Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Epilog

Worin das Nachwort von „Der Name der Rose“ besprochen wird und der Text dann wiederum seinerseits ein Nachwort zu dieser Reihe bildet.

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Die Geschichte ist vorbei. Das war’s. Aus. Ende. Basta. Amen. Ja, Amen im wahrsten Sinne des Wortes, ist man versucht zu sagen. Doch halt, so ganz endgültig ist es nicht vorbei. Zwar wurden die Rätsel gelöst und das Objekt der Begierde, das McGuffin des Romans gefunden, aber Eco wollte seine Leser nicht einfach so entlassen, ohne noch ein Nachwort zu verfassen. Schauen wir uns dieses mal an und schließen wir dann die Serie ab.

Der Epilog ist kein direkter Bestandteil der Handlung mehr. Adson gibt nur noch in kurzen Abhandlungen wieder, was nach dem Brand der Abtei geschah. Es gibt auch keine wörtliche Rede mehr, aber philosophische Gedanken. Wir erfahren, dass die Bibliothek drei Tage und Nächte brannte, bevor die Flammen nichts mehr zum Fressen fanden und verlöschten. William und Adson machen sich auf den Weg in Richtung Norden, aufgrund weiterer politischer Ereignisse gehen Sie nach München, wo sie sich trennen müssen. William gibt Adson die Augengläser, die Nicolas ihm geschliffen hat und die beiden gehen ihrer Wege. Adson weiß nicht, was aus William geworden ist. Er berichtet, dass er Jahre später nochmal am Ort der Abtei war und ihre Ruinen besichtigt habe, wo er tatsächlich noch Überreste von Pergamenten aus der Bibliothek fand. Er habe sie mitgenommen, bei genauerer Betrachtung jedoch festgestellt, dass es nur Fragmente sind, die ohne ihren Zusammenhang keinen Sinn ergeben. Damit, schreibt Adson, möchte er das Papier, das er vollgeschrieben hat, hinterlassen:

Ich gehe und hinterlasse dies Schreiben, ich weiß nicht, für wen, ich weiß auch nicht mehr, worüber.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 760

Damit ist die Geschichte wirklich beendet. Aber in der Neuauflage anlässlich des Jubiläums findet sich nun noch ein Nachwort mit dem Titel „Über die Lächerlichkeit und ihre Grenzen – Einige Gedanken zur Angst des Jorge von Burgos“ von Philipp Blom. Er teilt ein paar kluge Gedanken mit, dass einige Sachen sich nicht geändert haben, während andere das sehr wohl taten. Ein zweites Nachwort zeigt verschiedene Skizzen, die Eco angefertigt hat, vom Aussehen der Mönche angefangen bis zur Planung des Labyrinths der Bibliothek, wobei man die Stufen sehen kann, die der Autor genommen hat, bis er bei dem angekommen war, das wir nun auch im Roman finden.

In beiden Adaptionen ist das Nachwort in das Ende mit eingearbeitet. Im Film reiten William und Adson von der Abtei los, dabei begegnet ihnen nach ein paar Metern ein letztes Mal die Rose. Es wird kein Wort gesprochen, aber die Taten sprechen für sich: William reitet weiter, während die Rose Adsons Hand an ihre Wange hält. Doch er folgt schließlich seinem Meister und lässt das Mädchen zurück. Dann hören wir zum letzten Mal Adsons Stimme als alter Mann, der davon berichtet, dass er seine Entscheidung nie bereut habe. Auch hier erwähnt er, dass er in dem Moment, als er und William getrennte Wege gehen von jenem die Augengläser bekam. Dann gibt er aber doch noch zu, dass er nie aufgehört habe, an das Mädchen zu denken, doch:

Nie erfuhr ich, wer sie war, noch erfuhr ich je ihren Namen.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Interessanterweise wird dann das letzte lateinische Zitat aus dem Roman eingeblendet, das allerdings unübersetzt bleibt:

Stat rosa pristinia nomine, nomina nuda tenemus.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 760

Übersetzt heißt das: „Von der einstigen Rose steht nur noch der Name, uns allen bleiben nur nackte Namen.“ Der Film endet dann mit der Musik von James Horner, die den Zuschauer und die Zuschauerin passend in den Alltag zurück entlässt.

In der Serie hat Adson von Anna erfahren, dass die Rose noch lebt. Natürlich sucht er sofort ihren Unterschlupf im Wald auf, doch dort ist sie nicht mehr. Sie hat auch das Gedichtbuch, das er ihr bei einer Gelegenheit mitgebracht hat, zurückgelassen. Dann kehrt Adson zur Abtei zurück und sammelt Überreste aus der Bibliothek zusammen, quasi wird also die Szene, die im Roman auch beschrieben ist, um ein paar Jahre nach vorne gezogen. Es kommt dann zu einer freundlichen Wiederholung der Szene vom Anfang der Serie, da William erneut fragt: „Warum folgst Du mir?“ Die beiden rekapitulieren die Ereignisse und William bringt das Zitat über die Rose. Adson erklärt, er werde nach Melk zurückkehren und in der dortigen Abtei sein Gelübde ablegen. Die beiden trennen sich an dieser Stelle, allerdings gibt William Adson nicht die Augengläser mit.

Okay, letzte Gedanken und Zusammenfassung: Dadurch, dass ich mich erneut sehr intensiv mit Ecos Werk auseinandersetzen durfte, wurde mir erneut vor Augen geführt, welche Arbeit darin steckt und welcher Detailreichtum. Von solchen scheinbaren Kleinigkeiten angefangen wie Salvatores falsches Latein, das aus dem „dritten Pferd“ den „dritten von Pferd“ macht und William so auf die richtige Spur bringt, bis hin zu der Ausarbeitung des Labyrinths der Bibliothek mit all ihren Sinnsprüchen und Buchstaben. Nicht zu vergessen die ganzen Anspielungen auf Namen, die ich hier nur gestreift habe. Nehmen wir als ein Beispiel, das ich gar nicht erwähnt habe, den Urheber all der Ereignisse: Der Name „Jorge von Burgos“ ist eine kaum versteckte Anspielung auf den argentinischen Schriftsteller und Bibliothekar Jorge Luis Borges, der einerseits als literarisches Genie galt, andererseits aber auch den Militärputsch in Argentinien von 1976 und die anschließende blutige Militärdiktatur unterstützte, was ihm – wohl nicht zu Unrecht – den Vorwurf einbrachte, ein Reaktionärer zu sein.

Auch die Idee, das zweite Buch der Poetik des Aristoteles in den Mittelpunkt zu stellen, fügt sich wunderbar in die philosophischen Gedanken ein. Eco hat zwar immer gesagt, der Ausgangspunkt um „Der Name der Rose“ zu schreiben sei sein Wunsch gewesen, einen Mönch zu vergiften, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Idee, genau dieses Buch zu nehmen, diesen Plan erst wirklich durchführbar machte. Eco hat Literaturwissenschaft studiert und daher ein profundes Wissen über literarische Werke. Dabei hat er sich im Roman auf eine wahre Begebenheit gestützt:

Sicher ist, dass Aristoteles vorgehabt hatte, in seiner Poetik nach der Tragödie und dem Epos – dem Inhalt des erhaltenen Textes – auch die Komödie zu behandeln, wie aus der Einleitung hervorgeht. Aber der Teil über die Komödie fehlt. Im allgemeinen wird angenommen, u. a. aufgrund der von Diogenes Laertius aufgestellten Liste der Werke von Aristoteles, in der zwei Bücher der Poetik erwähnt werden, dass Aristoteles dieses zweite Buch wirklich geschrieben hat, aber dass es im Lauf der Jahrhundert verlorengegangen ist.

Theo van Velthoven: „Zeichen, Wahrheit, Macht“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 280 – 281

Gleichzeitig ist der Roman hochphilosophisch und berührt sehr viele Facetten von verschiedenen Themen. Da ist also diese Abtei, in der ein Konvent über die Armut Christi und die Armut der Kirche abgehalten werden soll, während es direkt unter besagter Abtei ein Dorf gibt, in der echte Menschen in echter Armut leben. Es geht um die Liebe, nicht nur im Bezug auf Adson und die Rose, sondern darüber hinaus, gerade was die Verhältnisse zwischen einigen der Brüder betrifft. Und es geht um Wahrheiten, Sicherheiten und Humor. Jorge von Burgos, der sich als göttliches Werkzeug sieht und selbst nicht einmal merkt, wie widersprüchlich seine „Wahrheit“ ist. Einerseits verteufelt er Adelmus, als ihm jener seine fleischlichen Verfehlungen beichtet, auf der anderen Seite schürt er aber Malachias‘ Eifersucht, damit dieser Severin erschlägt. Die Sicherheit, die diese Wahrheit geben soll, braucht aber auch die Furcht, die Furcht vor dem Teufel. Denn nur so hat man – in Jorges Augen – Sicherheit, wenn man genau weiß, wann man in den Himmel kommt oder in die Hölle. Das Lachen aber zerstört die Furcht und damit das, was Jorge die Sicherheit gibt. Erschreckenderweise ist folgender Absatz aus Kroebers Buch über die Hintergründe des Romans, obwohl er 1985 geschrieben und veröffentlicht wurde, ziemlich aktuell, sogar was das genannte Land – aber natürlich nicht nur dieses – betrifft:

Umberto Eco zeigt, wozu die Systeme der Sicherheit führen, seien sie national, kulturell oder kirchlich: Sie führen zum Tod, zum Mord im Namen der Wahrheit, die die Sicherheit des Systems bedroht, zur Zerstörung des ganzen Lebens. Unsere Zeit – gerade hier in Brasilien und in der brasilianischen Kirche – bestätigt zum Teil den sinisteren Charakter dieses Sicherheitsdenkens: Es legitimiert in fataler Weise die Unterdrückung und ist zwangsläufig intolerant; die Folgen sind das Leiden der Unterdrücker und das von ihnen erzeugte Leiden der anderen, das Reich der Freudlosigkeit und die Herrschaft der Ritter der schlimmen Nachricht.

Leonard Boff: „Die beiden Sackgassen des Bewahrens und des Erschaffens“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 357

Wenn wir uns beispielsweise die Situation anschauen, die gerade in den USA herrscht, da hätte ein Jorge von Burgos seine wahre Freude dran. Vielleicht würde er sogar vor Freude lachen – was für ein Gedanke, was für eine Posse!

Was natürlich auch nochmal erwähnt werden muss, ist die Einbettung der Geschichte in einen historischen Kontext, den Eco sehr gut wiedergibt. Und wie wir schon gesehen haben, lässt er auch einige historisch verbürgte Figuren auftauchen, so den Mystiker Ubertin von Casale, der heftige Kritik an den Päpsten übte, Michael von Cesena, einem Ordensgeneral der Franziskaner, Bertrand del Poggetto, einem Kardinal, der in der fraglichen Zeit päpstlicher Legat für Norditalien war und last but not least Bernard Gui. Die Darstellung der Figuren mag historisch nicht immer ganz akkurat sein, aber darauf muss man sich als Leserin und Leser eines Romans einstellen. Schließlich will die Geschichte ja auch eine Botschaft rüberbringen. Wer es genau wissen will, sollte sich dann einem wissenschaftlichen Werk zuwenden.

Der Film beschränkt sich in seiner Umsetzung auf die Kernelemente des Romans und verschiebt die Ereignisse ein bisschen, um einen holliwoodesken Höhepunkt zu erklimmen. Immerhin, die Fragen der Armut werden beleuchtet und die merkwürdig zweifelhafte Rolle der Kirche, allerdings bleibt es bei ein paar plakativen Momenten. Zum Beispiel sehen wir, wie die Bauern den Zehnten abgeben und dafür von einem sichtlich genervten Mönch einen kurz dahingenölten Segensspruch erhalten. Oder wie die Dorfbevölkerung hilft, den Wagen der päpstlichen Delegation den Weg zur Abtei hochzuschieben, während die Angehörigen der päpstlichen Delegation in feine Kleider gehüllt gelangweilt aus dem Fenster schauen. Was die Tode betrifft, bleibt immerhin das Motiv, aber viel von Williams geistiger Arbeit geht verloren und der Umstand, dass er gleich zweimal durch Zufall etwas herausfindet, ist eigentlich genau das, was der Sherlock-Holmes-Autor Sir Arthur Conan Doyle in seinen Geschichten auf jeden Fall vermeiden wollte. Da William eine Pastiche auf Holmes ist, hätte hier etwas mehr Ehrgeiz seitens der Drehbuchautoren gut getan. Viele kleine Spuren und Hinweise gehen im Filmdrehbuch verloren, was sehr schade ist, aber wohl zeitlich nicht machbar. Dass aber bei Severins und Malachias‘ Tod nicht mal mehr von den Posaunen der Apokalypse die Rede ist, ist meiner Meinung nach ein Fehler im Skript. Für den Zuschauer, der den Roman nicht kennt, muss es sich so darstellen, dass die Mord nun völlig ausufern und keinen Schema mehr folgen. Aber genau das ist ja der Punkt: Sie haben nie einem Schema gefolgt – außer dass alle Vergifteten das gleiche Buch gelesen haben -, nur William glaubte, eins erkannt zu haben.

Trotzdem findet sich auch sehr viel gut umgesetztes in dem Film, die realistische Darstellung des Mittelalters zum Beispiel, oder Szenen, die zwar nicht wörtlich aus dem Buch stammen, aber etwas von dort auf andere Weise umsetzen. Insofern, das kann ich jetzt schon sagen, ist der Film in meinen Augen die stärkere Adaption von Ecos Werk. Es ist eben, wie es im Vorspann ja heißt, ein Palimpsest, eine Umarbeitung, bei der man das Original noch sehen kann.

Allerdings ist mir da noch etwas aufgefallen, das ich nicht ganz klären konnte. Ich habe erwähnt, dass ich den Film nicht in den Streamingdiensten fand, auf die ich Zugriff habe. Für diese Reihe habe ich daher eine DVD gekauft (übrigens hoffe ich, dass es eine Jubiläums-Blu-Ray des Films gibt, mit tonnenweise Zusatzmaterial und in neuer Abtastung), meine einzige Quelle. Die ist allerdings sehr eingeschränkt, denn komischerweise hat der Film nur eine deutsche, aber keine originale Tonspur und ich habe den Eindruck, dass mindestens eine Szene fehlt. Gleichzeitig kommen Szenen vor, von denen ich mir nicht sicher bin, ob diese in allen Versionen enthalten sind.

Welche Szene fehlt? Die Stelle, an der Gui den Scheiterhaufen von Remigius anzündet. Wir sehen, wie Salvatores Scheiterhaufen brennt, dann kommt es zur Störung durch den Klosterbrand. Anschließend wird gezeigt, was in der Bibliothek passiert und als zurück zu den Scheiterhaufen geschnitten wird, brennt der von Remigius schon lichterloh. Ich weiß, dass es hier eine Stelle gibt, an der Remigius zu lachen anfängt, da er sich Hoffnung macht, nun doch nicht verbrannt zu werden, worauf Bernard Gui persönlich sich eine Fackel schnappt und den Scheiterhaufen anzündet.

Was ist mit den Szenen, die mir unbekannt vorkommen? Zum einen ist das Adsons Besuch im Dorf, wo er sieht, unter welch katastrophalen Umständen die Rose lebt und zum anderen die Flucht von Ubertin, bei der dieser sich in einem Fass versteckt. Es ist gut möglich, dass diese Szenen in der Originalfassung drin waren, denn die Fassung, die ich immer wieder und wieder gesehen habe, war eine Aufnahme im Zweikanalton vom ZDF auf Videocassette. Vielleicht waren diese Szenen aus Zeitgründen da rausgeschnitten. Ja, ich habe den Film auch im Kino gesehen, aber ich kann mich nicht an jede Kleinigkeit erinnern.

Im Internet kursieren auch ein paar Schnittberichte, also scheint es nicht unüblich gewesen zu sein, den Film etwas zu kürzen. Warum in der DVD-Version aber die Stelle mit Remigius‘ Scheiterhaufen fehlt, ist mir nicht klar, vor allem, nachdem wir kurz zuvor gesehen haben, wie Salvatore schreiend verbrennt. Und ach ja, da ist noch was: Kann es sein, dass die Szene, in der Adson und die Rose Sex haben, in der Fernsehversion eingekürzt war?

Nun noch ein paar Worte zur Serie. Ich habe es schon gesagt, ich halte die Verfilmung für die stärkere Adaption und das hat sehr viel mit den Änderungen zu tun. Die Serie kreist da um zwei diametrale Gegensätze, einerseits sind ganze Passagen wortwörtlich aus dem Buch übernommen, andererseits wurde extrem weit von der Vorlage abgewichen. Die Hinzufügungen sind dabei leider nicht immer so geschickt, wie bei der Filmadaption. Teilweise zieht sich die Serie wirklich hin und dass Adson und die Rose sich regelmäßig sehen, passt irgendwie nicht zusammen. Noch dazu fällt dadurch, dass es kein Dorf am Fuß der Abtei gibt, der Gegensatz zwischen Arm und Reich weg, der im Film so gut herausgearbeitet wird und den Disput widerspiegelt, um den es geht. Man hat der Rose einen anderen Hintergrund gegeben, um eine Botschaft der heutigen Zeit unterbringen. Sie ist nun kein armes Mädchen aus dem Dorf mehr, sondern eine Kriegsflüchtige. Das passt natürlich ebenfalls gut rein, denn die normale Bevölkerung bekam auch damals ja immer nur die Auswirkungen der großen Politik zu spüren, ohne wirklich mitbestimmen zu können, was geschah. Aber die Rose als armes Mädchen in einem Dorf unterhalb der Abtei, während ganz bildlich gesprochen „die da oben“ in der Abtei über die Armut der Kirche diskutieren, sollte eben genau diesen Kontrast darstellen. Das führt dazu, dass sich die Handlung der Serie in meinen Augen zerfleddert, wo sie etwas mehr Fokus auf eine Sache gebraucht hätte.

Ein Gleichnis fiel mir ein, was die komplett hinzugefügten Handlungsstränge in der Serie betrifft: Nehmen wir mal den umgekehrten Fall an, ein Autor wird beauftragt, einen Roman zu einem dreistündigen Film zu schreiben. Da der Film aber so lang ist, will der Verlag, dass der Roman mindestens 700 Seiten lang ist. Also schreibt der Autor den Roman, macht gewisse Hinzufügungen, wie das bei Romanadaptionen von Filmen so üblich ist, stellt dann allerdings fest, dass er trotzdem nur auf 650 Seiten kommt. Also was tun? 50 Seiten sind nicht wenig. Als sucht der Autor eine Stelle im Skript auf und fügt einen Nebenplot dazu, der sich über 50 Seiten hinzieht. Das Problem ist nur: Egal, was der Autor schreibt, er muss am Ende des Nebenplots wieder den Ausgangspunkt erreicht haben, damit der Rest der Geschichte nicht gestört wird. Ich habe den Eindruck, dass etwas ähnliches bei der Serie getan wurde. Insofern wird bei mir immer noch die Filmadaption laufen, wenn mir der Sinn danach steht und nicht die Serienadaption.

Ich habe zwar gesagt, ich möchte selber keine Adaption schreiben, die sowieso nie umgesetzt wird, aber wie es so ist, ich kann meinem Gehirn nicht befehlen, sich keine Gedanken zu machen – und das hat es schon getan. Immerhin nur grob, aber wie könnte man eine Adaption mit dem Vorsatz angehen, den die Produzenten der Serie hatten? Denn es ging ihnen ja auch darum, die Rolle der Rose zu stärken und eine starke Frauenfigur (in Form von Fra Dolcinos Tochter Anna) einzuführen. Nun, da hätte man vielleicht einen Kontrast mit Rückblenden herausarbeiten können. Wir lassen das Kloster, wie es ist – eine Männergemeinschaft und keine Anna, die einen Bernard Gui mit dem Schwert bedroht. Aber immer, wenn Remigius zurückdenkt an seine Zeit bei Fra Dolcino kann man den Kontrast herausarbeiten: hier das strenge, geregelte Leben im Kloster unter Männern, dort eine gemischte Gemeinschaft aus Männern und Frauen, die sich diesen Regeln nicht unterwerfen wollen. Besonders gut könnte sowas funktionieren, wenn in der Gegenwart von den Mönchen von der Verderbtheit der Frauen gesprochen wird und Remigius sich an sein Leben bei den Dolcinianern erinnert, wo von Verderbtheit nichts zu sehen ist. Damit hätte man auch eine Motivation, warum Remigius heimlich Nachts Frauen in die Abtei schmuggeln lässt. Aber das ist nur ein Grundgedanke, denn müsste man ausführlich ausarbeiten, und das möchte ich nicht.

Übrigens hat sich auch die Serie noch eine künstlerische Freiheit mit Bernard Gui in diesem Zusammenhang herausgenommen. Es wird gezeigt, dass er der Inquisitor bei Fra Dolcino war, das stimmt allerdings nicht. Gui hat viele Urteile gesprochen, aber das Urteil gegen Dolcino war nicht von ihm.

Was ist aber nun mit meinem komischen Gefühl in Bezug auf das Ende mit den Scheiterhaufen? Das ist immer noch da. Das Problem ist, dass ich weder genau sagen kann, ob das Ende des Romans ohne Scheiterhaufen besser gewesen wäre, noch habe ich eine Alternative anzubieten, die einen ganz anderen Weg gegangen wäre. Diesmal aber wirklich. Ich akzeptiere es daher einfach mal als gegeben, auch weil mir vor allem bei der Filmadaption Remigius‘ dahingespucktes „Der Teufel, dem ich abschwöre, das seid Ihr, Bernardo Gui!“, hervorragend gesprochen von Helmut Qualtinger, so gut gefällt.

Das war es nun. Das waren meine Betrachtungen des Romans „Der Name der Rose“ und seiner Umsetzungen. Wie ging es aber denn nun aus, damals, als ich mich zum ersten Mal mit dem Werk beschäftigte? Ich schrieb den Artikel für die Schülerzeitung, er wurde veröffentlicht und das war’s. Keine Resonanz. Außerdem hatte ich mir den Roman nochmal erarbeitet, für den Fall, dass ich in die mündliche Deutschprüfung gehen müsste. Da musste man sich nämlich ein Thema heraussuchen und vorbereiten, so für den Fall der Fälle. Dazu kam es aber nicht, meine Note stand nicht so zweifelhaft, dass es nötig gewesen wäre, die mündliche Prüfung abzulegen. Also verschwand diese Ausarbeitung irgendwann, wie weiland das zweite Buch der Poetik des Aristoteles. Jetzt brauche ich eigentlich nur noch, so als letzte Verbeugung vor dem Roman, ein gutes Zitat zum Schluss. Und ich glaube, ich habe da eines, das passt:

Der Name der Rose wäre Rose, wenn es die Rose gäbe.

Augusto Abelaira: „Der Name der Rose wäre Rose, wenn es die Rose gäbe“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 193

Quellenangaben

  • Giacomo Battiato et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, 11 Marzo Film
  • Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986
  • Sir Arthur Conan Doyle: „Sherlock Holmes – Eine Studie in Scharlachrot“, Lizenzausgabe des Kein & Aber Verlags 2005
  • Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022
  • Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989
  • diverse Autoren: „Die Bibel – Neues Testament“
  • diverse Autoren: „Der Name der Rose – Pressebuch mit Informationen zum Film“, Constantin Film Presseabteilung 1986

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Bei AMAZON können folgende Versionen von „Der Name der Rose“ direkt bestellt werden:


Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Siebter Tag

Worin es zum großen Finale der Geschichte kommt, das allerdings in seinen Adaptionen krass vom Vorbild abweicht.

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Die Serie „Der Name der Rose“ bemüht sich stark, jede Folge mit einem Cliffhanger abzuschließen und zieht deshalb an manchen Stellen die Handlung etwas arg in die Länge. Wenn man sich das ganze genau betrachtet, hat aber Eco selbst schon Cliffhanger in die Handlung installiert, besonders an den letzten Tagen. So auch hier: Der sechste Tag endet direkt dann, als William und Adson endlich ins Finis Africae eindringen. Und genau hier nimmt der siebte Tag die Handlung wieder auf.

Adson beschreibt uns kurz den Raum, nur um sogleich darauf zu kommen, dass da im Dunkeln jemand sitzt, der ihn und William zu erwarten scheint. Der scharfsinnige William enttäuscht indessen auch jetzt nicht, noch bevor das Licht der Lampe, die Adson hält, den Unbekannten anstrahlen kann, spricht ihn der alte Franziskaner an:

„Guten Abend, ehrwürdiger Jorge. Hast Du uns schon erwartet?“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 705

Tatsächlich ist es Jorge von Burgos, der schon den ganzen Tag darauf wartet, dass William herkommt. Jener deduziert, dass die Geräusche, die er und Adson beim Betreten des Aedificiums gehört haben, vom Abt stammen müssen. Jorge gibt zu, dass er den Abt in einen Geheimgang gelockt hat, mit dem man schneller ins Finis Africae gelangen kann. Die Mechanismen, um die geheimen Türen zu bewegen, befinden sich hier und nachdem der blinde Mönch hörte, dass jemand den Geheimgang betreten hat, zog er an den Seilen dieser Mechaniken. Die Seile rissen und verschlossen die Geheimtüren, so dass der Abt nun eingesperrt zwischen zweien in der Falle sitzt. Nicht mehr lange und er wird erstickt sein. Der Abt war nicht mehr nützlich, da er durch die Nachforschungen von William daraufgekommen war, was wirklich in der Abtei los ist: Jorge ist der geheimnisvolle Bibliothekar, der statt Alinardus den Posten bekommen hatte. Doch seine zunehmende Erblindung verhinderten seine weitere Tätigkeit (wie Alinardus kichernd meinte, sein Gegner sei von Gott „ins Reich der Dunkelheit“ abberufen worden), also sorgte er dafür, dass er Kontrolle über die Abtei und die Bibliothek erlangte, indem er Leute, die ihm gehorchten an die richtigen Stellen setzen ließ. Er sorgte dafür, dass Abbo entgegen den Gepflogenheiten zum Abt gewählt wurde und auch dafür, dass der einfältige Malachias Bibliothekar wurde, obwohl er keine Fremdsprachen beherrschte. Und so fällt alles an seinen Platz: Das geheimnisvolle Buch, von dem gleich noch mehr die Rede sein wird, betrachtet Jorge als bedrohlich. Aber dann prahlte Berengar damit, dass er dem wissbegierigen Adelmus dieses Buch besorgen kann. Dafür verlangte Berengar von Adelmus die Erfüllung der fleischlichen Lust. Von seinem Gewissen geplagt stürzte sich Adelmus von der Mauer, nachdem er die Anweisung, wie man an das Buch kommt, an Venatius weitergegeben hatte. Venantius wurde wegen des Buches vergiftet und von Berengar in den Schweineblutbottich gesteckt, um es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Dann starb Berengar selbst, ebenfalls vergiftet.

Als Jorge mitbekam, dass Severin das Buch gefunden hatte, sprach er mit seinem Handlanger Malachias, der ebenfalls ein Verhältnis mit Berengar hatte. Er erzählte ihm, dass Severin das Buch hatte, weil Berengar es ihm für gewisse Dienste versprochen hatte. Rasend vor Eifersucht ging Malachias zu Severin und erschlug ihn. Doch entgegen der Anweisung, das Buch sofort ins Finis Africae zu bringen, behielt Malachias es erstmal für sich – deswegen musste auch er sterben. Nachdem William Jorge auch noch beschreibt, um welches Buch es sich handelt und dass es aus einem speziellen Leinenpapier hergestellt sei (das aus Spanien stammt, genauer gesagt, aus der Nähe von Jorges Herkunftsort Burgos, was ein weiterer Hinweis auf den Blinden als Urheber der ganzen Geschichten war), ist Jorge so beeindruckt, dass er William das Buch zum Lesen überlässt. Es handelt sich um das vermutlich letzte Exemplar des zweiten Buches der Poetik des Aristoteles, von dem Jorge behauptet hatte, es sei nie geschrieben worden. William beginnt zu lesen:

Im ersten Buch haben wir die Tragödie behandelt und dargelegt, wie sie durch Erweckung von Mitleid und Furcht eine Reinigung von ebendiesen Gefühlen bewirkt. Hier wollen wir nun, wie versprochen, die Komödie behandeln (nebst der Satire und dem Mimus) und darlegen, wie sie durch Erweckung von Vergnügen am Lächerlichen zu einer Reinigung von ebendieser Leidenschaft führt. Inwiefern diese Leidenschaft der Beachtung wert ist, haben wir schon im Buch über die Seele gezeigt, insofern nämlich der Mensch als Einziges aller Lebewesen zum Lachen fähig ist.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 712

Doch William kommt beim Lesen nicht sehr weit, denn die Seiten des Buches kleben oben und am Beschnitt zusammen, so als ob jemand eine feuchte Masse darauf verteilt hätte. William weiß auch was: Das Gift, das aus Severins Labor gestohlen wurde. Jeder, der das Buch liest und sich beim Lesen unwillkürlich den Finger anfeuchtet, um die Seiten blättern zu können, würde langsam aber sicher Gift aufnehmen, bis er genug geschluckt hat, um daran zu sterben. Nun trägt William auch zusammen, dass es gar keinen Plan gab, die Morde entsprechend der Apokalypse zu begehen, die Umstände der Tode waren allesamt Zufall. Lediglich bei Malachias stimmt das nicht ganz, nachdem Jorge gehört hatte, dass es selbst William logisch erschien, dass der Mörder die Toten nach den Posaunen der Offenbarung drapierte, sagte der Blinde zu seinem Bibliothekar, er dürfe das Buch auf keinen Fall lesen, denn es habe die Kraft von tausend Skorpionen. Mittlerweile war er selbst überzeugt, dass eine göttliche Fügung im Spiel war.

Aber warum dieses Buch? Weil es von Aristoteles, dem Philosophen ist, das Lachen zu etwas Hohem erhebt und die Weltordnung nach Jorges Meinung in Gefahr bringt. Wer lacht und deswegen keine Angst mehr vor dem Teufel hat, der braucht keinen Gott mehr. Das Lachen müsse ausgemerzt werden, wenn es sein muss, auch zusammen mit dem Menschen, der lacht. William nennt Jorge darauf einen Teufel:

„Man hat Dich belogen, der Teufel ist nicht der Fürst der Materie, der Teufel ist die Anmaßung eines Geistes, der Glaube ohne ein Lächeln, die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfasst wird.“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 727

Es kommt zu einem intellektuellen Kräftemessen zwischen den beiden, doch jede Einlassung von Jorge wird von William klug beantwortet. Jorge nimmt dann das Buch an sich, fängt an, die Seiten zu zerreißen und sich in den Mund zu stecken, womit er wiederum der Apokalypse folgt:

Und ich ging zu dem Engel und bat ihn, mir das kleine Buch zu geben. Er sagte zu mir: Nimm und iss es! In deinem Magen wird es bitter sein, in deinem Mund aber süß wie Honig. Da nahm ich das kleine Buch aus der Hand des Engels und aß es. In meinem Mund war es süß wie Honig. Als ich es aber gegessen hatte, wurde mein Magen bitter.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 10, Vers 9 und 10

William versucht, ihn daran zu hindern, doch da löscht Jorge die Lampe und will die beiden Mönche im Finis Africae einsperren. Sie finden jedoch auch im Dunkeln die Tür zum Spiegel und schaffen es, diese offen zu halten. Adson entzündet seine Lampe von neuen und beide verfolgen Jorge. Als sie ihn stellen, schlägt er Adson die Lampe aus der Hand, die in einen Bücherstapel fällt und diesen entzündet. Der Brand greift schnell um sich. Jorge wirft die Überreste des Buches in die Flammen, um kurz darauf selbst hinein zu stürzen. Die Flammen eilen von Raum zu Raum. William und Adson alarmieren die anderen Mönche mit der Glocke der Kirche, doch es kommt zur Katastrophe. Nicht nur brennt die Bibliothek nieder, es kommt auch noch zum Funkenflug, der sehr schnell die ganze Abtei erfasst. Als klar ist, dass sich nichts mehr retten lässt, philosophiert William über den Antichrist:

„Der Antichrist entspringt eher aus der Frömmigkeit selbst, aus der fanatischen Liebe zu Gott oder zur Wahrheit, so, wie der Häretiker aus dem Heiligen und der Besessene aus dem Seher entspringen. Fürchte die Wahrheitspropheten, Adson, und fürchte vor allem jene, die bereit sind, für die Wahrheit zu sterben: Gewöhnlich lassen sie viele andere mit sich sterben, oft bereits vor sich, manchmal für sich.“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 748

Dann versucht Adson, seinen Meister aufzumuntern, denn immerhin ist er ja Jorge auf die Schliche gekommen, während ein Gebäude der Abtei nach dem anderen in sich zusammenstürzt. Dann beschließen die beiden, dass es Zeit wird zu gehen. Damit endet der erzählerische Teil des Romans.

Kommen wir zuerst zu den Dingen, die in die Adaptionen übernommen wurden: Der Täter natürlich und das Motiv. Im Film ist die Szene im Finis Africae etwas kürzer gehalten, zum Beispiel fehlt ein ganzer Absatz, in dem William seinem Ärger über Jorges Arroganz Luft macht, indem er sich laut ausmalt, den Blinden nackt auszuziehen und mit Hahnenfedern im Hintern über den Klosterhof zu jagen, damit keiner mehr Angst vor ihm hat, sondern über ihn lacht. Viele kleine Details fehlen, der Hinweis auf das Papier beispielsweise oder dass das Buch eine Zusammenfügung mehrerer Bücher ist (und was ich bisher nicht erwähnt habe: der Geheimraum wird auch nicht „Finis Africae“ genannt). Es werden sogar die Tode von Severin und Malachias gar nicht mehr mit der Apokalypse in Verbindung gebracht. Zwar wird auch im Film Severin mit einer Amillarsphäre erschlagen, aber auf die Tatwaffe wird weiter nicht eingegangen; warum Malachias im Sterben von tausend Skorpionen spricht, wird auch nicht erklärt. Auch ist der Abt nicht in die Szene einbezogen, er verschwindet irgendwie aus der Geschichte. Jorge erwähnt zwar, dass es Geheimgänge gibt, aber dort hat er niemanden eingesperrt. Die Bibliothek gerät auf die gleiche Weise wie im Roman in Brand, allerdings bleibt William zunächst zurück, um stapelweise Bücher herauszuschleppen.

In der Serie hat man sehr viel aus dem Roman übernommen, auch Williams schon erwähnte Rede, wie er Jorge gerne lächerlich machen würde. Jorge hat auch hier die Mechanik der Geheimtüren für den Gang versperrt, durch den der Abt ins Finis Africae kommen wollte. Wir sehen in einer Szene, wie die Lampe des Abtes langsam ausgeht, vermutlich aus Sauerstoffmangel. Wieder gerät die Bibliothek aus dem gleichen Grund wie im Roman in Brand.

Und damit zu den Ergänzungen in beiden Adaptionen: dem Countdown. Im Film befiehlt Bernard Gui, die Scheiterhaufen zu errichten und während Adson und William in der Bibliothek zugange sind, werden die Gefangenen herausgeführt, wobei sich gleichzeitig die Bevölkerung des Dorfes versammelt. Die Delinquenten werden an Pfähle auf den Scheiterhaufen gefesselt und jeder gefragt, ob er oder sie dem Teufel abschwört und Jesus Christus als den Herrn und Heiland anerkennt, worauf Remigius meint:

Der Teufel, dem ich abschwöre, das seid Ihr, Bernardo Gui!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Salvatore selbst ist durch die Folter so gebrochen, dass er ein Kinderlied vor sich hersingt, während die Rose schon bewusstlos ist. Dann wird der Scheiterhaufen von Salvatore entzündet, der schreiend verbrennt. Als Remigius an der Reihe ist, platzen die Fenster des Aedificiums durch das Feuer, das die Bibliothek erfasst hat. Die Mönche rennen davon, um zu löschen und die Dorfbevölkerung kommt bedrohlich nahe. Remigius fühlt sich schon sicher, doch Bernard Gui sorgt höchstpersönlich dafür, dass auch sein Scheiterhaufen brennt. Bevor er den von der Rose anzünden kann, dringen die Dorfbewohner auf ihn ein und er bringt sich in Sicherheit.

Gleichzeitig kommt ein wütender Adson aus der Bibliothek, der sieht, wie Gui zu flüchten versucht. Er versucht, ihn aufzuhalten (dabei redet er unaufhörlich auf Gui ein, dass William den wahren Mörder gefunden habe und Gui vor den Papst und auf den Scheiterhaufen kommen würde), doch als er das Fallgitter der Hauptpforte schließen will, klemmt dieses gerade lang genug, dass der Wagen von Gui noch durchkommt. Dann fällt es herunter und Adson kann Gui nicht mehr folgen. Auf dem Weg wird der Inquisitor aber schon von den Dorfbewohnern erwartet, die Guis Wagen umstürzen, so dass die Karosse einen Abhang herunterstürzt. Dabei zerbricht der Rahmen, Gui fällt heraus, wird von einem seiner eigenen Foltergeräte aufgespießt und stirbt. Adson kehrt zum Aedificium zurück, wo William gerade zur Tür herausgestolpert kommt. Erleichtert und hocherfreut fällt der Novize seinem Meister in die Arme.

In der Serie lässt Gui die Scheiterhaufen heimlich vorbereiten, während er alle in der Kirche wähnt. Parallel zu den Ereignissen im Finis Africae werden die Gefangenen herausgeführt, doch da greift Anna ein. Sie hält Gui ein Schwert an die Kehle und gibt sich als Tochter von Fra Dolcino zu erkennen. Sie schafft es, die Rose freizupressen, ist jedoch abgelenkt, als bemerkt wird, dass die Bibliothek in Flammen steht. Eine Wache spießt Anna auf. Die verbliebenen Gefangenen werden ihrer Fesseln entledigt, um beim Löschen helfen zu können. Gui nutzt das Chaos, um mit seiner Eskorte wegzufahren und die Abtei sich selbst zu überlassen. Remigius geht in das Feuer, obwohl Salvatore versucht, ihn davon abzuhalten. Er bleibt jedoch mit Absicht im Gebäude und wird schließlich unter brennenden Balken begraben. Adson kann mit der sterbenden Anna sprechen, die ihm sagt, dass die Rose entkommen konnte. Auch hier philosophiert William über den Antichrist und die Frömmigkeit.

Zum Film muss man sagen, dass das Ende natürlich sehr holliwoodesk ist. Der Bösewicht – Bernard Gui – bekommt seine „gerechte“ Strafe, in dem er ironischerweise von einem eigenen Folterinstrument getötet wird. Da dieser Gui sowieso nur ein verzerrtes Bild des Originals ist, passt dieses Ende zwar, aber es ist absolut nicht korrekt. 930 Urteile gegen Ketzer hat der echte Gui in seiner gesamten Amtszeit ausgesprochen, bevor er im Jahr 1331, also vier Jahre nach den Ereignissen des Romans, in seiner bischöflichen Residenz starb.

Die Serie bleibt da näher an der Realität, da auch hier Gui verschwindet. Beide Adaptionen haben gemein, dass die Rose entkommen kann. Warum Remigius in die brennende Bibliothek rennt, ist nicht ganz klar, möglicherweise möchte er doch, dass das Urteil an ihm vollstreckt wird. Salvatore bleibt vor der Tür stehen, was aus ihm wird, erfahren wir in der Serie nicht. Aber ich glaube, dass die Serienautoren noch ein kleines Osterei in die letzten Szenen eingefügt haben. Ich kann es aber nicht mit Sicherheit sagen, da das, was ich vermute, nicht explizit ausgesprochen wird. Worum geht es? Alinardus kommt in der Serie ebenfalls herbeigeeilt, als die Bibliothek brennt. Zu diesem Zeitpunkt hat das Feuer allerdings schon auf die ganze Abtei übergegriffen und ein brennendes Pferd kommt angerannt und überrennt ihn. Da bei der sechsten Posaune von Pferden, die Feuer speien, die Rede ist und außerdem William es für möglich hielt, dass der nächste Tote bei oder in den Pferdeställen gefunden wird, habe ich den Verdacht, dass dieses Ende für Alinardus, von dem ja der Hinweis auf die Apokalypse von Anfang an kam, von den Autoren mit Absicht gewählt wurde. Aber das ist eben nur meine Vermutung. Außerdem muss ich bei den Autoren Abbitte leisten, da ich nicht mehr im Kopf hatte, dass tatsächlich auch Malachias und Berengar ein Verhältnis miteinander hatten und ich innerhalb dieser Reihe zuerst vermutete, das sei für die Serie hinzugefügt worden. Dem ist nicht so, tatsächlich spielt Malachias‘ Eifersucht für den Tod von Severin ja auch im Roman eine wesentliche Rolle. Lediglich die Szenen in der Serie, in der das Verhältnis von Malachias und Berengar deutlich zum Ausdruck kommt, wurden hinzugefügt, im Roman wird lediglich erwähnt, dass es ein Verhältnis gab. Ich muss hier allerdings sagen, dass diese neuen Szenen in den Kontext der Geschichte passen, sehr viel besser als andere Einfügungen.

Was allerdings bleibt, ist das Problem, dass die Handlung der Ereignisse des letzten Kapitels in der Serie sehr gestreckt wirkt. Der Film muss sein Finale voranbringen, deswegen ist alles sehr dynamisch, die Serie lässt sich wieder Zeit. Ich bin auch noch immer zu keinem Urteil über den Countdown mit dem Verbrennen der drei Delinquenten gekommen. Ich habe immer noch ein merkwürdiges Gefühl dabei. Hätte eine Adaption wirklich so viel verloren, wenn man da näher am Original geblieben wäre? Was den Film betrifft, kommt es in dem Teil, den ich dem Epilog zuordnen würde, noch zu einer Szene, die nicht möglich gewesen wäre, hätte Gui seine Gefangenen mit nach Avignon genommen. Aber das schauen wir uns im Epilog selber an, wo ich die ganze Geschichte nochmal durchleuchte und letzte Zusammenhänge zu klären versuche.


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Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Sechster Tag

Worin wir uns auf dem Weg zum Höhepunkt der Handlung befinden, von dem allerdings nicht ganz so viel in den Adaptionen gelandet ist.

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Noch immer hat William von Baskerville das Geheimnis der Morde in dem Kloster im Norden Italiens nicht klären können. Klar ist nur eins: Die Konferenz ist gescheitert – auch durch das Zutun von Bernard Gui – und Remigius von Varagine, sein Gehilfe Salvatore und die Rose werden von der Inquisition weggebracht und werden sterben. Adson ist zutiefst unglücklich über das Schicksal der Rose, für das sie so gar nichts kann. Doch am vorletzten Tag seines Berichts nehmen die Ereignisse nochmal Fahrt auf. Schauen wir uns wie immer erst den Roman an.

Zur Frühmesse fehlt schon wieder ein Mönch, diesmal ist es Malachias. Abgelenkt von den Gesängen, die durch die Kirche klingen, bemerkt Adson gar nicht, wie dieser plötzlich auf seinem Platz erscheint. Zunächst erleichtert, da er doch derjenige war, der das unselige Buch zuletzt in Händen gehalten hatte, muss er dann doch feststellen, dass Malachias wankt und schließlich nach vorne stürzt. Während er vor den Augen aller Anwesenden stirbt, gibt er seine letzten Worte von sich, dass er gewarnt worden sei, „es“ habe wirklich die Kraft von tausend Skorpionen. William kann es sich nicht nehmen lassen, bei Bernard Gui etwas zu sticheln, wie denn dieser Mord geschehen sein kann, wenn der Mörder doch hinter Gittern sitzt. Bernard antwortet darauf nur, dass er nie gesagt habe, er habe alle Übeltäter gefasst. Doch denjenigen, der dies hier getan habe, würde er nun der Strenge – oder der übertriebenen Nachsicht – des Abtes überlassen. Damit verabschiedet er sich.

Der Tod des Bibliothekars wirft natürlich in so einer Abtei einiges durcheinander. Es wird munter spekuliert, wer nun wohl der Nachfolger von Malachias werden wird, während Adson darauf hinweist, dass die „tausend Skorpione“ schon wieder mit der Apokalypse übereinstimmen und zitiert den Text, der von der nächsten, der sechsten Posaune erzählt:

Der sechste Engel blies seine Posaune: Da hörte ich eine Stimme, die von den vier Hörnern des goldenen Altars her kam, der vor Gott steht.
Die Stimme sagte zu dem sechsten Engel, der die Posaune hält: Binde die vier Engel los, die am großen Strom, am Eufrat, gefesselt sind.
Da wurden die vier Engel losgebunden, die auf Jahr und Monat, auf Tag und Stunde bereitstanden, um ein Drittel der Menschheit zu töten.
Und die Zahl der Reiter dieses Heeres war vieltausendmal tausend; diese Zahl hörte ich.
Und so sahen die Pferde und die Reiter in der Vision aus: Sie trugen feuerrote, rauchblaue und schwefelgelbe Panzer. Die Köpfe der Pferde glichen Löwenköpfen und aus ihren Mäulern schlug Feuer, Rauch und Schwefel.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 9, Vers 13 – 17

Für William sind das zu viele Bedeutungen, er denkt jedoch, dass es durchaus möglich ist, dass der nächste Mord bei oder in den Pferdeställen geschieht. Er und Adson reden erneut mit dem Glasermeister Nicolas von Morimond, der ihnen erzählt, dass die Reihenfolge der Ämter eigentlich sehr deutlich festgelegt ist, erst wird man Gehilfe des Bibliothekars, dann Bibliothekar, dann Abt. Und Bibliothekar konnte man nur werden, wenn man mehrere Sprachen beherrschte. Doch die letzten Jahrzehnte waren die Ämter auf anderen Wegen besetzt worden, Malachias konnte angeblich keine Fremdsprachen und Abbo wurde nur Abt, weil sein Vorgänger eines plötzlichen und unerwarteten Todes gestorben war. Zudem war irgendjemand bei der Ernennung eines neuen Bibliothekars ausgebootet worden. Während Nicolas dann den Klosterschatz zeigt – der aus allerhand angeblichen Knochen von Heiligen besteht und aus Teilen von Gegenständen, die angeblich mal mit Jesus zu tun hatten – kommt William eine Idee und er verabschiedet sich ins Skriptorium. Adson geht in die Kirche, wo er einschläft und einen sehr eindrucksvollen Traum hat, der sich über mehrere Seiten erstreckt. Als er später William wieder trifft, kann ihm dieser den Traum auch deuten, der eine Abwandlung einer alten Possenfabel ist, mit der Adson die Ereignisse der letzten Tage verarbeitete. Und er gibt William eine wichtige Inspiration.

Zurück im Skriptorium sieht William erneut den Kodex durch. Malachias hatte ihm erzählt, dass die Bücher in der Reihenfolge ihres Erwerbs eingetragen werden und Anhand der unterschiedlichen Schriften lässt sich nachvollziehen, wann welcher Bibliothekar die Aufsicht hatte. Zu Hilfe nimmt William hierbei noch das, was Nicolas ihm erzählt hat und Adsons Traum. Dabei kann er eingrenzen, wann dieser geheimnisvolle Bibliothekar im Amt war, von dem Alinardus erzählt hat. Sogar Benno hat nun etwas mehr zu erzählen, er hat Angst um sein Leben, nachdem Malachias ermordet wurde. Benno vermutet, dass man keine Ausländer mehr als Bibliothekar haben wollte. Außerdem redeten viele von Malachias wie von einem Strohmann, der eingesetzt worden war, um von jemand anderem gelenkt zu werden. William erfährt nun, dass Benno das geheimnisvolle Buch nur kurz aufgeschlagen, aber nicht gelesen hatte. Also stirbt man nicht durch die Berührung allein, es braucht noch etwas mehr.

Um den Sachverhalt endgültig zu klären, spricht William mit dem Abt, der seinerseits lieber über Edelsteine redet und will, dass die Untersuchungen sofort enden. William und Adson sollen am nächsten Tag abreisen. Williams Fragen nach dem bewussten Buch weicht er zunächst aus, nur um dann zu erklären, er kümmere sich selbst darum und hätte nie jemanden von „außerhalb“ in die Geschichte mit reinziehen sollen. Während sich Unruhe im Kloster breit macht, zieht sich William zurück zum Meditieren. Schließlich stellt man beim Abendgottesdienst und dem anschließenden Abendessen fest, dass Jorge unauffindbar ist, ebenso Alinardus.

Der Abt begibt sich nun selbst in die Bibliothek, um sie zu verriegeln. William und Adson beobachten den Zugang zum Ossarium, da William wissen möchte, was der Abt nach der Schließung macht, doch dieser kommt nicht heraus. Da immer noch die Möglichkeit besteht, dass der nächste Mord bei den Pferdeställen geschieht, bewegen sich die beiden Mönche dorthin. Adson fällt eine Bemerkung von Salvatore wieder ein, er kenne einen Zauber, mit dem man das dritte Pferd so schnell machen könne wie das Pferd des Abtes. Da Salvatore aber mehr Küchenlatein sprach, sagte er „tertius equi“, was nicht „das dritte Pferd“ bedeutet, sondern „der dritte von Pferd“, und der dritte Buchstabe von „equi“ wäre das „u“. Nun geht William ein Licht auf, was die verschlüsselte Botschaft bedeutet:

SECRETUM FINIS AFRICAE
MANUS SUPRA IDOLUM
AGE PRIMUM ET SEPTIMUM DE QUATUOR.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 319

„Die Hand über dem Idol wirke ein auf den ersten und siebenten der Vier“ – über dem Spiegel, der offensichtlich den Zugang zum Finis Africae bildet, steht ein Spruch aus der Apokalypse: „Super Thronos Viginti Quatuor“. Dabei handelt es sich um einen Ausriss aus einem Satz, der im Zusammenhang lautet:

Et in circuitu sedis sedilia viginti quatuor et super thronos viginti quatuor seniores sedentes circumamictos vestimentis albis et in capitibus eorum coronas aurea.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 4 Vers 4

Das bedeutet übersetzt:

Und um den Stuhl waren vierundzwanzig Stühle, und auf den Stühlen saßen vierundzwanzig Älteste, mit weißen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 4 Vers 4

Um die Tür zu öffnen, muss man den ersten und siebenten Buchstaben des Wortes „quatuor“, Lateinisch für „vier“, drücken, also „Q“ und „R“. William und Adson dringen erneut in die Bibliothek ein. Dabei hören sie Klopfgeräusche aus der Wand, was William vermuten lässt, dass jemand in einem Geheimgang – von denen es in diesen Mauern einige geben muss – gefangen ist. Dann erreichen sie den Spiegelraum. William betätigt den Mechanismus und stellt fest, dass er Recht gehabt hat, der Spiegel springt ein Stück nach vorne. Und mit dem Öffnen des Zugangs zum Finis Africae endet der Bericht Adsons über den sechsten Tag.

Was die Adaptionen betrifft, wird es hier schwierig. Vom Originalmaterial wurde in beiden Fällen nicht viel übernommen. Die ganzen Umstände um den geheimnisvollen Bibliothekar und wie William diesem auf die Schliche kommt, fehlen. Leider fehlen damit ein paar Details, die noch mehr von Williams scharfen Verstand zeugen. Außerdem ist der Umstand verloren gegangen, warum die beiden Mönche nicht früher darauf gekommen sind, der geheimnisvolle Spruch, um das Finis Africae zu öffnen, könnte etwas mit dem Wort „quatuor“ auf der Schrifttafel über dem Spiegel zu tun haben. In dem Spruch steht nämlich nicht nur „quatuor“, sondern „viginti quatuor“, also „vierundzwanzig“. Da die beiden Mönche es gewohnt waren, Latein zu sprechen, haben sie die beiden Worte als eine Zahl gelesen. Wie man immer wieder sagt, am besten ist etwas versteckt, wenn es sich unmittelbar im Blickfeld des Betrachters befindet.

Schauen wir uns explizit den Film an: Da hier William unter der Aufsicht der Inquisition steht, befinden sich bei dem Gottesdienst Bernard Guis Wachen in der Kirche. Als Malachias stirbt, nutzen William und Adson die Chance, den Wachen zu entkommen, indem sie im Tumult verschwinden und sich durch das Ossarium in die Bibliothek flüchten. Währenddessen stellt einer der Mönche fest, dass Malachias eine schwarze Zunge hat, so wie William gesagt hat. Darauf antwortet Gui:

Ja, er wusste es! So wie auch ich es gewusst hätte, wenn ich der Mörder gewesen wäre!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Diese Anschuldigung von Gui ist völlig überzogen, was die Geschichte betrifft. Etwas später (darauf werden wir bei der Abhandlung des nächsten Tages kommen) wird Adson etwas naiv glauben, Gui könnte mit Fakten überzeugt werden, indem sein Meister ihm den wahren Mörder präsentiert oder sogar selbst vor dem Papst angeklagt werden. Diese Figur wird sich jedoch von nichts überzeugen lassen.

Auf dem Weg durch die Bibliothek bemerkt Adson, dass die beiden noch immer nicht wissen, wie man den geheimen Zugang öffnet, wobei William zum zweiten Mal das tut, was ich beim Zugang zum Ossarium schon kritisch angemerkt habe – er hat plötzlich eine Eingebung aus dem Nichts:

William: Vielleicht indem man auf den ersten und siebenten Buchstaben des Wortes „vier“ drückt.
Adson: Aber „vier“ hat nur vier Buchstaben!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

William erklärt, wie es gemeint ist und behält natürlich recht. Gleichzeitig passiert etwas, das nicht im Roman steht, Bernard Gui lässt draußen, vor der Abtei die Scheiterhaufen für Remigius, Salvatore und die Rose errichten. Das ist der Countdown, den ich schon erwähnt habe, der die Spannung steigern soll. Doch wie genau das abläuft, wird in der nächsten Folge erzählt, denn der Spannungsbogen läuft parallel zu den Ereignissen im Finis Africae.

Etwas mehr dazu erfunden wurde in der Serie. Nach Malachias‘ Tod in der Kirche sagt Bernard Gui fast das gleiche wie im Roman. Was hier allerdings neu dazukommt: Er will nicht abreisen, sondern die Scheiterhaufen für die Ketzer in der Abtei errichten lassen. Adson hat darauf das Gespräch mit William, in dem er klagt, dass die „kleinen Leute“ für die Verbrechen der großen zahlen müssen. Das veranlasst William dazu, nochmal mit Gui zu reden. Gui ist siegessicher und wähnt die Franziskaner am Ende. William kommt auf das Mädchen zu sprechen und konfrontiert Gui mit der Tatsache, dass selbiger den Scheiterhaufen von Fra Dolcino und seiner Gefährtin persönlich angezündet habe. Ein Inquisitor muss Recht sprechen, er darf nicht zur ausführenden Hand werden. William will so die Rose freikriegen. Gui steigt darauf in den Kerker und redet mit ihr auf Occitanisch. Von der Handlung her ändert das Gespräch allerdings nichts, außer dass noch ein – meiner Ansicht nach – unnötiger Spannungsbogen eingebaut wird, ob Gui es sich anders überlegt. Das tut er nicht, er befiehlt lediglich, man solle die Scheiterhaufen errichten und anzünden, wenn alle am Abend in der Kirche sind.

In Teilen kommt das Gespräch mit Benno in der Serie vor, auch die Unterhaltung mit dem Abt, in dem William darlegt, was er alles herausgefunden hat. Auch hier verlangt der Abt, seine Gäste müssten am nächsten Tag abreisen. Als William und Adson den Hof der Abtei überqueren und William verzweifelt ist über den Gedanken, das Rätsel nicht lösen zu können, hört man ein Pferd wiehern, was Adson an Salvatores Spruch erinnert über das „tertius equi“. Auch hier ist es dieser Tipp, der die richtige Eingebung ist. Wie im Roman dringen die beiden in die Bibliothek ein und hören jemanden in der Mauer klopfen, wobei wir als Zuschauer vorher schon gesehen haben, dass es der Abt ist, der zwischen zwei Geheimtüren feststeckt.

Während die beiden zum Finis Africae vordringen und die Geheimtür öffnen, werden draußen die Scheiterhaufen errichtet. Auch hier gibt es also einen Countdown, sogar den gleichen wie im Film.

Im Vorwort des Buches „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose'“ schreibt Burkart Kroeber etwas, das sehr gut auch zu den Adaptionen passt, auch wenn es ihm eigentlich um Kritiker geht:

Die kritische Auseinandersetzung mit dem Namen der Rose ist, wie schon Renato Giovannoli in seiner Einleitung schrieb, ein endloses (sic!) work in progress, worin jeder Beitrag, quer durch alle Länder und Disziplinen, an die vorausgegangenen anknüpft und die folgenden inspiriert. Man könnte auch sagen, sie ist eine kollektive Erkundung des Labyrinths, das der Roman beschreibt und zugleich selber darstellt (und in dem sich mancher auch, wie es bei Labyrinthen vorkommt, verirrt).

Burkart Kroeber: „Einleitung“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 8 – 9

Das gleiche kann man auch über die Adaptionen sagen, denn letztlich ist eine Adaption nichts weiter als eine Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial. Manchmal stößt man dabei auf etwas, das schon im Roman nicht wirklich funktioniert hat und lässt es weg oder ändert es. Manches liest sich auf Papier sehr gut, wirkt allerdings visuell nicht so gut. Das sehen wir in den Adaptionen an dem Bibliothekslabyrinth selbst, im Film wurde es dreidimensional gemacht, damit der Zuschauer sich verloren fühlt, in der Serie blieb es eine Ansammlung von Räumen auf einer Ebene. Auch die Anknüpfung und Inspiration, die Kroeber beschreibt, finden wir, denn dass am Ende der Handlung ein Zeitdruck aufgebaut wird, indem die Scheiterhaufen für die Ketzer und die Rose gerichtet werden, haben Film und Serie gemeinsam, obwohl es nicht im Buch vorkommt. Und seit ich diese Serie angefangen habe zu schreiben, bin ich am Überlegen, ob ich diese Hinzufügung für eine gute Idee halte. Ich weiß es tatsächlich nicht, vielleicht kommt mir noch ein Gedanke, warum das Grübeln über die Szene mit den Scheiterhaufen im Allgemeinen bei mir ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube hinterlässt, noch dazu da ich nicht sicher bin, ob das im Buch beschriebene Ende (Gui reist mit den Gefangenen ab und wir erfahren nie, was genau passiert ist) dem Kinopublikum so gefallen hätte. Was die Serie betrifft, ist die Szene mit den Scheiterhaufen aber noch eingebettet in allerlei andere Dinge, die nicht aus dem Roman stammen. Das Gespräch zwischen William und Gui zum Beispiel, das zwar sehr gut geschrieben ist und wieder einmal ein gutes Beispiel ist für den scharfen Verstand des Franziskaners, aber sich im weiteren Kontext des „Füllmaterials“ verliert. Die Konfrontation ist von Seiten Williams sehr gut geführt, als er Gui vorhält, er als Inquisitor dürfe Urteile nicht selbst vollstrecken. Dann kommt die Szene, in der Gui im Kerker mit der Rose redet. Rupert Everett spielt das sehr gut, man weiß nie genau, ob Gui das Verständnis, das er der Rose entgegenbringt, nur heuchelt (wie er es zuvor bei Salvatore schon getan hat) oder ob er wirklich überlegt, sie laufen zu lassen (allerdings nicht aus Mitleid, sondern nur wegen Williams Einlassungen, dass er sich schon einmal schuldig gemacht hat, die Vorschriften zu übertreten). Das Problem ist meinem Eindruck nach aber das beschriebene, die Szene führt nirgendwo hin. Wir haben erneut das Problem, die Handlung muss zu einem bestimmten Punkt kommen, und die Ereignisse dürfen dem nicht im Weg stehen.

Und dann ist da ja auch noch Anna. Auch hier ist es ein geradezu bipolares Gefühl, die Szenen, in denen sie sich im Kerker versteckt, alles beobachtet und ja sogar einen Befreiungsversuch wagt, sind gut geschrieben und inszeniert (in einer Szene drückt sich Anna durch eine Maueröffnung, die kaum breit genug ist und verschwindet gerade rechtzeitig im Schatten, bevor die Wachen hereinkommen), aber alles das passt irgendwie nicht rein. Was ich dabei noch gar nicht erwähnt habe: Wie der Roman wird ja auch die Serie rückblickend aus der Ich-Perspektive von Adson als alter Mann erzählt (im deutschen übrigens sehr gut gesprochen von Lutz Riedel) und während wir im Film schon mehr sehen, als Adson gesehen haben kann, läuft das in der Serie völlig aus dem Ruder. Adson hätte beispielsweise nicht wissen können, was genau Bernard Gui auf der Reise von Avignon in die Abtei alles widerfahren ist. Während das im Film immer mal vorkommt und sich auf einzelne Szenen beschränkt, ist ein großer Teil der Handlung, der in der Serie wiedergegeben wird, etwas, das Adson weder miterlebt hat noch von irgendjemanden hätte berichtet bekommen können. Aber hier ist es wie so oft: Wenn der Rest stimmig ist, kann man einfacher darüber hinwegsehen, und das gelingt mir eben nicht ganz. Vielleicht bin es aber auch nur ich.

Da mir bei anderen Gelegenheiten schon angetragen wurde, ich solle doch erzählen, wie ich eine Handlung verfasst hätte (zum Beispiel im Falle „Star Wars“), möchte ich dem hier vorbeugen. Falls jemand also nachhaken möchte, wie ich eine Serienadaption von „Der Name der Rose“ umgesetzt hätte: Vergesst es! So etwas zu schreiben würde bedeuten, ich müsste Zeit (die ich nicht habe) und Energie (die ich nicht einsetzen möchte) aufwenden, um zumindest ein grobes Skript von einem Projekt zu verfassen, von dem ich genau weiß, dass es nie verwirklicht werden wird. Diese Serie hier habe ich mir gegönnt, da es sich bei Buch und Film wirklich um prägende Erlebnisse in meinem Leben handelt, aus denen ich auch viel gezogen habe. Weiter möchte ich allerdings nicht gehen, ich möchte stattdessen die Energie für meine eigenen Projekt aufwenden, denn immerhin schwirrt mir schon einige Zeit etwas im Kopf herum, das mal zu Papier gebracht gehört. Bis dahin erwarten uns noch die Ereignisse von einem Tag und ein Nachwort von „Der Name der Rose“.

Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Fünfter Tag

Worin sich die Ereignisse überschlagen, der Knoten der Adaption von Ecos Werk verworren wird wie jener des König Gordios und man sieht, wie zu viel Kreativität manchmal sich selbst erstickt.

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Im letzten Teil haben wir nun also festgestellt, dass die Serie „Der Name der Rose“ völlig aus dem Gleis der Romanvorlage geraten ist. Die Motivation der Autoren der Serie ist dabei zwar nachvollziehbar, aber für meinen Geschmack nicht immer passend. Schauen wir uns doch mal an, welches Schicksal Umberto Eco seinen Figuren am fünften Tag der Ereignisse zugedacht hat.

An diesem Tag sollen sich die Delegationen zu ihrem Disput treffen. Adson beobachtet auf dem Weg dorthin, wie Malachias etwas mit Bernard Gui zu besprechen scheint. Adson fällt weiterhin auf, dass Gui ein Schriftstück in der Hand hält. Er macht sich allerdings keine weiteren Gedanken, sondern begibt sich in den Kapitelsaal, wo die Konferenz stattfinden soll. Adson beschreibt sehr genau den Saal, sowie die Mitglieder der Delegationen. Dann gibt er die Argumente wieder, die die einzelnen Teilnehmer darlegen und die hier wiederzugeben dazu führen würde, dass diese Rezension genau so lang ist wie der Roman, was den Gebräuchen krass widerspräche. Es ist jedenfalls sehr interessant und gibt der Leserin und dem Leser einen weiteren Einblick in die Gedankenwelt des 14. Jahrhunderts. Auch werden die politischen Beweggründe erläutert und wer warum welche Seite einnimmt. Der Disput entwickelt sich allerdings nicht gut, da sich beide Seiten in Rage reden, was dem unbeteiligten Beobachter so manches Lächeln entlockt:

„Das Evangelium sagt, dass Christus einen Geldbeutel hatte!“
„Hör endlich auf von diesem Geldbeutel, den Ihr sogar noch auf Euren Kruzifixen darstellt! Wie, frage ich Dich, erklärst Du Dir, dass Unser Herr, als er in Jerusalem weilte, jeden Abend nach Bethanien ging?“
„Wenn es Unser Herr vorzog, in Bethanien zu schlafen, wer bist Du, seine Entscheidung zu kritisieren?“
„Du irrst Dich, Du alter Ziegenbock, Unser Herr ging nach Bethanien, weil er kein Geld hatte, um sich eine Herberge in Jerusalem zu leisten!“
„Selber Ziegenbock, Bonagratia! Und was aß Unser Herr in Jerusalem?“
„Würdest Du etwa sagen, dass der Gaul, der Hafer von seinem Herrn erhält, damit er weiterlebt, der Eigentümer des Hafers ist?“
„Ha, siehst Du, jetzt vergleichst Du Unseren Herrn Jesus mit einem Gaul!“
„Nein, aber Du vergleichst unseren Herrn Jesus mit einem korrupten Prälaten an Deinem Hof, Du Haufen Mist!“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 533-534

Der Streit wird immer heftiger, als ein Novize an William herantritt und ihm mitteilt, der Bruder Botanikus, Severin, wollte mit ihm sprechen. William kann sich für einen kurzen Moment aus der Konferenz lösen und erfährt, dass Severin offensichtlich das Buch, um das sich die geheimnisvollen Ereignisse zu ranken scheinen, in seinem Labor gefunden hat. Er kann es allerdings nicht herbeibringen, denn es sei ein seltsames Buch und gefährlich. William müsse es sich bei ihm ansehen. Der wird nun allerdings dringend in die Besprechung zurück befohlen. William begeht darauf einen Flüchtigkeitsfehler, denn schon halb auf dem Weg zurück den Kapitelsaal ruft er dem davoneilenden Severin nach, er solle dafür Sorge tragen, dass niemand „diese Schriften“ zurückbringe, was alle im Hof versammelten Mönche mitbekommen. Adson bekam zuvor noch von William den eilig ausgesprochenen Befehl, Jorge zu folgen, der offenbar etwas von dem Gespräch zwischen dem Mönch und Severin mitbekommen hatte. Doch nach Williams unbedachten Ausruf bemerkt Adson, dass Remigius wie erstarrt scheint, sich dann aber eilig entfernt. Da sowieso Aynardus dem Jorge nachläuft, beschließt der Novize, sich an Remigius‘ Fersen zu heften. Da an diesem Tag ein starker Nebel herrscht, ist das gar nicht so einfach. Remigius geht zu Severins Hospital, dort ist allerdings die Tür schon verschlossen. Adson wähnt Severin in Sicherheit und macht sich auf den Rückweg, dabei begegnet er Benno von Uppsala, der Dinge von sich gibt, aus denen klar wird, dass er das Ermittlerduo an den letzten Tagen sehr genau beobachtet hat. Er weiß auch, dass Berengar irgendetwas in der Bibliothek gefunden hat und wüsste zu gern, was. Außerdem möchte er mehr über die Geheimnisse der Bibliothek erfahren und findet, dass man das Wissen, das dort gespeichert ist, der Welt nicht vorenthalten dürfte.

Adson trifft wieder bei der Konferenz ein, wo sich die Gemüter mittlerweile etwas beruhigt haben. William muss nun seine Standpunkte vortragen, wobei Adson bemerkt, wie sehr abgelenkt sein Meister von dem Gedanken scheint, dass sich das Buch endlich in Reichweite befindet. Dennoch ist sein Vortrag recht eloquent, so dass Bernard Gui anmerkt, William solle diesen doch vor dem Papst in Avignon wiederholen, was dieser ablehnt. In diesem Moment kommt ein Wachposten dazu, der Gui etwas ins Ohr flüstert. Die Konferenz wird unterbrochen, da der Inquisitor großspurig verkündet, er habe den Mann festsetzen können, der für die schrecklichen Morde verantwortlich sei, jedoch leider nicht rechtzeitig genug, denn es sei etwas passiert.

Williams schlimmste Befürchtung wird wahr: Bevor der Mönch mit Severin reden konnte, hat ihn jemand ermordet, erschlagen mit einer so genannten Amillarsphäre, einem Modell der Planetenläufe aus Metall. Während die anderen Mönche in den Raum strömen, schaut sich William den Leichnam an und sucht nach schwarzen Flecken an den Händen, stellt aber fest, dass Severin Handschuhe trägt. Außerdem ist das Labor völlig verwüstet. Guis Wachen haben Remigius überrascht, wie er über dem Toten stand und die Regale durchwühlte. Eigentlich waren sie sowieso auf der Suche nach ihm, da sie ihn festnehmen sollten. Offenbar hat in der Nacht Salvatore unter der Folter ein Geständnis abgelegt. Remigius rennt zu dem bei den anderen Mönchen stehenden Malachias, und redet etwas mit ihm, worauf Malachias meint:

Ich werde nichts gegen Dich tun!

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 553

Nachdem Remigius abgeführt wurde, bittet William, dass alle Mönche den Raum verlassen mögen. Allein er, Adson und Benno von Uppsala bleiben da. Benno hat William zuvor erzählt, dass er sich sicher sei, Malachias sei nicht da gewesen, als die Mönche zu Tür hereinströmten; dann sei er plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht. Er sei sicher nicht zur Tür hereingekommen, sondern muss vorher schon hier gewesen sein und sich hinter einem Vorhang versteckt haben. Das lässt zwei Vermutungen zu, entweder hat Malachias etwas mit dem Tod von Severin zu tun oder zumindest hat er den Mord beobachtet. Die drei Mönche machen sich daran, die Unordnung zu sichten und stellen fest, dass mehrere Bücher herumliegen, zum Teil übel mitgenommen. Was hat Remigius hier so verzweifelt gesucht? Doch das Buch, das William nur einmal kurz im Skriptorium gesehen hat, scheint nicht hier zu sein. Dann lenkt sich die Aufmerksamkeit Williams auf die Amillarsphäre, denn schlagartig fällt ihm die Apokalypse wieder ein:

Der vierte Engel blies seine Posaune. Da wurde ein Drittel der Sonne und ein Drittel des Mondes und ein Drittel der Sterne getroffen, sodass sie ein Drittel ihrer Leuchtkraft verloren und der Tag um ein Drittel dunkler wurde und ebenso die Nacht.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 8, Vers 12

Die Amillarsphäre ging kaputt, als sie Severin auf den Kopf geschlagen wurde – ein Drittel der Sterne wurde getroffen. Wieder scheint der Täter einem genauen Plan gefolgt zu sein. Adson rekapituliert daraufhin die Verse über die fünfte Posaune und fragt sich, wo der nächste Tote zu finden sein wird:

Der fünfte Engel blies seine Posaune. Da sah ich einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war; ihm wurde der Schlüssel zu dem Schacht gegeben, der in den Abgrund führt.
Und er öffnete den Schacht des Abgrunds. Da stieg Rauch aus dem Schacht auf, wie aus einem großen Ofen, und Sonne und Luft wurden verfinstert durch den Rauch aus dem Schacht.
Aus dem Rauch kamen Heuschrecken über die Erde und ihnen wurde Kraft gegeben, wie sie tausend Skorpione auf der Erde haben.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 9, Vers 1-3

Das sind so viele Angaben, dass man nur spekulieren kann, was im kranken Gehirn des Mörders vorgeht. Die Mönche finden das fragliche Buch nicht. William gibt Benno den Auftrag, Malachias zu überwachen. Auf dem Weg in ihre Zelle zurück denken sie nochmal laut nach. William fällt auf einmal ein, dass Severin das Buch ein „seltsames Buch“ genannt hat. Und so eins hatten sie gesehen, nur nicht erkannt, dass es das gesuchte war. Die Sache verhält sich so: William suchte nach einem griechischen Buch, Adson hatte ein Buch mit arabischer Schrift gefunden. Doch manchmal werden Schriften in unterschiedlichen Sprachen in einem Buch zusammengebunden. Deswegen sprach Severin von einem „seltsamen“ Buch, weil dort mehrere Sprachen zusammen waren! Sie rennen zurück ins Labor, doch nun ist das Buch verschwunden. Adson fällt ein, dass Benno kurz gelacht hatte, als er William das Buch zeigte und dieser erbost meinte, es sei das falsche, da die Schrift arabisch sei. Er hat nicht gelacht, weil Adson Arabisch nicht erkannt hatte, sondern weil William nicht bemerkte, dass er das richtige Buch in Händen hielt. William geht davon aus, dass das Buch längst wieder in der Bibliothek ist. Niedergeschlagen gehen er und Adson in den Kapitelsaal, wo nun nicht mehr der Disput, sondern die Gerichtsverhandlung des Inquisitors Bernard Gui stattfinden soll.

Remigius ist des Mordes und der Häresie angeklagt. Bernard Gui spielt die ganze Klaviatur dessen, was Schopenhauer als „die Kunst, Recht zu behalten“ bezeichnete. Alles wird umgedeutet, alles wird mit Bedeutung aufgeladen und so interpretiert, dass es passt. Da Remigius beispielsweise sehr gefasst scheint und sich keiner Schuld bewusst ist, behauptet Gui, genau das sei ein Zeichen seiner Schuld, denn die Rechtschaffenden seien immer nervös (und wäre Remigius nervös gewesen, hätte der Inquisitor sicher behauptet, die Nervosität sei ein Zeichen der Schuld). Im Verlauf des Verhörs wird der übel zugerichtete Salvatore dazu geholt und die ketzerische Vergangenheit beider, die nämlicher unter der Folter gestanden hat, kommt ans Licht. Dann wird Malachias aufgerufen und es kommt heraus, wieso Remigius Severins Labor durchsucht hat: Remigius hat Malachias ein paar Dokumente anvertraut, die mit der Zeit bei Fra Dolcino in Zusammenhang stehen. Als William an diesem Morgen zu Severin sagte, er solle Sorgen tragen, dass niemand „diese Schriften“ zurückbringe, da vermutete Remigius, dass es sich um seine Dokumente handelte. Remigius bleibt allerdings dabei, dass er Severin nicht getötet hat. Als Gui William fragt, welche „Schriften“ er mit seiner Aussage gemeint hatte, antwortet William mit einem Wortspiel: Es habe sich um ein Buch über die Tollwut bei Hunden gehandelt. Gui versteht die Anspielung, er ist Dominikaner-Mönch, das Wort „Dominikaner“ leitet sich von „domini canes“, also „Spürhunde des Herrn“ ab. Stattdessen versucht er, von Remigius ein Geständnis zu erhalten, das er dazu verwenden kann, die Konferenz zu sprengen und die Franziskaner in die Nähe von Ketzern zu rücken. Er hat einen Trumpf: Die Dokumente von Remigius, die Malachias ihm übergeben hat, es handelt sich um letzte Anweisungen von Fra Dolcino an seine Anhänger, die der Ketzerführer geschrieben hatte für den Fall, dass ihn die Inquisition zu fassen bekäme. Wenn die Zeit richtig gewesen wäre, hätte Remigius diese Dokumente an verschiedene Gruppen von Dolcinos Anhängern übergeben sollen. Tatsächlich ist bei Remigius ein Damm gebrochen, jetzt, da er seine wahre Persönlichkeit nicht mehr verleugnen muss und er gesteht seine ganze ketzerische Vergangenheit, scheint dabei sogar so seltsam entrückt zu sein, dass er die Aufrufe zu Mord und Totschlag wiederholt. Doch eine Sache will er nicht gestehen: die Morde an den Mönchen im Kloster.

Adson bemerkt kritisch, dass Gui kein Interesse an der Aufklärung der Todesfälle hat – er will einfach einen Schuldigen. Und den bekommt er auch, als er Remigius erzählt, was ihn während der nächsten Tage erwartet: die Folter. Mit Blick auf den misshandelten Salvatore gesteht Remigius alle Morde und erfindet auch für jeden ein Motiv. Schließlich erzählt er sogar, er habe sich für die Durchführung der Morde den Teufel dienstbar gemacht. Damit lässt der Inquisitor den Cellerar abführen. Der Disput ist gescheitert. Bernard hat es nun besonders auf Ubertin von Casale abgesehen, der ebenfalls schon ketzerische Reden gehalten hat. William rät Ubertin zur Flucht, was dieser auch tut. Nur Michael von Cesena, der die Delegation der Franziskaner anführt, will zum Papst nach Avignon reisen.

Da es sonst nichts zu tun gibt, möchte William zumindest die Mordfälle wirklich aufklären. Doch mittlerweile hat sich ein neues Problem aufgetan: Benno von Uppsala, der das Buch zweifellos aus Severins Labor geholt hat, wurde Berengars Posten, der des Bibliothekarsgehilfen angeboten. Damit hat er Zugang zu all diesen Geheimnissen, die er so dringend erkunden wollte. Aus diesem Grund hat er Malachias das Buch übergeben. William erklärt Adson, dass Benno – wie auch Berengar – von einer Lust befallen sei, bei Berengar war es die Lust des Fleisches, bei Benno die Lust am Wissen. Doch entgegen seinen früheren Aussagen, das Wissen müsse allen zur Verfügung stehen, reicht es ihm nun, wenn er allein an dieses Wissen gelangen kann.

Beim folgenden Gottesdienst hält Jorge von Burgos eine Predigt über Wissen, die Bewahrung von Wissen und den Antichristen. Im Anschluss sprechen Adson und William über das Schicksal, das Remigius, Salvatore und der Rose droht. Sie werden mit Bernard nach Avignon gehen, doch William schätzt, dass nur Remigius dort eintreffen wird. Salvatore ist nicht wichtig, vielleicht lässt Gui ihn fliehen, um ihn dann auf der Flucht erschlagen zu lassen. Der Scheiterhaufen für die Rose wird irgendwo auf dem Weg errichtet, um als Spektakel und Abschreckung für die Bevölkerung zu dienen. Remigius wird in Avignon verbrannt werden, gerade rechtzeitig zur Ankunft von Michael von Cesena, damit der Papst einen Grund hat, ein Exempel an einem Franziskaner zu statuieren. Adson stellt bitter fest:

„So hat der Cellerar also recht: Bezahlen müssen immer die kleinen Leute! Für alle bezahlen, auch für jene Großen, die zu ihren Gunsten sprechen, auch für Leute wie Ubertin von Casale und Michael von Cesena, durch deren Bußaufrufe sie sich zur Revolte verführen ließen!“ Ich war viel zu verzweifelt, um zu bedenken, dass mein Mädchen gar keine Ketzerin gewesen war, die sich durch Ubertins Mystik hatte verführen lassen. Sie war ein einfaches Bauernmädchen und musste für etwas bezahlen, mit dem sie nicht das Geringste zu tun hatte!

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 623

An diesem Abend weint Adson in seinem Bett. Er erinnert sich an Ritterromane, die er als Junge gelesen hat und hätte gern der Minne gefrönt wie in jenen Geschichten. Doch das geht nicht, denn zur Minne gehört es, den Namen der Angebeteten sehnsuchtsvoll zu seufzen und zu wissen, dass man nie mit ihr zusammen sein wird. Und mit der Erkenntnis, dass er noch nicht einmal den Namen der Rose kennt, endet der Bericht über diesen Tag.

Der Film muss die Ereignisse – wieder mal – etwas kürzen und baut sich dabei ein paar Ungereimtheiten ein. Außerdem wird der Konflikt zwischen William und Bernard Gui verschärft. Die Verhaftung von Salvatore und der Rose lief ja wie im Roman ab. Wir sehen auch, wie Salvatore von den Handlangern der Inquisition gefoltert wird (die Folterinstrumente hat Gui praktischerweise in seinem Wagen mitgebracht). Nachdem die päpstliche Delegation eingetroffen ist, wird auch hier der Disput abhalten, die Szene ist gegenüber dem Roman stark verkürzt und Bernard Gui ist nicht mit dabei, aber es kommt ebenfalls zu heftigen Diskussionen. Auch hier kommt Severin dazu und berichtet William, dass er das Buch gefunden habe. Allerdings reden William und er über ein offenes Fenster des Kapitelsaals miteinander. Ein Mönch, dessen Gesicht man nicht sehen kann, belauscht die beiden. Auch hier befiehlt William Severin, er möge in sein Labor zurückkehren und warten. Der Franziskaner will ihn aufsuchen, sobald der Disput es zulässt. Nun kommt es zu der Ungereimtheit: Severin kehrt in sein Labor zurück und findet es völlig verwüstet vor. Das ist unlogisch, da der Mönch, der Severin und William belauscht hat, kaum Vorsprung vor Severin gehabt hat, um dieses Chaos anzurichten. Noch dazu liegt das Buch ganz offensichtlich da, denn Severin entdeckt es sofort unter einem Tisch. Als er sich mit Handschuhen bewaffnet und es aufheben will, entdeckt er, dass sich jemand hinter einem Vorhang versteckt. Wir sehen, wie diese Person hervorkommt, die Amillarsphäre greift und Severin erschlägt, noch sehen wir allerdings nicht, um wen es sich dabei handelt.

Dann sehen wir Remigius, der mit ein paar Knechten im Kornspeicher zugange ist. Malachias kommt dazu und erzählt ihm, dass Salvatore der Inquisition die ketzerische Vergangenheit der beiden gestanden hat und er fliehen muss. Als Remigius versucht, über die Klappe, durch die das Kloster seine Abfälle entsorgt, zu entkommen, wird er schon von Guis Wachen erwartet und festgesetzt. In einer weiteren kurzen Szene sehen wir, dass Malachias einen Blutstropfen auf seinem Schuh bemerkt, den er heimlich abwischt.

Inzwischen kommt es zu dem Tumult, der auch im Roman beschrieben ist, und den William ausnutzen will, um sich davonzustehlen. Er läuft allerdings Gui in die Arme, der mit großer Pose den Kapitelsaal betritt und erklärt, er habe den Mörder gefasst, aber leider nicht bevor dieser ein weiteres Mal gemordet habe. William untersucht wie im Roman die Leiche von Severin und bemerkt, dass dieser Handschuhe trägt. Dass die Amillarsphäre als Mordwaffe wieder zu den Posaunen der Apokalypse passt, wird nicht erwähnt.

Die Gerichtsverhandlung von Gui findet ebenfalls ähnlich wie im Roman statt, allerdings ist es hier nicht Gui allein, der Gericht hält. Er holt sich zwei Beisitzer: den Abt und William von Baskerville. Gui beschuldigt Remigius der Häresie und des Mordes und nach einem Verhör – wieder stark gekürzt – fordert er von seinen Beisitzern, sein Urteil zu bestätigen. Der Abt bestätigt, doch William bestätigt nur die Häresie, besteht aber darauf, dass Remigius mit den Morden nichts zu tun hat. Erst daraufhin besteht Gui darauf, dass Remigius ein Geständnis durch die Folter entlockt werden soll, was diesen zusammenbrechen lässt. Doch das erzwungene Geständnis macht William noch wütender:

Wohlan denn, verbrennt Bruder Remigio! Aber glaubt ja nicht, dass Ihr damit dieser Mordserie, die das Ansehen dieser Abtei in Blut getaucht hat, beendet! Es werde noch mehr Leichen gefunden, und auch sie werden geschwärzte Finger haben und geschwärzte Zungen!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Als Reaktion befiehlt Gui, William müsse festgesetzt und vor den Papst gebracht werden, da er es wiederholt gewagt habe, dem Inquisitor zu widersprechen. Gleichzeitig erklärt die päpstliche Delegation den Disput für beendet, denn man sehe ja, dass die Franziskaner nichts weiter seien als eine Heimstatt von Ketzerfreunden. Statt der raffinierten Intrigen, die Eco in seinen Roman spinnt, ist es also ziemlich plump Williams Schuld, dass der Disput geplatzt ist.

Beide Delegationen reisen nun ab. Die Flucht Ubertins gibt es im Film auch, sie ist allerdings früher eingebaut: Schon die Ankündigung, dass Bernard Gui in die Abtei kommt, lässt die Franziskaner alles arrangieren. Wir sehen auch, wie sich Ubertin in einem Fass auf einem Pferdewagen versteckt. Alles das findet unmittelbar nach dem Gespräch Williams mit dem Abt statt, bevor Gui eintrifft.

Auch in den Film übernommen wurde die Predigt von Jorge, sie findet allerdings erst am nächsten Tag statt (hier wurden wiederum zwei Romanszenen zusammengefasst), außerdem ist sie – natürlich – wiederum stark gekürzt. Jorge spricht in der Predigt davon, dass die Aufgabe der Bibliothek die Bewahrung von Wissen sei, denn:

Bewahrung habe ich gesagt, nicht die Suche nach neuem. Es gibt kein neues Wissen, lediglich eine – sagen wir – eine wunderbare Wiederholung.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Das entspricht ganz der Doktrin, dass die Bibel die letzte Wahrheit enthalte und man nicht mehr erfahren könne. Eingebaut in den Film wurde außerdem eine Szene während der Gerichtsverhandlung, in der Adson in der Kirche die Jungfrau Maria um Hilfe für die Rose anfleht.

Nun müssen wir uns dem gordischen Knoten der Umsetzung in der Serie widmen. Die Autoren haben den Disput in zwei Teile aufgebrochen, um Handlungsstränge parallel laufen lassen zu können, die im Roman eigentlich nacheinander folgen. Außerdem wurde Anna in die Handlung eingefügt. Ich versuche, es so gut wie möglich zusammenzufassen, um die geneigte Leserin und den geneigten Leser nicht zu sehr zu verwirren (und stelle fest, dass ich das in dieser Reihe häufig schon versucht habe, mir aber nicht sicher bin, ob es gelungen ist). Wohlan denn:

Der erste Teil des Disputs findet in der Serie statt unmittelbar bevor die Rose in Salvatores Falle gerät. Der Disput wird allerdings noch verschärft, anstatt dass sich die Teilnehmer mit Schimpfworten bewerfen, kommt es zu einer handfesten Prügelei. Danach beichtet Adson William, dass er gegen das Zölibat verstoßen habe. Während Salvatore die Rose in die Papiermühle sperrt und zum Kloster zurückkehrt, erwacht Anna im Wald und merkt, dass die Rose verschwunden ist. Adson trifft Salvatore in der Abtei bei den Pferdeställen, der Adson von dem Bündel, das er bei sich trägt, ablenken will, indem er die Aufmerksamkeit des Novizen auf „das dritte Pferd da“ lenkt, das nicht so gut sei wie das des Abtes. Adson sieht aber trotzdem die schwarze Katze, ebenso Malachias.

Anna dringt heimlich in die Abtei ein. Zuerst trifft sie Adson, dem sie erzählt, dass die Rose verschwunden ist, dann redet sie mit Remigius. Sie wolle die Briefe ihres Vaters – Fra Dolcino – wiederhaben. Remigius geht zu Malachias, der sie in der Bibliothek aufbewahrt hat, doch der behauptet, er habe die Briefe nicht mehr. Der zweite Teil des Disputs beginnt, da kommt Severin und berichtet William, er habe das Buch gefunden. William muss aber eine Rede halten, also sagt er Severin, er solle sich einschließen und darauf schauen, dass „niemand diese Schriften“ hole. Adson soll auf dem Hof Wache halten. Dabei beobachtet er Remigius, der unschlüssig herumläuft. Er wähnt Severin in Sicherheit und kehrt in den Kapitelsaal zurück.

Wie im Roman wird der Disput kurz darauf durch die Nachricht unterbrochen, dass Severin ermordet und Remigius als Mörder festgenommen wurde. In Severins Labor wendet sich Remigius allerdings nicht an Malachias, sondern an Adson. Er umarmt ihn und flüstert ihm zu, er solle Anna warnen.

Jetzt laufen wiederum zwei Dinge parallel: Bernard Gui verhört Remigius (wobei sehr viel von der Szene aus dem Buch übernommen wurde), gleichzeitig untersuchen William und Adson Severins Labor. Wie im Roman wird von der Amillarsphäre auf die Posaune der Apokalypse geschlossen, wie im Roman ist Benno mit dabei und berichtet, dass Malachias schon vorher da gewesen sein muss. Auch lacht Benno, als Adson das richtige Buch in Händen hält und William es nicht erkennt.

Ebenfalls gleichzeitig kommt Salvatore an der Papiermühle an und will das magische Ritual an der Rose vollziehen, damit sie ihm verfällt. Allerdings hat Malachias Salvatore bei Gui angeschwärzt. Der will noch eine Bestätigung und lässt Remigius foltern. Währenddessen macht sich Adson auf den Weg in die Papiermühle, da ihm klar geworden ist, wer für das Verschwinden der Rose verantwortlich sein muss. Während die Gerichtsverhandlung weiterläuft, machen sich Guis Wachen ebenfalls auf den Weg in die Papiermühle. Der Kampf zwischen Adson und Salvatore findet statt, Adson fällt „rechtzeitig“ in den Mühlbach, bevor Guis Wachen hereinkommen und Salvatore und das Mädchen festnehmen.

Nach der Ankunft der Gefangenen in der Abtei kommt auch Adson zurück mit einer ziemlich üblen Platzwunde am Kopf. Salvatore wird nun ebenfalls gefoltert, am nächsten Tag geht die Gerichtsverhandlung weiter, während Anna durch die Abtei streift, auf der Suche nach Gui. Wie im Roman ist der Umstand, dass Remigius in Severins Labor gefunden wurde auf ein Missverständnis zurückzuführen. Gui hat die Briefe, die Dolcino Remigius mitgegeben hat, von Malachias erhalten.

Remigius wiederholt seine Überzeugungen, warum er Dolcinos Bande angehört hat und hier kommt es zu der merkwürdigsten Szene in der Serie: Jorge will sich das ganze nicht mehr anhören, Adson ebenfalls nicht, also begleitet er den Blinden hinaus. Es kommt zu einem Gespräch zwischen Adson und Jorge, bei dem Adson den alten Mönche darum bittet, der Rose die Absolution zu erteilen – was jener tatsächlich tut! Er geht mit Adson in den Kerker, sagt, er spüre nichts Böses bei dem Mädchen und spricht die Absolution aus. Ich habe den Verdacht, dass das eingebaut wurde, um von Jorges Rolle in der Geschichte abzulenken, aber es fühlt sich wie völlig aus der Geschichte herausgefallen an.

Der Rest der Verhandlung ist wie im Roman: Remigius will die Morde nicht gestehen, also droht ihm Gui die (erneute) Folter an. Dann gesteht er. Damit ist das Urteil klar: Remigius, Salvatore und die Rose sollen nach Avignon gebracht und verbrannt werden.

Während William und Adson mit Benno reden und er ihnen mitteilt, dass er der neue Bibliothekarsgehilfe ist, dringt Anna in den Kerker ein und unternimmt einen Befreiungsversuch, der allerdings scheitert.

Ich hatte erwähnt, dass den Autoren des Films wegen der Verkürzung der Handlung ein paar Ungereimtheiten passiert sind, aber das ist nichts gegen das Gewirr, das die Serienautoren mit der Handlung veranstalten. Hier treten eindeutig drei Motive für die starke Veränderung der Handlung hervor: Zum einen sollte eine starke, weibliche Figur – Anna – auch etwas zu tun bekommen. Zweitens sollte die Handlung so verlängert werden, damit man auf acht Folgen mit je ungefähr 50 Minuten kommt und jede Folge mit einem Cliffhanger abschließen kann. Drittens, und das fällt besonders bei der Gerichtsverhandlung auf, sollte wohl das Pacing verändert werden, da hier Szenen, in denen viel geredet wird, sich mit Szenen, in denen Action stattfindet, abwechseln. Ich persönlich denke, dass man sich hier keinen Gefallen getan hat, da die Serie damit an dem leidet, was man bei manchen Serien schon gesehen hat: Die Szenen wirken nicht verlängert, sondern gestreckt. Nehmen wir zum Beispiel die Szene mit Jorge, der der Rose die Absolution erteilt. Diese Szene führt nirgendwo hin und hätte auch weggelassen werden können. Auch der gescheiterte Befreiungsversuch, den Anna durchführt. Das wirkt fast schon ein bisschen wie in einer alten Fernsehserie: Im Verlauf einer Folge kann man machen, was man will, aber am Ende muss wieder der Ausgangspunkt hergestellt sein. In dem Fall ist das Ende vorgegeben, denn der Kern der Handlung wäre implodiert, wenn es Anna gelungen wäre, die Rose zu befreien. Also darf das nicht geschehen, deswegen musste der Fluchtversuch scheitern. Auch hier würde sich nichts ändern, würde man die Szene rausschneiden – außer der Laufzeit der Folge.

Das ist sehr schade, denn auf der anderen Seite gibt es sehr gute Einfügungen in die Serie. Beispielsweise hat Bernard Gui kein Folterinstrumentarium dabei, also lässt er kurzerhand die Werkzeuge des Schmiedes der Abtei beschlagnahmen. Nachts gellen die Schreie der Gefolterten durch die Gebäude, so dass die Mönche auf den Gang strömen und der Schmied wütend ruft:

Sie foltern ihn – mit MEINEN Werkzeugen!

Giacomo Battiato et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, 11 Marzo Film, Folge 7

Der Film hat gegenüber der Serie wiederum den stärkeren Realismus. Ich möchte noch einmal Anna erwähnen, die in die Abtei eindringt, sich verkleidet und überall heimlich herumstreicht. Ich habe schon den Vergleich mit einem Fantasyfilm gemacht, in den Szenen hier wurde ich sehr stark an Robin Hood erinnert. Auch was die Gefangenen betrifft, ist der Film realistischer und näher an der Beschreibung im Roman. Da hier ja Salvatore zuerst festgesetzt und gefoltert wird, sieht man die Spuren der Folter bei der Gerichtsverhandlung sehr deutlich. Wie im Roman beschrieben erkennt man in der Szene, dass Salvatore während der Folter wohl die Handgelenke gebrochen wurden und seine Hände völlig verdreht sind.

Das waren also die Ereignisse des fünften Tages. Wir steuern unaufhaltsam auf den Höhepunkt zu. Achtet auf die sechste Posaune!

PHAN.PRO 153: STAR WARS – Die letzten Jedi | Eine Allegorie auf toxisches Fantum

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Die Episode 8 der STAR-WARS-Reihe ist das, was man gemeinhin „kontrovers“ nennt. Teilweise wurden sowohl der Regisseur als auch die Schauspieler vom toxischen Teil der STAR-WARS-Fans heftig angegangen, was ein wenig tragikomisch ist, denn in diesem Film gibt einen Handlungsstrang, der von diesen toxischen Fans erzählt. Diesen Handlungsstrang wollen wir uns hier mal ansehen.

Flash Gordon (1980)

Auch wenn es aus deutscher Perspektive so gewirkt hat, aber Flash Gordon war nie wirklich so ganz weg. Wie ich in den anderen Artikeln schon schrieb, lief die Comicserie munter weiter. Nach den Serials der 1930/40er Jahre wurden noch weitere Serien – diesmal fürs Fernsehen – produziert. Außerdem wurden die Serials zunächst zu Filmen umgearbeitet, dann aber ebenfalls im Fernsehen ausgestrahlt. Damit sie nicht mit der laufenden Fernsehserie „Flash Gordon“ verwechselt wurden, erhielten sie eine neue Titelergänzung, nämlich das Wort „Space Soldiers“. Das erste Serial hieß damit also vollständig „Flash Gordon – Space Soldiers‘ Adventures on Planet Mongo“, das zweite „Flash Gordon – Space Soldiers‘ Trip to Planet Mars“ und das dritte „Flash Gordon – Space Soldiers conquer the Universe“.

Eigentlich war es dann George Lucas, der Flash Gordon zurück auf die große Leinwand bringen wollte. Aber er konnte die Rechte nicht erwerben und schrieb daher „Star Wars“. In „Star Wars“ sieht man schon die Inspirationen, die Lucas eindeutig aus den alten Serials bekam. Am deutlichsten ist das zu sehen an dem Vorspann mit der davonfliegenden Schrift, das wurde nämlich bereits in „Flash Gordon conquers the Univers“ und in dem 1939 erschienenen Serial „Buck Rogers“ gemacht. Aber der Erfolg von Lucas‘ Film führte dazu, dass Ende der 1980er Jahre wieder ein Kinofilm mit Flash in Angriff genommen wurde, produziert von Dino DeLaurtentiis.

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Die Handlung: Der Mond gerät langsam aus seiner Bahn und nähert sich der Erde. Das verursacht eine Reihe von Naturkatastrophen auf dem Planeten. Niemand außer dem ehemaligen NASA-Wissenschaftler Doktor Hans (sic!) Zarkov hat eine Erklärung, und dessen Erklärung klingt arg weit hergeholt: Eine außerirdische Macht greift die Erde an. Er baut eine Rakete, doch Munson, sein Assistent, weigert sich, einzusteigen und läuft davon. Zufällig macht aber ein kleines Flugzeug eine Notladung bei seinem – besser gesagt, in seinem – Labor. An Bord befinden sich der Football-Spieler Flash Gordon (Quarterback bei den New York Jets) und die Reiseleiterin Dale Arden. Zarkov zwingt sie unter Waffengewalt in seine Rakete, da er jemanden braucht, der mit ihm die Kontrollen bedient.

Eigentlich will er Gordon gehen lassen1, damit er der Welt berichtet, dass Zarkov unterwegs ist, den Angriff abzuwehren, aber ersterer versucht, den Doktor zu überwältigen. In dem Handgemenge prallt Zarkov gegen den Startknopf und die Rakete fliegt mit allen drei an Bord ins All.

Sie geraten in ein fremdes Kraftfeld, den „imperialen Vortex2„, in dem die seltsame Welt Mongo liegt, dem Herrschaftsbereich von Ming dem Gnadenlosen. Kaum gelandet werden sie auch schon dem Herrscher vorgeführt, in dessen Palast gerade eine Audienz stattfindet. Flash macht eine unbedachte Bemerkung, dass er Ming für einen „armen Irren“ hält. Ein Roboter gibt sie sofort an den Diktator weiter. Ming will Dale Arden für sich als „Kaiserin der Stunde“, Zarkov soll umprogrammiert werden und in der Geheimpolizei arbeiten und Flash soll hingerichtet werden. Die Hinrichtung findet auch statt, aber Mings Tochter Aura hat Gefallen an dem Erdenmann gefunden und funkt dazwischen. Sie bringt Flash zu ihrem Geliebten, Prinz Barin von den Baummenschen. Hier erlebt der Erdling einige Abenteuer und bringt schließlich einige Bewohner Mongos gegen Ming auf.

„Flash Gordon“ ist ein besonderes Erlebnis als Film. Die Ästhetik ist sehr den Comics von Alex Raymond angepasst, die Handlung in gewisser Hinsicht allerdings in die Gegenwart geholt. Es ist nun also kein fremder Planet / Komet mehr, der sich der Erde nähert, sondern Ming, der „seine geistigen Kräfte“ auf den Erdmond projiziert. Außerdem sind ein paar Figuren dazugekommen, die der Comic (und die Serials) nicht kannten: Klytus beispielsweise, die linke Hand des Imperators. Es ist fast ein Witz, aber Klytus wurde eindeutig von Darth Vader aus „Star Wars“ inspiriert, auch er trägt eine Maske und… nunja, ist die linke Hand eines Imperators. Allerdings hat Klytus‘ Maske ein bewegliches Kinnstück, bei dem man ihn reden sieht. So gesehen hat also ein Film, der von „Flash Gordon“ inspiriert wurde, wiederum einen Film über Flash Gordon inspiriert.

General Kala, die Kommandantin der Palastwache, stammt ebenfalls nicht aus den Comics. Ansonsten treffen wir Prinzessin Aura, Prinz Barin und Prinz Vultan von den Falkenmenschen wieder. Der Film folgt den Ereignissen aus Comic und Serial „so ungefähr“, Flash begegnet Barin, beide werden zu Vultan in seine schwebende Stadt gebracht, von dort aus geht es quasi zum Angriff auf Mings Palast. Das ganze wird mit passendem Pathos und – wie schon erwähnt – mit passender Kulisse und passenden Kostümen erzählt.

Zwei neue Elemente der Handlung, die ich besonders raffiniert finde, sind Zarkovs Tragödie und Mings Versuch, Flash auf seine Seite zu ziehen. Zarkovs Tragödie besteht darin, dass dieser erfährt, dass er genau das Falsche gemacht hat. Der Angriff auf die Erde war kein wirklicher Angriff, sondern nur ein Test. Hätten die Erdbewohner es für Naturkatastrophen gehalten, wäre alles gestoppt worden und sie wären verschont geblieben. Da Zarkov aber bewiesen hat, dass die Bewohner der Erde fähig sind, Raketen zu bauen und ihm – Ming – gefährlich werden können, muss die Erde vernichtet werden.

Der Versuch Mings, Flash auf seine Seite zu ziehen, geschieht, nachdem der Imperator die flüchtigen Erdenmenschen in Vultans Stadt gestellt hat. Er bietet Flash ein Königreich an. Nicht irgendein Königreich, sondern die Erde! Ming geht davon aus, dass die Erdenmenschen leicht zu regieren sind, nachdem sie kurz vor der Vernichtung standen. Flash lehnt natürlich ab.

Am Ende gibt es da noch etwas, das ich schon als Kind nicht verstanden habe, aber da war ich wohl eindeutig Captain-Future-geschädigt. Als der Angriff auf Mings Palast beginnt, stellt Flash eine Uhr ein, auf dem man sehen kann, wieviel Zeit der Erde noch bleibt. Mir stellten sich dabei zwei Fragen: Erstens, woher weiß Flash, wieviel Zeit der Erde noch bleibt? Und zweitens: Zeit noch bleibt bis was genau passiert? Und hier spielt meine Erfahrung von „Captain Future“ eine Rolle, dort wurde nämlich erklärt (Lernen durch Science Fiction, yeah!), dass es eine Grenze gibt, wenn sich zwei Himmelskörper einander nähern. Wird diese so genannte Roche-Grenze unterschritten, bricht der kleinere Himmelskörper unter der Einwirkung der Gezeitenkräfte des größeren auseinander. Da der kleinere Himmelskörper aber davor schon zusammengestaucht wird, kann man nicht „den einen“ Punkt ausmachen, ab dem dieser Himmelskörper auseinanderbricht, er fängt bei Annäherung quasi an zu zerbröseln, bevor seine Stabilität den Gezeitenkräften nicht mehr standhält und er ganz auseinanderfällt. Würde der Mond sich der Erde nähern, wäre die Roche-Grenze rechnerisch irgendwo zwischen 18.000 und 9.000 Kilometer von der Erde entfernt (der Mond ist normalerweise zwischen 350.000 und 400.000 Kilometer entfernt3). Da der Mond aber ein relativ unflexibles Stück Felsen ist, würden schon vor der Roche-Grenze große Stücke aus ihm herausbrechen, mit der gleichen Geschwindigkeit auf die Erde zustürzen und dort große Verwüstungen verursachen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Gezeitenkräfte des sich nähernden Mondes natürlich auch Auswirkungen auf die Erde hätten. Man muss es den Drehbuchautoren anrechnen, dass sie etwas neues in die Geschichte einbrachten (statt dieser „Komet / Planet, der sich der Erde nähert“-Geschichte), aber die Idee mit dem sich nähernden Mond war wohl nicht ganz zu Ende gedacht. Haben die sich vorstellt, dass nichts passiert, solange sich Mond und Erde nicht berühren? Das Gegenteil wäre der Fall, auch wenn der Mond kurz vor der Roche-Grenze wieder „umkehrt“, würden die Trümmerstücke auf der Erde großen Schaden anrichten. Außerdem hätte sich die Masse des Mondes reduziert und damit auch die Balance, in der sich Erde und Mond derzeit befinden.

Vermutlich denke ich zu viel drüber nach. Aber sowas hat mich tatsächlich damals schon beschäftigt. Meinen Spaß an dem Film hat es nicht getrübt.

Eine Sache noch: Flash Gordon kommt, wie ich auch schon bemerkte, aus einer recht rassistischen Vergangenheit. In diesem Film ist davon bis auf die Namensgebung allerdings nichts mehr übrig. Ming der Gnadenlose wird nicht als Asiate dargestellt, der Schauspieler, der ihn spielt, ist der Schwede Max von Sydow. Er hat zwar – wie in den Comics – eine Glatze und die Augenbrauen sind geschminkt, um Ming ein leicht teuflisches Aussehen, aber mehr ist da nicht. In späteren Inkarnationen hat man Ming sogar grüne Hautfarbe gegeben, um ihn völlig außerirdisch wirken zu lassen.

Der Film „Flash Gordon“ war eindeutig darauf hingearbeitet, dass er eine Fortsetzung erhalten sollte. Der Darsteller von Prinz Vultan, Brian Blessed, hat bei einer Convention gesagt, der zweite Teil sollte der Handlung des Serials von 1938 folgen und Flash gegen Ming und Azura, die Königin der Magie, kämpfen. Ming wiederum sollte durch seine eigenen magischen Kräfte überleben. Am Ende des Films wurde er von Gordon schwer verletzt, so dass er seinen eigenen magischen Ring gegen sich selbst richtete und sich scheinbar auflöste. In der allerletzten Szene vor dem Abspann, während schon der Schriftzug „The End“ eingeblendet ist, sieht man allerdings, wie eine fremde Hand den Ring aufhebt. Neben dem „The End“ erscheint ein Fragezeichen und man hört Mings Lachen. Dann beginnt der Abspann. Eigentlich ist es schade, dass es nie zu einer offiziellen Fortsetzung kam. Die Gründe, die die Fortsetzung verhinderten, werden je nach Quelle unterschiedlich angegeben.

Und last but not least: die Filmmusik. Die geniale Musik von „Flash Gordon“ stammt von Brian May, dem Komponist von Queen. Auch ohne den Film dürften viele Leute das von Freddie Mercury gesungene „Flash! A-haaa!“ des Titelliedes kennen. Es war ein genialer Schachzug, den Soundtrack von einer Rockgruppe schreiben und singen zu lassen und so für noch mehr Verbreitung zu sorgen.

Der Film feierte dieses Jahr sein 40jähriges Jubiläum. Und jetzt fühle ich mich alt. Deswegen möchte ich diesen Artikel jetzt beenden, denn alte Menschen müssen früh ins Bett. Mir gefällt der Film, was mit Euch ist, weiß ich nicht, ich kann mich nicht um alles kümmern.


1= Zarkov will Gordon gehen lassen, weil Dale leichter ist. Wenn man es genau bedenkt, eigentlich eine logische Entscheidung.

2= Im deutschen wird „kaiserliche Galaxis“ daraus. Ein „Vortex“ ist schlicht und ergreifend ein Wirbel und so wie es aussieht, sollte es sich dabei tatsächlich weder um ein fremdes Sonnensystem noch um eine Galaxis handeln, sondern um etwas, mit dem Ming in der Lage ist, durch das Weltall zu „reisen“.

3= Alle Werte gerundet.

Flash Gordon erobert das Universum (Flash Gordon conquers the Universe, 1940)

Im Artikel über das erste Serial habe ich positiv angemerkt, dass der Rassismus, der im Originalcomic zweifelsohne vorhanden ist, zurückgefahren wurde. Man sah zwar die Anklänge an das Original noch, aber nicht in der drastischen Form. Gleichzeitig waren die Serials mehr auf Abenteuer und Spaß auf, als auf alles andere. Das änderte sich mit dem dritten Serial, denn die Situation der Welt hatte sich geändert.

Die Handlung: Die Erde wird erschüttert durch Unruhen, Kriege und Gerüchten über noch größere Kriege, die da kommen sollen. Mitten hinein in diese Lage kommt noch eine Pandemie, Menschen, die plötzlich an einer rätselhaften Krankheit sterben. Da die Toten einen purpurnen Fleck auf der Stirn haben, nennt man die Krankheit den „Purpur-Tod“ (Original: „purple death“). Doktor Zarkov, unterstützt von Flash Gordon und Dale Arden, unternimmt erneut eigene Forschungsarbeiten, die diesmal aber von den Wissenschaftlern der Erde unterstützt wird. Zarkov vermutet, dass die Krankheit aus dem Weltraum kommt und auf einem Erkundungsflug mit seinem Raumschiff stellen sie fest, dass die Theorie stimmt. Sie bringen ein Raumschiff auf, dass einen mysteriösen Staub in die Erdatmosphäre entlässt. Als sie diesem folgen, stellen sie fest, dass es vom Planeten Mongo kommt. Dort gelandet erfahren sie die schlechte Nachricht: Ming ist wieder zurück und er hat ein Terrorregime errichtet. Seine Feinde lässt er in Todeslager („concentration camps“ – sic!) sperren, besonders rebellische Menschen werden mit dem so genannten „Todesstaub“ in „Staubkammern“ („dust chambers“) hingerichtet. Gerade hat einer von Mings perfiden Wissenschaftlern den Todesstaub noch raffinierter gemacht: Er bringt nicht einfach alle Menschen um, sondern nur die von hohem Intellekt. Die tumben, einfachen, die eher nicht rebellieren und leichter zu kontrollieren sind, bleiben am Leben, damit sie als Sklaven dienen können.

Auf Mongo hat sich ein Widerstand gebildet, bestehend aus den Königreichen Arboria von Prinz Barin und dem Königreich Frigia unter Königin Freya. Zusammen mit ihnen will Flash Gordon alles unternehmen, um Ming ein für allemal zu stürzen.

Photo by Mert Kahveci on Unsplash

Es ist das Jahr 1940. Ursprünglich war die Stimmung in den USA mal, in dem seit 1939 stattfindenden Krieg in Europa neutral zu bleiben. Doch mit dem Vordringen von Nazi-Deutschland kam immer mehr die Meinung auf, dass man die Alliierten zumindest moralisch unterstützen müsste. In diesen Zeiten kamen auch immer mehr Filme und Comics auf, die bei Licht betrachtet als Propaganda eingestuft werden müssen. „Flash Gordon erobert das Universum“ ist eindeutig so ein Werk. Die Begriffe, die benutzt werden, sind deutlich („concentration camp“ oder auch „dust chamber“, das phonetisch an „gas chamber“ erinnert), sowie Mings Attitüde, zum Herrscher des Universums zu werden. Überhaupt, auch seine ganze Ausstattung – im Artikel über den Comic Flash Gordon habe ich eine mir heute unbekannte Quelle zitiert, die sagte, wenn Raymond den Comic zehn Jahre später erfunden hätte, würden die Bösewichte nicht wie Asiaten aussehen, sondern wie Deutsche. In diesem Serial sehen wir das deutlich, selbst Ming trägt eine Uniform, die an Preußen erinnert, einschließlich Hut mit Federbusch. Und noch etwas – Ming nennt seine Soldaten jetzt „Sturmtruppen“.

In seinem Wahn sagte Ming doch, ER sei das Universum. Nun, dann kann ich hiermit vermelden: Flash Gordon hat das Universum erobert.

Doktor Zarkov versucht in letzter Sekunde den Titel des Serials noch so zu erklären, dass es nicht allzu gewalttätig klingt

Auch die Handlung und andere Personen strotzen nur so von Anspielungen. Prinz Barin und seine Gefolgsleute von Arboria sollen eindeutig Engländer sein, sie sehen aus, als seien sie geradewegs einen Robin-Hood-Film entsprungen. Und da in den Produktionen Requisiten und Kostüme gerne mal wiederverwendet wurden, kann das sogar sein, die Arborianer tragen die bekannten Kostüme mit Strumpfhosen (!) und die dreieckigen Hüte mit Feder dran („Jägerhut“ / „woodsman hat“). Manche sind sogar mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Die Frigianer hingegen stehen für die Russen, in ihrem Königreich ist ewiger Winter und sie tragen Pelze und Fellmützen.

Zuletzt ist da natürlich Flash Gordon, der als Sinnbild für die Amerikaner steht. Das kann man sogar sehr direkt sehen, denn Gordon und seine Freunde greifen erst in den Konflikt auf Mongo ein, als die Erde betroffen ist. So war es auch mit Amerika.

Das Serial umfasst zwölf Episoden, die erste kam am 3. März 1940 in die Kinos. Nachdem alle zwölf Episoden gezeigt worden waren, dauerte es allerdings noch bis zum Jahr 1941, bevor Amerika in den Zweiten Weltkrieg eingriff.

Was in dem Serial noch auffällt, ist der Umstand, dass einige Schauspieler ausgetauscht worden sind. Nachdem Prinzessin Aura, Mings Tochter, im zweiten Serial gar keine Rolle spielte, wurde sie hier von einer anderen Schauspielerin dargestellt. Dale Arden und Prinz Barin hatten ebenfalls andere Darsteller. Dafür blieb es bei der Besetzung von Flash Gordon, Doktor Zarkov und Imperator Ming.

Zur deutschen Synchronisation gibt es zu sagen, dass diese nicht im Zuge der Synchro mit den ersten beiden Serials stattfand, und das aus Gründen. Es verhält sich so ähnlich wie mit der Star-Trek-Nazi-Episode „Schablonen der Gewalt“ („Patterns of Force“), auch wenn die Nazi-Symbolik bei Flash Gordon nicht ganz so deutlich ist. Da man aber befürchtete, dass ein jüngeres Publikum das nicht verstehen würde, ließ man es einfach weg. Erst als die ganze Serie umgeschnitten wurde fürs Privatfernsehen (also rund 10 Jahre später), machte man sich an die Übersetzung des noch verbliebenen Serials. Dabei wurde lediglich der Synchronsprecher von Flash Gordon beibehalten, alle anderen wiederkehrenden Rollen wurden neu besetzt.

Leider findet man im Internet zu der deutschen Synchronisation von „Flash Gordon erobert das Universum“ so gut wie nichts, deswegen kann ich dazu weiter nichts sagen. Für mich bietet das Serial einen spannenden Einblick in die Welt der 1940er Jahre und wie reale Ereignisse direkten Einfluss auf Filmhandlungen nahmen. Die Handlung für sich genommen bringt den Pathos nochmal zu Höhenflügen, da es einige Figuren gibt, die bereit sind, fröhlich den Tod zu erleiden, wenn es nur hilft, den Diktator zu stürzen.

Serial 3 war das letzte Flash-Gordon-Serial, das in dieser Form produziert wurde. In den USA war Flash nicht totzukriegen, aber wie ich schon erwähnte, der Sprung nach Europa war schwierig. In Deutschland wurden nach dem Krieg ein paar Comics unter dem Titel „Blitz Gordon“ veröffentlicht, aber das war’s dann erstmal.

Flash Gordon nahm hier erst Fahrt auf, als der Kinofilm kam…

Flash Gordons Flug zum Mars (Flash Gordon’s Trip to Mars, 1938)

In den 1980er Jahren wurden im Rahmen von „Opas Weltraumkino“ die ersten beiden Flash-Gordon-Serials meistens direkt hintereinander ausgestrahlt. Das heißt, kaum war das eine mit seiner Episode 13 beendet, fing das zweite mit Episode 1 an. In die Kinos kam es damals 1938, zwei Jahre nach dem ersten, um an dessen Erfolg anzuschließen.

Die Handlung: Die schließt direkt an die Serie 1 an, Flash Gordon, Dale Arden und Doktor Zarkov sind auf dem Rückweg von Mongo zur Erde. Nach ihrer Landung werden sie von der Öffentlichkeit frenetisch gefeiert, da sie ja die Erde gerettet haben. Zarkov hält ein paar Vorträge über die Möglichkeit von Leben auf fremden Planeten, aber im Lauf der Zeit übernehmen andere Dinge die Schlagzeilen des Planeten. Es häufen sich nämlich immer mehr Naturkatastrophen, worauf sich die Wissenschaftler der Welt keinen Reim machen können. Sie diskutieren und debattieren, lediglich Zarkov hält sich zurück und verfolgt eine eigene Theorie.

Dem Reporter Happy Hapgood kommt es komisch vor, dass man nichts von Zarkov hört und macht diesen ausfindig. Tatsächlich ist er auf die Ursache der Naturkatastrophen gekommen, von einem anderen Planeten aus wird ein Energiestrahl ausgeschickt, der Nitron1 aus der Erdatmosphäre absaugt und damit das Gleichgewicht außer Balance bringt. Zarkov vermutet, dass der Energiestrahl von Mongo kommt (womit sich die Frage stellt, wo sich Mongo derzeit befindet, offenbar ja noch im Sonnensystem). Er rüstet seine Rakete auf und macht sich mit Dale Arden und Flash Gordon auf den Weg in den Weltraum.

Als sie die Stratosphäre erreichen, stellen sie fest, dass Happy Hapgood als blinder Passagier mit an Bord gekommen ist und sie nun begleiten muss. Als zweite Überraschung muss Zarkov erkennen, dass der Energiestrahl nicht von Mongo, sondern vom Planeten Mars kommt. Sie lenken ihr Schiff dorthin und finden verschiedenes heraus. Herrscherin des Mars ist Azura, die Königin der Magie. Ming, dem Feuer nichts anhaben kann (so ist er dem Feuertempel entkommen), ist auf den Mars geflohen und hat sie beschwatzt, ihm zu helfen. Sein Plan ist erstmal, Rache an der Erde zu nehmen. Das tut er mit der Nitronlampe. Ein Nebeneffekt ist, dass aus dem gewonnenen Nitron Waffen hergestellt werden können. Um Herrscherin über den Planeten Mars zu werden, hat Azura den rechtmäßigen Herrscher, König Clay, von seinem Thron verjagt und ihn und seine Gefolgsleute in „tönerne Menschen“ verwandelt. Flash Gordon und die Seinen nehmen den Kampf gegen Ming und Azura auf und versuchen, König Clay zu seinem Recht zu verhelfen. Unerwartete Unterstützung erhalten sie dabei durch den von Mongo gekommenen Prinz Barin.

Das muss an der Zusammensetzung der Atemluft in diesen Höhlen liegen. Dadurch wird Fleisch in Ton verwandelt.

Eine wissenschaftliche Erklärung von Doktor Zarkov, die so viele Fragen aufwirft

An der Handlung merkt man schon, dass speziell in diesem Serial Science Fiction und Fantasy ganz stark gemischt sind. Auf der einen Seite sind da Doktor Zarkov und auch Ming, die mit (pseudo)wissenschaftlichen Methoden arbeiten, auf der anderen Seite ist da Azura, die zaubern und Menschen eben auch mal in Kreaturen aus Ton verwandeln kann. Beide Richtungen sind aber eindeutig in Richtung Fantasy geschrieben. So kann Azura zwar zaubern, aber auch Zarkov kann eigentlich alles mit Hilfe der Wissenschaft bewerkstelligen. So gelingt es ihm zum Beispiel binnen kürzester Zeit in Mings Labor aus einer kleinen Probe Nitron eine Waffe herzustellen, die einen Lähmungsstrahl ausschickt. Hierbei kommt es zu einem – aus heutiger Sicht – lustigen Dialog. Zarkov zeigt Flash einen Glaskolben, der die letzten Reste von Nitron (hier in flüssiger Form) enthält. Dann drückt er Flash den Kolben in die Hand und fragt, ob er das „prickelnde Stechen“ fühlt. Als Flash bejaht, sagt Zarkov, das sei Radioaktivität. Realistisch betrachtet: Würde Flash die Radioaktivität in den Kolben in Form von „prickelndem Stechen“ auf der Haut fühlen, würde es wahrscheinlich nicht lange gehen und er und Zarkov würden an der Strahlenkrankheit sterben.

Photo by Patrick Perkins on Unsplash

In einer anderen Szene sehen wir ein Beispiel für den Alltagsrassismus in den USA der Zeit. Vermutlich hat sich keiner der Beteiligten irgendwas dabei gedacht, diese Szene so mit in das Serial aufzunehmen, aber wenn man sie sich heute im Original anschaut, lässt sie einen zusammenzucken.

Wovon rede ich? In der ersten Episode versucht Happy Hapgood rauszukriegen, wo Zarkov und Gordon sind. Dazu klingelt er bei Zarkovs Wohnung. Ein Diener macht auf, ein Afroamerikaner in weißer Dienstbotenkleidung. In der deutschen Version kam es mir etwas komisch vor, weil man sehr deutlich sieht, dass die Lippenbewegungen überhaupt nicht zum Text passen und der Synchronsprecher an manchen Stellen sehr langsam sprechen muss. Wenn man sich die Originalfassung ansieht, wird auch klar, warum – der Diener wird als stereotyper, tumber [N-Wort2]-Boy dargestellt. Er redet ungelenk und als Happy zu ihm sagt, er habe ein Telegramm vom Botschafter von Mesopotamien, da kann er mit dem Namen so gar nichts anfangen3.

Wo wir gerade von Stereotypen reden: Azura, die Königin der Magie, fällt da so ein bisschen heraus. Dale Arden war im ersten Serial hauptsächlich die „Frau in Not“ („damsel in distress“), die sich retten lassen musste. Azura ist die eigentliche Herrscherin des Mars und wagt es schließlich auch, sich Ming entgegenzustellen. Dale bleibt hingegen wieder etwas eindimensional, tatkräftig unterstützt in dieser Serie von Happy Hapgood, der so ein bisschen die Rolle des Nebendarstellers, der für die Lacher zuständig ist („comic relief“), einnimmt.

An einer anderen Stelle läuft die Handlung auf einmal etwas aus dem Ruder. Wir lernen im Verlauf der Geschichte die so genannten „Baummenschen vom Mars“ kennen, die – der Name sagt es – auf Bäumen leben und eine primitive, archaische Kultur zu haben scheinen. So wissen sie zum Beispiel nicht, was eine Kamera ist. Als Hapgood einen Schrein der Baumleute fotografiert und Azura aus der Ferne den Schrein zerstört, beschuldigen sie Happy, mit seinem „Zauberkasten“ an der Zerstörung Schuld zu sein. Die Baumleute scheinen auch sonst keine Technologie zu haben. Aber ziemlich am Ende des Serials, als Ming die Macht über den Mars übernommen hat, da schickt er Bomber mit Nitron und Waffen zu den Baummenschen, damit diese gegen König Clay und die tönernen Menschen kämpfen. Wie können die Baumleute mit Raumschiffen und modernen Waffen umgehen können sollen, wird irgendwie nicht beantwortet.

Trotz all diesen Schwächen, die daher kommen, dass man manche Dinge in den 1930er Jahren einfach noch nicht wusste, ist es wieder eine spannende Abenteuergeschichte. Außerdem – und das habe ich bei der Besprechung des ersten Serials noch gar nicht erwähnt – ist alles so wunderschön pathetisch. Die Spezialeffekte haben sich wieder etwas weiterentwickelt, sehr schön zu sehen bei dem Effekt mit der „Lichtbrücke“, bei der die Figuren die Distanz zwischen zwei Gebäuden quasi auf einem „soliden Laserstrahl“ überwinden.

Wegen des großen Erfolgs der ersten Serie gönnte man dieser ein bisschen Zuschlag: Statt 13 hat diese sogar insgesamt 15 Folgen. Damit kommt man auf eine Komplettlaufzeit von 299 Minuten (gegenüber 245 Minuten beim Serial 1).


1= Ein Element namens „Nitron“ gibt es nicht, weder in der Atmosphäre, noch anderswo. Es wird in verschiedenen Texten darüber spekuliert, ob die Autoren ursprünglich „Nitrogen“ (Stickstoff) meinten, dann aber dachten, dass das nicht genug nach Science Fiction klang. Auch wenn es das Element selber nicht gibt, hat es doch einen Anklang an die Realität, wie wir mittlerweile schmerzlich erfahren haben: Bringt man die Zusammensetzung der Erdatmosphäre aus dem Gleichgewicht, gerät die Natur aus dem Gleichgewicht.

2= Nein, ich werde das Wort hier nicht ausschreiben. Falls das jemanden stört: Komm damit klar!

3= Wobei sich hier die Frage stellt, wie viele weiße Amerikaner damals etwas mit dem Wort „Mesopotamien“ anfangen konnten.

Flash Gordons Abenteuer auf dem Planeten Mongo (Flash Gordon, 1936)

Eine Eidechse

Im deutschen Fernsehen gibt es ab und zu übergreifende Themen, die verwendet werden, um dem Zuschauer klar zu machen, dass etwas irgendwie zusammengehört. Oder zumindest gab es das mal. Zum Beispiel in den 1980er Jahren, da gab es eine übergreifende Themenreihe, die man in den dritten Fernsehprogrammen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als „Opas Weltraumkino“ bezeichnete. Unter dieser Reihe liefen Serien wie „Flash Gordon“ und „Buck Rogers“ aus den 1930er Jahren. Im Rahmen dieser Reihen habe ich die verschiedenen Serials gesehen und mich gewundert, warum mein Opa die nicht kannte. Dass „Opas Weltraumkino“ nicht wörtlich zu nehmen war, habe ich damals nicht verstanden. Hey, ich war gerade mal 11 Jahre alt!

Gehen wir zurück in diese Zeit. Anhand der Zeitleiste kann man sich Flash Gordons kometenhaften (Pointe beabsichtigt) Aufstieg vorstellen. Es war der 7. Januar 1934, als der Comic zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Und am 6. April 1936, etwas mehr als nur zwei Jahre später fand die Premiere der ersten Folge des ersten Flash-Gordon-Serials statt. Das Kino war damals noch etwas anders als heute, es gab kein Fernsehen. Vieles von dem, was das Fernsehen später ausmachen sollte, wurde im Kino gezeigt: Nachrichten, Werbung und eben auch Serien bzw. „Serials“. Diese boten eine ganz andere Möglichkeit als abendfüllende Spielfilme. Man konnte längere Geschichten erzählen und vom finanziellen Standpunkt aus gesehen hatte man eine Möglichkeit, die Menschen immer wieder ins Kino zu locken. Gerade bei den Serials war das so, das Publikum wollte ja wissen, wie es jetzt weitergeht. Das wurde dann auch ziemlich auf die Spitze getrieben durch die Cliffhanger, die jede Episode beendeten. Der Held befand sich in einer aussichtslosen Lage und man musste die nächste Folge anschauen, um zu erfahren, wie er sich befreit.

Dabei entstand das Konzept der „falschen Spur“. Etwas weniger romantisiert könnte man auch sagen: Das Publikum wurde angelogen. Das Ende einer Episode entsprach nämlich nicht immer dem Anfang der nächsten. Gerne wurde mal eine Gefahr mit dazu eingebaut, über die man in der nächsten Folge einfach hinwegsah.

Ein kleines Beispiel: Im zweiten Flash-Gordon-Serial kommt es zu einer Situation, als Gordon zwei feindliche Raumschiffe aufhalten will. Es gelingt ihm, eines der Schiffe zu übernehmen, doch dessen Waffen versagen. Flash will aber das andere auch außer Gefecht setzen, also kommt er auf die Idee, das eine Raumschiff in das anderen reinfliegen zu lassen. Natürlich hat er vor, im letzten Moment abzuspringen. Am Ende einer Episode sehen wir, wie er das Schiff auf Kurs bringt, sich ein Fallschirmcape schnappt und abspringen will. Doch was ist das? Die Tür klemmt! Flash versucht verzweifelt, diese zu öffnen, doch das klappt nicht. Die Raumschiffe stoßen zusammen, Flash ist noch drin und… Fortsetzung folgt!

Die neue Episode beginnt mit einem „Was bisher geschah“ und setzt einige Momente vor dem Crash wieder mit der Handlung an: Flash, der den Kurs den einen Raumschiff setzt, sich ein Fallschirmcape schnappt und aussteigen will. Doch was ist das? Die Tür klemmt! Flash versucht verzweifelt, diese zu öffnen. Zuerst geht es nicht, doch dann zieht Flash seine Laserkanone und schießt die Tür auf. Im letzten Moment gelingt ihm der Absprung, dann prallen die Raumschiffe aufeinander.

Eine Eidechse
Photo by Alexis Antonio on Unsplash

Von der Handlung her deckt das Serial die ersten Folgen des Comics ab, allerdings wurden hier schon Verbesserungen vorgenommen. Es beginnt mit dem fremden Planeten, der auf die Erde zurast und mit ihr zu kollidieren droht. Die erste Änderung, die wir sehen, ist der Umstand, dass Flash Gordon als der Sohn des Wissenschaftlers Professor Gordon vorgestellt wird. Daher weiß er später auch, wer Doktor Zarkov ist. Aber der Reihe nach: Der Planet bedroht die Erde, Flash Gordon und Dale Arden sind auf einem Transkontinentalflug und müssen mit dem Fallschirm abspringen (diesmal überlässt Flash Dale den Fallschirm allerdings und hält sich an ihr fest). Sie landen auf dem Grundstück von Doktor Zarkov, der in dieser Version den Vornamen „Alexis“ hat (vermutlich ist den Autoren aufgefallen, dass Zarkov eher russisch klingt, Hans aber deutsch). Zarkov ist allerdings nicht über seiner Arbeit wahnsinnig geworden, nur sehr misstrauisch, vor allem als er erfährt, dass er Professor Gordons Sohn vor sich hat. Er zwingt Flash und Dale auch nicht, ihn zu begleiten, sondern sie kommen freiwillig mit, um die Erde zu retten. Zarkovs Ziel ist auch nicht, den fremden Planeten durch einen Zusammenstoß aus der Bahn zu werfen, sondern auf ihm zu landen. Zarkov hat nämlich festgestellt, dass es Energieanzeigen von dieser Welt gibt, sie muss also bewohnt sein! Vielleicht kann man mit den Bewohnern Kontakt aufnehmen und die vorhandene Energie nutzen, um die Bahn des Planeten zu ändern.

Sie fliegen also los und machen eine raue Landung (allerdings keine Bruchlandung wie im Comic) und werden von Mings Soldaten gefangen genommen. Im Gegensatz zum Comic wird Zarkov ebenfalls in die Hauptstadt des „Gnadenlosen“ gebracht. Ming sieht tatsächlich seinem Comicvorbild sehr ähnlich, da für das Serial allerdings jede Menge Sets aus anderen Produktionen wiederverwendet wurden, ist die Szenerie ein ziemlicher Mix aus allem Möglichen. Mings Palast wirkt eher europäisch, manchmal leicht orientalisch.

Wie sehr wiederverwendet wurde, sieht man aber deutlich in einer Szene, die in einer späteren Folge spielt und in der Ming Dale, die unter Drogen steht, heiraten will. Die Hochzeit findet in einem Zeremoniensaal statt, in dem sich die große Statue des Gottes Tao (in der deutschen Synchronisation wurde daraus „Tehu“) befindet. In den Comics ähnelt diese einer Buddha-Statue, im Serial ist es ganz eindeutig die Figur eines ägyptischen Pharaos. Das liegt daran, dass sie aus der Produktion des Films „The Mummy“ übernommen wurde.

Zurück zur Handlung. Ebenfalls im Kontrast zum Comic wird im Serial die ganze Situation erklärt. Dass sich Mongo auf Kollision mit der Erde befindet, ist kein Zufall, Ming macht das mit Absicht, um die Erde zu zerstören. Er hat dabei offensichtlich auch die Macht, die Zerstörung von Mongo zu verhindern. Während der ganzen Serie gerät nie aus dem Fokus, dass die Erde in Gefahr ist. Ungefähr im letzten Drittel, als Zarkov per Funk mit der Erde Kontakt aufnimmt, erfahren wir dann, dass die Wissenschaftler der Welt vor einem Rätsel stehen: Der Planet, der auf so geheimnisvolle Weise im Sonnensystem aufgetaucht ist und auf die Erde zusteuerte, hat auf genauso geheimnisvolle Weise den Kurs geändert.

Flash Gordon und seine Freunde finden auf Mongo Verbündete, wie Thun, den Löwenmenschen oder Barin, den rechtmäßigen Herrscher von Mongo, später auch Mings Tochter Aura. Die Geschichte wird tatsächlich mit dem „Sense of Wonder“ eines Jules Verne erzählt, zum Beispiel, wenn die Stadt des Falkenmenschen Vultan auf einem Kraftfeld schwebt, das von einem Atomofen in Gang gehalten wird. Und in diesen Atomofen muss man regelmäßig Brennmaterial nachschaufeln, was Sklaven erledigen. Und was genau muss man da nachschaufeln? Keine Ahnung, Atome vermutlich.

Endlich gelingt es ihnen, Ming zu überwinden, doch damit er nicht gefangen genommen wird, begibt er sich in den Feuertempel des Gottes Tao / Tehu. Von dort, so sagt der Hohepriester, gibt es kein Zurück.

Flash und seine Freunde machen Zarkovs Rakete wieder startklar und fliegen zurück zur Erde.

Sie ruft nach Fleisch! Davon kann sie genug kriegen, wenn sie will!

Vultan von den Falkenmenschen versteht Dales Ausruf „Flash!“ ganz offensichtlich falsch…

Wie ich schon schrieb, wurde im Serial der Rassismus etwas zurückgeschraubt. Da die Serie in Schwarz-Weiß gedreht wurde, wäre der Unterschied in der Hautfarbe sicherlich auch schlecht zu erkennen gewesen, selbst wenn die Bewohner von Mongo die gelbe Haut aus den Comics gehabt hätten. Mir wäre auch nicht aufgefallen – auch nicht in der englischen Originalfassung – dass im Serial irgendwelche rassistischen Bezeichnungen gefallen wären. Bei der englischen Fassung kann es allerdings sein, dass ich die Bezeichnung, wenn sie gefallen ist, vielleicht auch nicht verstanden habe, das will ich nicht ausschließen. Tatsächlich wurden bei der deutschen Synchronisation ein paar Anpassungen gemacht, möglicherweise hat man auch sowas entschärft.

Die deutsche Synchronisation hat zum Beispiel die Bezeichnungen für Zukunftstechnologie, die man in den 1930er Jahren noch nicht kannte, angepasst. Flash Gordon fliegt nämlich eigentlich nicht in einem Raumschiff („space ship“), sondern im „rocket ship“. In späteren Serials kommt noch die Bezeichnung „strato sled“ („Strato(sphären)schlitten“) dazu. In diesem ersten Serial wurde auch das „Was bisher geschah“, das jede Episode einleitet, geändert. Im Original wurde einfach ein Text eingeblendet und vorgelesen, in der deutschen Fassung machte man sich die Mühe, diesen Text mit Ausschnitten aus den vorigen Episoden zu unterlegen.

An dieser Stelle muss ich noch darauf aufmerksam machen, dass es zwei (!) deutsche Fassungen gibt. Die eine hält sich strikt an das Original und wurde Anfang der 1980er Jahre im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgestrahlt. Die zweite wurde ungefähr zehn Jahre später von irgendeinem Privatsender verwurstet, und das auf die schlimmste Weise. Okay, man muss den Leuten zugute halten, dass sie das fehlende dritte Serial auch noch synchronisierten, aber sie verhackstückten die ganze Serie, um jede Episode auf eine Mindestlänge von einer halben Stunde zu bringen. Im Original war eine Episode zwischen 20 und 25 Minuten lang. Das Verhackstücken führte nun dazu, dass natürlich die ganzen Cliffhanger weggschnitten wurden, weil die Folgen neu zusammenschnitten waren. Dadurch gerieten die Titel der einzelnen Folgen durcheinander und irgendwann stimmte nichts mehr (die Episode „Der Kampf mit dem Feuerdrachen“ bezieht sich auf einen Kampf, der im Neuschnitt der Serie erst ein paar Folgen später stattfindet). Im zweiten Serial wurde eine halbe Episode einfach weggekürzt und durch Erzählertext ersetzt. Und überhaupt findet in der Version eine Trennung nach Serials überhaupt nicht statt. Es wurde einfach der Vorspann von Serial 1 vor jede Folge geschnitten. Jedes Serial hat aber einen eigenen Vorspann, außerdem wechseln die Schauspieler (Prinzessin Aura ist beispielsweise im Serial 2 gar nicht dabei, wird aber auf diese Weise im Vorspann genannt, in Serial 3 haben die Schauspieler von Aura und Dale gewechselt, im Vorspann werden aber immer noch die alten genannt).

Es ist daher hoch anzurechnen, dass es mittlerweile ein DVD-Set gibt, in dem die Serie in alter – originaler – Form restauriert wurde und es wieder passt.

Das hatte Serial hat einen gewissen Charme, auch wenn man die Modelle erkennt, mit denen gearbeitet wurde oder deutlich sieht, wann Puppen anstatt von Schauspielern verwendet wurden. Auf der anderen Seite ist es ein faszinierender Einblick in die Tricktechnik von damals. Man muss sich vorstellen, wie gebannt die Zuschauer in den 1930er Jahren gewesen sein dürften, als sie auf der Leinwand sahen, wie ein Mensch mit einem anderen Menschen über einen Bildschirm spricht. Heute ist sowas ganz normal.

Das Serial hatte seinerzeit großen Erfolg, so dass (natürlich) eine Fortsetzung produziert wurde. Die schaue ich mir beim nächsten Mal an.

STAR WARS Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers – Das Finale

STAR WARS Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers - Poster (c) Disney Company / Lucasfilm
STAR WARS Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers - Poster (c) Disney Company / Lucasfilm
STAR WARS Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers – Poster (c) Disney Company / Lucasfilm

„May the Fourth“ – Star Wars Day

Ein bekanntes Lied beginnt mit den Worten „This is the End, my Friend…“ und genauso könnte ich diese Rezension auch beginnen, denn Episode IX ist das offizielle Ende der Skywalker-Saga. Für den Moment zumindest, aber ich wage zu behaupten, dass sich zumindest in der näheren Zukunft niemand bei Lucasfilm daran traut, doch noch George Lucas‘ ursprüngliche Vision von 12 Episoden zu verwirklichen. Warum ich das denke, darum soll es in dieser Rezension gehen. Und um vieles andere. Und natürlich um das große Finale selbst.

Die Entstehungsgeschichte von Episode IX

Als damals entschieden wurde, an die bekannten Episoden I bis VI nochmal drei Teile dranzuhängen, hatte man beschlossen, dass drei verschiedene Kreative für jeweils einen Teil verantwortlich sein sollten. J.J. Abrams sollte mit Episode VII den Grundstein legen, Rian Johnson mit Episode VIII weitermachen, bevor Colin Trevorrow mit der neuen Episode IX nicht nur die neue Trilogie, sondern auch die Skywalker-Saga an sich abschließen sollte. Dabei sollte den dreien recht große Freiheiten gewährt werden, was die Ausgestaltung ihrer Geschichten betraf. Das kann durchaus ein fruchtbarer Prozess sein. Ich selbst habe auch schon mit anderen zusammen an einem Storykonzept gearbeitet und gerade der Umstand, dass man einen guten Mittelweg zwischen eigener Erzählung und den Elementen der anderen finden muss, kann zu einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit führen. Voraussetzung ist allerdings, dass man sich an die Regeln der Zusammenarbeit hält. Bevor nun die Rian-Johnson-Hasser sich auf diese Bemerkung stürzen: Man kann dabei auch neue und vielleicht ungewöhnliche Wege gehen, aber alle müssen sich darauf einlassen. Und genau daran krankte die Vorarbeit von Episode IX.

Wir alle wissen mittlerweile – denke ich zumindest – was passiert ist: J.J. Abrams hat mit „Episode VII: Das Erwachen der Macht“ quasi ein Remake von „Episode IV: Eine neue Hoffnung“ abgeliefert, mit ein paar neuen Charakteren und einen noch größeren Planetenkiller. Da es allerdings auch darum ging, Star-Wars-Fans aller Art abzuholen und wieder in die Galaxis „weit, weit von hier entfernt“ zurückzubringen, kann man das verschmerzen. Immerhin wurde eine spannende Ausgangssituation geschaffen, die geheimnisvolle „Erste Ordnung“, die aus der Asche des Imperiums entstanden ist, Kylo Ren, der Darth-Vader-Fanboy, der sich unbedingt was beweisen muss und das tut, indem er seinen eigenen Vater umbringt, Lukes Lichtschwert, das er in Episode V verloren hat, das wieder auftaucht, Rey, die von ihren Eltern auf Jakku zurückgelassen wurde…

Rian Johnson hat das alles aufgenommen und in „Episode VII: Die letzten Jedi“ konsequent neue Wege beschritten, indem er ständig die Frage stellt, welches Vermächtnis jemand hinterlässt und wie man mit der eigenen Vergangenheit umgehen soll. Außerdem wagte er einen Blick hinter die Kulissen des Kriegsgeschäfts und zeigte sehr deutlich, dass es natürlich auch in Star Wars Profiteure des Konflikts gibt. Wenn man genau hinsieht, hat er sogar eine sehr schöne Allegorie auf das Fandom (von Star Wars im Speziellen, aber vermutlich gibt es das in den meisten erfolgreichen Franchises) geschaffen: Auf der einen Seite Rey, die aus den Mythen um die Jedi Inspiration ziehen will, auf der anderen Seite Kylo Ren, der – wie ich schon schrieb – ein Darth-Vader-Fanboy ist und „genauso cool“ sein will wie der Sith-Lord. Kylo repräsentiert dabei auch die toxische Seite des Fandoms, die alles und jeden verachtet, der dem „wahren Geist“ widerspricht. Das Sahnehäubchen auf der Allegorie ist Mark Hamill als Luke Skywalker, der sich praktisch selbst spielt. Wie Luke sich von der Macht abgewandt hat, nachdem er Kylo Ren erschaffen hat, hat sich auch Hamill von den Star-Wars-Fans abgewandt, nachdem er gesehen hat, wie völlig überdreht die toxischen Fans sein können. Dass Luke Rey im Film fragt, was er denn tun solle, ob er mit einem Laserschwert heraustreten und sich der gesamten Ersten Ordnung entgegen stellen soll, spiegelt die Verwirrung des Schauspielers wieder, der nicht einordnen kann, was diese Hardcore-Fans, die ihn mit seiner Rolle verwechseln, eigentlich von ihm wollen. Aber so wie Luke in die Handlung zurückkehrt, hat auch Hamill wieder in die Rolle gefunden.

Ich fand Johnsons Entscheidung, den Obersten Anführer Snoke in dieser Folge sterben zu lassen, mutig, aber ich muss zugeben, ich war im Kinosaal völlig hin und weg. Als Snoke in zwei Teilen von seinem Thron stürzte und etwas später den eindeutig toten Körper sah, habe ich innerlich jubiliert. Ein neuer Weg! Wir haben in Episode I bis VI gesehen, wie Anakin Skywalker zu Darth Vader wurde, aber letztlich den Imperator stürzte und damit Erlösung erfuhr. Kylo Ren hat im Gegensatz dazu „seinen“ Imperator getötet, um diesen Platz einzunehmen. Wohin würde die Geschichte jetzt wohl gehen, da Kylos Pfad ein wesentlich dunklerer ist als der von Vader?

Colin Trevorrow übernahm die Geschichte von Rian Johnson und lieferte wohl auch ein Drehbuch ab, doch nach der Veröffentlichung von Episode VIII geschahen mehrere Dinge, die Episode IX zu dem formen sollten, was sie nun ist. Das erste geschah allerdings schon vorher: Trevorrow wurde geschasst. Warum? Zunächst wurde die allgemeine Ausrede von „kreativen Differenzen“ gewählt, die im eigentlich nur heißt, dass irgendwelche Studiobosse andere Ideen hatten und der Regisseur nicht mitspielen wollte. Dann wurde Kathleen Kennedy in einem Interview etwas deutlicher:

Colin war enorm im Nachteil, weil er nicht an ‚Star Wars: Das Erwachen der Macht‘ und zum Teil auch nicht an den früheren Gesprächen teilgenommen hat und wir aber schon ein allgemeines Gespür dafür hatten, in welche Richtung die Story gehen sollte.

(…)

Wir hatten einen Zeitplan, wie so oft bei Filmen, und mussten eine schwere Entscheidung treffen, ob oder ob wir es nicht rechtzeitig schaffen werden. Und wie ich bereits sagte, Colin war im Nachteil, weil er nicht in allem involviert war, seitdem wir mit Episode VII anfingen.

Kathleen Kennedy in einem Interview mit „Gizmodo“, zitiert nach vip.de

Trevorrow wurde September 2017 aus dem Projekt entlassen, also knapp drei Monate vor dem Kinostart von Johnsons Episode VIII. J.J. Abrams wurde verpflichtet, nun auch Episode IX zu produzieren. Und angesichts dessen, was er ablieferte, klingt Kennedys Begründung etwas seltsam. Denn als nächstes geschah etwas, das ganz offensichtlich großen Einfluss auf die Handlung von Episode IX hatte. Es war so massiv, dass es sogar eine Bezeichnung bekam:

Star Wars: The Fandom Menace

Rian Johnson wurde viel gelobt für seine mutigen Entscheidungen. Für manches an seiner Ausführung wurde er kritisiert, aber kein Film ist perfekt. Und dann zeigte das toxische Star-Wars-Fandom sein hässliches Gesicht.

Um gleich mal eins klarzustellen: Man ist nicht verpflichtet, einen Film zu mögen. Auch nicht, wenn „Star Wars“ draufsteht. Man darf diesen Film – oder einzelne Ideen daraus – schlecht oder schlecht umgesetzt finden. Alles kein Problem. Das Problem beginnt dort, wo aus Kritik Mobbing wird. Dort, wo aus „nicht mögen“ oder „hat mir nicht gefallen“ blanker Hass wird. Dort, wo man anderen verbietet, einen Film zu mögen. Wo man diesen Leuten sagt, sie seien keine „wahren Star-Wars-Fans“, wenn sie diesen Film mögen. Genau das geschah nun aber. Mit einem geradezu radikal-religiösem Eifer wurde Hass über Beteiligten an Episode VIII ausgeschüttet. Kelly Marie Tran, die Darstellerin der Rose Tyco, wurde persönlich und – da sie vietnamesischer Abstammung* ist – rassistisch beleidigt, so dass sie sich schließlich ganz aus den sozialen Medien zurückzog. Rian Johnson wurde zum Hass-Objekt, da er Star Wars „zerstört“ habe. Extrembeleidigte stellten sogar eine offizielle Petition ins Internet, die Disney und Lucasfilm dazu bringen sollte, Episode VIII aus dem offiziellen Canon zu streichen. Patrick H. Willems, ein Filmanalyst und YouTuber, brachte die absolute Sinnlosigkeit dieser Aktionen gekonnt auf den Punkt:

It’s just a series of fun kids movies about space wizards.

Patrick H. Willems

Was auch immer bei Disney vorging, ich weiß es nicht. Immerhin wurde der sinnfreien Petition nicht stattgegeben. Stattdessen arbeitete J.J. Abrams nun an Episode IX und es wurde das große Versprechen gegeben, dass diese nicht nur einen Schlusspunkt der neuen Trilogie, sondern ein großes Finale der ganzen Skywalker-Saga sein würde. Dann wurde in Trailern erstmals angedeutet, dass der Imperator – oder sein Erbe – irgendeine Rolle spielen würde. Ich selbst war ehrlich begeistert. Da ja immer wieder betont wurde, man wisse um die Bedeutung einer Episode IX, ging ich davon aus, dass das Handling passen würde. Und natürlich wäre es logisch, den Imperator in die Geschichte zu involvieren, wenn man schon ein großes Finale für die ganze Saga plante.

Der von mir bereits erwähnte Patrick H. Willems zeigte sich geradezu als Prophet, als er versuchte vorherzusagen, was die Übernahme der Führung durch Abrams bedeuten könnte. Er analysierte dazu andere Werke von Abrams auf wiederkehrende Motive. Und er war erstaunlich treffsicher.

Wenn man sich Abrams‘ Arbeiten ansieht, wird deutlich, dass er ein spezielles Interesse für Geschichten hat, in denen Figuren Probleme mit ihren Eltern haben, ganz besonders mit den Vätern.

Ben [Covington aus Abrams‘ Fernsehserie „Felicity“] hasst seinen prügelnden, alkoholkranken Vater, der nie für ihn da ist, bevor er sich mit ihm in der letzten Staffel versöhnt.

Und das andere Thema, das bei Abrams immer wieder auftaucht, ist die eigene Familie zu suchen und auszuwählen. Die letzte Szene in „Felicity“ zeigt sie [Felicity], wie sie mit der Familie, die sie sich in den letzten vier Jahren zusammengesucht hat, feiert.

Was bedeutet das für Episode IX? Weiß ich nicht. Rey keht nach Jakku zurück, aber nun beherrscht sie was von dem Jedi-Zeugs, außerdem hat sie ein paar neue Freunde im Widerstand. Kylo Ren versöhnt sich mit seinem Vater, was er nicht wirklich kann, weil der tot ist.

Als ich das Video [über „Felicity“ und Episode IX] machte, habe ich klar gesagt, dass Abrams es in anderen Geschichten immer vermeidet, einen echten Schluss zu schreiben und damit ein Bekenntnis abzugeben. Am Ende von „Felicity“ hat sie sich kaum verändert außer dass sie ein paar neue Freunde gefunden hat. Daher habe ich mir Gedanken gemacht über Star Wars und ob [Abrams] eine Geschichte schreiben kann über Veränderungen, die etwas bedeuten und einen Eindruck bei den Figuren hinterlassen.

Die Zeit ist gekommen, dass er die Karten auf den Tisch legt und endlich etwas bedeutungsvolles sagt. Nicht einfach nur „Freunde sind toll“ und „Geheimnisse machen Spaß“, sondern dass [er] ein Ende schreibt, das eine wirkliche Idee rüberbringt.

Deswegen war „Der Aufstieg Skywalkers“ ein echter „Der Kaiser ist nackt**“-Moment für mich.

Patrick H. Willems: „Cats! Michael Bay! Music Biopics! The Big Follow-Up Video

Am heutigen Star-Wars-Tag ist es nun also soweit: Episode IX kommt heraus für den Hausgebrauch, also auf DVD, auf Blu-Ray und auf Disney+. Und damit werde ich nun meine eigenen Eindrücke wiedergeben. Ich habe mich dazu entschlossen, das in mehreren Abschnitten zu tun. Erst gibt es eine kurze Abhandlung über die Handlung, dann möchte ich mir explizit ansehen, was mir gefallen hat, war ich mittelmäßig fand und was mir gar nicht gefallen hat, bevor ich das ganze abschließe. Und natürlich: ACHTUNG, SPOILER! Also dann, es war einmal vor langer Zeit, in einer Galaxis weit, weit von hier entfernt…

STAR WARS Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers – Die Handlung

Die Toten sprechen! Also, der Imperator. Er hat eine Radioübertragung an die ganze Galaxis gesendet. Kylo Ren will das Phantom des Imperators zur Strecke bringen, um selbst über die Galaxis zu herrschen. Dazu bricht er nach Mustafar auf, wo einst Vaders Zitadelle stand. Dort holt er sich einen der zwei Sith-Wegfinder, ein Navigationsgerät, das ihm den Weg zur versteckten Sith-Welt Exegol zeigt, irgendwo in den Unbekannten Regionen. Dort angekommen stellt Ren fest, dass der Imperator nicht ganz so tot ist, wie er gedacht hat. Sein vor sich hin verrottender Körper ist allerdings an ein Gestellt gefesselt, mit dem er sich einigermaßen bewegen kann. Der Imperator lässt Kylo Ren – und den verdutzten Zuschauer – wissen, dass er, Sheev Palpatine, hinter Snoke steckt. Er hat ihn erschaffen. Er war jede Stimme in Kylos Kopf, die er in den letzten Jahren gehört hat. Jetzt bietet er Ren eine Flotte aus unzähligen Sternzerstörern an, die er die „Letzte Ordnung“ nennt. Ren muss dazu lediglich Rey töten. Die ist gerade dabei, unter den wachsamen Augen von Leia ihr Jedi-Training fortzuführen, während Poe, Finn und Chewbacca ein Treffen mit einem Kontaktmann haben: In der Ersten Ordnung gib es einen Maulwurf, der den Widerstand mit Informationen versieht. So weiß nun auch der Widerstand über die Rückkehr von Palpatine Bescheid. Nun geht es darum, den zweiten Sith-Wegfinder aufzuspüren, um die Flotte des Imperators aufzuhalten, bevor sie zum Einsatz kommt…

Die drei Kategorien

Ich kann es gleich vorweg sagen, im Gegensatz zu Episode VIII hat mich das hier nicht gerade vom Hocker gehauen. Irgendwie ist der Film ein großes Durcheinander, da es zwischendrin immer wieder Dinge gibt, wo ich begeistert sagte: „Na also, es geht doch!“ Leider kommen dann immer wieder Dinge, die all das Konterkarieren. Ich habe deswegen beschlossen, hier diese Dinge, eingeteilt in drei Kategorien aufzulisten und zu erklären, warum sie für mich in der jeweiligen Kategorie gelandet sind. Los geht’s!

Was mir gefallen hat

Ja, es gab tatsächlich etwas, das mir explizit gefallen hat. Und genau deswegen ist der Film für mich so ein Durcheinander. Also:

„Die Toten sprechen.“

Tatsächlich hat der Anfang des Films mir gleich große Hoffnung gegeben. Immerhin wussten wir schon, dass Palpatine irgendwie mit der Geschichte zu tun haben wird und Abrams ist den Weg gegangen, kein großes Geheimnis daraus zu machen, das die Figuren erst im Verlauf des Films aufdecken. Damit geht er auch den klassischen Weg des „in medias res“, für den Star Wars nun mal bekannt ist. Ein sehr gelungener Einstieg.

Jedi-Heilkräfte / Erweiterung der Machtfähigkeiten

Dazu muss ich eins sagen: Ich wusste bereits, dass es Jedi-Heilkräfte gibt. Diese wurden 1987 im „Star Wars Roleplaying Game“ beschrieben und funktionieren genauso wie im Film: Ein Jedi kann Energie von sich auf jemand anderen Übertragen und damit heilen. Damit ist diese Fähigkeit auch limitiert, denn wie wir im Film sehen, kann ein solcher Transfer den Tod desjenigen bedeuten, der die Energie überträgt. Dass Rey und Ben diese Fähigkeit haben, wurde von vielen kritisiert. Interessanterweise wird dem alten Canon sonst immer nachgetrauert. Und ich möchte darauf hinweisen: nach dem allerersten Film (der heute Episode IV ist) gab es nur zwei Jedi-Fähigkeiten, nämlich die Gedankenmanipulation und dass man mit dem Lichtschwert kämpfen kann, ohne sehen zu können. Selbst das telekinetische Bewegen von Gegenständen wurde erst in Episode V eingeführt. Also kann man durchaus auch immer noch neue Machtfähigkeiten entdecken.

Rey überzeugt C3PO, sein Gedächtnis löschen zu lassen

Die Szene, in der Rey C3PO überzeugt, dass er sich der gefährlichen Behandlung von Babu Frikk unterziehen soll, ist großartig geschrieben. Rey zeigt hier, dass sie ein unglaubliches Einfühlungsvermögen hat, indem sie auf den Droiden eingeht und ihn zum Nachdenken bringt, anstatt ihm einfach zu befehlen, er solle das jetzt mit sich machen lassen. Wie ich sagte, ist das eine der Szenen, wo gutes Storywriting durchblitzt.

Der Verrat von General Hux

Hux ist also der Maulwurf in der Ersten Ordnung und auch diese Idee hat mir sehr gut gefallen. In Episode VIII und auch in diesem Film sehen wir bei mehreren Gelegenheiten, wie Kylo mit Hux umspringt. Sehr gefallen hat mir auch, dass er nicht plötzlich ein „Guter“ ist, sondern seine Motivation so egozentrisch ist, wie man es erwartet. Er will einfach nicht, dass Kylo Ren gewinnt. Wenn er den Film überlebt hätte, hätte er vielleicht sogar seine eigene Legende vom „Widerstandskämpfer im Herzen der Ersten Ordnung“ stricken können.

Leias Sterbeszene und Chewies Reaktion

Auch sehr gut gehandhabt wurde die Szene von Leias Tod und wie Chewbacca darauf reagiert. Das Wehklagen des Wookies ist einfach herzzerreißend.

Han Solos Rückkehr

Genau auf den Punkt finde ich die Szene, in der Han Solo seinem Sohn erscheint und mit ihm redet. Manche haben darüber spekuliert (bzw. sich darüber verächtlich gemacht), ob Han nun auch ein Machtgeist ist. Diese Leute muss ich fragen: Habt Ihr überhaupt zugehört? Es wird sogar sehr deutlich gesagt, alles das findet in Bens Kopf statt und zeigt, dass dieser nicht so weit auf der dunklen Seite ist, wie er selbst gedacht hat. Die Szene zeigt, dass man „Fan-Service“ auch gut schreiben kann.

Der letzte Kampf und die Lichtschwertübergabe von Rey an Ben

Die letzte Konfrontation zwischen Rey und Ben auf der einen und dem Imperator auf der anderen Seite zieht sich an manchen Stellen etwas in die Länge, hat aber wiederum ihre gute Momente. Die Lichtschwertübergabe durch „Machtteleportation“ von Rey an Ben fand ich raffiniert und die Möglichkeiten, die vorher bereits etabliert wurden, konsequent ausgenutzt.

Was ich für verschwendetes Potential hielt

Zwischen der dunklen und der hellen Seite der Kritik gibt es auch eine Mitte. Es gab nämlich ein paar Dinge, die ich eigentlich nicht schlecht fand, die ich aber für nicht gut genug eingesetzt hielt. Also nach dem Motto: „Da hätte man mehr draus machen können…“

Mustafar

Der Planet, auf dem Kylo Ren den ersten Sith-Wegfinder entdeckt, ist – und das wurde auch offiziell bestätigt – Mustafar. Aber das erfährt man nicht genau im Film, da sich die Oberfläche von Mustafar verändert hat (da gibt es tatsächlich auch eine Geschichte dazu). Dabei könnte ich mir vorstellen, dass der Planet gerade für Kylo ein besonderer Ort sein muss. Das ist der Planet, auf dem Vaders Zitadelle stand! Stattdessen hetzt Abrams durch die Ereignisse, Kylo bringt ein paar Leute um, bringt den Wegfinder an sich und wusch! Ist er unterwegs nach Exegol.

Die desertierten Sturmtruppler

Auf Endor tauchen auf einmal desertierte Sturmtruppler auf. Die Idee an sich fand ich ja gar nicht schlecht, aber erstens wird sich sehr auf eine Figur (Jannah) konzentriert, und zweitens sind sie auch bei der letzten Schlacht einfach nur Beiwerk. In einem Script von Colin Trevorrow, das mittlerweile veröffentlicht wurde, hat dieser einen Aufstand der Sturmtruppen gegen die Erste Ordnung beschrieben, hier hätte man das Potential der Deserteure viel besser verwenden können.

Die Stimmen der Jedi

Es ist ja ganz nett, dass man irgendwie alle Jedi aus allen Episoden nochmal zusammenbringen wollte, aber warum nur als Stimmen? Wenigstens ein Cameo hätte ihnen doch vergönnt sein dürfen.

Palpatines Ende

Dieser Punkt hätte es fast auf die positive Seite geschafft, diese Szene leidet aber leider an etwas, das man in Episode VII bei Abrams schon gesehen hat: Es wird etwas gezeigt, dem etwas mehr Kontext gut getan hätte, aber der fehlt einfach. Bei Episode VII war es zum Beispiel die Neue Republik. Abrams hat sich das Genörgel der Fans um endlose politische Debatten in Episode I*** zu sehr zu Herzen genommen und zeigt uns nun gar nichts aus der politischen Situation. Bei Palpatines Ende habe ich oft die Kritik gehört, dass es total unlogisch ist, warum er von Rey getötet werden kann, obwohl er vorher doch gesagt hat, dass sein Geist dann auf Rey überspringt. Nein, es gibt sogar eine Erklärung, aber offenbar wird die gern übersehen. Palpatine regeneriert sich selbst durch die Energie, die er Ben und Rey entzieht. Das macht die ganze Sache mit „mein Geist springt in Deinen Körper über“ unnötig und das ist Palpatine wahrscheinlich lieber, als in einem fremden Körper leben zu müssen. Allerdings macht ihn das auch verwundbar. Und so kann Rey ihn vernichten. Nehmen wir diese Szene für diese Kritik auch stellvertretend für manche Szene, der etwas mehr Kontext gut getan hätte.

Was mir nicht gefallen hat

Und damit willkommen auf der dunklen Seite der Kritik. Leider hatte ich tatsächlich einiges an dem Film, das mir nicht zusagte.

Palpatine ist zurück

Ja, ich war gespannt, was passieren würde, als ich mitbekam, dass Palpatine irgendeine Rolle spielen würde. Gleichzeitig hoffte ich aber, dass man nicht dem „Dark Empire“-Erzählungsstrang aus dem alten „Expanded Universe“ folgen würde, in welchem Palpatine als Klon zurückkehrt. Und zack! Genau das ist passiert. Wenn es irgendeine Intrige gewesen wäre, die über den Tod des Imperators hinaus wirksam ist, oder ein fanatischer Anhänger des Imperators oder auch wenn Palpatine als Sith-Spuk die Trümmer des Todessterns heimsucht, alles das hätte mir besser gefallen als diese Lösung. Noch dazu, da weder in Episode VII noch in Episode VIII auch nur irgendeine Andeutung gemacht wurde, dass er zurückkehren könnte. Sein Auftreten wirkt und seine Erklärung, er stecke hinter Snoke ist irgendwie halbgar und unausgegoren.

Die völlige Arroganz gegenüber Rose Tyco

Da gibt es nichts zu beschönigen: Die Hater haben gewonnen. Sie haben ihren Hass über der Figur Rose Tyco und der Schauspielerin Kelly Marie Tran ausgekübelt und wurden dafür belohnt. Abrams hat Rose aus einem Großteil des Films rausgeschrieben und sich dabei nicht einmal die Mühe gemacht, einen plausiblen Grund für ihr Fernbleiben auszudenken. Stattdessen wurden gleich mehrer neue Charaktere einführt, die man sich hätte sparen können. Rose hätte statt dieses Ich-bin-in-zwei-Szenen-Wurmwesens am Anfang an Bord des Falken sein können (ernsthaft: Wie kann dieses Lebewesen Mechaniker sein?), sie hätte Dominik Monaghans Dialog übernehmen können… die Möglichkeiten wären da gewesen. Abrams hat sich dagegen entschieden.

Chewbaccas Tod und seine Auferstehung

Okay, gleich vorneweg, ich will mit diesem Abschnitt nicht sagen, dass Chewie hätte unbedingt sterben müssen in diesem Film. Es geht mir lediglich darum, wie Abrams davor kneift, dass Taten Konsequenzen haben. Entweder, ich entschließe mich dazu, diesem Film eine tragische Note zu verleihen, indem ich eine beliebte Figur sterben lasse, dann muss ich aber auch die Konsequenzen tragen und es durchziehen. Oder wenn ich mich schon rauswinden will, dann lasse ich das Publikum nicht eine Szene später bereits wissen, dass Chewie noch lebt. Wenn wir es zusammen mit Rey erfahren, ist das viel gehaltvoller. Aber ja, hier sieht man sehr deutlich das, was Patrick Willems gesagt, Abrams weicht echten Konsequenzen, die echte Veränderungen bei den Figuren verusachen, gern aus.

Die Ritter von Ren

Die Ritter von Ren haben eine Bedeutung. Schätze ich mal. Sind irgendwie wichtig. Schade nur, dass wir nie erfahren, warum. Und das ist das Problem, das ich mit ihnen habe, sie tauchen in ein paar Szenen auf und werden durch das In-Szene-Setzen bedrohlich dargestellt, es wird aber wieder einmal kein Kontext geliefert. Unter den finsteren Helmen könnten auch Graham Chapman, Terry Jones, John Cleese, Eric Idle und Terry Gilliam**** stecken, die im Schatten Kokosnussschalen hervorziehen und sich klappernd durch die Szenerie bewegen, als würden sie auf Pferden sitzen, während sie darüber diskutieren, wie schnell wohl eine unbeladene Schwalbe fliegt. Die Ritter von Ren wurden in Episode VII aufgebaut, hier machen sie ihren Abgang – und dazwischen ist nichts.

Poes Vergangenheit als Schmuggler

Nichts zeigt deutlicher, dass Abrams verdammt viel Handlungsspielraum gekriegt hat, als die Entscheidung, aus Poe, der in Episode VII wie ein Han-Solo-Abbild wirkte, nun einen vollen Han-Solo-Ersatz zu stricken. Denn diese kriminelle Vergangenheit widerspricht dem, was bis zu dem Zeitpunkt über Poes Vergangenheit im neuen Expanded Universe erzählt wurde. Es ist nicht sonderlich originell und war bisher vermieden worden, ich vermute mal, um genau solchen Vorwürfen, er sei ja eh nur „Han Solo in jung“ entgegen zu wirken. Tja, das hat sich damit auch erledigt. Eigentlich gibt es eine so genannte Storygroup bei Lucasfilm, deren Aufgabe es ist, darüber zu wachen, dass solche Widersprüche nicht passieren. In dem Fall begnügte man sich mit der Aufgabe, den Widerspruch irgendwie in Poes Lebenslauf reinzuschustern.

Rey ist Palpatines Enkelin

Auch hier eine Klarstellung, es geht mir nicht um die Diskussion, ob eine Frau sich mit „Pruneface“ Palpatine einlassen würde. Im alten Expanded Universe wurde die Aussage getroffen, dass der Imperator Konkubinen hatte, eine davon könnte also durchaus – vielleicht auch zwangsweise – seinen Nachwuchs tragen. Es geht mir darum, dass Abrams hier Johnsons Beitrag einfach wegwischt und eine der Aussagen von Episode VIII relativiert. Dort ging es nämlich darum, dass es egal ist, aus welcher Familie man stammt, jeder kann Großes vollbringen. Auch wenn man eben nicht von Anakin Skywalker abstammt. Es war eine starke Aussage, dass Reys Eltern „niemand“ sind, denn damit wurde klar, dass man sich nicht über die Abstammung zu definieren braucht.

Hier hat Rian Johnson auch ordentlich Feuer gekriegt, interessanterweise ausgerechnet auch von Amerikanern. Eine solche „Erbliniengläubigkeit“, wie ich es mal nennen möchte, hätte ich eigentlich eher in einer Kultur vermutet, die, so wie wir hier in Europa, ständig mit Nachrichten und Nichtigkeiten aus so genannten „Adelshäusern“ bombardiert wird. Damit wird einem ja schon von Kindesbeinen eingeimpft, dass die Adeligen irgendwas besonderes sein müssen, für das sich das „gemeine Volk“ zu interessieren habe. In den USA ist es ja eher die Kultur des „jeder kann alles werden“. Wie dem auch sei, Abrams hat den Ruf der geplagten Nerds gehört und Rey eine echte Blutlinie verpasst. Von diesem Moment an, da das im Film ausgesprochen wurde, habe ich gehofft, dass es nicht stimmt. „Der Imperator lügt“, habe ich mir gesagt, „natürlich lügt er, er ist der Imperator, der Manipulator, der Strippenzieher.“ Leider war das nicht der Fall.

Die unschlüssige Astronomie von Endor

Vielleicht bin das auch nur ich, aber kann es sein, dass die Gestalt des Systems, in welchem Endor liegt, völlig durcheinander geraten ist? In Episode VI wird gesagt, Endor sei ein Mond, es wird sogar ein Planet namens Sanktuarium ins Spiel gebracht, den Endor umkreist – und jetzt hat Endor selbst einen Mond? Zumindest, wenn man Episode IX glaubt, denn unsere Helden reisen nach Kef Bir, einem Endor-Mond.

Rey und der Skimmer

Ich bin ja bereit, viel mitzumachen, letztlich handelt es sich ja nur um „Kinderfilme über Weltraumzauberer“, aber so ein bisschen Logik wäre schon nicht auch schlecht… Kaum sind unsere Helden auf dem Sanktuarium-Mond-Mond Kef Bir angekommen, macht Rey sich unbeliebt, indem sie den rebellischen Ex-Sturmtrupplern einen Skimmer stiehlt, um damit zu den Trümmern des Todessterns zu fahren, die im Wasser liegen. Bei dem Skimmer handelt es sich um eine Art mechanischen Katamaran, der über eine Zahnradmechanik gesteuert wird. Kann mir jemand erklären, wie Rey weiß, wie man mit sowas umgeht? Okay, Raumschiffe steuern, das hat sie drauf, weil sie es schon gemacht hat, aber sowas? Ich kann Autofahren. Das habe ich mal gelernt. Und ich war mal auf einem Segelboot unterwegs und wäre trotzdem verloren, müsste ich so ein Ding allein steuern.

Jeder Sternzerstörer ist ein eigener Todesstern

Da haben sich die Leute über das Holdo-Manöver aus Episode VII aufgeregt, und jetzt… Jeder der hunderttausend (oder mehr) Sternzerstörer, die der Imperator heimlich hat bauen lassen (noch so’n Ding), hat Todessterntechnologie an Bord und kann Planeten zerstören. Also, wenn das Holdo-Manöver dazu führt, dass sich fortan Piloten des Widerstands mit Freude als Kamikaze-Piloten betätigen und große Schiffe des Widerstands in Schiffe der Ersten Ordnung rammen, was hindert eigentlich irgendjemand daran, neue Sternzerstörer mit großer Wumme zu bauen? Dieser Handlungspunkt schreit „ich habe keine neuen Ideen“ so deutlich wie nochmal was.

Die Sith-Loyalisten

Ja, offenbar sind die Typen in den Roben, die auf Exegol herumhängen, Sith-Loyalisten. Fast schon Abrams-typisch erfahren wir keinen Kontext. Wer sind sie? Wo kamen sie her? Wo gehen sie hin? Was machen sie beruflich? Haben sie Hobbies? Gibt es weibliche Sith-Loyalisten, die Single sind? Wichtige Fragen, die nicht geklärt werden, macht aber nix, sind am Ende vom Film eh tot. Das mag zynisch klingen. Ist auch so gemeint.

Kylo Rens Erlösung

Kylo Ren macht also die gleiche Wandlung durch wie einst Vader. Nun habe ich geschrieben, dass mir die Szene, in der Ben sich mit der Vision seines Vaters unterhält, für sehr gut halte. Das halte ich auch weiterhin, die Szene ist verdammt gut geschrieben und erfüllt ihren Zweck. Das Problem ist der Handlungsbogen, den sie vorantreibt. Es wäre mal etwas neues gewesen, wenn wir gesehen hätten, wie Kylo Ren seinen eigenen Untergang betreibt und eben nicht erlöst wird.

Der Kuss

Herzlich willkommen in unserer Kategorie mit dem Titel „Wo zum Teufel kommt denn jetzt das her?“ Leute haben sich über den Kuss von Rose beschwert, den sie Finn am Ende von Episode VII gab, aber die beiden haben zumindest einige Zeit verbracht und dabei extreme Dinge erlebt. Sie hatten Zeit, eine Verbindung aufzunehmen. Auch wenn diese vielleicht nur einseitig von Rose kommt. Aber zwischen Ben und Rey? Da gab es nichts. Alle Interaktionen zwischen den beiden liefen eigentlich nur darauf raus, dass Kylo Rey „haben“ wollte, um die Galaxis zu beherrschen.

„Ich bin Rey Skywalker.“

Und der zweite Eintrag zum Thema „Wo zum Teufel kommt denn jetzt das her?“ Ja, wie Patrick Willems festgestellt hat, spielt es voll in Abrams Vorlieben in Bezug auf „ich wähle meine eigene Familie“ rein, aber ansonsten? Es passt einfach nicht und hat kein Gewicht für die Geschichte. Das ist ungefähr so, als würde Rotkäppchen am Ende von dem Märchen den bösen Wolf heiraten, da würde man auch sagen „wo kommt denn jetzt das her?“

All die unbeantworteten Fragen

Von einem Film, der nicht nur ein Finale für die Sequel-Trilogie, sondern auch für die gesamte Skywalker-Saga ist, hätte ich erwartet, dass ein paar mehr Fragen beantwortet werden. Die Liste ließe sich bestimmt fortsetzen, hier nur ein paar Beispiele:

  • Wo ist nun Lukes Lichtschwert hergekommen, das er in Bespin (Episode V) verloren hat?
  • Wie genau war das nun mit Snoke und dem Imperator?
  • Was ist zwischen Rose und Finn? Das hätte zumindest eine kurze Erklärung verdient, aber Abrams hat Rose ja lieber ignoriert.
  • Was wollte Finn Rey sagen, als sie im Treibsand versanken? Da wird ein Storyelement aufgebaut und kurz darauf wieder fallengelassen, und man hört nie wieder davon.
  • Was ist der „Aufstieg Skywalkers“? Und falls das mit Reys „Ich bin Rey Skywalker“ zusammenhängt: Inwiefern ist das ein Aufstieg? Wohin?

Conclusio

Wer zählen kann, der wird feststellen, dass ich wesentlich mehr negative als positive / neutrale Punkte aufgezählt habe. Finde ich den Film also schlecht? Nein, nicht unbedingt. Das meine ich mit dem Durcheinander. Es gibt tatsächlich Filme, die habe ich einmal gesehen und dann befunden, dass ich sie mir nie wieder anschauen muss. Hier geht mir das nicht so. Abrams schafft es schon, den „Geist“ von Star Wars einzufangen, so ist es nicht. Aber dann hört es auf. Ein Großteil ist dem von Patrick Willems beklagten Fehlen eines großen Themas zu verdanken. Wir haben nur diese vage Andeutung von „wenn Du mit Deiner Familie nicht klarkommst, suche Dir eine neue“, leider ist aber auch das Thema nicht konsistent.

Das erwartete epische Finale der Skywalker-Saga ist leider nur ein „Film zum halt mal anschauen“, mehr nicht. Aber es ist kein Grund, Abrams mit Hass zu überschütten oder Disney per Petition zu zwingen, Episode IX neu zu verfilmen. Ich bin stattdessen gespannt auf das, was noch kommt. Ich bereue es nicht, diesen Film gesehen zu haben und habe mir tatsächlich auch die Blu Ray gekauft. Allerdings habe ich diesen Film – im Gegensatz zu den anderen und vor allem im Gegensatz zu „Die letzten Jedi“ – im Kino nur einmal gesehen.

Appendix: Was ich anders machen würde

Ich werde ab und zu mal gefragt, was ich anders gemacht hätte, wenn mit ein Film oder Elemente daraus nicht gefallen. Ich dachte mir, ich hänge hier mal ein paar Gedanken zu Episode IX an, möchte allerdings betonen, dass es wirklich nur Gedanken und Ideen sind. Ich möchte meine Energie nicht darauf verschwenden, mir den Plot einer Geschichte auszudenken, mit dem ich dann nichts anfangen kann. Ich möchte die Energie lieber für eigene Projekte verwenden.

Also:

  • Wenn diese Episode ein großes Finale sein soll, hätte ich mehr Orte auch aus der Prequel-Trilogie mit eingebracht. Warum waren unsere Helden eigentlich nicht auf Naboo? Immerhin ist das der Geburtsort von Palpatine.
  • Ich hätte den Imperator nicht zurückkehren lassen, allenfalls – wie schon beschrieben – als Sith-Spuk, der die Trümmer des Todessterns heimsucht. Vielleicht hätte man einen Plot schreiben können, in dem Kultisten versuchen, den Imperator wieder auferstehen zu lassen und man sie daran hindern muss.
  • Wenn Palpatine schon unbedingt zurückkehren muss, hätte ich Rey nicht zu seiner Enkelin gemacht. Alles das hätte eine Lüge sein können, die Palpatine erzählt, um Reys Schwächen auszunutzen.
  • Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, dass Palpatine selber betrogen worden wäre, dass die Konkubine, die er für seine Nachkommenschaft „auserwählt“ hat, nicht das Kind des Imperators tragen wollte. In dem Fall hätte Rey Palpatine vernichten können, weil er nicht in sie übergehen kann, hätte das aber natürlich zu spät festgestellt.

Ja, hätte, hätte, Fahrradkette. Nun ist es anders gekommen.

„STAR WARS Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers“ ist ab heute, anlässlich des STAR-WARS-Tags zu erhalten. Falls jemand den Film kaufen möchte, geht das zum Beispiel über folgende Werbung:


*= Wohlgemerkt: Kelly Marie Tran ist vietnamesischer Abstammung, sie ist in den USA geboren.

**= Der Witz wirkt im Original besser, da Kaiser auf Englisch „Emperor“ heißt.

***= Und ja, es war Genörgel. Weiß jemand, wie lang die „endlosen Debatten“ in Episode I sind? Ich kann es Euch sagen, es sind nicht einmal fünf Minuten! Man hält also nicht einmal fünf Minuten aus, weil Politik ist „laaaaangweilig“. Kein Wunder, dass Trump in den USA Präsident werden konnte!

****= Für diejenigen, die das nicht verstehen (hallo, Ihr zwei!): Das sind die Mitglieder der britischen Comedytruppe „Monty Python“.