie wären vernichtet, nein, gerade Darth Sidious nutzt die starre Haltung seiner Gegner bis zum Letzten aus. Im Gegensatz zu den Jedi verhält er sich ungewöhnlich flexibel, als in Episode 1 sein Schüler Darth Maul von Obi-Wan getötet wird, nimmt er sich einfach einen neuen Schüler. Als er erkennt, dass mit Anakin Skywalker ein machtvoller Jedi heranwächst, opfert er bereitwillig seinen neuen Schüler Darth Tyrannus (in Episode 3: „Die Rache der Sith“), um einen Platz für Anakin zu haben.
Außerdem zwingt er die Jedi dazu, immer häufiger gegen den eigenen Kodex zu verstoßen. Ihm ist bewusst, dass das Anakin zutiefst verwirren muss. Der Grundstein wird dadurch gelegt, dass sich Anakin entgegen den Anweisung des Kodex in die Senatorin Padmé Amidala verliebt und er nicht verstehen kann, warum die Jedi das nicht dulden wollen. Gleichzeitig erlebt er aber, wie er den Auftrag erhält, den Kanzler Palpatine, den demokratisch gewählten Vertreter der Republik, auszuspionieren. Und in der großen Konfrontation gerät er endgültig aus der Fassung: Mace Windu gelingt es, Darth Sidious zu überwinden – und entgegen dem Kodex will er ihn töten. Sidious nutzt seine Verwirrung aus, indem er jammert, dass seine Kräfte schwinden – eine Lüge, wie sich kurz darauf herausstellt. Doch es reicht, um Anakin gegen Mace Windu aufzubringen, was das Todesurteil für den Jedi-Meister ist und dem Imperium den Weg ebnet.
Als Obi-Wan kurz darauf auf Mustafar gegen Anakin kämpft, kommt ein großes Missverständnis heraus. Obi-Wan gelingt es, Anakin schwer zu verwunden. Der Jedi-Meister schreit seine ganze Enttäuschung über seinen Schüler heraus: „Du warst der Auserwählte! … Es hat geheißen, Du würdest die Sith vernichten – und nicht, dass Du Dich ihnen anschliesst!“ Moment mal – hieß es das wirklich? Wie war der Wortlaut der Prophezeiung? „Es kommt einer, der der Macht das Gleichgewicht bringt.“ (Original: „The one who brings balance to the Force.“) Da ist nicht die Rede davon, dass die Sith vernichtet werden. Und es erklärt möglicherweise auch die Reaktion der Jedi-Ritter, die in Episode 1 eine Gefahr spüren, die von Anakin ausgeht. Womöglich ist es Yoda bewusst, dass das Gleichgewicht der Macht nur hergestellt werden kann, wenn auch die Jedi, so wie sie zu dem Zeitpunkt waren, vernichtet werden. Qui-Gon Jinn ist der einzige, der seinen Enthusiasmus in der Sache kaum bremsen kann. Das mag daran liegen, dass er selbst ein Rebell ist gegen die starren Regeln des Kodex der Jedi. Nach dem Kodex müsste er Mitglied des Rates sein, was er aber nicht wollte.
Entlarvend bringt es Obi-Wan auf dem Punkt, als er auf Mustafar vor seinem Duell mit Anakin mit diesem diskutiert. Anakin sagt: „Wenn Ihr nicht auf meiner Seite steht, dann seid Ihr mein Feind!“ Worauf Obi-Wan erwidert: „Nur ein Sith kennt nichts als Extreme!“ Die Jedi aber auch, sie teilen die Welt ein in die helle und die dunkle Seite der Macht. Natürlich stehen die Jedi auf der hellen Seite und sind über jedem Zweifel erhaben. Dass in jedem intelligenten Lebewesen auch etwas von der dunklen Seite steckt, unterdrücken sie. Sie unterdrücken die dunkle Seite in sich, anstatt sich mit ihr auseinander zu setzen. Das führt auch zu der Argumentationskette, die Yoda Anakin in Episode 1 darlegt: „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu Leiden.“ Die Jedi setzen sich mit dem Gefühl nicht auseinander, es darf einfach nicht sein. Deswegen darf ein Jedi, wie es das Plakat zu Episode 2: „Der Angriff der Klon-Krieger“ sagt, „niemals Liebe oder Hass kennen“.
Nachdem die Jedi fast vernichtet wurden und Anakin in Episode 6: „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ den Imperator tötet und kurz darauf selbst stirbt, liegt die Verantwortung, einen neuen Jedi-Orden zu gründen, bei Anakins Sohn Luke Skywalker. Es ist seine Aufgabe, für diese Jedi ein neues Selbstverständnis herzustellen, dass sie die dunkle Seite nicht blind ablehnen, sondern mit ihr umgehen lernen.

Damit schwenken wir über zu J. R. R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“. Tolkien hat sich immer gewehrt, wenn jemand versuchte, sein Werk – oder Teile daraus – in konkrete Analogismen umzusetzen. Zum Beispiel gab es Menschen, die in Sauron eine Symbolfigur für Hitler sahen und die Trilogie eine Verarbeitung des Zweiten Weltkriegs. Andere sahen in „dem Einen Ring“ ein Symbol für die Atomkraft. Aber so einfach ist das nicht. Der Eine Ring steht für etwas nicht greifbares, vereinfacht gesagt, für eine Möglichkeit. Sauron wollte mit dem Ring über Mittelerde herrschen, als er ihn verlor, fiel er einem Menschen zu, der sich weigerte, ihn zu vernichten. Dann landete er auf Umwegen bei Déagol. Doch Sméagol, der den Ring haben wollte, tötete Déagol und floh. Der Ring veränderte Sméagol, so dass dieser zu dem abscheulichen Wesen Gollum wurde. Gollum verlor den Ring, der Hobbit Bilbo fand ihn. Nach langer Zeit überredete der Zauberer Gandalf Bilbo dazu, den Ring seinem Neffen Frodo zu überlassen. Dann lag es an Frodo, den Ring zurück zum Schicksalsberg zu bringen, um ihn zu vernichten. Doch in letzter Sekunde zögerte er; nur weil Gollum ihn dann überfiel und mitsamt den Ring in die Lava des Schicksalsbergs stürzte, wurde er zerstört.
Bei der Geschichte des Rings fällt auf, dass der, der ihn besitzt, ihn nicht mehr hergeben möchte. Andererseits möchte jeder, der ihn sieht, auch besitzen (zwei Ausnahmen bilden – zumindest im Roman – Tom Bombadill und Faramir). Und wer ihn besitzt, der wird verändert. Gollum, der sehr lang unter dem Einfluss des Rings stand, ist nur noch ein Schatten des Hobbits, der er mal war. Auch Bilbo beginnt, sich zu verändern. Selbst Frodo, der von den dreien den Ring am Kürzesten hat, ändert sich. Und die Änderung geht zum Negativen, sie werden unfreundlich, paranoid und aggressiv.
Genauso aggressiv werden manche der Gefährten, wenn es darum geht, was mit dem Ring geschehen soll und was man mit ihm machen könnte. Boromir von Gondor versucht Frodo zunächst mit Worten zu überzeugen, die Macht des Rings solle zur Verteidigung seiner Heimat eingesetzt werden; als das nichts fruchtet, fällt er über den Hobbit her. Nur mit Hilfe des Ringes gelingt ihm die Flucht.

Tolkien hat es geschafft, ein Konzept zu erschaffen, das die Seiten des menschlichen Wesens beleuchtet, ohne solche einfachen Festlegungen wie „Sauron = Hitler“ oder „Ring = Atomkraft“ auszukommen. Der Eine Ring steht für vielfältige Dinge des Lebens und die Geschichte warnt uns vor den negativen Seiten. Jeder von uns kennt die Situation, in der man sich hilflos irgendjemand oder irgendetwas ausgeliefert fühlt. Und wie die Wut in der Situation die Gedanken umtreibt: „Wenn ich doch nur könnte, dann würde ich aber…!“ Zum Beispiel, wenn ein Kollege statt einem selbst zum Abteilungsleiter befördert wird und man das ungerecht findet. Dann entdeckt man aber, dass der Kollege eine Schwäche hat, die ihn vor der ganzen Belegschaft bloßstellen könnte. Nun hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man entscheidet sich, diese Schwäche des Kollegen auszunutzen, ihn bloßzustellen und womögliche seine Stelle zu kriegen – oder man versucht, auf ehrliche Weise seine Leistung für den Betrieb zu zeigen. Der Eine Ring ist in dem Fall die Chance, schnell zum Ziel zu kommen, indem man schmutzige Tricks anwendet. Und man beruhigt sich selbst: Der andere hat das ja verdient – und außerdem mache ich das ja nur dieses eine Mal. Tatsächlich? Doch es ist wie in „Herr der Ringe“: Wer den Einen Ring an sich bringt, dem fällt es schwer, ihn wieder herzugeben. Außerdem wird man verändert, wenn man den Ring trägt. In unserem Beispiel bedeutet das, dass man erlebt hat, wie einfach man an einen begehrten Posten kommen kann, wenn man nur ein bisschen unfair ist. Damit sinkt die Hemmschwelle, ähnliche oder schlimmere Methoden anzuwenden, wenn die nächste Gelegenheit kommt, wenn man zum Beispiel etwas über die Schwächen des stellvertretenden Betriebsleiters herausfindet, nach dessen Posten man schielt. Womöglich beginnt man sogar, über etliche Leute „schmutzige Details“ zu sammeln, um diese unter Kontrolle zu bringen. Irgendwann schließlich stellt man sich die Frage, ob das, was man tut, eine moralische Rechtfertigung hat, gar nicht mehr. Ich tu’s, weil ich es kann. Fertig. Und jemand stellt die Methode in Frage? Das lassen wir nicht zu! Nicht wahr, mein… Schaaaatzzzzzzz…

Nun schlagen wir die Brücke zurück zu Michael Moore. Der zeichnet von sich selbst in der Öffentlichkeit gern das Bild des einsamen Kämpfers gegen „die da oben“, der Rächer der Entnervten, der Benützer von Witzen und Weizen… Insofern ist er also der Jedi-Ritter gegen Darth Bush und das böse Imperium. Allerdings ist sein Bild vom Gutmenschen so überzeichnet, dass er völlig ausblendet, das auch er eine dunkle Seite hat. Und die hat offenbar voll zugeschlagen, als Moore nicht mehr anders konnte und er den EinenRing an sich brachte.
Auch Moore hat das vor sich selbst gerechtfertigt, wie Boromir von Gondor es rechtfertigte, den Einen Ring zur Verteidigung seiner Heimat zu verwenden: „Wir in Gondor streben nicht nach Macht! Nur nach der Macht, unsere Freiheit zu verteidigen! Sag‘ mir, ist daran etwas schlechtes?“ Die altbekannte Selbstlüge: Es dient ja dem guten Zweck. Alle anderen dürfen das nicht machen, weil die sind ja böse, aber ich weiß es besser…

Dass Moore gerne – und absichtlich – über die Stränge schlug, haben wir schon erlebt, beispielsweise als er seinen Landsleuten vollmundig verkündete, die Krankenversicherung in Deutschland sei für jeden kostenlos. Das hätte man ihm noch nachsehen können, denn das Gesundheitssystem in Deutschland ist kompliziert und womöglich hat er da einfach nur was falsch verstanden. Nun sieht es aber leider so aus, als habe er es falsch verstehen wollen.
Die Macher von „Manufacturing Dissent“ waren zunächst auch bereit, Michael Moore einiges nachzugeben. Sie waren begeisterte Fans seiner Arbeiten. Deswegen wollten sie den Dokumentarfilm machen. Doch im Verlauf der Arbeiten stießen sie auf immer mehr Ungereimtheiten. Moores Behauptung, in Toronto wäre es so sicher, dass niemand die Haustür abschließt, kann man noch als „Übertreibung“ einstufen. Doch dann kam ans Tageslicht, dass einigen in Moores Filmen behauptete Geschichten jede Grundlage fehlte. Um es anders auszudrücken: Er hat sie erfunden, weil sie gerade so schön in das Bild passten, das er zeichnen wollte. Und er machte weiter, in jedem neuen Film.

Was nun? Michael Moore wirft seiner Gegenseite Dinge vor, die er selbst getan hat. Er hat sie getan, weil er sich – wie die Jedi – auf der „hellen Seite der Macht“ wähnt und die Mittel deswegen gerechtfertigt sind. Nur die anderen dürfen sie nicht verwenden. Leider bringt er dabei sich selbst in Misskredit. Es ändert nichts an der Sache an sich, das haben ja selbst die Macher von „Manufacturing Dissent“ zugegeben: Die Werbeaktion einer Bank in „Bowling for Columbine“, bei der jeder Kunde, der ein Konto neu eröffnet, eine Waffe gratis erhält, ist laut Caine „eine total beknackte Werbemaßnahme, die wunderbares Material für einen Frontalangriff hergibt“. Dass Moore in dem Film aber den Eindruck erwecken will, man kriege diese Waffe auch direkt in der Bank (in Wahrheit muss man diese bei einem Laden abholen), sei übers Ziel hinausgeschossen. Und Melnyk fügt hinzu, dass Moores Filme nicht leiden würden, wenn er bei der Wahrheit bliebe.

Wieder einmal geht es um das Gleichgewicht. Und die Begründung „die Anderen machen das ja auch“ ist ein sehr schwaches Argument, wenn die verruchte Macht des Einen Ringes im Spiel ist. Aber gibt es das Gleichgewicht? In der Diskussion um „Manufacturing Dissent“ habe ich in einigen Kommentar-Foren wüste Beschimpfungen und Anschuldigungen gelesen. Einige verstiegen sich gar zu der Theorie, Caine und Melnyk wären gar nicht die Linken, als die sie sich selbst bezeichnen, sondern Teil einer von Bush in Auftrag gegebenen Propaganda. Andere haben nicht verstanden, dass die Aussage des Films nicht lautet „Alles, was Michael Moore sagt, ist gelogen.“ Er soll lediglich anmahnen, dass die Wahrheit ausreichend schlimm genug ist und Manipulationen dieser Art eigentlich unnötig. Denn das Risiko ist, dass Moore so auf die Dauer seine Glaubwürdigkeit verliert.

Obi-Wan schleudert es Anakin ins Gesicht: „Du bist zu dem Bösen geworden, das Du geschworen hast zu vernichten.“ Da ist er wieder, der Eine Ring. Möge die Macht mit Michael Moore sein, dass er den Ring loswerden kann. Ob das geht, weiß ich nicht, denn auch das stellt der neue Film heraus: Moore ist ein sehr von sich selbst überzeugter Mensch, im besten Fall ist er ein Egozentriker, im schlimmsten Fall ein Egomane. Um den Ausgleich zu erlangen, ist es jedoch wichtig, dass man sich selbst und seine eigenen Methoden in Frage stellen kann. Um das Beispiel von oben wieder aufzugreifen, in dem ein Kollege zum Abteilungsleiter befördert wird und man selbst das ungerecht findet, wäre es wichtig, sich selbst zu reflektieren und herauszufinden, warum man sich ärgert. Vielleicht, weil man sich seiner Sache zu sicher war? Oder weil man nicht einsehen will, dass der Kollege möglicherweise für den Posten doch qualifizierter ist als man selbst? Das ist ein schwieriger Prozess und es ist natürlich sehr viel einfacher, den Kollegen als „Bösewicht“ zu sehen, der jede schlechte Behandlung, die man ihm angedeihen lässt, verdient hat.
Insofern ist es auch falsch, Michael Moore jetzt einfach zu verteufeln. Seine Arbeit ist vom Grund her wichtig, auch wenn er sich der falschen Methoden bedient haben mag. Denn entgegen der starren Ansicht der Jedi – „begibst Du Dich auf diesen Pfad einmal, für immer wird beherrscht davon Dein Leben“ – gibt es jederzeit die Möglichkeit, sich zu ändern. Auch für Moore. Ob er es kann oder will, steht auf einem anderen Blatt.
Und genauso falsch ist es, Melnyk und Caine Vorwürfe zu machen oder sie gar als „Agenten“ von George Bush zu bezeichnen. Es gibt nicht nur „die eine“ oder „die andere“ Seite.

Der Blick über den Tellerrand lohnt sich.

Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils

Picard: „Wie es bei Shakespeare hieß: ‚Tötet alle Anwälte!'“
Q: „Das wurde dann ja auch getan!“
Picard: „Und führte zu dem Grundsatz ‚Schuldig bis zum Beweis des Gegenteils!'“
(Jean-Luc Picard und Q diskutieren im Pilotfilm „Encounter at Farpoint“ der Serie „Star Trek – The Next Generation“ darüber, wie sich das Rechtssystem auf der Erde kurzzeitig fehlentwickelt hat.)

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND berichtet heute – wie einige andere Medien auch – von einem Gespräch mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Darin stellt jener fest, dass die im deutschen Rechtssystem verankerte so genannte „Unschuldsvermutung“, nachdem ein Mensch, der eines Verbrechens bezichtigt wird, so lange als unschuldig zu behandeln sei, bis seine Schuld zweifelsfrei bewiesen sei, im Kampf gegen den Terrorismus nicht gelten dürfe. Damit will er quasi die ganze Bevölkerung der Republik unter Terror-Verdacht stellen und deren Fingerabdrücke sammeln.

Aber wo soll das hinführen? Nach Schäubles Aussage müsse die Verhinderung von Anschlägen oberste Priorität haben gegenüber allem anderen – auch den persönlichen Rechten. Wie weit will man gehen? Soll es legal sein, bei einem leichten Verdacht einen Menschen einfach mal eben so einzusperren, nur weil dieser eventuell an einem Anschlag beteiligt sein könnte? Und wenn sich dann herausstellt, dass er unschuldig ist, was dann? Was das für die Reputation dieses Menschen bedeutet, kann man sich nur zu gut ausmalen. „Der X ist verhaftet worden“, wird es am Arbeitsplatz heißen, „wegen Terrorverdacht!“ – „Das wusste ich schon immer! Der war mir doch schon immer verdächtig!“ Und das hängt einem nach, auch wenn letztlich die Unschuld bewiesen wird.
Und was soll alles legal werden, damit man einen Anschlag stoppt? Soll es in Zukunft legal sein, unter dem Deckmantel der „Anschlags-Verhinderung“ einen Unschuldigen zu erschießen? Und wenn sich hinterher dessen Unschuld herausstellt, was sagt man dann den Hinterbliebenen? „Oh, tut uns leid, Ihr Sohn / Mann / Vater / Bruder / Freund // Ihre Tochter / Frau / Mutter / Schwester / Freundin starb für den Kampf gegen den Terrorismus?“

Ich denke, Schäubles Äußerung ist geeignet, eines zu beweisen: Dass er auf dem Ministerposten, den er momentan innehat, untragbar geworden ist. Er hat doch bei seiner Amtseinführung einen Eid darauf abgelegt, die Verfassung zu schützen – und nicht, sie zu demontieren. Vielleicht sollte er sich dessen bewusst werden, bevor er das nächste Mal eine solche Idee ausbrütet.

Nachtrag:

Einige Beiträge im Internet zum gleichen Thema:

„Stasi 2.0“ von Dataloo
Tagesschau: „Schäuble will Unschuldsvermutung nicht gelten lassen“
Tagesschau: „Schäubles Pläne sind hysterisch“