Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Epilog Teil 2

Worin noch ein paar Gedanken nachgeliefert werden, die es vielleicht würdig sind, dass sie gedacht werden.

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Hatte ich nicht gesagt, die Geschichte „Der Name der Rose“ ist vorbei, basta, aus, Amen und so weiter? Ja, richtig, das hatte ich. Seither ist ein bisschen Zeit vergangen und während ich Planungen für die Zukunft vom Phantastischen Projekt machte, kamen mir gleichzeitig noch ein paar Gedanken, die ich nachverfolgte und mir Notizen machte. Irgendwann nahmen die Notizen ein paar Seiten ein und da mir die Situation in den USA – um es mal vorsichtig auszudrücken – nicht geheuer ist, vor allem, da der religiöse Radikalismus auch schon zu uns rübergeschwappt ist, gerade rüberschwappt und auch weiterhin rüberschwappen wird – man danke nur daran, dass der Vorsitzende der CDU, Friedrich Merz, sich mit einem evangelikalen Radikalen treffen wollte oder dass Armin Laschet einen Berater hat, der durch extrem-religiöse Einstellungen aufgefallen ist -, wollte ich auch diese Gedanken noch niederschreiben. Und bevor der Kritikpunkt kommt: Ja, es ist mir klar, dass ich mit den Einlassungen hier keinen einzigen religiös-radikal veranlagten Menschen überzeugen werde. Ich möchte für diejenigen, die sich ehrlich informieren wollen, ein paar Denkansätze liefern, die vielleicht zu weiterem Nachdenken führen. Vor allem darüber, was gerade passiert im Hinblick auf Religion, beziehungsweise, was eigentlich schon immer passiert ist. Dazu schlagen wir jetzt die Brücke zurück zu Umberto Ecos „Der Name der Rose“.

Einer der Handlungsstränge von „Der Name der Rose“ ist die Debatte, die die päpstliche Delegation mit den Vertretern des Franziskaner-Ordens führen will über die Armut von Jesus Christus. Die Debatte wird dabei heruntergebrochen auf die Frage, ob die Kleider, die Jesus trug, sein Eigentum waren. Interessant ist dabei, dass Vertreter der Kirche eigentlich schon immer anfingen, solche Debatten zu führen, wie man die Bibel und das Wort von Jesus auszulegen habe, wenn sie opportun waren und ihnen in den Kram passte. Für den ganzen Rest hieß es nämlich, man habe die Bibel gefälligst wörtlich zu nehmen. Im Lauf der Jahrtausende sind dabei dann ein paar Interpretationen herausgekommen, die – wenn man es genau nimmt – das genaue Gegenteil von dem aussagen, was eigentlich in den Texten steht. Und mit diesen Interpretationen kämpfen wir heute.

Zweitens ist interessant, dass hier eine Debatte darüber geführt wird, ob Jesus eigene Kleider oder – Gott (haha) bewahre! – gar einen Geldbeutel besaß, während das Thema, um das es eigentlich geht, dadurch geschickt maskiert wird: Soll die Kirche arm sein? Ist diese Institution ein gutes, christliches Vorbild, wenn sie Ländereien und andere Reichtümer anhäuft, Kirchengebäude und Altäre mit Gold verziert und ihre hohen Vertreter in die besten Stoffe kleidet? Wenn man den historischen Kontext der Debatte verfolgt, die es im 14. Jahrhundert wirklich gegeben hat, stellt man fest, dass die „offizielle“ Kirche die Ideen von der Armut der Kirche, die etwa die Franziskaner verfolgten, als geradezu blasphemisch ansah. Was ist da schiefgegangen? Eigentlich muss man fatalerweise sagen, fügt sich diese Diskussion und Interpretation nahtlos ein in eine Reihe von – sagen wir mal – kreativen Interpretationen der Botschaft von Jesus. Die Debatte um die Armut Christi war nicht die erste und nicht die letzte, die geführt wurde. Wir im 21. Jahrhundert stehen nur am bedauerlichen und vorläufigen kumulativen Endpunkt dieser ganzen Debatten. Fast jedes Mal gilt dabei das, was William von Baskerville in Ecos Geschichte ausdrückt: Zwischen religiöser Ekstase und Wahn ist oft nur ein kleiner Schritt.

Beginnen wir mal mit der Entstehung der christlichen Kirche. Dazu muss ich ein Bild hervorholen, dass manchen vielleicht überraschen wird, nämlich die Sequenz aus dem Film „Das Leben des Brian“ der britischen Komikertruppe Monty Python, in der Brian sich auf der Flucht vor den Römern auf einem baufälligen Balkon versteckt. Der Balkon bricht herunter und Brian landet mitten in einer Versammlung von „Messiassen“, die alle ihre – mehr oder weniger – frohe Botschaft verkünden. Das Bild ist tatsächlich korrekt, zu der Zeit wurde die Region des heutigen Israel vom Römischen Imperium beherrscht und viele Menschen dort, die jüdischen Glaubens waren, hielten das für die Endzeit. Doch mit der Endzeit sollte auch der Messias erscheinen. Deswegen kam es zu einer wahren „Messias-Schwemme“ in der Region, viele versuchten sich als religiöse Führer, die das baldige Kommen des Königreichs Gottes verkündeten. In dieser Runde landet also der arme Brian, der Sohn einer einfachen Frau aus Jerusalem und eines Offiziers der römischen Garnison. Alle sehen ihn erwartungsvoll an. Als er zunächst schweigt, weil er nicht weiß, was er tun soll, werden die römischen Wachen misstrauisch. Brian muss also so tun, als sei er einer der Messiasse, der ebenfalls irgendeine Botschaft zu verkünden hat, um nicht aufzufallen.

Zu seinem Glück war er kurz zuvor bei der Bergpredigt von diesem gewissen Jesus anwesend und fängt an, einzelne Teile, die er dort aufgeschnappt hat, wiederzugeben. Doch statt ihm einfach zuzuhören, fangen die anwesenden Bürger an, mit ihm zu diskutieren: Wie war denn dies gemeint, wie war das gemeint? Behauptest Du etwa, die Vögel seien Bettler? Und so weiter. Als sich dann die römische Patrouille nähert, die gezielt auf der Suche nach Brian ist, fängt dieser an, ein Konglomerat an Zitaten, die er irgendwie aufgeschnappt hat, wiederzugeben.

…selig sind die… die ihres Nächsten Rind bekehren… denn sie werden schwerreich und sie sitzen… und sie allein werden dereinst… und nur sie… empfangen… dereinst… wird ihnen… gegeben werden.

Monty Python: „Das Leben Brians“ – Drehbuch – deutsche Übersetzung, erschienen 1992 im Haffmanns Verlag Zürich

Als er erkennt, dass die Römer ihn nicht bemerkt haben und weitermarschieren, beendet er seine Predigt erleichtert ohne zu erkennen, dass er ausgerechnet mit diesen Sätzen nun endlich die Aufmerksamkeit seines Publikums erregt hat. Als er von der Mauer, auf der er gestanden ist, heruntersteigt, wird er gefragt, was denn den Menschen gegeben werden wird, von denen er gerade gesprochen hat. Als Brian abwinkt, wird die Menge zudringlich und verlangt zu wissen, worum es geht. Ein Geheimnis? Etwa das Geheimnis des ewigen Lebens? Die Aufmerksamkeit, die er damit auf sich zieht, ist das Letzte, was er gerade braucht, also flüchtet er. Auf dem Weg aus der Stadt heraus stolpert er und verliert eine Sandale. Er hält sich allerdings nicht damit auf, diese aufzuheben, sondern rennt weiter.

Als seine Verfolger bei der Sandale ankommen, erleben wir, wie es ein Historiker formulierte, „die Geschichte aller Religionen in zwei Minuten“. Erstens kommt eine Figur dazu, die im Drehbuch „Dennis“ genannt wird. Dennis saß neben Brian auf der Mauer, als jener seine Predigt hielt. Brian hatte eine Kürbisflasche bei sich, deren Eigentümer er auf abenteuerliche und umständliche Weise geworden war, obwohl er sie eigentlich nicht wollte. Da Dennis die Kürbisflasche gefiel, schenkte Brian ihm diese. Dennis war misstrauisch – was stimmt nicht mit der Flasche, wenn sie einfach hergeschenkt wird? Eine Frau aus der Menge nimmt die Flasche nun in Empfang und verkündet verzückt, die Menschen werden von nun an die Flasche des Meisters tragen.

Zweitens stürzen sich die Menschen auf Brians Sandale und verkünden, dies sei ein Zeichen! Sofort bricht allerdings ein Streit aus, ob es sich dabei um einen Schuh oder eine Sandale handele und was dieses Zeichen bedeute, sollen alle die Schuhe ausziehen, oder sie sammeln… oder was? Es bilden sich drei Fraktionen heraus: die Gläubigen der Kürbisflasche, die Gläubigen des Schuhs und die Gläubigen der Sandale.

Damit ist das ganze aber noch nicht beendet. Brian flüchtet weiter und kommt auf einer Anhöhe an, wo ein Eremit in einem Loch sitzt. Der Eremit hat ein Schweigegelübde abgelegt, doch als Brian ihm aus Versehen auf den Fuß tritt, schreit er auf vor Schmerzen. Sein Schweigegelübde ist hinfällig und die Menge wird auf die beiden aufmerksam. Es passieren nun eine Reihe von Ereignissen, die Brians Verfolger als Wunder missinterpretieren und die ihre Verehrung für den angeblichen Messias nur steigert. Als dann der Eremit Brian wütend angreift – wegen des Schweigegelübdes und ein paar anderen Dingen -, wird er als Ketzer bezeichnet und von der aufgebrachten Menge davongetragen. Was mit ihm passiert, sehen wir nicht, aber da alle laut rufen, dass der Ketzer getötet werden muss, können wir uns das vorstellen.

Wir sehen in dieser Sequenz also ein paar Merkmale, die wir auch bei der christlichen Religion erkennen können, zusammengerafft auf ein paar Minuten:

  1. Die simplen Botschaften am Anfang werden von der Menge auseinandergenommen und diskutiert.
  2. Die eher vagen bis chaotischen Botschaften am Ende erhalten besondere Aufmerksamkeit, da hier jeder reinprojizieren kann, was er oder sie will.
  3. Die kryptischen Botschaften führen zu einer Verklärung des Meisters.
  4. Alltägliche Handlungen und Gegenstände (Flasche, Schuh) werden mit symbolischer Bedeutung aufgeladen.
  5. Sektenbildung, da sich nicht alle Anhänger auf eine Interpretation einigen können.
  6. Der Sektenbildung zum Trotz: Wer den – vermeintlich – wahren Messias nicht anerkennt, ist ein Ketzer und wird getötet.

Das entstehende Christentum hatte eigentlich von Anfang an den Bedarf, die Überlieferungen neu zu interpretieren. Im Kern handelt es sich dabei eigentlich um eine jüdische Endzeitsekte, die die Wiederkehr Jesu nach seiner Kreuzigung und damit das Kommen des Gottesreiches innerhalb der Lebenszeit der direkten Anhänger oder weniger Generationen danach erwartete. An dieser Stelle muss ich an eine alte Religionslehrerin von mir denken, die uns Kindern damals das Judentum erklären wollte, indem sie auf die Erweiterung des Liedes „Advent, Advent, ein Lichtlein brennt“ einging. In dem Lied geht es ja eigentlich darum, dass „erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier“ Lichter auf dem Adventskranz brennen, bevor „das Christkind vor der Tür“ steht. Ergänzt wurde das von Kindern gern um dem Nachsatz: „Und wenn das fünfte Lichtlein brennt, dann hast Du Weihnachten verpennt.“ Meine damalige Religionslehrerin erzählte, genau das seien die Juden, die hätten „Weihnachten verpennt“ und die Ankunft des Messias nicht mitbekommen, deswegen würden sie immer noch auf ihn warten.

Die Aussage meiner damaligen Religionslehrerin sollte also die jüdischen Mitmenschen beschämen. Mit der Kenntnis, die ich heute habe, muss ich allerdings fragen: Ist es nicht genauso peinlich – oder noch peinlicher – dass die Endzeitsekte der Christen das Datum des Weltuntergangs immer weiter nach hinten verschieben musste und seit quasi 2.000 Jahren darauf wartet, dass es endlich passiert? Tatsächlich ist das der Grund, warum die „Offenbarung des Johannes“, die so genannte „Apokalypse“, die ja das Ende der Welt und das Kommen des Königreiches Gottes vorwegnimmt, so viele Anspielungen auf damalige historische Ereignisse und Persönlichkeiten enthält. Es gab einen Grund, warum man in der Bestie, deren Nummer 666 sei, die römischen Kaiser reflektiert sah, die die ersten Christen verfolgten oder warum Rom mit Babylon gleichgesetzt wurde. Das Werk entstand vermutlich irgendwann zwischen dem Jahr 60 und 70 nach der Zeitrechnung und gibt ein Bild vom Zustand der damaligen Welt und der ersten christlichen Gemeinden wieder. Über die Interpretation für die Moderne sagt beispielsweise Friedrich Engels, die Prophezeiungen der Offenbarung hätten

jetzt jegliche Bedeutung verloren, ausgenommen für einfältige Personen, die noch immer versuchen mögen, den Tag des letzten Gerichts auszurechnen. Jedoch als authentisches Bild eines beinah primitiven Christentums, von einem der ihren gezeichnet, ist das Buch mehr wert als alle übrigen Bücher des Neuen Testaments zusammengenommen.

Friedrich Engels: Das Buch der Offenbarung. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Berlin: Karl Dietz Verlag, 51975; Bd. 21, S. 9–15.

Wenn wir uns erinnern, geht auch Umberto Eco auf dieses Problem in „Der Name der Rose“ ein. Nachdem also zu den Lebzeiten der ersten Christengenerationen kein „Weltengericht“ eintrat, kam auf einmal die Zahl „tausend“ auf, abgeleitet vom „tausendjährigen Reich Gottes“, das in der Apokalypse erwähnt wird. Nur wurden nun die tausend Jahre herumgeschoben auf eine Zeit vor dem Gericht. Wahlweise sollte die Endzeit also tausend Jahre nach der Geburt Jesu, tausend Jahre nach seiner Auferstehung (also ungefähr im Jahr 1033) oder – wie Jorge von Burgos meint – tausend Jahre nach dem ersten kirchlichen Konzil von Nicäa (abgehalten im Jahr 325, was die Ereignisse von „Der Name der Rose“ wirklich in die Nähe eines „apokalyptischen Datums“ rücken würde) stattfinden. Als das Jahr 2000 nach der Zeitrechnung sich näherte, kamen solche Gedanken nochmal besonders in fundamentalistischen Kirchen auf, aber wie wir festgestellt haben, wurde das Ende wieder einmal vertagt.

Handelte es sich bei der Apokalypse „nur“ um die Interpretation der Worte eines Propheten, so wurde es für die Kirche richtig schwierig, wenn es um die überlieferten Worte Jesu direkt ging. Während der ersten tausend Jahre verbreitete sich der christliche Glaube in Europa, stieß dort aber bisweilen auf ziemlich kriegerische Kulturen, die mit dem Gebot der Friedfertigkeit, dass man nicht töten solle und vor allem, wenn man auf die eine Wange geschlagen werde, auch noch die andere hinhalten sollte, so ihre Schwierigkeiten hatten. Jesus hatte in der Bergpredigt sehr eindeutig klar gemacht, dass das simple Gebot „Du sollst nicht töten“ nicht weit genug ging. Auch wenn man Zorn gegen jemand oder mordlüsterne Gedanken hegte, hatte man bereits gesündigt. Prekär wurde es, als Papst Urban II. im Jahr 1095 ein Hilfeersuchen des Kaisers von Konstantinopel, Alexios I. erhielt. Alexios wollte militärische Unterstützung gegen die Seldschuken haben, die in sein Gebiet eindrangen. Urban sah das als Chance, das im Jahr 637 von den Arabern eingenommene Jerusalem zurückzuerobern. Doch ein Kriegszug von Christen, wie sollte sich das mit der von Jesus propagierten Gewaltlosigkeit in Übereinstimmung bringen lassen?

Kirchliche Gelehrte hatten die Lösung: Jesus, so verkündeten sie, sei missverstanden worden. Jemanden zu töten sei eine Sünde, das ist richtig, aber nur, wenn ein Christ einen anderen Christen tötete. Da es sich beim Feind aber um „gottlose Heiden“ handelte, war das Töten nicht nur keine Sünde, sondern sogar Pflicht, mit der man sich den eigenen Fensterplatz im Himmel sicherte. Diese Auslegung, man sollte besser sagen, diese Verdrehung der Bergpredigt, schuf einen gefährlichen Präzedenzfall, dem mehrere so genannte „Kreuzzüge“ folgten. Und als beispielsweise 1618 der Dreißigjährige Krieg ausbrach, in dem ja katholische Christen gegen protestantische Christen kämpften, wurde in der Kirche nicht darüber philosophiert, ob Jesus das gutheißen würde. Es wurde gekämpft, es war einfach so und es blieb so. Bis heute, wo es ja sogar Ikonographien von Jesus gibt, der eine Maschinenpistole in der Hand hält.

Die Wurzeln des Dreißigjährigen Kriegs sind vielfältig, ein Faktor war aber eben die Konfrontation zwischen den Katholiken und den Anhängern der so genannten „reformierten Kirche“. Der Grund für die Reformation waren mal wieder eine eigenwillige Auslegungen der biblischen Schriften, teilweise über Jahrhunderte. Es steht geschrieben, so sagten die Gelehrten der katholischen Kirche, dass man sich kein Bild von Gott machen sollte. Aber dass man sich kein Bild von Heiligen, den Aposteln oder Jesus machen sollte, das stand da nicht; auch war die Verehrung von Überresten der Heiligen, also Reliquien, nicht verboten worden. Das hatte groteske Züge angenommen, große Geldbeträge, die man nach Ansicht der Reformatoren auch für die Armen hätte verwenden können, wurden dafür ausgegeben, um teure Gemälde und Statuen anfertigen zu lassen oder das Stück eines Knochens irgendeines Heiligen zu erwerben, vor dem dann die Armen in Demut knien und es anbeten durften im frommen Wunsch, Gott möge sie aus der Armut befreien. Martin Luthers Mitstreiter Andreas Bodenstein und die Reformatoren Ulrich Zwingli und Johannes Calvin lehnten die Bilderverehrung als Götzenkult ab und riefen teilweise dazu auf, die Kirchen zu stürmen und die Bilder zu zerstören.

Adson äußert sich in „Der Name der Rose“ recht begeistert über die Kunstwerke und die Reliquien, die das ungenannte Kloster im Norden Italiens dort sein Eigen nennt. William hingegen ist – wie immer – skeptisch und nimmt gerade auch den Reliquienkult auf den Arm: Wenn jeder Splitter vom Kreuz Jesu, der sich in Umlauf befindet, echt wäre, dann wäre Christus nicht auf zwei Holzbalken, sondern auf einem ganzen Wald gekreuzigt worden.

Martin Luther, der die Reformation letztlich auslöste, stand den Bildern und Statuen, die es bereits gab, nicht so ablehnend gegenüber und hielt auch nichts davon, sie zu zerstören. Worum es ihm eher ging, war die „Sündenfreiheit als Geschäft“. Der Auslöser für seinen Brandbrief mit den 95 Thesen, der ihn berühmt machte, war der Dominikanermönch und Ablassprediger Johann Tetzel, der Geld für die Kirche sammeln wollte, indem er Ablassbriefe verkaufte. Diese Ablassbriefe sollten den Menschen die Sünden vergeben, aber nicht nur den lebenden, sondern auch den bereits gestorbenen. Aus diesem Grund wurde erneut etwas interpretiert, das so nicht in der Bibel steht, sondern aus einer Vermischung heidnischer Religionen, Volksglauben und aus dem Zusammenhang gerissenen Bibelzitaten entstand.

Über den Tod der Sterblichen sagt die Bibel nämlich (grob zusammengefasst) folgendes: Wenn ein Mensch stirbt, geht er in einen langen Schlaf. Erst am Ende aller Zeiten, wenn das Weltengericht kommt, werden die Gestorbenen wieder auferstehen und gerichtet werden. Alle Unrechten werden dann zusammen mit dem Antichristen in einen Schwefelsee geworfen und vernichtet. Das wird als „zweiter Tod“ oder „endgültiger Tod“ bezeichnet. Jesus selbst spricht hier nur von einem „Ort der Verdammnis“ nach dem Gericht. Alle anderen Darstellungen sind Interpretationen oder – wie es jemand mal so richtig ausdrückte – „christliche Fanfiction“.

Die Darstellungen der Hölle mit den Feuern, in denen die Seelen der Sünder nach dem Tod gequält werden, sind allesamt Erfindungen von kirchlichen Predigern wie Tetzel, um den Menschen Angst einzujagen, sie gefügig zu machen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das ist ja der Grund, warum Jorge von Burgos in „Der Name der Rose“ so gegen ein Buch ist, welches das Lachen propagiert: Lachen tötet die Furcht, und wer keine Angst vor dem Teufel hat, der braucht keinen Gott mehr. Überhaupt, der Teufel: Ja, es gibt in der Bibel verschiedene Gestalten, die teils üble Taten vollbringen, aber wenn man genau hinschaut, gibt es nicht „den“ Widersacher Gottes. Die Schlange im Paradies, der Satan, der Engel Lucifer und die Bestie mit der Nummer 666 sind ursprünglich vier verschiedene Figuren mit unterschiedlichen Aufgaben und Geschichten, die zu einem Widersacher – oder „Antichristen“ – verschmolzen wurden.

Die Schlange im Paradies, die Eva dazu verführte, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen (die übrigens kein Apfel war), war einfach eine Schlange. Das entsprach dem Glauben der Zeit, in der das Alte Testament entstand, dass man verschiedenen Tieren aufgrund ihres animalisch-instinktiven Verhaltens, ihres Aussehens oder ihres Lebensraums verschiedene menschliche Eigenschaften zuordnete. Die Schlange hatte keine Beine, sondern musste auf ihrem Bauch auf dem Boden kriechen, also stellten sich die Menschen vor, dass das eine Strafe von Gott sein musste.

„Satan“ ist eigentlich überhaupt keine Figur, sondern ein Titel, der verschiedenen Engeln gegeben wurde und soviel bedeutet wie „Ankläger“, zum Beispiel der Menschheit wegen dem vielen Übel in der Welt. Der „Ha-Satan“, wie der Titel richtig lautet, prüfte auch den Glauben der Menschen, ob diese nicht aus reinem „Geschäftssinn“ gläubig seien und sich von Gott abwandten, sobald es ihnen schlecht erging (deutlich zu sehen in der Geschichte von Hiob, der trotz aller Unglücke, die ihm widerfahren, an seinem Glauben festhält).

Lucifer ist eine Interpretation, die sich aus dem Alten Testament ableitet, vermischt mit einem römischen Mythos. Eigentlich handelt es sich um ein Spottlied über den König von Babylon, das zum Ausgangspunkt über die Geschichte eines Engels wurde, der wie Gott sein wollte und fiel. Interessant ist auch, dass der Name „Luzifer“, der heute mit dem absolut Bösen in Verbindung gebracht wird, eigentlich „Lichtbringer“ bedeutet, etwas absolut Positives.

Und zuletzt die Bestie mit der Nummer 666, die für die römischen Kaiser steht, die die Christen im ersten Jahrhundert verfolgten. Anhand von Zahlenumrechnungsspielen kann man darin auch konkret die Namen von einzelnen Imperatoren erkennen, wie etwa Nero. Interessant ist, dass die Zahl 666 in den Anfängen nicht einmal einheitlich war, manche Schriften sprechen von 616.

Zurück zu Tetzel und dem Höllenglauben des Mittelalters: Die Bilder, mit denen Tetzel und die Kirche den Menschen Angst machte, stammen zu einem großen Teil aus einem apokryphen Buch, das heißt, es wurde nicht einmal in den offiziellen Kanon der Bibel aufgenommen. Auch hier sieht man wieder: Wenn es opportun ist und dem eigenen Zweck dient, dann verwendet man es halt. Das Buch ist die so genannte „Offenbarung des Petrus“, eine Fälschung von der behauptet wurde, der Apostel Petrus habe sie verfasst. Tatsächlich entstand das Buch, das eher ein „Büchlein“ ist, wohl um das Jahr 100 nach der Zeitrechnung. Hier werden die Höllenqualen beschrieben, die der Herr des Todes, Azrael, den Sündern zukommen lässt. Das widerspricht allerdings völlig der Aussage in der Apokalypse, denn dort heißt es, dass auch der Tod und das Totenreich im Schwefelsee vernichtet werden. Deswegen sind die Menschen nach dem Endgericht unsterblich. Dantes „Göttliche Komödie“ soll von der „Offenbarung des Petrus“ inspiriert worden sein und von ihr stammt auch die Idee des „Purgatoriums“, der „Zwischenhölle“, dem „Fegefeuer“, eine Strafe, die Sünder, die nicht so sehr gesündigt haben wie die echten Sünder, für eine Zeitlang ertragen sollten, um dann doch in den Himmel zu kommen. Und genau hier setzte Tetzel an. Er malte den Leuten, denen er predigte, aus, wie sich ihre verstorbenen Verwandten im Fegefeuer quälen für die „kleinen Sünden“, die sie in ihrem Leben begangen haben. Doch was für ein Glück, Tetzel und die Kirche bieten hier Hilfe an, in Form eines Ablasses. Denn, so wird es formuliert:

Wenn die Münze im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt!

Volkstümliche Überlieferung, in unterschiedlichen Varianten vorhanden

Das Zitat ist nicht ganz korrekt, mal ganz davon abgesehen, dass Tetzel noch eine altertümliche Form des Deutschen sprach. In der Form hat es sich am häufigsten überliefert, richtig ist aber vermutlich, dass der zweite Teil des Zitats „…die Seele in den Himmel springt!“ lautet. Egal wie, es ging darum, der Kirche neben den sowieso fälligen Abgaben zusätzlich noch Geld zu geben, um der eigenen Seele Willen und um der von verstorbenen Verwandten.

Kein Wunder, dass das Luther sauer aufstieß, vor allem wenn wir uns zurückerinnern an die Rolle des Ha-Satan in der Bibel. Da wurde ja eindeutig festgestellt, dass der Glaube an Gott eben kein Tauschgeschäft ist, nach dem Motto „Glaube gegen Schutz“. Tetzel und die Kirche hatten nun eins daraus gemacht. Aus diesem Widerspruch entstand die Reformation, doch wenn wir die Uhr nach heute drehen, sehen wir genau die Situation mit dem Tauschgeschäft wieder. Ich möchte nur an das Bild von Donald Trump erinnern, der einen Fototermin vor einer Kirche hatte und dazu die Bibel halten sollte. Er hielt sie dabei hoch in die Kamera, als hätte er sie selbst geschrieben. Es war deutlich zu merken, dass dieser Mann, den nicht wenige seiner Anhänger als „von Gott gesandt“ sehen, mit der Kirche und dem christlichen Glauben eigentlich nichts am Hut hatte. Für ihn ist alles ein Geschäft, dann eben auch der Glaube. Vor einer Kirche zu stehen und die Bibel in die Kamera zu halten bringt Wähler. So einfach ist das für manche Menschen.

Luther wollte die christliche Kirche reformieren, doch er wirkte bei der Spaltung in Protestanten und Katholiken mit. Luther sah eben die Sandale, der Papst den Schuh. Und es gab noch radikalere Reformatoren, die von Sandale und Schuh nichts wissen wollten, sondern der Kürbisflasche folgten. Wobei Luther selbst ein Radikaler war, zum Beispiel in seiner Verachtung anderer Religionen, wie der der Juden. Interessanterweise, während er in jüngeren Jahren die Apokalypse noch als ein problematisches Werk betrachtete, beschäftigte er sich in seinen letzten Lebensjahren immer mehr damit und glaubt schließlich sogar, dass das Endgericht nahe sei.

Martin Luther starb 1546 und das Endgericht kam nicht, aber ich bin mir sicher, es hätte jemanden gegeben, der anhand ein paar vager Daten aus der Bibel ausgerechnet hätte, warum es jetzt aber wirklich hätte kommen sollen!

Funfact am Rande: Ich war [heute] Jahre alt, als ich herausfand, dass Justus Jonas ein echter Mensch und Wegbegleiter von Martin Luther war und nicht nur eine Figur aus den Geschichten der „Drei ???“.

https://de.wikipedia.org/wiki/Justus_Jonas_der_%C3%84ltere

Die Reformation führte wiederum zu ein paar Verschiebungen. Das Problem, das die Bibel hat, ist das Problem jeden großen Werkes, an dem verschiedene Autoren mitwirken, noch dazu über einen Zeitraum, der sich über Jahrhunderte hinstreckt: Sie ist nicht einheitlich. Es gibt unzählige Widersprüche und die jeweiligen Strömungen lösen sie auf ihre Weise. So sagt Jesus zum Beispiel, man solle sich keine Sorgen machen, die Vögel säen und ernten nicht, und der „himmlische Vater“ ernährt sie doch, die Protestanten aber beriefen sich auf den zweiten Thessalonikerbrief des Apostels Paulus, wo es heißt, wer keinen Willen zum Arbeiten habe, solle auch nicht essen. Das wurde verkürzt zu „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ und wird heute noch als Argument gegen den so genannten „Wohlfahrtstaat“ und die Sozialhilfe verwendet. Die Strömungen, die lieber der Kürbisflasche folgten, wollten besonders rein sein und trugen diesen Geist dann in die so genannte „Neue Welt“, nach Amerika. In der Folge gingen die „protestantische Ethik“ und der Geist des Kapitalismus eine Verbindung ein, und damit sind wir wieder bei einem Kernelement von „Der Name der Rose“, gleichzeitig auch bei einem Widerspruch und einem Problem, das die Menschen bis heute belastet.

Das Thema in der Konferenz in „Der Name der Rose“ ist die Armut. Nun wurde ja schon der besondere Wert in der neuen Ethik darauf gelegt, dass wer nicht arbeite, auch nicht essen solle und keinen Anspruch darauf habe, dass andere ihm helfen. Es wurde allerdings noch ein Umkehrschluss getätigt, der im völligen Widerspruch zu den Lehren Jesu steht. Aber wie immer, sagten die Interpretierer, man habe Jesus da missverstanden mit den Sachen über den Reichtum. Jesus wollte nicht sagen, dass Reichtum anzuhäufen per se schlecht sei. Reichtum anzuhäufen sei nur dann schlecht, wenn man sich auf dem Reichtum ausruhe und nichts mehr mache. Bei manchen Millionären und Milliardären, bei denen man sich denkt: „Jetzt genieß doch Deinen Reichtum und hör auf, mit Deinen Abstrusen Ideen, die Du nur deswegen umsetzen kannst, weil Du stinkend reich bist, die Gesellschaft in Aufruhr zu versetzen oder sogar zu schädigen!“, ist diese Einstellung sicherlich der Grund, warum sie sich wieder und wieder gesellschaftlich nach vorne spielen. Manche sind aber einfach nur trunken von der Macht, die ihnen das Geld gibt. Wer ist wer? Wer kann das schon beurteilen?

Hält man nun den Menschen, die das Dogma des von Gott gesegneten Reichtums propagieren, das entsprechende Zitat von Jesus entgegen, das da lautet: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“, so antworten mache von denen mit einer Fälschung, die auf eine Zeit zurückgeht, die schon vor dem Zeitpunkt liegt, an dem der Roman „Der Name der Rose“ spielt.

Die geneigte Leserin, der geneigte Leser hat es vielleicht schon erraten, das Argument lautet „Missverständnis“. Jesus sprach nämlich gar nicht von Kamelen und wirklichen Nadelöhren. Das „Nadelöhr“ sei der Spitzname für ein besonders kleines, enges Stadttor in der Stadtmauer von Jerusalem gewesen. Wenn hier Kamele voll beladen ankamen, passten sie nicht durch. Wer die Stadt also hier betreten wollte, musste die Last von seinem Kamel nehmen, noch dazu musste das Kamel beim Passieren des Tores in die Knie gehen. So hatte Jesus das gemeint, wird behauptet, nicht jeder Reichtum ist schlecht, sondern man soll die Last des Reichtums – zeitenweise – ablegen und in die Knie gehen – also ehrfürchtig sein -, dann komme man in den Himmel.

Ja, für christliche Reiche und Superreiche ist das sicherlich eine schöne Geschichte und beruhigend für das eigene Gewissen. Puh, da haben die Elon Musks und Bill Gates dieser Welt aber nochmal Glück gehabt. Also, alles in Ordnung, oder was?

Nein, nicht ganz. Ja, es wäre eine schöne Geschichte… wenn sie denn stimmen würde. Tatsächlich stammt die Behauptung, das „Nadelöhr“ sei ein historisches Stadttor in Jerusalem gewesen, aus dem 10. Jahrhundert. Davor gibt es keine einzige Quelle, die belegt, dass irgendjemand vor allem auch zu Lebzeiten Jesu an ein solches Tor hätte denken können, wenn das Wort „Nadelöhr“ gebraucht wurde. Und so, wie der Satz in der Bibel steht, hätte Jesus davon ausgehen müssen, dass jeder seiner Zuhörer die Anspielung versteht ohne weitere Erklärung. Ansonsten hätte er eher ein Gleichnis benutzt. Es geht also wortwörtlich darum, was da steht: Ein Kamel passt nicht durch ein Nadelöhr, genauso wenig wie ein Reicher in den Himmel kommt.

Alles sehr chaotisch und widersprüchlich. Aber das Leben ist chaotisch und widersprüchlich. Man muss auch bedenken, dass zu den Zeiten, da diese Werke formuliert wurden, das Leben sehr viel einfacher war. Das ist es nicht mehr. Um die Zeitenwende wusste niemand etwas davon, dass es über dem großen Meer noch einen Kontinent gab, wo ebenfalls Menschen wohnten. Heute gibt es auf diesem Kontinent ein Land, das direkt oder indirekt Einfluss auf die ganze Welt ausübt. So ändern sich die Zeiten und die einfachen Regeln, die damals möglich waren, müssen durch Regeln abgelöst werden, die der Komplexität des Lebens auf der Erde im 21. Jahrhundert gerecht werden. Und das nicht, indem man Autorität beansprucht, weil man sich auf ein altes Buch beruft. Sondern mit demokratischen Mitteln.

Religion möchte immer Sicherheit geben. Mach dies und Du kommst in den Himmel. Mach dies nicht, sonst kommst Du in die Hölle. Aber Leben in einer demokratischen Gesellschaft heißt, Unsicherheit auch mal aushalten zu können. Deutlich sieht man das an den Republikanern in den USA, die immer noch nicht akzeptieren, dass Trump die Wahl verloren hat. Schon jetzt arbeiten Sie an dem Mythos, dass die nächste Wahl – Gesetz den Fall, Trump nimmt Teil und verliert erneut – manipuliert sein wird. Wie im Mittelalter wird auf die Anwesenheit einer bösen Macht hingewiesen, die die „guten“ Republikaner bekämpfen will. Übrigens, eine ähnliche Argumentation benutzt auch der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche Kyrill I., um den Angriffskrieg auf die Ukraine zu rechtfertigen, ein Angriffskrieg, der so gar nicht zur von Jesus gepredigten Friedfertigkeit passt. Wieder geht es gegen „die Mächte des Bösen“, was alles rechtfertigt. Doch wie sagt William von Baskerville so richtig?

Der einzige Beleg, der für die Anwesenheit des Teufels spricht, ist jedermanns dringender Wunsch, ihn am Werk zu sehen.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Der französische Historiker Alexis de Tocqueville äußerte sich nach einer Reise in die USA begeistert davon, wie dort die Demokratie und die persönliche Freiheit, der Individualismus ermöglicht wird. Doch auch er grenzte den Individualismus vom Egoismus ab und letzteres ist es, das wir in den USA gerade vermehrt sehen. Das Argument, das alle anderen Argumente niedermacht, lautet mal wieder: Ich habe die richtige Religion, Du nicht. Insofern haben wir wirklich eine Situation wie in „Der Name der Rose“, die man geradezu sinnbildlich sehen kann: die Franziskaner und die Benediktiner stehen sich unversöhnlich gegenüber und diskutieren. Von dem Ausgang des Disputs hängt sehr viel ab, obwohl die meisten Menschen, die davon beeinträchtigt sein werden, weder daran beteiligt sind, noch eventuell überhaupt davon wissen. Und letzten Endes geht es nicht darum, eine wirkliche Diskussion zu führen, sondern um Dogmen zu verteidigen. Einen Inquisitor gibt es auch in Form des Supreme Courts, der ebenfalls einem Dogma folgt, das dem der einen Seite entspricht. Es gibt komplexe Probleme (in der Abtei die Mordserie), auf die einfache Lösungen gesucht und vermeintlich „gefunden“ werden.

Und wenn wir nicht aufpassen, dann wird dieser Dogmatismus wie in „Der Name der Rose“ dafür sorgen, dass am Ende die Welt in Flammen steht.

Interessant. So viele Gedanken. Und das alles wegen eines Buches, im wirklichen Sinne und im übertragenen.


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Folgende Versionen der Geschichte „Der Name der Rose“ können bei AMAZON.de bestellt werden:

Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Epilog

Worin das Nachwort von „Der Name der Rose“ besprochen wird und der Text dann wiederum seinerseits ein Nachwort zu dieser Reihe bildet.

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Die Geschichte ist vorbei. Das war’s. Aus. Ende. Basta. Amen. Ja, Amen im wahrsten Sinne des Wortes, ist man versucht zu sagen. Doch halt, so ganz endgültig ist es nicht vorbei. Zwar wurden die Rätsel gelöst und das Objekt der Begierde, das McGuffin des Romans gefunden, aber Eco wollte seine Leser nicht einfach so entlassen, ohne noch ein Nachwort zu verfassen. Schauen wir uns dieses mal an und schließen wir dann die Serie ab.

Der Epilog ist kein direkter Bestandteil der Handlung mehr. Adson gibt nur noch in kurzen Abhandlungen wieder, was nach dem Brand der Abtei geschah. Es gibt auch keine wörtliche Rede mehr, aber philosophische Gedanken. Wir erfahren, dass die Bibliothek drei Tage und Nächte brannte, bevor die Flammen nichts mehr zum Fressen fanden und verlöschten. William und Adson machen sich auf den Weg in Richtung Norden, aufgrund weiterer politischer Ereignisse gehen Sie nach München, wo sie sich trennen müssen. William gibt Adson die Augengläser, die Nicolas ihm geschliffen hat und die beiden gehen ihrer Wege. Adson weiß nicht, was aus William geworden ist. Er berichtet, dass er Jahre später nochmal am Ort der Abtei war und ihre Ruinen besichtigt habe, wo er tatsächlich noch Überreste von Pergamenten aus der Bibliothek fand. Er habe sie mitgenommen, bei genauerer Betrachtung jedoch festgestellt, dass es nur Fragmente sind, die ohne ihren Zusammenhang keinen Sinn ergeben. Damit, schreibt Adson, möchte er das Papier, das er vollgeschrieben hat, hinterlassen:

Ich gehe und hinterlasse dies Schreiben, ich weiß nicht, für wen, ich weiß auch nicht mehr, worüber.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 760

Damit ist die Geschichte wirklich beendet. Aber in der Neuauflage anlässlich des Jubiläums findet sich nun noch ein Nachwort mit dem Titel „Über die Lächerlichkeit und ihre Grenzen – Einige Gedanken zur Angst des Jorge von Burgos“ von Philipp Blom. Er teilt ein paar kluge Gedanken mit, dass einige Sachen sich nicht geändert haben, während andere das sehr wohl taten. Ein zweites Nachwort zeigt verschiedene Skizzen, die Eco angefertigt hat, vom Aussehen der Mönche angefangen bis zur Planung des Labyrinths der Bibliothek, wobei man die Stufen sehen kann, die der Autor genommen hat, bis er bei dem angekommen war, das wir nun auch im Roman finden.

In beiden Adaptionen ist das Nachwort in das Ende mit eingearbeitet. Im Film reiten William und Adson von der Abtei los, dabei begegnet ihnen nach ein paar Metern ein letztes Mal die Rose. Es wird kein Wort gesprochen, aber die Taten sprechen für sich: William reitet weiter, während die Rose Adsons Hand an ihre Wange hält. Doch er folgt schließlich seinem Meister und lässt das Mädchen zurück. Dann hören wir zum letzten Mal Adsons Stimme als alter Mann, der davon berichtet, dass er seine Entscheidung nie bereut habe. Auch hier erwähnt er, dass er in dem Moment, als er und William getrennte Wege gehen von jenem die Augengläser bekam. Dann gibt er aber doch noch zu, dass er nie aufgehört habe, an das Mädchen zu denken, doch:

Nie erfuhr ich, wer sie war, noch erfuhr ich je ihren Namen.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Interessanterweise wird dann das letzte lateinische Zitat aus dem Roman eingeblendet, das allerdings unübersetzt bleibt:

Stat rosa pristinia nomine, nomina nuda tenemus.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 760

Übersetzt heißt das: „Von der einstigen Rose steht nur noch der Name, uns allen bleiben nur nackte Namen.“ Der Film endet dann mit der Musik von James Horner, die den Zuschauer und die Zuschauerin passend in den Alltag zurück entlässt.

In der Serie hat Adson von Anna erfahren, dass die Rose noch lebt. Natürlich sucht er sofort ihren Unterschlupf im Wald auf, doch dort ist sie nicht mehr. Sie hat auch das Gedichtbuch, das er ihr bei einer Gelegenheit mitgebracht hat, zurückgelassen. Dann kehrt Adson zur Abtei zurück und sammelt Überreste aus der Bibliothek zusammen, quasi wird also die Szene, die im Roman auch beschrieben ist, um ein paar Jahre nach vorne gezogen. Es kommt dann zu einer freundlichen Wiederholung der Szene vom Anfang der Serie, da William erneut fragt: „Warum folgst Du mir?“ Die beiden rekapitulieren die Ereignisse und William bringt das Zitat über die Rose. Adson erklärt, er werde nach Melk zurückkehren und in der dortigen Abtei sein Gelübde ablegen. Die beiden trennen sich an dieser Stelle, allerdings gibt William Adson nicht die Augengläser mit.

Okay, letzte Gedanken und Zusammenfassung: Dadurch, dass ich mich erneut sehr intensiv mit Ecos Werk auseinandersetzen durfte, wurde mir erneut vor Augen geführt, welche Arbeit darin steckt und welcher Detailreichtum. Von solchen scheinbaren Kleinigkeiten angefangen wie Salvatores falsches Latein, das aus dem „dritten Pferd“ den „dritten von Pferd“ macht und William so auf die richtige Spur bringt, bis hin zu der Ausarbeitung des Labyrinths der Bibliothek mit all ihren Sinnsprüchen und Buchstaben. Nicht zu vergessen die ganzen Anspielungen auf Namen, die ich hier nur gestreift habe. Nehmen wir als ein Beispiel, das ich gar nicht erwähnt habe, den Urheber all der Ereignisse: Der Name „Jorge von Burgos“ ist eine kaum versteckte Anspielung auf den argentinischen Schriftsteller und Bibliothekar Jorge Luis Borges, der einerseits als literarisches Genie galt, andererseits aber auch den Militärputsch in Argentinien von 1976 und die anschließende blutige Militärdiktatur unterstützte, was ihm – wohl nicht zu Unrecht – den Vorwurf einbrachte, ein Reaktionärer zu sein.

Auch die Idee, das zweite Buch der Poetik des Aristoteles in den Mittelpunkt zu stellen, fügt sich wunderbar in die philosophischen Gedanken ein. Eco hat zwar immer gesagt, der Ausgangspunkt um „Der Name der Rose“ zu schreiben sei sein Wunsch gewesen, einen Mönch zu vergiften, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Idee, genau dieses Buch zu nehmen, diesen Plan erst wirklich durchführbar machte. Eco hat Literaturwissenschaft studiert und daher ein profundes Wissen über literarische Werke. Dabei hat er sich im Roman auf eine wahre Begebenheit gestützt:

Sicher ist, dass Aristoteles vorgehabt hatte, in seiner Poetik nach der Tragödie und dem Epos – dem Inhalt des erhaltenen Textes – auch die Komödie zu behandeln, wie aus der Einleitung hervorgeht. Aber der Teil über die Komödie fehlt. Im allgemeinen wird angenommen, u. a. aufgrund der von Diogenes Laertius aufgestellten Liste der Werke von Aristoteles, in der zwei Bücher der Poetik erwähnt werden, dass Aristoteles dieses zweite Buch wirklich geschrieben hat, aber dass es im Lauf der Jahrhundert verlorengegangen ist.

Theo van Velthoven: „Zeichen, Wahrheit, Macht“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 280 – 281

Gleichzeitig ist der Roman hochphilosophisch und berührt sehr viele Facetten von verschiedenen Themen. Da ist also diese Abtei, in der ein Konvent über die Armut Christi und die Armut der Kirche abgehalten werden soll, während es direkt unter besagter Abtei ein Dorf gibt, in der echte Menschen in echter Armut leben. Es geht um die Liebe, nicht nur im Bezug auf Adson und die Rose, sondern darüber hinaus, gerade was die Verhältnisse zwischen einigen der Brüder betrifft. Und es geht um Wahrheiten, Sicherheiten und Humor. Jorge von Burgos, der sich als göttliches Werkzeug sieht und selbst nicht einmal merkt, wie widersprüchlich seine „Wahrheit“ ist. Einerseits verteufelt er Adelmus, als ihm jener seine fleischlichen Verfehlungen beichtet, auf der anderen Seite schürt er aber Malachias‘ Eifersucht, damit dieser Severin erschlägt. Die Sicherheit, die diese Wahrheit geben soll, braucht aber auch die Furcht, die Furcht vor dem Teufel. Denn nur so hat man – in Jorges Augen – Sicherheit, wenn man genau weiß, wann man in den Himmel kommt oder in die Hölle. Das Lachen aber zerstört die Furcht und damit das, was Jorge die Sicherheit gibt. Erschreckenderweise ist folgender Absatz aus Kroebers Buch über die Hintergründe des Romans, obwohl er 1985 geschrieben und veröffentlicht wurde, ziemlich aktuell, sogar was das genannte Land – aber natürlich nicht nur dieses – betrifft:

Umberto Eco zeigt, wozu die Systeme der Sicherheit führen, seien sie national, kulturell oder kirchlich: Sie führen zum Tod, zum Mord im Namen der Wahrheit, die die Sicherheit des Systems bedroht, zur Zerstörung des ganzen Lebens. Unsere Zeit – gerade hier in Brasilien und in der brasilianischen Kirche – bestätigt zum Teil den sinisteren Charakter dieses Sicherheitsdenkens: Es legitimiert in fataler Weise die Unterdrückung und ist zwangsläufig intolerant; die Folgen sind das Leiden der Unterdrücker und das von ihnen erzeugte Leiden der anderen, das Reich der Freudlosigkeit und die Herrschaft der Ritter der schlimmen Nachricht.

Leonard Boff: „Die beiden Sackgassen des Bewahrens und des Erschaffens“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 357

Wenn wir uns beispielsweise die Situation anschauen, die gerade in den USA herrscht, da hätte ein Jorge von Burgos seine wahre Freude dran. Vielleicht würde er sogar vor Freude lachen – was für ein Gedanke, was für eine Posse!

Was natürlich auch nochmal erwähnt werden muss, ist die Einbettung der Geschichte in einen historischen Kontext, den Eco sehr gut wiedergibt. Und wie wir schon gesehen haben, lässt er auch einige historisch verbürgte Figuren auftauchen, so den Mystiker Ubertin von Casale, der heftige Kritik an den Päpsten übte, Michael von Cesena, einem Ordensgeneral der Franziskaner, Bertrand del Poggetto, einem Kardinal, der in der fraglichen Zeit päpstlicher Legat für Norditalien war und last but not least Bernard Gui. Die Darstellung der Figuren mag historisch nicht immer ganz akkurat sein, aber darauf muss man sich als Leserin und Leser eines Romans einstellen. Schließlich will die Geschichte ja auch eine Botschaft rüberbringen. Wer es genau wissen will, sollte sich dann einem wissenschaftlichen Werk zuwenden.

Der Film beschränkt sich in seiner Umsetzung auf die Kernelemente des Romans und verschiebt die Ereignisse ein bisschen, um einen holliwoodesken Höhepunkt zu erklimmen. Immerhin, die Fragen der Armut werden beleuchtet und die merkwürdig zweifelhafte Rolle der Kirche, allerdings bleibt es bei ein paar plakativen Momenten. Zum Beispiel sehen wir, wie die Bauern den Zehnten abgeben und dafür von einem sichtlich genervten Mönch einen kurz dahingenölten Segensspruch erhalten. Oder wie die Dorfbevölkerung hilft, den Wagen der päpstlichen Delegation den Weg zur Abtei hochzuschieben, während die Angehörigen der päpstlichen Delegation in feine Kleider gehüllt gelangweilt aus dem Fenster schauen. Was die Tode betrifft, bleibt immerhin das Motiv, aber viel von Williams geistiger Arbeit geht verloren und der Umstand, dass er gleich zweimal durch Zufall etwas herausfindet, ist eigentlich genau das, was der Sherlock-Holmes-Autor Sir Arthur Conan Doyle in seinen Geschichten auf jeden Fall vermeiden wollte. Da William eine Pastiche auf Holmes ist, hätte hier etwas mehr Ehrgeiz seitens der Drehbuchautoren gut getan. Viele kleine Spuren und Hinweise gehen im Filmdrehbuch verloren, was sehr schade ist, aber wohl zeitlich nicht machbar. Dass aber bei Severins und Malachias‘ Tod nicht mal mehr von den Posaunen der Apokalypse die Rede ist, ist meiner Meinung nach ein Fehler im Skript. Für den Zuschauer, der den Roman nicht kennt, muss es sich so darstellen, dass die Mord nun völlig ausufern und keinen Schema mehr folgen. Aber genau das ist ja der Punkt: Sie haben nie einem Schema gefolgt – außer dass alle Vergifteten das gleiche Buch gelesen haben -, nur William glaubte, eins erkannt zu haben.

Trotzdem findet sich auch sehr viel gut umgesetztes in dem Film, die realistische Darstellung des Mittelalters zum Beispiel, oder Szenen, die zwar nicht wörtlich aus dem Buch stammen, aber etwas von dort auf andere Weise umsetzen. Insofern, das kann ich jetzt schon sagen, ist der Film in meinen Augen die stärkere Adaption von Ecos Werk. Es ist eben, wie es im Vorspann ja heißt, ein Palimpsest, eine Umarbeitung, bei der man das Original noch sehen kann.

Allerdings ist mir da noch etwas aufgefallen, das ich nicht ganz klären konnte. Ich habe erwähnt, dass ich den Film nicht in den Streamingdiensten fand, auf die ich Zugriff habe. Für diese Reihe habe ich daher eine DVD gekauft (übrigens hoffe ich, dass es eine Jubiläums-Blu-Ray des Films gibt, mit tonnenweise Zusatzmaterial und in neuer Abtastung), meine einzige Quelle. Die ist allerdings sehr eingeschränkt, denn komischerweise hat der Film nur eine deutsche, aber keine originale Tonspur und ich habe den Eindruck, dass mindestens eine Szene fehlt. Gleichzeitig kommen Szenen vor, von denen ich mir nicht sicher bin, ob diese in allen Versionen enthalten sind.

Welche Szene fehlt? Die Stelle, an der Gui den Scheiterhaufen von Remigius anzündet. Wir sehen, wie Salvatores Scheiterhaufen brennt, dann kommt es zur Störung durch den Klosterbrand. Anschließend wird gezeigt, was in der Bibliothek passiert und als zurück zu den Scheiterhaufen geschnitten wird, brennt der von Remigius schon lichterloh. Ich weiß, dass es hier eine Stelle gibt, an der Remigius zu lachen anfängt, da er sich Hoffnung macht, nun doch nicht verbrannt zu werden, worauf Bernard Gui persönlich sich eine Fackel schnappt und den Scheiterhaufen anzündet.

Was ist mit den Szenen, die mir unbekannt vorkommen? Zum einen ist das Adsons Besuch im Dorf, wo er sieht, unter welch katastrophalen Umständen die Rose lebt und zum anderen die Flucht von Ubertin, bei der dieser sich in einem Fass versteckt. Es ist gut möglich, dass diese Szenen in der Originalfassung drin waren, denn die Fassung, die ich immer wieder und wieder gesehen habe, war eine Aufnahme im Zweikanalton vom ZDF auf Videocassette. Vielleicht waren diese Szenen aus Zeitgründen da rausgeschnitten. Ja, ich habe den Film auch im Kino gesehen, aber ich kann mich nicht an jede Kleinigkeit erinnern.

Im Internet kursieren auch ein paar Schnittberichte, also scheint es nicht unüblich gewesen zu sein, den Film etwas zu kürzen. Warum in der DVD-Version aber die Stelle mit Remigius‘ Scheiterhaufen fehlt, ist mir nicht klar, vor allem, nachdem wir kurz zuvor gesehen haben, wie Salvatore schreiend verbrennt. Und ach ja, da ist noch was: Kann es sein, dass die Szene, in der Adson und die Rose Sex haben, in der Fernsehversion eingekürzt war?

Nun noch ein paar Worte zur Serie. Ich habe es schon gesagt, ich halte die Verfilmung für die stärkere Adaption und das hat sehr viel mit den Änderungen zu tun. Die Serie kreist da um zwei diametrale Gegensätze, einerseits sind ganze Passagen wortwörtlich aus dem Buch übernommen, andererseits wurde extrem weit von der Vorlage abgewichen. Die Hinzufügungen sind dabei leider nicht immer so geschickt, wie bei der Filmadaption. Teilweise zieht sich die Serie wirklich hin und dass Adson und die Rose sich regelmäßig sehen, passt irgendwie nicht zusammen. Noch dazu fällt dadurch, dass es kein Dorf am Fuß der Abtei gibt, der Gegensatz zwischen Arm und Reich weg, der im Film so gut herausgearbeitet wird und den Disput widerspiegelt, um den es geht. Man hat der Rose einen anderen Hintergrund gegeben, um eine Botschaft der heutigen Zeit unterbringen. Sie ist nun kein armes Mädchen aus dem Dorf mehr, sondern eine Kriegsflüchtige. Das passt natürlich ebenfalls gut rein, denn die normale Bevölkerung bekam auch damals ja immer nur die Auswirkungen der großen Politik zu spüren, ohne wirklich mitbestimmen zu können, was geschah. Aber die Rose als armes Mädchen in einem Dorf unterhalb der Abtei, während ganz bildlich gesprochen „die da oben“ in der Abtei über die Armut der Kirche diskutieren, sollte eben genau diesen Kontrast darstellen. Das führt dazu, dass sich die Handlung der Serie in meinen Augen zerfleddert, wo sie etwas mehr Fokus auf eine Sache gebraucht hätte.

Ein Gleichnis fiel mir ein, was die komplett hinzugefügten Handlungsstränge in der Serie betrifft: Nehmen wir mal den umgekehrten Fall an, ein Autor wird beauftragt, einen Roman zu einem dreistündigen Film zu schreiben. Da der Film aber so lang ist, will der Verlag, dass der Roman mindestens 700 Seiten lang ist. Also schreibt der Autor den Roman, macht gewisse Hinzufügungen, wie das bei Romanadaptionen von Filmen so üblich ist, stellt dann allerdings fest, dass er trotzdem nur auf 650 Seiten kommt. Also was tun? 50 Seiten sind nicht wenig. Als sucht der Autor eine Stelle im Skript auf und fügt einen Nebenplot dazu, der sich über 50 Seiten hinzieht. Das Problem ist nur: Egal, was der Autor schreibt, er muss am Ende des Nebenplots wieder den Ausgangspunkt erreicht haben, damit der Rest der Geschichte nicht gestört wird. Ich habe den Eindruck, dass etwas ähnliches bei der Serie getan wurde. Insofern wird bei mir immer noch die Filmadaption laufen, wenn mir der Sinn danach steht und nicht die Serienadaption.

Ich habe zwar gesagt, ich möchte selber keine Adaption schreiben, die sowieso nie umgesetzt wird, aber wie es so ist, ich kann meinem Gehirn nicht befehlen, sich keine Gedanken zu machen – und das hat es schon getan. Immerhin nur grob, aber wie könnte man eine Adaption mit dem Vorsatz angehen, den die Produzenten der Serie hatten? Denn es ging ihnen ja auch darum, die Rolle der Rose zu stärken und eine starke Frauenfigur (in Form von Fra Dolcinos Tochter Anna) einzuführen. Nun, da hätte man vielleicht einen Kontrast mit Rückblenden herausarbeiten können. Wir lassen das Kloster, wie es ist – eine Männergemeinschaft und keine Anna, die einen Bernard Gui mit dem Schwert bedroht. Aber immer, wenn Remigius zurückdenkt an seine Zeit bei Fra Dolcino kann man den Kontrast herausarbeiten: hier das strenge, geregelte Leben im Kloster unter Männern, dort eine gemischte Gemeinschaft aus Männern und Frauen, die sich diesen Regeln nicht unterwerfen wollen. Besonders gut könnte sowas funktionieren, wenn in der Gegenwart von den Mönchen von der Verderbtheit der Frauen gesprochen wird und Remigius sich an sein Leben bei den Dolcinianern erinnert, wo von Verderbtheit nichts zu sehen ist. Damit hätte man auch eine Motivation, warum Remigius heimlich Nachts Frauen in die Abtei schmuggeln lässt. Aber das ist nur ein Grundgedanke, denn müsste man ausführlich ausarbeiten, und das möchte ich nicht.

Übrigens hat sich auch die Serie noch eine künstlerische Freiheit mit Bernard Gui in diesem Zusammenhang herausgenommen. Es wird gezeigt, dass er der Inquisitor bei Fra Dolcino war, das stimmt allerdings nicht. Gui hat viele Urteile gesprochen, aber das Urteil gegen Dolcino war nicht von ihm.

Was ist aber nun mit meinem komischen Gefühl in Bezug auf das Ende mit den Scheiterhaufen? Das ist immer noch da. Das Problem ist, dass ich weder genau sagen kann, ob das Ende des Romans ohne Scheiterhaufen besser gewesen wäre, noch habe ich eine Alternative anzubieten, die einen ganz anderen Weg gegangen wäre. Diesmal aber wirklich. Ich akzeptiere es daher einfach mal als gegeben, auch weil mir vor allem bei der Filmadaption Remigius‘ dahingespucktes „Der Teufel, dem ich abschwöre, das seid Ihr, Bernardo Gui!“, hervorragend gesprochen von Helmut Qualtinger, so gut gefällt.

Das war es nun. Das waren meine Betrachtungen des Romans „Der Name der Rose“ und seiner Umsetzungen. Wie ging es aber denn nun aus, damals, als ich mich zum ersten Mal mit dem Werk beschäftigte? Ich schrieb den Artikel für die Schülerzeitung, er wurde veröffentlicht und das war’s. Keine Resonanz. Außerdem hatte ich mir den Roman nochmal erarbeitet, für den Fall, dass ich in die mündliche Deutschprüfung gehen müsste. Da musste man sich nämlich ein Thema heraussuchen und vorbereiten, so für den Fall der Fälle. Dazu kam es aber nicht, meine Note stand nicht so zweifelhaft, dass es nötig gewesen wäre, die mündliche Prüfung abzulegen. Also verschwand diese Ausarbeitung irgendwann, wie weiland das zweite Buch der Poetik des Aristoteles. Jetzt brauche ich eigentlich nur noch, so als letzte Verbeugung vor dem Roman, ein gutes Zitat zum Schluss. Und ich glaube, ich habe da eines, das passt:

Der Name der Rose wäre Rose, wenn es die Rose gäbe.

Augusto Abelaira: „Der Name der Rose wäre Rose, wenn es die Rose gäbe“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 193

Quellenangaben

  • Giacomo Battiato et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, 11 Marzo Film
  • Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986
  • Sir Arthur Conan Doyle: „Sherlock Holmes – Eine Studie in Scharlachrot“, Lizenzausgabe des Kein & Aber Verlags 2005
  • Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022
  • Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989
  • diverse Autoren: „Die Bibel – Neues Testament“
  • diverse Autoren: „Der Name der Rose – Pressebuch mit Informationen zum Film“, Constantin Film Presseabteilung 1986

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Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Siebter Tag

Worin es zum großen Finale der Geschichte kommt, das allerdings in seinen Adaptionen krass vom Vorbild abweicht.

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Transkript

Die Serie „Der Name der Rose“ bemüht sich stark, jede Folge mit einem Cliffhanger abzuschließen und zieht deshalb an manchen Stellen die Handlung etwas arg in die Länge. Wenn man sich das ganze genau betrachtet, hat aber Eco selbst schon Cliffhanger in die Handlung installiert, besonders an den letzten Tagen. So auch hier: Der sechste Tag endet direkt dann, als William und Adson endlich ins Finis Africae eindringen. Und genau hier nimmt der siebte Tag die Handlung wieder auf.

Adson beschreibt uns kurz den Raum, nur um sogleich darauf zu kommen, dass da im Dunkeln jemand sitzt, der ihn und William zu erwarten scheint. Der scharfsinnige William enttäuscht indessen auch jetzt nicht, noch bevor das Licht der Lampe, die Adson hält, den Unbekannten anstrahlen kann, spricht ihn der alte Franziskaner an:

„Guten Abend, ehrwürdiger Jorge. Hast Du uns schon erwartet?“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 705

Tatsächlich ist es Jorge von Burgos, der schon den ganzen Tag darauf wartet, dass William herkommt. Jener deduziert, dass die Geräusche, die er und Adson beim Betreten des Aedificiums gehört haben, vom Abt stammen müssen. Jorge gibt zu, dass er den Abt in einen Geheimgang gelockt hat, mit dem man schneller ins Finis Africae gelangen kann. Die Mechanismen, um die geheimen Türen zu bewegen, befinden sich hier und nachdem der blinde Mönch hörte, dass jemand den Geheimgang betreten hat, zog er an den Seilen dieser Mechaniken. Die Seile rissen und verschlossen die Geheimtüren, so dass der Abt nun eingesperrt zwischen zweien in der Falle sitzt. Nicht mehr lange und er wird erstickt sein. Der Abt war nicht mehr nützlich, da er durch die Nachforschungen von William daraufgekommen war, was wirklich in der Abtei los ist: Jorge ist der geheimnisvolle Bibliothekar, der statt Alinardus den Posten bekommen hatte. Doch seine zunehmende Erblindung verhinderten seine weitere Tätigkeit (wie Alinardus kichernd meinte, sein Gegner sei von Gott „ins Reich der Dunkelheit“ abberufen worden), also sorgte er dafür, dass er Kontrolle über die Abtei und die Bibliothek erlangte, indem er Leute, die ihm gehorchten an die richtigen Stellen setzen ließ. Er sorgte dafür, dass Abbo entgegen den Gepflogenheiten zum Abt gewählt wurde und auch dafür, dass der einfältige Malachias Bibliothekar wurde, obwohl er keine Fremdsprachen beherrschte. Und so fällt alles an seinen Platz: Das geheimnisvolle Buch, von dem gleich noch mehr die Rede sein wird, betrachtet Jorge als bedrohlich. Aber dann prahlte Berengar damit, dass er dem wissbegierigen Adelmus dieses Buch besorgen kann. Dafür verlangte Berengar von Adelmus die Erfüllung der fleischlichen Lust. Von seinem Gewissen geplagt stürzte sich Adelmus von der Mauer, nachdem er die Anweisung, wie man an das Buch kommt, an Venatius weitergegeben hatte. Venantius wurde wegen des Buches vergiftet und von Berengar in den Schweineblutbottich gesteckt, um es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Dann starb Berengar selbst, ebenfalls vergiftet.

Als Jorge mitbekam, dass Severin das Buch gefunden hatte, sprach er mit seinem Handlanger Malachias, der ebenfalls ein Verhältnis mit Berengar hatte. Er erzählte ihm, dass Severin das Buch hatte, weil Berengar es ihm für gewisse Dienste versprochen hatte. Rasend vor Eifersucht ging Malachias zu Severin und erschlug ihn. Doch entgegen der Anweisung, das Buch sofort ins Finis Africae zu bringen, behielt Malachias es erstmal für sich – deswegen musste auch er sterben. Nachdem William Jorge auch noch beschreibt, um welches Buch es sich handelt und dass es aus einem speziellen Leinenpapier hergestellt sei (das aus Spanien stammt, genauer gesagt, aus der Nähe von Jorges Herkunftsort Burgos, was ein weiterer Hinweis auf den Blinden als Urheber der ganzen Geschichten war), ist Jorge so beeindruckt, dass er William das Buch zum Lesen überlässt. Es handelt sich um das vermutlich letzte Exemplar des zweiten Buches der Poetik des Aristoteles, von dem Jorge behauptet hatte, es sei nie geschrieben worden. William beginnt zu lesen:

Im ersten Buch haben wir die Tragödie behandelt und dargelegt, wie sie durch Erweckung von Mitleid und Furcht eine Reinigung von ebendiesen Gefühlen bewirkt. Hier wollen wir nun, wie versprochen, die Komödie behandeln (nebst der Satire und dem Mimus) und darlegen, wie sie durch Erweckung von Vergnügen am Lächerlichen zu einer Reinigung von ebendieser Leidenschaft führt. Inwiefern diese Leidenschaft der Beachtung wert ist, haben wir schon im Buch über die Seele gezeigt, insofern nämlich der Mensch als Einziges aller Lebewesen zum Lachen fähig ist.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 712

Doch William kommt beim Lesen nicht sehr weit, denn die Seiten des Buches kleben oben und am Beschnitt zusammen, so als ob jemand eine feuchte Masse darauf verteilt hätte. William weiß auch was: Das Gift, das aus Severins Labor gestohlen wurde. Jeder, der das Buch liest und sich beim Lesen unwillkürlich den Finger anfeuchtet, um die Seiten blättern zu können, würde langsam aber sicher Gift aufnehmen, bis er genug geschluckt hat, um daran zu sterben. Nun trägt William auch zusammen, dass es gar keinen Plan gab, die Morde entsprechend der Apokalypse zu begehen, die Umstände der Tode waren allesamt Zufall. Lediglich bei Malachias stimmt das nicht ganz, nachdem Jorge gehört hatte, dass es selbst William logisch erschien, dass der Mörder die Toten nach den Posaunen der Offenbarung drapierte, sagte der Blinde zu seinem Bibliothekar, er dürfe das Buch auf keinen Fall lesen, denn es habe die Kraft von tausend Skorpionen. Mittlerweile war er selbst überzeugt, dass eine göttliche Fügung im Spiel war.

Aber warum dieses Buch? Weil es von Aristoteles, dem Philosophen ist, das Lachen zu etwas Hohem erhebt und die Weltordnung nach Jorges Meinung in Gefahr bringt. Wer lacht und deswegen keine Angst mehr vor dem Teufel hat, der braucht keinen Gott mehr. Das Lachen müsse ausgemerzt werden, wenn es sein muss, auch zusammen mit dem Menschen, der lacht. William nennt Jorge darauf einen Teufel:

„Man hat Dich belogen, der Teufel ist nicht der Fürst der Materie, der Teufel ist die Anmaßung eines Geistes, der Glaube ohne ein Lächeln, die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfasst wird.“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 727

Es kommt zu einem intellektuellen Kräftemessen zwischen den beiden, doch jede Einlassung von Jorge wird von William klug beantwortet. Jorge nimmt dann das Buch an sich, fängt an, die Seiten zu zerreißen und sich in den Mund zu stecken, womit er wiederum der Apokalypse folgt:

Und ich ging zu dem Engel und bat ihn, mir das kleine Buch zu geben. Er sagte zu mir: Nimm und iss es! In deinem Magen wird es bitter sein, in deinem Mund aber süß wie Honig. Da nahm ich das kleine Buch aus der Hand des Engels und aß es. In meinem Mund war es süß wie Honig. Als ich es aber gegessen hatte, wurde mein Magen bitter.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 10, Vers 9 und 10

William versucht, ihn daran zu hindern, doch da löscht Jorge die Lampe und will die beiden Mönche im Finis Africae einsperren. Sie finden jedoch auch im Dunkeln die Tür zum Spiegel und schaffen es, diese offen zu halten. Adson entzündet seine Lampe von neuen und beide verfolgen Jorge. Als sie ihn stellen, schlägt er Adson die Lampe aus der Hand, die in einen Bücherstapel fällt und diesen entzündet. Der Brand greift schnell um sich. Jorge wirft die Überreste des Buches in die Flammen, um kurz darauf selbst hinein zu stürzen. Die Flammen eilen von Raum zu Raum. William und Adson alarmieren die anderen Mönche mit der Glocke der Kirche, doch es kommt zur Katastrophe. Nicht nur brennt die Bibliothek nieder, es kommt auch noch zum Funkenflug, der sehr schnell die ganze Abtei erfasst. Als klar ist, dass sich nichts mehr retten lässt, philosophiert William über den Antichrist:

„Der Antichrist entspringt eher aus der Frömmigkeit selbst, aus der fanatischen Liebe zu Gott oder zur Wahrheit, so, wie der Häretiker aus dem Heiligen und der Besessene aus dem Seher entspringen. Fürchte die Wahrheitspropheten, Adson, und fürchte vor allem jene, die bereit sind, für die Wahrheit zu sterben: Gewöhnlich lassen sie viele andere mit sich sterben, oft bereits vor sich, manchmal für sich.“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 748

Dann versucht Adson, seinen Meister aufzumuntern, denn immerhin ist er ja Jorge auf die Schliche gekommen, während ein Gebäude der Abtei nach dem anderen in sich zusammenstürzt. Dann beschließen die beiden, dass es Zeit wird zu gehen. Damit endet der erzählerische Teil des Romans.

Kommen wir zuerst zu den Dingen, die in die Adaptionen übernommen wurden: Der Täter natürlich und das Motiv. Im Film ist die Szene im Finis Africae etwas kürzer gehalten, zum Beispiel fehlt ein ganzer Absatz, in dem William seinem Ärger über Jorges Arroganz Luft macht, indem er sich laut ausmalt, den Blinden nackt auszuziehen und mit Hahnenfedern im Hintern über den Klosterhof zu jagen, damit keiner mehr Angst vor ihm hat, sondern über ihn lacht. Viele kleine Details fehlen, der Hinweis auf das Papier beispielsweise oder dass das Buch eine Zusammenfügung mehrerer Bücher ist (und was ich bisher nicht erwähnt habe: der Geheimraum wird auch nicht „Finis Africae“ genannt). Es werden sogar die Tode von Severin und Malachias gar nicht mehr mit der Apokalypse in Verbindung gebracht. Zwar wird auch im Film Severin mit einer Amillarsphäre erschlagen, aber auf die Tatwaffe wird weiter nicht eingegangen; warum Malachias im Sterben von tausend Skorpionen spricht, wird auch nicht erklärt. Auch ist der Abt nicht in die Szene einbezogen, er verschwindet irgendwie aus der Geschichte. Jorge erwähnt zwar, dass es Geheimgänge gibt, aber dort hat er niemanden eingesperrt. Die Bibliothek gerät auf die gleiche Weise wie im Roman in Brand, allerdings bleibt William zunächst zurück, um stapelweise Bücher herauszuschleppen.

In der Serie hat man sehr viel aus dem Roman übernommen, auch Williams schon erwähnte Rede, wie er Jorge gerne lächerlich machen würde. Jorge hat auch hier die Mechanik der Geheimtüren für den Gang versperrt, durch den der Abt ins Finis Africae kommen wollte. Wir sehen in einer Szene, wie die Lampe des Abtes langsam ausgeht, vermutlich aus Sauerstoffmangel. Wieder gerät die Bibliothek aus dem gleichen Grund wie im Roman in Brand.

Und damit zu den Ergänzungen in beiden Adaptionen: dem Countdown. Im Film befiehlt Bernard Gui, die Scheiterhaufen zu errichten und während Adson und William in der Bibliothek zugange sind, werden die Gefangenen herausgeführt, wobei sich gleichzeitig die Bevölkerung des Dorfes versammelt. Die Delinquenten werden an Pfähle auf den Scheiterhaufen gefesselt und jeder gefragt, ob er oder sie dem Teufel abschwört und Jesus Christus als den Herrn und Heiland anerkennt, worauf Remigius meint:

Der Teufel, dem ich abschwöre, das seid Ihr, Bernardo Gui!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Salvatore selbst ist durch die Folter so gebrochen, dass er ein Kinderlied vor sich hersingt, während die Rose schon bewusstlos ist. Dann wird der Scheiterhaufen von Salvatore entzündet, der schreiend verbrennt. Als Remigius an der Reihe ist, platzen die Fenster des Aedificiums durch das Feuer, das die Bibliothek erfasst hat. Die Mönche rennen davon, um zu löschen und die Dorfbevölkerung kommt bedrohlich nahe. Remigius fühlt sich schon sicher, doch Bernard Gui sorgt höchstpersönlich dafür, dass auch sein Scheiterhaufen brennt. Bevor er den von der Rose anzünden kann, dringen die Dorfbewohner auf ihn ein und er bringt sich in Sicherheit.

Gleichzeitig kommt ein wütender Adson aus der Bibliothek, der sieht, wie Gui zu flüchten versucht. Er versucht, ihn aufzuhalten (dabei redet er unaufhörlich auf Gui ein, dass William den wahren Mörder gefunden habe und Gui vor den Papst und auf den Scheiterhaufen kommen würde), doch als er das Fallgitter der Hauptpforte schließen will, klemmt dieses gerade lang genug, dass der Wagen von Gui noch durchkommt. Dann fällt es herunter und Adson kann Gui nicht mehr folgen. Auf dem Weg wird der Inquisitor aber schon von den Dorfbewohnern erwartet, die Guis Wagen umstürzen, so dass die Karosse einen Abhang herunterstürzt. Dabei zerbricht der Rahmen, Gui fällt heraus, wird von einem seiner eigenen Foltergeräte aufgespießt und stirbt. Adson kehrt zum Aedificium zurück, wo William gerade zur Tür herausgestolpert kommt. Erleichtert und hocherfreut fällt der Novize seinem Meister in die Arme.

In der Serie lässt Gui die Scheiterhaufen heimlich vorbereiten, während er alle in der Kirche wähnt. Parallel zu den Ereignissen im Finis Africae werden die Gefangenen herausgeführt, doch da greift Anna ein. Sie hält Gui ein Schwert an die Kehle und gibt sich als Tochter von Fra Dolcino zu erkennen. Sie schafft es, die Rose freizupressen, ist jedoch abgelenkt, als bemerkt wird, dass die Bibliothek in Flammen steht. Eine Wache spießt Anna auf. Die verbliebenen Gefangenen werden ihrer Fesseln entledigt, um beim Löschen helfen zu können. Gui nutzt das Chaos, um mit seiner Eskorte wegzufahren und die Abtei sich selbst zu überlassen. Remigius geht in das Feuer, obwohl Salvatore versucht, ihn davon abzuhalten. Er bleibt jedoch mit Absicht im Gebäude und wird schließlich unter brennenden Balken begraben. Adson kann mit der sterbenden Anna sprechen, die ihm sagt, dass die Rose entkommen konnte. Auch hier philosophiert William über den Antichrist und die Frömmigkeit.

Zum Film muss man sagen, dass das Ende natürlich sehr holliwoodesk ist. Der Bösewicht – Bernard Gui – bekommt seine „gerechte“ Strafe, in dem er ironischerweise von einem eigenen Folterinstrument getötet wird. Da dieser Gui sowieso nur ein verzerrtes Bild des Originals ist, passt dieses Ende zwar, aber es ist absolut nicht korrekt. 930 Urteile gegen Ketzer hat der echte Gui in seiner gesamten Amtszeit ausgesprochen, bevor er im Jahr 1331, also vier Jahre nach den Ereignissen des Romans, in seiner bischöflichen Residenz starb.

Die Serie bleibt da näher an der Realität, da auch hier Gui verschwindet. Beide Adaptionen haben gemein, dass die Rose entkommen kann. Warum Remigius in die brennende Bibliothek rennt, ist nicht ganz klar, möglicherweise möchte er doch, dass das Urteil an ihm vollstreckt wird. Salvatore bleibt vor der Tür stehen, was aus ihm wird, erfahren wir in der Serie nicht. Aber ich glaube, dass die Serienautoren noch ein kleines Osterei in die letzten Szenen eingefügt haben. Ich kann es aber nicht mit Sicherheit sagen, da das, was ich vermute, nicht explizit ausgesprochen wird. Worum geht es? Alinardus kommt in der Serie ebenfalls herbeigeeilt, als die Bibliothek brennt. Zu diesem Zeitpunkt hat das Feuer allerdings schon auf die ganze Abtei übergegriffen und ein brennendes Pferd kommt angerannt und überrennt ihn. Da bei der sechsten Posaune von Pferden, die Feuer speien, die Rede ist und außerdem William es für möglich hielt, dass der nächste Tote bei oder in den Pferdeställen gefunden wird, habe ich den Verdacht, dass dieses Ende für Alinardus, von dem ja der Hinweis auf die Apokalypse von Anfang an kam, von den Autoren mit Absicht gewählt wurde. Aber das ist eben nur meine Vermutung. Außerdem muss ich bei den Autoren Abbitte leisten, da ich nicht mehr im Kopf hatte, dass tatsächlich auch Malachias und Berengar ein Verhältnis miteinander hatten und ich innerhalb dieser Reihe zuerst vermutete, das sei für die Serie hinzugefügt worden. Dem ist nicht so, tatsächlich spielt Malachias‘ Eifersucht für den Tod von Severin ja auch im Roman eine wesentliche Rolle. Lediglich die Szenen in der Serie, in der das Verhältnis von Malachias und Berengar deutlich zum Ausdruck kommt, wurden hinzugefügt, im Roman wird lediglich erwähnt, dass es ein Verhältnis gab. Ich muss hier allerdings sagen, dass diese neuen Szenen in den Kontext der Geschichte passen, sehr viel besser als andere Einfügungen.

Was allerdings bleibt, ist das Problem, dass die Handlung der Ereignisse des letzten Kapitels in der Serie sehr gestreckt wirkt. Der Film muss sein Finale voranbringen, deswegen ist alles sehr dynamisch, die Serie lässt sich wieder Zeit. Ich bin auch noch immer zu keinem Urteil über den Countdown mit dem Verbrennen der drei Delinquenten gekommen. Ich habe immer noch ein merkwürdiges Gefühl dabei. Hätte eine Adaption wirklich so viel verloren, wenn man da näher am Original geblieben wäre? Was den Film betrifft, kommt es in dem Teil, den ich dem Epilog zuordnen würde, noch zu einer Szene, die nicht möglich gewesen wäre, hätte Gui seine Gefangenen mit nach Avignon genommen. Aber das schauen wir uns im Epilog selber an, wo ich die ganze Geschichte nochmal durchleuchte und letzte Zusammenhänge zu klären versuche.


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Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Sechster Tag

Worin wir uns auf dem Weg zum Höhepunkt der Handlung befinden, von dem allerdings nicht ganz so viel in den Adaptionen gelandet ist.

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Noch immer hat William von Baskerville das Geheimnis der Morde in dem Kloster im Norden Italiens nicht klären können. Klar ist nur eins: Die Konferenz ist gescheitert – auch durch das Zutun von Bernard Gui – und Remigius von Varagine, sein Gehilfe Salvatore und die Rose werden von der Inquisition weggebracht und werden sterben. Adson ist zutiefst unglücklich über das Schicksal der Rose, für das sie so gar nichts kann. Doch am vorletzten Tag seines Berichts nehmen die Ereignisse nochmal Fahrt auf. Schauen wir uns wie immer erst den Roman an.

Zur Frühmesse fehlt schon wieder ein Mönch, diesmal ist es Malachias. Abgelenkt von den Gesängen, die durch die Kirche klingen, bemerkt Adson gar nicht, wie dieser plötzlich auf seinem Platz erscheint. Zunächst erleichtert, da er doch derjenige war, der das unselige Buch zuletzt in Händen gehalten hatte, muss er dann doch feststellen, dass Malachias wankt und schließlich nach vorne stürzt. Während er vor den Augen aller Anwesenden stirbt, gibt er seine letzten Worte von sich, dass er gewarnt worden sei, „es“ habe wirklich die Kraft von tausend Skorpionen. William kann es sich nicht nehmen lassen, bei Bernard Gui etwas zu sticheln, wie denn dieser Mord geschehen sein kann, wenn der Mörder doch hinter Gittern sitzt. Bernard antwortet darauf nur, dass er nie gesagt habe, er habe alle Übeltäter gefasst. Doch denjenigen, der dies hier getan habe, würde er nun der Strenge – oder der übertriebenen Nachsicht – des Abtes überlassen. Damit verabschiedet er sich.

Der Tod des Bibliothekars wirft natürlich in so einer Abtei einiges durcheinander. Es wird munter spekuliert, wer nun wohl der Nachfolger von Malachias werden wird, während Adson darauf hinweist, dass die „tausend Skorpione“ schon wieder mit der Apokalypse übereinstimmen und zitiert den Text, der von der nächsten, der sechsten Posaune erzählt:

Der sechste Engel blies seine Posaune: Da hörte ich eine Stimme, die von den vier Hörnern des goldenen Altars her kam, der vor Gott steht.
Die Stimme sagte zu dem sechsten Engel, der die Posaune hält: Binde die vier Engel los, die am großen Strom, am Eufrat, gefesselt sind.
Da wurden die vier Engel losgebunden, die auf Jahr und Monat, auf Tag und Stunde bereitstanden, um ein Drittel der Menschheit zu töten.
Und die Zahl der Reiter dieses Heeres war vieltausendmal tausend; diese Zahl hörte ich.
Und so sahen die Pferde und die Reiter in der Vision aus: Sie trugen feuerrote, rauchblaue und schwefelgelbe Panzer. Die Köpfe der Pferde glichen Löwenköpfen und aus ihren Mäulern schlug Feuer, Rauch und Schwefel.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 9, Vers 13 – 17

Für William sind das zu viele Bedeutungen, er denkt jedoch, dass es durchaus möglich ist, dass der nächste Mord bei oder in den Pferdeställen geschieht. Er und Adson reden erneut mit dem Glasermeister Nicolas von Morimond, der ihnen erzählt, dass die Reihenfolge der Ämter eigentlich sehr deutlich festgelegt ist, erst wird man Gehilfe des Bibliothekars, dann Bibliothekar, dann Abt. Und Bibliothekar konnte man nur werden, wenn man mehrere Sprachen beherrschte. Doch die letzten Jahrzehnte waren die Ämter auf anderen Wegen besetzt worden, Malachias konnte angeblich keine Fremdsprachen und Abbo wurde nur Abt, weil sein Vorgänger eines plötzlichen und unerwarteten Todes gestorben war. Zudem war irgendjemand bei der Ernennung eines neuen Bibliothekars ausgebootet worden. Während Nicolas dann den Klosterschatz zeigt – der aus allerhand angeblichen Knochen von Heiligen besteht und aus Teilen von Gegenständen, die angeblich mal mit Jesus zu tun hatten – kommt William eine Idee und er verabschiedet sich ins Skriptorium. Adson geht in die Kirche, wo er einschläft und einen sehr eindrucksvollen Traum hat, der sich über mehrere Seiten erstreckt. Als er später William wieder trifft, kann ihm dieser den Traum auch deuten, der eine Abwandlung einer alten Possenfabel ist, mit der Adson die Ereignisse der letzten Tage verarbeitete. Und er gibt William eine wichtige Inspiration.

Zurück im Skriptorium sieht William erneut den Kodex durch. Malachias hatte ihm erzählt, dass die Bücher in der Reihenfolge ihres Erwerbs eingetragen werden und Anhand der unterschiedlichen Schriften lässt sich nachvollziehen, wann welcher Bibliothekar die Aufsicht hatte. Zu Hilfe nimmt William hierbei noch das, was Nicolas ihm erzählt hat und Adsons Traum. Dabei kann er eingrenzen, wann dieser geheimnisvolle Bibliothekar im Amt war, von dem Alinardus erzählt hat. Sogar Benno hat nun etwas mehr zu erzählen, er hat Angst um sein Leben, nachdem Malachias ermordet wurde. Benno vermutet, dass man keine Ausländer mehr als Bibliothekar haben wollte. Außerdem redeten viele von Malachias wie von einem Strohmann, der eingesetzt worden war, um von jemand anderem gelenkt zu werden. William erfährt nun, dass Benno das geheimnisvolle Buch nur kurz aufgeschlagen, aber nicht gelesen hatte. Also stirbt man nicht durch die Berührung allein, es braucht noch etwas mehr.

Um den Sachverhalt endgültig zu klären, spricht William mit dem Abt, der seinerseits lieber über Edelsteine redet und will, dass die Untersuchungen sofort enden. William und Adson sollen am nächsten Tag abreisen. Williams Fragen nach dem bewussten Buch weicht er zunächst aus, nur um dann zu erklären, er kümmere sich selbst darum und hätte nie jemanden von „außerhalb“ in die Geschichte mit reinziehen sollen. Während sich Unruhe im Kloster breit macht, zieht sich William zurück zum Meditieren. Schließlich stellt man beim Abendgottesdienst und dem anschließenden Abendessen fest, dass Jorge unauffindbar ist, ebenso Alinardus.

Der Abt begibt sich nun selbst in die Bibliothek, um sie zu verriegeln. William und Adson beobachten den Zugang zum Ossarium, da William wissen möchte, was der Abt nach der Schließung macht, doch dieser kommt nicht heraus. Da immer noch die Möglichkeit besteht, dass der nächste Mord bei den Pferdeställen geschieht, bewegen sich die beiden Mönche dorthin. Adson fällt eine Bemerkung von Salvatore wieder ein, er kenne einen Zauber, mit dem man das dritte Pferd so schnell machen könne wie das Pferd des Abtes. Da Salvatore aber mehr Küchenlatein sprach, sagte er „tertius equi“, was nicht „das dritte Pferd“ bedeutet, sondern „der dritte von Pferd“, und der dritte Buchstabe von „equi“ wäre das „u“. Nun geht William ein Licht auf, was die verschlüsselte Botschaft bedeutet:

SECRETUM FINIS AFRICAE
MANUS SUPRA IDOLUM
AGE PRIMUM ET SEPTIMUM DE QUATUOR.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 319

„Die Hand über dem Idol wirke ein auf den ersten und siebenten der Vier“ – über dem Spiegel, der offensichtlich den Zugang zum Finis Africae bildet, steht ein Spruch aus der Apokalypse: „Super Thronos Viginti Quatuor“. Dabei handelt es sich um einen Ausriss aus einem Satz, der im Zusammenhang lautet:

Et in circuitu sedis sedilia viginti quatuor et super thronos viginti quatuor seniores sedentes circumamictos vestimentis albis et in capitibus eorum coronas aurea.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 4 Vers 4

Das bedeutet übersetzt:

Und um den Stuhl waren vierundzwanzig Stühle, und auf den Stühlen saßen vierundzwanzig Älteste, mit weißen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene Kronen.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 4 Vers 4

Um die Tür zu öffnen, muss man den ersten und siebenten Buchstaben des Wortes „quatuor“, Lateinisch für „vier“, drücken, also „Q“ und „R“. William und Adson dringen erneut in die Bibliothek ein. Dabei hören sie Klopfgeräusche aus der Wand, was William vermuten lässt, dass jemand in einem Geheimgang – von denen es in diesen Mauern einige geben muss – gefangen ist. Dann erreichen sie den Spiegelraum. William betätigt den Mechanismus und stellt fest, dass er Recht gehabt hat, der Spiegel springt ein Stück nach vorne. Und mit dem Öffnen des Zugangs zum Finis Africae endet der Bericht Adsons über den sechsten Tag.

Was die Adaptionen betrifft, wird es hier schwierig. Vom Originalmaterial wurde in beiden Fällen nicht viel übernommen. Die ganzen Umstände um den geheimnisvollen Bibliothekar und wie William diesem auf die Schliche kommt, fehlen. Leider fehlen damit ein paar Details, die noch mehr von Williams scharfen Verstand zeugen. Außerdem ist der Umstand verloren gegangen, warum die beiden Mönche nicht früher darauf gekommen sind, der geheimnisvolle Spruch, um das Finis Africae zu öffnen, könnte etwas mit dem Wort „quatuor“ auf der Schrifttafel über dem Spiegel zu tun haben. In dem Spruch steht nämlich nicht nur „quatuor“, sondern „viginti quatuor“, also „vierundzwanzig“. Da die beiden Mönche es gewohnt waren, Latein zu sprechen, haben sie die beiden Worte als eine Zahl gelesen. Wie man immer wieder sagt, am besten ist etwas versteckt, wenn es sich unmittelbar im Blickfeld des Betrachters befindet.

Schauen wir uns explizit den Film an: Da hier William unter der Aufsicht der Inquisition steht, befinden sich bei dem Gottesdienst Bernard Guis Wachen in der Kirche. Als Malachias stirbt, nutzen William und Adson die Chance, den Wachen zu entkommen, indem sie im Tumult verschwinden und sich durch das Ossarium in die Bibliothek flüchten. Währenddessen stellt einer der Mönche fest, dass Malachias eine schwarze Zunge hat, so wie William gesagt hat. Darauf antwortet Gui:

Ja, er wusste es! So wie auch ich es gewusst hätte, wenn ich der Mörder gewesen wäre!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Diese Anschuldigung von Gui ist völlig überzogen, was die Geschichte betrifft. Etwas später (darauf werden wir bei der Abhandlung des nächsten Tages kommen) wird Adson etwas naiv glauben, Gui könnte mit Fakten überzeugt werden, indem sein Meister ihm den wahren Mörder präsentiert oder sogar selbst vor dem Papst angeklagt werden. Diese Figur wird sich jedoch von nichts überzeugen lassen.

Auf dem Weg durch die Bibliothek bemerkt Adson, dass die beiden noch immer nicht wissen, wie man den geheimen Zugang öffnet, wobei William zum zweiten Mal das tut, was ich beim Zugang zum Ossarium schon kritisch angemerkt habe – er hat plötzlich eine Eingebung aus dem Nichts:

William: Vielleicht indem man auf den ersten und siebenten Buchstaben des Wortes „vier“ drückt.
Adson: Aber „vier“ hat nur vier Buchstaben!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

William erklärt, wie es gemeint ist und behält natürlich recht. Gleichzeitig passiert etwas, das nicht im Roman steht, Bernard Gui lässt draußen, vor der Abtei die Scheiterhaufen für Remigius, Salvatore und die Rose errichten. Das ist der Countdown, den ich schon erwähnt habe, der die Spannung steigern soll. Doch wie genau das abläuft, wird in der nächsten Folge erzählt, denn der Spannungsbogen läuft parallel zu den Ereignissen im Finis Africae.

Etwas mehr dazu erfunden wurde in der Serie. Nach Malachias‘ Tod in der Kirche sagt Bernard Gui fast das gleiche wie im Roman. Was hier allerdings neu dazukommt: Er will nicht abreisen, sondern die Scheiterhaufen für die Ketzer in der Abtei errichten lassen. Adson hat darauf das Gespräch mit William, in dem er klagt, dass die „kleinen Leute“ für die Verbrechen der großen zahlen müssen. Das veranlasst William dazu, nochmal mit Gui zu reden. Gui ist siegessicher und wähnt die Franziskaner am Ende. William kommt auf das Mädchen zu sprechen und konfrontiert Gui mit der Tatsache, dass selbiger den Scheiterhaufen von Fra Dolcino und seiner Gefährtin persönlich angezündet habe. Ein Inquisitor muss Recht sprechen, er darf nicht zur ausführenden Hand werden. William will so die Rose freikriegen. Gui steigt darauf in den Kerker und redet mit ihr auf Occitanisch. Von der Handlung her ändert das Gespräch allerdings nichts, außer dass noch ein – meiner Ansicht nach – unnötiger Spannungsbogen eingebaut wird, ob Gui es sich anders überlegt. Das tut er nicht, er befiehlt lediglich, man solle die Scheiterhaufen errichten und anzünden, wenn alle am Abend in der Kirche sind.

In Teilen kommt das Gespräch mit Benno in der Serie vor, auch die Unterhaltung mit dem Abt, in dem William darlegt, was er alles herausgefunden hat. Auch hier verlangt der Abt, seine Gäste müssten am nächsten Tag abreisen. Als William und Adson den Hof der Abtei überqueren und William verzweifelt ist über den Gedanken, das Rätsel nicht lösen zu können, hört man ein Pferd wiehern, was Adson an Salvatores Spruch erinnert über das „tertius equi“. Auch hier ist es dieser Tipp, der die richtige Eingebung ist. Wie im Roman dringen die beiden in die Bibliothek ein und hören jemanden in der Mauer klopfen, wobei wir als Zuschauer vorher schon gesehen haben, dass es der Abt ist, der zwischen zwei Geheimtüren feststeckt.

Während die beiden zum Finis Africae vordringen und die Geheimtür öffnen, werden draußen die Scheiterhaufen errichtet. Auch hier gibt es also einen Countdown, sogar den gleichen wie im Film.

Im Vorwort des Buches „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose'“ schreibt Burkart Kroeber etwas, das sehr gut auch zu den Adaptionen passt, auch wenn es ihm eigentlich um Kritiker geht:

Die kritische Auseinandersetzung mit dem Namen der Rose ist, wie schon Renato Giovannoli in seiner Einleitung schrieb, ein endloses (sic!) work in progress, worin jeder Beitrag, quer durch alle Länder und Disziplinen, an die vorausgegangenen anknüpft und die folgenden inspiriert. Man könnte auch sagen, sie ist eine kollektive Erkundung des Labyrinths, das der Roman beschreibt und zugleich selber darstellt (und in dem sich mancher auch, wie es bei Labyrinthen vorkommt, verirrt).

Burkart Kroeber: „Einleitung“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose’“, dtv 1989, Seite 8 – 9

Das gleiche kann man auch über die Adaptionen sagen, denn letztlich ist eine Adaption nichts weiter als eine Auseinandersetzung mit dem Quellenmaterial. Manchmal stößt man dabei auf etwas, das schon im Roman nicht wirklich funktioniert hat und lässt es weg oder ändert es. Manches liest sich auf Papier sehr gut, wirkt allerdings visuell nicht so gut. Das sehen wir in den Adaptionen an dem Bibliothekslabyrinth selbst, im Film wurde es dreidimensional gemacht, damit der Zuschauer sich verloren fühlt, in der Serie blieb es eine Ansammlung von Räumen auf einer Ebene. Auch die Anknüpfung und Inspiration, die Kroeber beschreibt, finden wir, denn dass am Ende der Handlung ein Zeitdruck aufgebaut wird, indem die Scheiterhaufen für die Ketzer und die Rose gerichtet werden, haben Film und Serie gemeinsam, obwohl es nicht im Buch vorkommt. Und seit ich diese Serie angefangen habe zu schreiben, bin ich am Überlegen, ob ich diese Hinzufügung für eine gute Idee halte. Ich weiß es tatsächlich nicht, vielleicht kommt mir noch ein Gedanke, warum das Grübeln über die Szene mit den Scheiterhaufen im Allgemeinen bei mir ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube hinterlässt, noch dazu da ich nicht sicher bin, ob das im Buch beschriebene Ende (Gui reist mit den Gefangenen ab und wir erfahren nie, was genau passiert ist) dem Kinopublikum so gefallen hätte. Was die Serie betrifft, ist die Szene mit den Scheiterhaufen aber noch eingebettet in allerlei andere Dinge, die nicht aus dem Roman stammen. Das Gespräch zwischen William und Gui zum Beispiel, das zwar sehr gut geschrieben ist und wieder einmal ein gutes Beispiel ist für den scharfen Verstand des Franziskaners, aber sich im weiteren Kontext des „Füllmaterials“ verliert. Die Konfrontation ist von Seiten Williams sehr gut geführt, als er Gui vorhält, er als Inquisitor dürfe Urteile nicht selbst vollstrecken. Dann kommt die Szene, in der Gui im Kerker mit der Rose redet. Rupert Everett spielt das sehr gut, man weiß nie genau, ob Gui das Verständnis, das er der Rose entgegenbringt, nur heuchelt (wie er es zuvor bei Salvatore schon getan hat) oder ob er wirklich überlegt, sie laufen zu lassen (allerdings nicht aus Mitleid, sondern nur wegen Williams Einlassungen, dass er sich schon einmal schuldig gemacht hat, die Vorschriften zu übertreten). Das Problem ist meinem Eindruck nach aber das beschriebene, die Szene führt nirgendwo hin. Wir haben erneut das Problem, die Handlung muss zu einem bestimmten Punkt kommen, und die Ereignisse dürfen dem nicht im Weg stehen.

Und dann ist da ja auch noch Anna. Auch hier ist es ein geradezu bipolares Gefühl, die Szenen, in denen sie sich im Kerker versteckt, alles beobachtet und ja sogar einen Befreiungsversuch wagt, sind gut geschrieben und inszeniert (in einer Szene drückt sich Anna durch eine Maueröffnung, die kaum breit genug ist und verschwindet gerade rechtzeitig im Schatten, bevor die Wachen hereinkommen), aber alles das passt irgendwie nicht rein. Was ich dabei noch gar nicht erwähnt habe: Wie der Roman wird ja auch die Serie rückblickend aus der Ich-Perspektive von Adson als alter Mann erzählt (im deutschen übrigens sehr gut gesprochen von Lutz Riedel) und während wir im Film schon mehr sehen, als Adson gesehen haben kann, läuft das in der Serie völlig aus dem Ruder. Adson hätte beispielsweise nicht wissen können, was genau Bernard Gui auf der Reise von Avignon in die Abtei alles widerfahren ist. Während das im Film immer mal vorkommt und sich auf einzelne Szenen beschränkt, ist ein großer Teil der Handlung, der in der Serie wiedergegeben wird, etwas, das Adson weder miterlebt hat noch von irgendjemanden hätte berichtet bekommen können. Aber hier ist es wie so oft: Wenn der Rest stimmig ist, kann man einfacher darüber hinwegsehen, und das gelingt mir eben nicht ganz. Vielleicht bin es aber auch nur ich.

Da mir bei anderen Gelegenheiten schon angetragen wurde, ich solle doch erzählen, wie ich eine Handlung verfasst hätte (zum Beispiel im Falle „Star Wars“), möchte ich dem hier vorbeugen. Falls jemand also nachhaken möchte, wie ich eine Serienadaption von „Der Name der Rose“ umgesetzt hätte: Vergesst es! So etwas zu schreiben würde bedeuten, ich müsste Zeit (die ich nicht habe) und Energie (die ich nicht einsetzen möchte) aufwenden, um zumindest ein grobes Skript von einem Projekt zu verfassen, von dem ich genau weiß, dass es nie verwirklicht werden wird. Diese Serie hier habe ich mir gegönnt, da es sich bei Buch und Film wirklich um prägende Erlebnisse in meinem Leben handelt, aus denen ich auch viel gezogen habe. Weiter möchte ich allerdings nicht gehen, ich möchte stattdessen die Energie für meine eigenen Projekt aufwenden, denn immerhin schwirrt mir schon einige Zeit etwas im Kopf herum, das mal zu Papier gebracht gehört. Bis dahin erwarten uns noch die Ereignisse von einem Tag und ein Nachwort von „Der Name der Rose“.

Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Fünfter Tag

Worin sich die Ereignisse überschlagen, der Knoten der Adaption von Ecos Werk verworren wird wie jener des König Gordios und man sieht, wie zu viel Kreativität manchmal sich selbst erstickt.

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Im letzten Teil haben wir nun also festgestellt, dass die Serie „Der Name der Rose“ völlig aus dem Gleis der Romanvorlage geraten ist. Die Motivation der Autoren der Serie ist dabei zwar nachvollziehbar, aber für meinen Geschmack nicht immer passend. Schauen wir uns doch mal an, welches Schicksal Umberto Eco seinen Figuren am fünften Tag der Ereignisse zugedacht hat.

An diesem Tag sollen sich die Delegationen zu ihrem Disput treffen. Adson beobachtet auf dem Weg dorthin, wie Malachias etwas mit Bernard Gui zu besprechen scheint. Adson fällt weiterhin auf, dass Gui ein Schriftstück in der Hand hält. Er macht sich allerdings keine weiteren Gedanken, sondern begibt sich in den Kapitelsaal, wo die Konferenz stattfinden soll. Adson beschreibt sehr genau den Saal, sowie die Mitglieder der Delegationen. Dann gibt er die Argumente wieder, die die einzelnen Teilnehmer darlegen und die hier wiederzugeben dazu führen würde, dass diese Rezension genau so lang ist wie der Roman, was den Gebräuchen krass widerspräche. Es ist jedenfalls sehr interessant und gibt der Leserin und dem Leser einen weiteren Einblick in die Gedankenwelt des 14. Jahrhunderts. Auch werden die politischen Beweggründe erläutert und wer warum welche Seite einnimmt. Der Disput entwickelt sich allerdings nicht gut, da sich beide Seiten in Rage reden, was dem unbeteiligten Beobachter so manches Lächeln entlockt:

„Das Evangelium sagt, dass Christus einen Geldbeutel hatte!“
„Hör endlich auf von diesem Geldbeutel, den Ihr sogar noch auf Euren Kruzifixen darstellt! Wie, frage ich Dich, erklärst Du Dir, dass Unser Herr, als er in Jerusalem weilte, jeden Abend nach Bethanien ging?“
„Wenn es Unser Herr vorzog, in Bethanien zu schlafen, wer bist Du, seine Entscheidung zu kritisieren?“
„Du irrst Dich, Du alter Ziegenbock, Unser Herr ging nach Bethanien, weil er kein Geld hatte, um sich eine Herberge in Jerusalem zu leisten!“
„Selber Ziegenbock, Bonagratia! Und was aß Unser Herr in Jerusalem?“
„Würdest Du etwa sagen, dass der Gaul, der Hafer von seinem Herrn erhält, damit er weiterlebt, der Eigentümer des Hafers ist?“
„Ha, siehst Du, jetzt vergleichst Du Unseren Herrn Jesus mit einem Gaul!“
„Nein, aber Du vergleichst unseren Herrn Jesus mit einem korrupten Prälaten an Deinem Hof, Du Haufen Mist!“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 533-534

Der Streit wird immer heftiger, als ein Novize an William herantritt und ihm mitteilt, der Bruder Botanikus, Severin, wollte mit ihm sprechen. William kann sich für einen kurzen Moment aus der Konferenz lösen und erfährt, dass Severin offensichtlich das Buch, um das sich die geheimnisvollen Ereignisse zu ranken scheinen, in seinem Labor gefunden hat. Er kann es allerdings nicht herbeibringen, denn es sei ein seltsames Buch und gefährlich. William müsse es sich bei ihm ansehen. Der wird nun allerdings dringend in die Besprechung zurück befohlen. William begeht darauf einen Flüchtigkeitsfehler, denn schon halb auf dem Weg zurück den Kapitelsaal ruft er dem davoneilenden Severin nach, er solle dafür Sorge tragen, dass niemand „diese Schriften“ zurückbringe, was alle im Hof versammelten Mönche mitbekommen. Adson bekam zuvor noch von William den eilig ausgesprochenen Befehl, Jorge zu folgen, der offenbar etwas von dem Gespräch zwischen dem Mönch und Severin mitbekommen hatte. Doch nach Williams unbedachten Ausruf bemerkt Adson, dass Remigius wie erstarrt scheint, sich dann aber eilig entfernt. Da sowieso Aynardus dem Jorge nachläuft, beschließt der Novize, sich an Remigius‘ Fersen zu heften. Da an diesem Tag ein starker Nebel herrscht, ist das gar nicht so einfach. Remigius geht zu Severins Hospital, dort ist allerdings die Tür schon verschlossen. Adson wähnt Severin in Sicherheit und macht sich auf den Rückweg, dabei begegnet er Benno von Uppsala, der Dinge von sich gibt, aus denen klar wird, dass er das Ermittlerduo an den letzten Tagen sehr genau beobachtet hat. Er weiß auch, dass Berengar irgendetwas in der Bibliothek gefunden hat und wüsste zu gern, was. Außerdem möchte er mehr über die Geheimnisse der Bibliothek erfahren und findet, dass man das Wissen, das dort gespeichert ist, der Welt nicht vorenthalten dürfte.

Adson trifft wieder bei der Konferenz ein, wo sich die Gemüter mittlerweile etwas beruhigt haben. William muss nun seine Standpunkte vortragen, wobei Adson bemerkt, wie sehr abgelenkt sein Meister von dem Gedanken scheint, dass sich das Buch endlich in Reichweite befindet. Dennoch ist sein Vortrag recht eloquent, so dass Bernard Gui anmerkt, William solle diesen doch vor dem Papst in Avignon wiederholen, was dieser ablehnt. In diesem Moment kommt ein Wachposten dazu, der Gui etwas ins Ohr flüstert. Die Konferenz wird unterbrochen, da der Inquisitor großspurig verkündet, er habe den Mann festsetzen können, der für die schrecklichen Morde verantwortlich sei, jedoch leider nicht rechtzeitig genug, denn es sei etwas passiert.

Williams schlimmste Befürchtung wird wahr: Bevor der Mönch mit Severin reden konnte, hat ihn jemand ermordet, erschlagen mit einer so genannten Amillarsphäre, einem Modell der Planetenläufe aus Metall. Während die anderen Mönche in den Raum strömen, schaut sich William den Leichnam an und sucht nach schwarzen Flecken an den Händen, stellt aber fest, dass Severin Handschuhe trägt. Außerdem ist das Labor völlig verwüstet. Guis Wachen haben Remigius überrascht, wie er über dem Toten stand und die Regale durchwühlte. Eigentlich waren sie sowieso auf der Suche nach ihm, da sie ihn festnehmen sollten. Offenbar hat in der Nacht Salvatore unter der Folter ein Geständnis abgelegt. Remigius rennt zu dem bei den anderen Mönchen stehenden Malachias, und redet etwas mit ihm, worauf Malachias meint:

Ich werde nichts gegen Dich tun!

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 553

Nachdem Remigius abgeführt wurde, bittet William, dass alle Mönche den Raum verlassen mögen. Allein er, Adson und Benno von Uppsala bleiben da. Benno hat William zuvor erzählt, dass er sich sicher sei, Malachias sei nicht da gewesen, als die Mönche zu Tür hereinströmten; dann sei er plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht. Er sei sicher nicht zur Tür hereingekommen, sondern muss vorher schon hier gewesen sein und sich hinter einem Vorhang versteckt haben. Das lässt zwei Vermutungen zu, entweder hat Malachias etwas mit dem Tod von Severin zu tun oder zumindest hat er den Mord beobachtet. Die drei Mönche machen sich daran, die Unordnung zu sichten und stellen fest, dass mehrere Bücher herumliegen, zum Teil übel mitgenommen. Was hat Remigius hier so verzweifelt gesucht? Doch das Buch, das William nur einmal kurz im Skriptorium gesehen hat, scheint nicht hier zu sein. Dann lenkt sich die Aufmerksamkeit Williams auf die Amillarsphäre, denn schlagartig fällt ihm die Apokalypse wieder ein:

Der vierte Engel blies seine Posaune. Da wurde ein Drittel der Sonne und ein Drittel des Mondes und ein Drittel der Sterne getroffen, sodass sie ein Drittel ihrer Leuchtkraft verloren und der Tag um ein Drittel dunkler wurde und ebenso die Nacht.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 8, Vers 12

Die Amillarsphäre ging kaputt, als sie Severin auf den Kopf geschlagen wurde – ein Drittel der Sterne wurde getroffen. Wieder scheint der Täter einem genauen Plan gefolgt zu sein. Adson rekapituliert daraufhin die Verse über die fünfte Posaune und fragt sich, wo der nächste Tote zu finden sein wird:

Der fünfte Engel blies seine Posaune. Da sah ich einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war; ihm wurde der Schlüssel zu dem Schacht gegeben, der in den Abgrund führt.
Und er öffnete den Schacht des Abgrunds. Da stieg Rauch aus dem Schacht auf, wie aus einem großen Ofen, und Sonne und Luft wurden verfinstert durch den Rauch aus dem Schacht.
Aus dem Rauch kamen Heuschrecken über die Erde und ihnen wurde Kraft gegeben, wie sie tausend Skorpione auf der Erde haben.

Die Bibel – Das neue Testament: Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 9, Vers 1-3

Das sind so viele Angaben, dass man nur spekulieren kann, was im kranken Gehirn des Mörders vorgeht. Die Mönche finden das fragliche Buch nicht. William gibt Benno den Auftrag, Malachias zu überwachen. Auf dem Weg in ihre Zelle zurück denken sie nochmal laut nach. William fällt auf einmal ein, dass Severin das Buch ein „seltsames Buch“ genannt hat. Und so eins hatten sie gesehen, nur nicht erkannt, dass es das gesuchte war. Die Sache verhält sich so: William suchte nach einem griechischen Buch, Adson hatte ein Buch mit arabischer Schrift gefunden. Doch manchmal werden Schriften in unterschiedlichen Sprachen in einem Buch zusammengebunden. Deswegen sprach Severin von einem „seltsamen“ Buch, weil dort mehrere Sprachen zusammen waren! Sie rennen zurück ins Labor, doch nun ist das Buch verschwunden. Adson fällt ein, dass Benno kurz gelacht hatte, als er William das Buch zeigte und dieser erbost meinte, es sei das falsche, da die Schrift arabisch sei. Er hat nicht gelacht, weil Adson Arabisch nicht erkannt hatte, sondern weil William nicht bemerkte, dass er das richtige Buch in Händen hielt. William geht davon aus, dass das Buch längst wieder in der Bibliothek ist. Niedergeschlagen gehen er und Adson in den Kapitelsaal, wo nun nicht mehr der Disput, sondern die Gerichtsverhandlung des Inquisitors Bernard Gui stattfinden soll.

Remigius ist des Mordes und der Häresie angeklagt. Bernard Gui spielt die ganze Klaviatur dessen, was Schopenhauer als „die Kunst, Recht zu behalten“ bezeichnete. Alles wird umgedeutet, alles wird mit Bedeutung aufgeladen und so interpretiert, dass es passt. Da Remigius beispielsweise sehr gefasst scheint und sich keiner Schuld bewusst ist, behauptet Gui, genau das sei ein Zeichen seiner Schuld, denn die Rechtschaffenden seien immer nervös (und wäre Remigius nervös gewesen, hätte der Inquisitor sicher behauptet, die Nervosität sei ein Zeichen der Schuld). Im Verlauf des Verhörs wird der übel zugerichtete Salvatore dazu geholt und die ketzerische Vergangenheit beider, die nämlicher unter der Folter gestanden hat, kommt ans Licht. Dann wird Malachias aufgerufen und es kommt heraus, wieso Remigius Severins Labor durchsucht hat: Remigius hat Malachias ein paar Dokumente anvertraut, die mit der Zeit bei Fra Dolcino in Zusammenhang stehen. Als William an diesem Morgen zu Severin sagte, er solle Sorgen tragen, dass niemand „diese Schriften“ zurückbringe, da vermutete Remigius, dass es sich um seine Dokumente handelte. Remigius bleibt allerdings dabei, dass er Severin nicht getötet hat. Als Gui William fragt, welche „Schriften“ er mit seiner Aussage gemeint hatte, antwortet William mit einem Wortspiel: Es habe sich um ein Buch über die Tollwut bei Hunden gehandelt. Gui versteht die Anspielung, er ist Dominikaner-Mönch, das Wort „Dominikaner“ leitet sich von „domini canes“, also „Spürhunde des Herrn“ ab. Stattdessen versucht er, von Remigius ein Geständnis zu erhalten, das er dazu verwenden kann, die Konferenz zu sprengen und die Franziskaner in die Nähe von Ketzern zu rücken. Er hat einen Trumpf: Die Dokumente von Remigius, die Malachias ihm übergeben hat, es handelt sich um letzte Anweisungen von Fra Dolcino an seine Anhänger, die der Ketzerführer geschrieben hatte für den Fall, dass ihn die Inquisition zu fassen bekäme. Wenn die Zeit richtig gewesen wäre, hätte Remigius diese Dokumente an verschiedene Gruppen von Dolcinos Anhängern übergeben sollen. Tatsächlich ist bei Remigius ein Damm gebrochen, jetzt, da er seine wahre Persönlichkeit nicht mehr verleugnen muss und er gesteht seine ganze ketzerische Vergangenheit, scheint dabei sogar so seltsam entrückt zu sein, dass er die Aufrufe zu Mord und Totschlag wiederholt. Doch eine Sache will er nicht gestehen: die Morde an den Mönchen im Kloster.

Adson bemerkt kritisch, dass Gui kein Interesse an der Aufklärung der Todesfälle hat – er will einfach einen Schuldigen. Und den bekommt er auch, als er Remigius erzählt, was ihn während der nächsten Tage erwartet: die Folter. Mit Blick auf den misshandelten Salvatore gesteht Remigius alle Morde und erfindet auch für jeden ein Motiv. Schließlich erzählt er sogar, er habe sich für die Durchführung der Morde den Teufel dienstbar gemacht. Damit lässt der Inquisitor den Cellerar abführen. Der Disput ist gescheitert. Bernard hat es nun besonders auf Ubertin von Casale abgesehen, der ebenfalls schon ketzerische Reden gehalten hat. William rät Ubertin zur Flucht, was dieser auch tut. Nur Michael von Cesena, der die Delegation der Franziskaner anführt, will zum Papst nach Avignon reisen.

Da es sonst nichts zu tun gibt, möchte William zumindest die Mordfälle wirklich aufklären. Doch mittlerweile hat sich ein neues Problem aufgetan: Benno von Uppsala, der das Buch zweifellos aus Severins Labor geholt hat, wurde Berengars Posten, der des Bibliothekarsgehilfen angeboten. Damit hat er Zugang zu all diesen Geheimnissen, die er so dringend erkunden wollte. Aus diesem Grund hat er Malachias das Buch übergeben. William erklärt Adson, dass Benno – wie auch Berengar – von einer Lust befallen sei, bei Berengar war es die Lust des Fleisches, bei Benno die Lust am Wissen. Doch entgegen seinen früheren Aussagen, das Wissen müsse allen zur Verfügung stehen, reicht es ihm nun, wenn er allein an dieses Wissen gelangen kann.

Beim folgenden Gottesdienst hält Jorge von Burgos eine Predigt über Wissen, die Bewahrung von Wissen und den Antichristen. Im Anschluss sprechen Adson und William über das Schicksal, das Remigius, Salvatore und der Rose droht. Sie werden mit Bernard nach Avignon gehen, doch William schätzt, dass nur Remigius dort eintreffen wird. Salvatore ist nicht wichtig, vielleicht lässt Gui ihn fliehen, um ihn dann auf der Flucht erschlagen zu lassen. Der Scheiterhaufen für die Rose wird irgendwo auf dem Weg errichtet, um als Spektakel und Abschreckung für die Bevölkerung zu dienen. Remigius wird in Avignon verbrannt werden, gerade rechtzeitig zur Ankunft von Michael von Cesena, damit der Papst einen Grund hat, ein Exempel an einem Franziskaner zu statuieren. Adson stellt bitter fest:

„So hat der Cellerar also recht: Bezahlen müssen immer die kleinen Leute! Für alle bezahlen, auch für jene Großen, die zu ihren Gunsten sprechen, auch für Leute wie Ubertin von Casale und Michael von Cesena, durch deren Bußaufrufe sie sich zur Revolte verführen ließen!“ Ich war viel zu verzweifelt, um zu bedenken, dass mein Mädchen gar keine Ketzerin gewesen war, die sich durch Ubertins Mystik hatte verführen lassen. Sie war ein einfaches Bauernmädchen und musste für etwas bezahlen, mit dem sie nicht das Geringste zu tun hatte!

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 623

An diesem Abend weint Adson in seinem Bett. Er erinnert sich an Ritterromane, die er als Junge gelesen hat und hätte gern der Minne gefrönt wie in jenen Geschichten. Doch das geht nicht, denn zur Minne gehört es, den Namen der Angebeteten sehnsuchtsvoll zu seufzen und zu wissen, dass man nie mit ihr zusammen sein wird. Und mit der Erkenntnis, dass er noch nicht einmal den Namen der Rose kennt, endet der Bericht über diesen Tag.

Der Film muss die Ereignisse – wieder mal – etwas kürzen und baut sich dabei ein paar Ungereimtheiten ein. Außerdem wird der Konflikt zwischen William und Bernard Gui verschärft. Die Verhaftung von Salvatore und der Rose lief ja wie im Roman ab. Wir sehen auch, wie Salvatore von den Handlangern der Inquisition gefoltert wird (die Folterinstrumente hat Gui praktischerweise in seinem Wagen mitgebracht). Nachdem die päpstliche Delegation eingetroffen ist, wird auch hier der Disput abhalten, die Szene ist gegenüber dem Roman stark verkürzt und Bernard Gui ist nicht mit dabei, aber es kommt ebenfalls zu heftigen Diskussionen. Auch hier kommt Severin dazu und berichtet William, dass er das Buch gefunden habe. Allerdings reden William und er über ein offenes Fenster des Kapitelsaals miteinander. Ein Mönch, dessen Gesicht man nicht sehen kann, belauscht die beiden. Auch hier befiehlt William Severin, er möge in sein Labor zurückkehren und warten. Der Franziskaner will ihn aufsuchen, sobald der Disput es zulässt. Nun kommt es zu der Ungereimtheit: Severin kehrt in sein Labor zurück und findet es völlig verwüstet vor. Das ist unlogisch, da der Mönch, der Severin und William belauscht hat, kaum Vorsprung vor Severin gehabt hat, um dieses Chaos anzurichten. Noch dazu liegt das Buch ganz offensichtlich da, denn Severin entdeckt es sofort unter einem Tisch. Als er sich mit Handschuhen bewaffnet und es aufheben will, entdeckt er, dass sich jemand hinter einem Vorhang versteckt. Wir sehen, wie diese Person hervorkommt, die Amillarsphäre greift und Severin erschlägt, noch sehen wir allerdings nicht, um wen es sich dabei handelt.

Dann sehen wir Remigius, der mit ein paar Knechten im Kornspeicher zugange ist. Malachias kommt dazu und erzählt ihm, dass Salvatore der Inquisition die ketzerische Vergangenheit der beiden gestanden hat und er fliehen muss. Als Remigius versucht, über die Klappe, durch die das Kloster seine Abfälle entsorgt, zu entkommen, wird er schon von Guis Wachen erwartet und festgesetzt. In einer weiteren kurzen Szene sehen wir, dass Malachias einen Blutstropfen auf seinem Schuh bemerkt, den er heimlich abwischt.

Inzwischen kommt es zu dem Tumult, der auch im Roman beschrieben ist, und den William ausnutzen will, um sich davonzustehlen. Er läuft allerdings Gui in die Arme, der mit großer Pose den Kapitelsaal betritt und erklärt, er habe den Mörder gefasst, aber leider nicht bevor dieser ein weiteres Mal gemordet habe. William untersucht wie im Roman die Leiche von Severin und bemerkt, dass dieser Handschuhe trägt. Dass die Amillarsphäre als Mordwaffe wieder zu den Posaunen der Apokalypse passt, wird nicht erwähnt.

Die Gerichtsverhandlung von Gui findet ebenfalls ähnlich wie im Roman statt, allerdings ist es hier nicht Gui allein, der Gericht hält. Er holt sich zwei Beisitzer: den Abt und William von Baskerville. Gui beschuldigt Remigius der Häresie und des Mordes und nach einem Verhör – wieder stark gekürzt – fordert er von seinen Beisitzern, sein Urteil zu bestätigen. Der Abt bestätigt, doch William bestätigt nur die Häresie, besteht aber darauf, dass Remigius mit den Morden nichts zu tun hat. Erst daraufhin besteht Gui darauf, dass Remigius ein Geständnis durch die Folter entlockt werden soll, was diesen zusammenbrechen lässt. Doch das erzwungene Geständnis macht William noch wütender:

Wohlan denn, verbrennt Bruder Remigio! Aber glaubt ja nicht, dass Ihr damit dieser Mordserie, die das Ansehen dieser Abtei in Blut getaucht hat, beendet! Es werde noch mehr Leichen gefunden, und auch sie werden geschwärzte Finger haben und geschwärzte Zungen!

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Als Reaktion befiehlt Gui, William müsse festgesetzt und vor den Papst gebracht werden, da er es wiederholt gewagt habe, dem Inquisitor zu widersprechen. Gleichzeitig erklärt die päpstliche Delegation den Disput für beendet, denn man sehe ja, dass die Franziskaner nichts weiter seien als eine Heimstatt von Ketzerfreunden. Statt der raffinierten Intrigen, die Eco in seinen Roman spinnt, ist es also ziemlich plump Williams Schuld, dass der Disput geplatzt ist.

Beide Delegationen reisen nun ab. Die Flucht Ubertins gibt es im Film auch, sie ist allerdings früher eingebaut: Schon die Ankündigung, dass Bernard Gui in die Abtei kommt, lässt die Franziskaner alles arrangieren. Wir sehen auch, wie sich Ubertin in einem Fass auf einem Pferdewagen versteckt. Alles das findet unmittelbar nach dem Gespräch Williams mit dem Abt statt, bevor Gui eintrifft.

Auch in den Film übernommen wurde die Predigt von Jorge, sie findet allerdings erst am nächsten Tag statt (hier wurden wiederum zwei Romanszenen zusammengefasst), außerdem ist sie – natürlich – wiederum stark gekürzt. Jorge spricht in der Predigt davon, dass die Aufgabe der Bibliothek die Bewahrung von Wissen sei, denn:

Bewahrung habe ich gesagt, nicht die Suche nach neuem. Es gibt kein neues Wissen, lediglich eine – sagen wir – eine wunderbare Wiederholung.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Das entspricht ganz der Doktrin, dass die Bibel die letzte Wahrheit enthalte und man nicht mehr erfahren könne. Eingebaut in den Film wurde außerdem eine Szene während der Gerichtsverhandlung, in der Adson in der Kirche die Jungfrau Maria um Hilfe für die Rose anfleht.

Nun müssen wir uns dem gordischen Knoten der Umsetzung in der Serie widmen. Die Autoren haben den Disput in zwei Teile aufgebrochen, um Handlungsstränge parallel laufen lassen zu können, die im Roman eigentlich nacheinander folgen. Außerdem wurde Anna in die Handlung eingefügt. Ich versuche, es so gut wie möglich zusammenzufassen, um die geneigte Leserin und den geneigten Leser nicht zu sehr zu verwirren (und stelle fest, dass ich das in dieser Reihe häufig schon versucht habe, mir aber nicht sicher bin, ob es gelungen ist). Wohlan denn:

Der erste Teil des Disputs findet in der Serie statt unmittelbar bevor die Rose in Salvatores Falle gerät. Der Disput wird allerdings noch verschärft, anstatt dass sich die Teilnehmer mit Schimpfworten bewerfen, kommt es zu einer handfesten Prügelei. Danach beichtet Adson William, dass er gegen das Zölibat verstoßen habe. Während Salvatore die Rose in die Papiermühle sperrt und zum Kloster zurückkehrt, erwacht Anna im Wald und merkt, dass die Rose verschwunden ist. Adson trifft Salvatore in der Abtei bei den Pferdeställen, der Adson von dem Bündel, das er bei sich trägt, ablenken will, indem er die Aufmerksamkeit des Novizen auf „das dritte Pferd da“ lenkt, das nicht so gut sei wie das des Abtes. Adson sieht aber trotzdem die schwarze Katze, ebenso Malachias.

Anna dringt heimlich in die Abtei ein. Zuerst trifft sie Adson, dem sie erzählt, dass die Rose verschwunden ist, dann redet sie mit Remigius. Sie wolle die Briefe ihres Vaters – Fra Dolcino – wiederhaben. Remigius geht zu Malachias, der sie in der Bibliothek aufbewahrt hat, doch der behauptet, er habe die Briefe nicht mehr. Der zweite Teil des Disputs beginnt, da kommt Severin und berichtet William, er habe das Buch gefunden. William muss aber eine Rede halten, also sagt er Severin, er solle sich einschließen und darauf schauen, dass „niemand diese Schriften“ hole. Adson soll auf dem Hof Wache halten. Dabei beobachtet er Remigius, der unschlüssig herumläuft. Er wähnt Severin in Sicherheit und kehrt in den Kapitelsaal zurück.

Wie im Roman wird der Disput kurz darauf durch die Nachricht unterbrochen, dass Severin ermordet und Remigius als Mörder festgenommen wurde. In Severins Labor wendet sich Remigius allerdings nicht an Malachias, sondern an Adson. Er umarmt ihn und flüstert ihm zu, er solle Anna warnen.

Jetzt laufen wiederum zwei Dinge parallel: Bernard Gui verhört Remigius (wobei sehr viel von der Szene aus dem Buch übernommen wurde), gleichzeitig untersuchen William und Adson Severins Labor. Wie im Roman wird von der Amillarsphäre auf die Posaune der Apokalypse geschlossen, wie im Roman ist Benno mit dabei und berichtet, dass Malachias schon vorher da gewesen sein muss. Auch lacht Benno, als Adson das richtige Buch in Händen hält und William es nicht erkennt.

Ebenfalls gleichzeitig kommt Salvatore an der Papiermühle an und will das magische Ritual an der Rose vollziehen, damit sie ihm verfällt. Allerdings hat Malachias Salvatore bei Gui angeschwärzt. Der will noch eine Bestätigung und lässt Remigius foltern. Währenddessen macht sich Adson auf den Weg in die Papiermühle, da ihm klar geworden ist, wer für das Verschwinden der Rose verantwortlich sein muss. Während die Gerichtsverhandlung weiterläuft, machen sich Guis Wachen ebenfalls auf den Weg in die Papiermühle. Der Kampf zwischen Adson und Salvatore findet statt, Adson fällt „rechtzeitig“ in den Mühlbach, bevor Guis Wachen hereinkommen und Salvatore und das Mädchen festnehmen.

Nach der Ankunft der Gefangenen in der Abtei kommt auch Adson zurück mit einer ziemlich üblen Platzwunde am Kopf. Salvatore wird nun ebenfalls gefoltert, am nächsten Tag geht die Gerichtsverhandlung weiter, während Anna durch die Abtei streift, auf der Suche nach Gui. Wie im Roman ist der Umstand, dass Remigius in Severins Labor gefunden wurde auf ein Missverständnis zurückzuführen. Gui hat die Briefe, die Dolcino Remigius mitgegeben hat, von Malachias erhalten.

Remigius wiederholt seine Überzeugungen, warum er Dolcinos Bande angehört hat und hier kommt es zu der merkwürdigsten Szene in der Serie: Jorge will sich das ganze nicht mehr anhören, Adson ebenfalls nicht, also begleitet er den Blinden hinaus. Es kommt zu einem Gespräch zwischen Adson und Jorge, bei dem Adson den alten Mönche darum bittet, der Rose die Absolution zu erteilen – was jener tatsächlich tut! Er geht mit Adson in den Kerker, sagt, er spüre nichts Böses bei dem Mädchen und spricht die Absolution aus. Ich habe den Verdacht, dass das eingebaut wurde, um von Jorges Rolle in der Geschichte abzulenken, aber es fühlt sich wie völlig aus der Geschichte herausgefallen an.

Der Rest der Verhandlung ist wie im Roman: Remigius will die Morde nicht gestehen, also droht ihm Gui die (erneute) Folter an. Dann gesteht er. Damit ist das Urteil klar: Remigius, Salvatore und die Rose sollen nach Avignon gebracht und verbrannt werden.

Während William und Adson mit Benno reden und er ihnen mitteilt, dass er der neue Bibliothekarsgehilfe ist, dringt Anna in den Kerker ein und unternimmt einen Befreiungsversuch, der allerdings scheitert.

Ich hatte erwähnt, dass den Autoren des Films wegen der Verkürzung der Handlung ein paar Ungereimtheiten passiert sind, aber das ist nichts gegen das Gewirr, das die Serienautoren mit der Handlung veranstalten. Hier treten eindeutig drei Motive für die starke Veränderung der Handlung hervor: Zum einen sollte eine starke, weibliche Figur – Anna – auch etwas zu tun bekommen. Zweitens sollte die Handlung so verlängert werden, damit man auf acht Folgen mit je ungefähr 50 Minuten kommt und jede Folge mit einem Cliffhanger abschließen kann. Drittens, und das fällt besonders bei der Gerichtsverhandlung auf, sollte wohl das Pacing verändert werden, da hier Szenen, in denen viel geredet wird, sich mit Szenen, in denen Action stattfindet, abwechseln. Ich persönlich denke, dass man sich hier keinen Gefallen getan hat, da die Serie damit an dem leidet, was man bei manchen Serien schon gesehen hat: Die Szenen wirken nicht verlängert, sondern gestreckt. Nehmen wir zum Beispiel die Szene mit Jorge, der der Rose die Absolution erteilt. Diese Szene führt nirgendwo hin und hätte auch weggelassen werden können. Auch der gescheiterte Befreiungsversuch, den Anna durchführt. Das wirkt fast schon ein bisschen wie in einer alten Fernsehserie: Im Verlauf einer Folge kann man machen, was man will, aber am Ende muss wieder der Ausgangspunkt hergestellt sein. In dem Fall ist das Ende vorgegeben, denn der Kern der Handlung wäre implodiert, wenn es Anna gelungen wäre, die Rose zu befreien. Also darf das nicht geschehen, deswegen musste der Fluchtversuch scheitern. Auch hier würde sich nichts ändern, würde man die Szene rausschneiden – außer der Laufzeit der Folge.

Das ist sehr schade, denn auf der anderen Seite gibt es sehr gute Einfügungen in die Serie. Beispielsweise hat Bernard Gui kein Folterinstrumentarium dabei, also lässt er kurzerhand die Werkzeuge des Schmiedes der Abtei beschlagnahmen. Nachts gellen die Schreie der Gefolterten durch die Gebäude, so dass die Mönche auf den Gang strömen und der Schmied wütend ruft:

Sie foltern ihn – mit MEINEN Werkzeugen!

Giacomo Battiato et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, 11 Marzo Film, Folge 7

Der Film hat gegenüber der Serie wiederum den stärkeren Realismus. Ich möchte noch einmal Anna erwähnen, die in die Abtei eindringt, sich verkleidet und überall heimlich herumstreicht. Ich habe schon den Vergleich mit einem Fantasyfilm gemacht, in den Szenen hier wurde ich sehr stark an Robin Hood erinnert. Auch was die Gefangenen betrifft, ist der Film realistischer und näher an der Beschreibung im Roman. Da hier ja Salvatore zuerst festgesetzt und gefoltert wird, sieht man die Spuren der Folter bei der Gerichtsverhandlung sehr deutlich. Wie im Roman beschrieben erkennt man in der Szene, dass Salvatore während der Folter wohl die Handgelenke gebrochen wurden und seine Hände völlig verdreht sind.

Das waren also die Ereignisse des fünften Tages. Wir steuern unaufhaltsam auf den Höhepunkt zu. Achtet auf die sechste Posaune!

Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Vierter Tag

Worin man sich endlich in aller Ausführlichkeit dem Labyrinth der Bibliothek zuwenden kann und es innerhalb der Geschichte zu einem tragischen Ereignis kommt. Ein zweites tragisches Ereignis ist die Umsetzung des ersten tragischen Ereignis in der Serie.

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Transkript

Die Variation der Geschichte von Umberto Eco laufen an der Stelle immer weiter auseinander. Szenen aus dem Buch wurden zum Teil stark verschoben, sowohl für den Film, als auch für die Serie. Die Serie bricht dabei nun allerdings sehr stark aus den Abläufen des Romans heraus. Wie wir sehen werden, haben die Autoren zum Teil ganze Handlungsstränge herumgedreht, um die Handlung selbst dehnen zu können. Außerdem, wie schon angedeutet, ist die Stimmung eigentlich eine andere. Schauen wir zuerst, was Adson zufolge an jenem Tag in der Abtei geschah.

Die Nachricht von Berengars Tod macht natürlich sofort die Runde und bringt die Mönche in Aufruhr. Im Hospital von Severin untersuchen jener und William den Toten und stellen fest, dass er ertrunken sein muss. Da aber der Platz um die Wanne herum sauber war, deduziert William, dass Berengar nicht mit Gewalt unter Wasser gedrückt wurde. Aber wie starb er dann? Anhand des Zustandes des Toten schätzt William, dass Berengar nicht am Abend zuvor, sondern schon einen Tag früher gestorben sein muss. Er vermutet weiterhin, dass es Berengar war, der das Buch vom Tisch des Venantius aus dem Skriptorium gestohlen hatte. Severin meint daraufhin, dass es gut möglich ist, dass Berengar sich nach dieser Aktion ein erholsames, beruhigendes Bad gönnen wollte, er sei nämlich sehr empfindlich gewesen; manchmal sei es sogar vorgekommen, dass ihn etwas so sehr aufregte, dass er aus dem Mund schäumend zu Boden stürzte. Allerdings muss Berengar noch woanders gewesen sein, bevor er ins Badehaus ging, denn das fragliche Buch ist nicht da. In diesem Moment fällt Severin etwas auf:

„Als ich vorgestern Morgen die Leiche des armen Venantius untersuchte, fand ich etwas, das mir nicht besonders wichtig erschien: Die Fingerkuppen an zwei Fingern der rechten Hand waren leicht geschwärzt wie von einer dunklen Substanz. Genau wie hier – sieh mal – die Fingerkuppen Berengars! Ja, und hier sind auch Spuren an einem dritten Finger! Vorgestern nahm ich an, Venantius hätte vielleicht im Skriptorium eine Tinte berührt…“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 401

William betrachtet sich Berengars Finger genauer, Spuren finden sich an Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand, schwache Spuren auch an der linken Hand an Daumen und Zeigefinger. Also haben Berengar und Venantius den gleichen Gegenstand berührt. Severin referiert über Gifte, die allein durch Berührung töten können, doch da entdeckt William, dass auch die Zunge des Toten schwarz ist. Also hat er etwas mit den Händen ergriffen und in den Mund genommen, womit die Hypothese vom Kontaktgift ausscheidet. Severin fällt ein, dass ihm ein Mönch vor einiger Zeit einmal ein bestimmtes Gift mitgebracht hatte, das innerhalb kürzester Zeit den Tod durch Lähmung bringen würde. Doch es gab vor einiger Zeit einen Sturm, der wegen einer Türe, die offen stand, das Hospital verwüstete. Nachdem Severin aufgeräumt hatte, fiel ihm auf, dass die Flasche mit dem Gift verschwunden schien. Er hatte genau nachgeschaut, sie war nicht bei den zerbrochenen Flaschen dabei gewesen. Jemand muss sie damals gestohlen haben und ist jetzt dabei, Mönche mit diesem Gift umzubringen.

William und Adson suchen als nächstes Salvatore, da William wissen möchte, ob die nächtlichen Ereignisse um das Mädchen etwas mit den Toten zu tun haben. Sie finden ihn auch und William nimmt ihn hart ran, so dass er gesteht, das Mädchen für Remigius in die Abtei gebracht zu haben. Außerdem gesteht er, dass er Remigius kennenlernte, als sie beide noch zu Fra Dolcinos Bande gehörten. William und Adson gehen dann zu Remigius. William verwickelt ihn zunächst in ein Gespräch über die Bauern, die im Dorf unterhalb der Abtei leben und verzweifelt an den verschiedenen Maßen, die verwendet werden, um Korn, Fleisch oder Flüssigkeiten zu messen:

„Den Wein zum Beispiel messt ihr nach Humpen, nicht wahr?“[, sagte William.]
[Remigius erwiderte:] „Oder nach Kruken. Sechs Kruken sind eine Kufe, acht Kufen ein Fass. Oder andersherum, eine Kruke hat sechs Pint zu je zwei Kannen.“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 415

Durch geschickt ins Gespräch eingefügte Andeutungen bringt William Remigius dann dazu, mit der Wahrheit herauszurücken: Für ihn hat Salvatore schon häufiger Mädchen aus dem Dorf in die Abtei geschleust, deswegen ist er des Nachts unterwegs und hat so manches mitbekommen. Zum Beispiel, dass Berengar ebenfalls fleischlich versucht wurde, allerdings nicht von einem Mädchen, sondern einem Mitbruder. Zudem hat Remigius den toten Venantius gefunden, bevor er im Schweineblutbottich gelandet war. Er lag auf dem Boden in der Küche, eine zerbrochene Tasse lag neben ihm und es gab Spuren von Wasser. Da Remigius aber wegen dem Mädchen in der Nacht unterwegs war, habe er beschlossen, nichts zu machen und zu warten, bis jemand den Toten am Morgen finden würde. Sehr überrascht hat es ihn allerdings, als man Venantius dann in dem Schweineblutbottich fand. Wer ihn dorthin gebracht haben könnte, weiß er aber nicht. Als William feststellt, dass Malachias der einzige sei, der sich im Aedificium (und damit in der Küche) frei bewegen könne, widerspricht Remigius sehr heftig. William vermutet, dass Malachias etwas gegen Remigius in der Hand hat, noch dazu da der Cellerar das Geständnis von Salvatore bestätigt hat. Beide gehörten den Gefolgsleuten von Fra Dolcino an. Weiters deduziert der Franziskaner, dass Venantius entweder in der Küche das Gift in der Tasse verabreicht bekommen habe, oder dass er bereits vergiftet war, als er in die Küche kam und Wasser trinken wollte, weil er ein Brennen in seinen Eingeweiden verspürte.

In dem Moment kommt Severin dazu und bringt William seine Augengläser wieder, die er in der Kutte des Berengar fand (und womit klar ist, dass er wirklich der Dieb war). Direkt danach begegnen sie dem Glasermeister Nicolas von Morimond, der seinerseits endlich die nachgemachten Augengläser fertig hat und etwas enttäuscht ist, als er sieht, dass William seine wiedergefunden hat. Der Franziskaner beruhigt ihn allerdings und meint, die neuen Gläser seien besser und er werde die alten nur noch als Reserve verwenden.

Während William sich nur mit zwei Brillen bewaffnet daran macht, die Aufschriebe des Venantius zu entziffern, streift Adson, von Liebeskummer geplagt, in der Abtei umher. Nach zwei Stunden trifft er seinen Meister wieder, der Venantius‘ Notizen übersetzt hat. Dabei handelt es sich um Fragmente, die offenbar aus einem Buch stammen, doch sehr wirr wirken:

Mach dir die hässlichen und gemeinen niederen Leute zunutze, ziehe Vergnügen aus ihren Mängeln… Sie dürfen nicht sterben…

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 437

William steckt fest und legt sich in seine Zelle, um zu meditieren (und diese Melancholie verbindet ihn wiederum mit Sherlock Holmes). Adson geht indessen mit anderen Brüdern und den Knechten des Klosters zur Trüffelsuche, wobei sie der gerade eintreffenden Delegation der Franziskaner über den Weg laufen. Zwischen dem Anführer der Delegation, Michael von Cesena, William und Ubertin entwickelt sich nach deren Eintreffen ein Gespräch, das die historischen Hintergründe der Wahl von Papst Johannes XXII. beleuchtet. Kurz darauf trifft die Legation des Papstes unter Kardinal del Poggetto ein. Hier lernt Adson auch endlich den Mann kennen, von dem er schon einiges gehört hat: Bernard Gui.

Er war ein ungefähr siebzigjähriger Dominikaner von hagerer, aber straffer und hoher Gestalt. Am meisten fesselten mich seine grauen und kalten Augen, die ihr Gegenüber ausdruckslos anstarren konnten, aber auch häufig vielsagend aufblitzten und seine Gedanken sowohl verbergen als auch im rechten Moment gezielt auszudrücken vermochten.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 462

Falls sich jemand überlegt, ob diese Beschreibung passenderweise eventuell mit dem Aussehen von Professor Moriarty, dem Widersacher von Sherlock Holmes, in Übereinstimmung zu bringen ist, so muss ich sagen: Leider nicht wirklich. Außer dass beide groß und dünn sind, gibt es da keine Gemeinsamkeiten. Gui weiß auch schon Bescheid, was sich in der Abtei ereignet hat. Er und William zeigen sich gegenseitig ihre Abneigung und Gui macht klar, dass er den Fall nun aufklären werde.

Nach einem Spaziergang treffen William und Adson erneut auf Alinardus, der ausführt, dass man die Leiche Berengars wirklich im Wasser gefunden hat, passend zur Posaune aus der Apokalypse. Er macht dann noch Andeutungen, dass er eigentlich Bibliothekar hätte werden sollen, wurde aber von einem anderen ausgestochen, den Gott aber schon bald ins Reich der Finsternis befohlen hat.

Nach dem Essen trifft Adson Salvatore, der ein Bündel bei sich trägt, in dem sich eine schwarze Katze befindet. Nachdem Adson etwas energischer nachfragt, gibt Salvatore zu, er wolle einen Zauber machen, bei dem die Augen einer Katze, Pferdemist und zwei Eier eine Rolle spielen, und der dazu dienen soll, sich eine Frau gefügig zu machen.

In der Nacht dringen William und Adson erneut heimlich in die Bibliothek ein und kommen dem Schema auf die Spur, nach dem die Bücher sortiert sind: Der Anfangsbuchstabe der Sinnsprüche, die an die Wände der Räume gemalt sind, gibt den Hinweis. Jeder Raum hat einen Buchstaben, ein roter Buchstabe ist ein Wortanfang und die Worte sind Namen von Regionen, aus denen die Bücher stammen, die in diesen Räumen lagern (zum Beispiel GALLIA, HIBERNIA oder ROMA). Die Bücher aus Afrika sind unter dem Wort LEONES („Löwen“) verwahrt, der Raum mit dem „S“ ist der mit dem Spiegel. William vermutet, dass der Spiegel der Eingang zum Finis Africae ist, wo ganz besondere Bücher aufbewahrt werden. Eines dieser besonderen Bücher muss dasjenige sein, um das es bei diesem ganzen Fall geht. Aber der alte Mönch hat keine Ahnung, wie die Geheimtür zu öffnen ist. Adson entdeckt bei der Suche ein paar Bücher, in denen von der Liebeskrankheit erzählt wird, von der er sich befallen wähnt, da er schon den ganzen Tag sehnsüchtig an das Mädchen – die Rose – denkt. Die weitere Suche bringt dann Ablenkung, was in einem der Bücher dringend geraten wird.

Doch die Nacht ist noch nicht vorbei. Als die beiden sich aus der Bibliothek ins Untergeschoss des Aedificiums schleichen, hören sie Lärm und Aufruhr. Da die Mönche herbeigeströmt kommen, müssen sie nicht durch den Geheimgang gehen, sondern können sich einfach unter die anderen mischen. Doch was ist passiert? Die Bogenschützen der päpstlichen Delegation patrouillierten Nachts durch die Abtei und erwischten Salvatore dabei, wie er die Rose durch einen verborgenen Eingang in die Mauern des Klosters holte. Da sie bei den beiden noch dazu die Zutaten für Salvatores Zauber fanden – die schwarze Katze, die Eier, der Pferdemist und dazu einen schwarzen Hahn -, ist für Gui die Sache klar: Hexerei! Salvatore und die Rose werden in Zellen im Keller eingesperrt und Salvatore soll noch in der Nacht verhört werden.

Die ganze Situation macht die Delegation der Franziskaner nervös: Nach Guis Auffassung wirkt ein böser Zauber in der Abtei, möglicherweise kann er über die Folter Salvatore ein Geständnis entlocken, das man im Disput – und überhaupt – gegen die Franziskaner verwenden kann. Und mit diesen schlimmen Befürchtungen endet der vierte Tag der Geschichte.

Schauen wir uns nun zunächst einmal an, wie die Bibliothek und das Rätsel der dort aufbewahrten Bücher umgesetzt wurden. Umberto Eco hat hier sehr schön Vorarbeit geleistet, denn nicht nur ist das Aedificium, in dessen oberen Stockwerk sich die Bibliothek befindet, sehr detailliert im Text beschrieben, sondern auch noch eine Karte gezeichnet, die in den Text eingefügt wurde. Hier wird nochmal deutlich, nach welchem System die Räume sortiert sind, außerdem kann man sehr deutlich erkennen, wo das so genannte „Finis Africae“ liegt. Dante Ferretti, der Ausstatter der Filmproduktion, sah das Aedificium kritisch für einen Film. Zwar würde das Labyrinth in einem Roman, der ja an sich schon wie ein Labyrinth geschrieben ist, gut funktionieren, aber visuell biete seiner Meinung nach so ein Gewirr von Gängen für die große Leinwand nicht viel. Zum einen ist das Aedificium im Roman nur zweistöckig und damit „platt wie ein Briekäse“, zum anderen muss die Orientierungslosigkeit der Hauptfiguren deutlich nachvollziehbar sein, und das in der kurzen Zeit, die im Film bleibt:

Wenn wir ein horizontales Labyrinth benutzt hätten, wäre es nötig gewesen, es von oben zu filmen, aber dann hätte der Zuschauer den Ausgang sehen können, wodurch das Ganze witzlos geworden wäre.

Dante Ferretti 1986

Stattdessen wählte Ferretti ein Modell, das zwei Fliegen mit einer Klappe schlug: Zum einen wurde das Aedificium nun mehrere Stockwerke hoch und zu einem imposanten Gebäude, das die ganze Abtei überragt, zum anderen wurde das Labyrinth dreidimensional:

Um in das Labyrinth hineinzugelangen, muss man durch eine Falltür und das erste, was man sieht, ist ein Meer von Treppen, von denen jede in eine verschiedene Richtung führt.

Dante Ferrette 1986

Auf fünf Stockwerke verteilt finden sich in der Filmbibliothek zwölf sechseckige, völlig identische und mit Büchern vollgestopfte Räume, die durch sechzig gleichartige Treppchen mit jeweils derselben Stufenzahl miteinander verbunden sind. Das ganze war so verwirrend, dass Kreidemarkierungen auf dem Boden notwendig waren, um dem Filmteam den Weg zum Drehort und wieder zurück zu weisen. Und interessanterweise überlegt sich William im Roman, ob man einen Ariadnefaden verwenden solle, um sich in der Bibliothek zurecht zu finden, im Film kommt er tatsächlich zum Einsatz: Geistesgegenwärtig bindet Adson einen Faden seiner wollenen Unterwäsche an einen Tisch und zieht ihn hinter sich her. Auf diese Weise finden er und William den Ausweg schneller. Der Ariadnefaden geht auf die Legende der Ariadne auf Kreta zurück, die Theseus ein Wollknäul mitgab, als jener in das Labyrinth unter dem Palast eindrang, um den dort hausenden Minotaurus zu töten. Nachdem Theseus den Minotaurus besiegt hatte, fand er dank des Fadens wieder aus dem Labyrinth heraus.

Unheimliche Geräusche und Lampen, die betörende Dämpfe verströmen, finden sich im Film nicht wieder, aber dafür Falltüren. Die Sinnsprüche werden nicht erwähnt, soweit ich sehen kann, finden sie sich auch nicht wieder, außer über dem Spiegel mit der Geheimtür (aber dieser Sinnspruch ist ja auch für die Handlung wesentlich). Auch fertigen William und Adson keine Karte vom Labyrinth an.

In der Serie wird wieder einmal mehr übernommen, tatsächlich stimmt die Karte, die die beiden Mönche hier zeichnen, mit der im Buch weitgehend überein, auch die Sinnsprüche und die Sortierung von den Räumen. Allerdings – und das verstehe ich wieder nicht – gibt es Räume, bei denen die Durchgänge mit Bücherregalen verbaut sind. Und zwar nicht im Sinne einer Geheimtür, in den Vorraum zum Finis Africae kommen die beiden nur, indem sie ein Regal komplett anheben und zur Seite stellen. Das erscheint mir unlogisch und unpraktikabel für den täglichen Gebrauch. Der Spiegel, der die Geheimtür zum Finis Africae bildet, ist im Buch als Zerrspiegel beschrieben, in der Serie ist er glatt. Des weiteren müssen die beiden eine Treppe überwinden, um in den Vorraum zu kommen, denn auch in der Serie ist das Aedificium mehrere Stockwerke hoch.

Zur weiteren Handlung und zurück zum Film: Das Gespräch zwischen William und Remigius findet in der Form nicht statt, daher erfährt der Filmzuschauer auch nicht, dass es Remigius war, der den toten Venantius in der Küche gefunden hat. Salvatore erzählt Adson nicht, dass er ein Ritual vorhat, stattdessen sehen wir ihn am Abend, wie er es vollführt, während die Rose da ist. Ich finde die Szene aber etwas verwirrend, da nicht klar ist, was Salvatore bezweckt. Er baut alles auf und verlangt von der Rose, sie solle auf die in Pferdemist gelegten Eier spucken (das ist wesentlich für den Zauber, damit sie ihm verfällt). Nachdem sie das getan hat, bekommt sie von Salvatore den schwarzen Hahn (wohl zum Essen, wahrscheinlich hat er sie damit angelockt). Dann wird Salvatore – bevor er die schwarze Katze für das Ritual töten kann – von seiner Lust übermannt und er fällt über die Rose her, die sich wehrt und dabei eine Lampe umstößt. Da sich die beiden im Stall befinden, wird sofort ein Strohballen entzündet. Der Brand alarmiert die Mönche und die Wachen, die daraufhin Salvatore und die Rose festnehmen. Bernard Gui, der kurz zuvor erst eingetroffen ist, erkennt in den Utensilien (schwarzer Hahn, schwarze Katze) Hexerei und will den beiden den Prozess machen. Adson bittet William eindringlich, er solle Gui klarmachen, dass die Rose unschuldig ist, da sie den Hahn zum Essen für sich und ihre Familie haben wollte. William winkt ab und sagt, die Rose sei verbranntes Fleisch. Er erzählt hier außerdem von einer Konfrontation mit Gui, bei der William einen Mann nicht der Ketzerei schuldig sprechen wollte, worauf ihn Gui foltern ließ. Ergebnis: William widerrief und der Mann wurde verbrannt. Das Ereignis führte dazu, dass William die Tätigkeit als Inquisitor hinter sich ließ.

Der Umstand, dass sowohl Venantius, als auch Berengar geschwärzte Fingerkuppen und geschwärzte Zungen haben, wird im Film schon bei der Untersuchung der Leiche von Venantius erwähnt, was zu folgender lustigen Interaktion mit Severin führt:

William entdeckt schwarze Flecken auf Zeigefinger und Daumen von Venantius.
Severin: Ein Tintenfleck.
William öffnet Venantius‘ Mund und entdeckt, dass die Zunge genauso schwarz ist.
William: Er hat doch wohl nicht mit der Zunge geschrieben?

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Dass Severin Gift fehlt, wird im Film übrigens gar nicht erwähnt. Die Augengläser werden ebenfalls bei Berengar gefunden, allerdings sind sie gesplittert, da der Dieb sie hat fallenlassen. Zu dem Zeitpunkt, da Berengars Leiche entdeckt wird, hat der Abt im Film auch schon die Entscheidung getroffen, die weitere Untersuchung Bernard Gui zu überlassen. Außerdem wurde noch ein Fakt in den Film eingebaut, der alles etwas deutlicher machen soll: Berengars Schuhe haben sehr deutliche Riefen in den Sohlen, so dass William den Sohlenabdruck wiedererkennt, den er im Schnee gesehen hat, nachdem Venantius im Schweineblutbottich gefunden wurde.

Ein weiteres Detail ist mir noch aufgefallen, von dem ich nicht nachvollziehen kann, ob es im englischen Original auch vorhanden ist: Die Wachen von Gui und der päpstlichen Delegation reden Schweizerdeutsch. Das soll wohl ein Anklang an die Schweizergarde, die Wachen des Papstes sein, ist allerdings historisch falsch. Die Schweizergarde existierte 1327 noch nicht.

Was die Serie betrifft, bin ich nunmehr erneut gezwungen, entgegen meiner guten Vorsätze einen Vorgriff in der Handlung zu machen, da hier die Abläufe völlig vertauscht wurden. Nur zur Erinnerung, im Roman folgten die Abläufe folgendem Schema:

  1. Berengar ist verschwunden
  2. Adson trifft auf die Rose, es kommt zum Sex
  3. Adson beichtet William
  4. William und Adson finden den toten Berengar
  5. Untersuchung der Leiche Berengars
  6. Gespräch zwischen William und Remigius
  7. Bernard Gui trifft ein
  8. Adson und William durchsuchen erneut die Bibliothek
  9. Salvatore und die Rose werden von den Wachen Guis festgenommen

In der Serie ist der Ablauf wie folgt:

  1. Berengar ist verschwunden
  2. Gespräch zwischen William und Remigius
  3. William und Adson finden den toten Berengar
  4. Adson und William dringen erneut in die Bibliothek ein
  5. Adson trifft sich heimlich mit der Rose und muss sie aus einer Falle befreien, die Salvatore aufgestellt hat
  6. Bernard Gui trifft ein
  7. Erneutes Gespräch zwischen William und Remigius
  8. Adson schleicht heimlich in den Wald, es kommt zum Sex
  9. Der Disput zwischen der päpstlichen Delegation und den Franziskanern beginnt
  10. Die Rose gerät erneut in Salvatores Falle, wird von ihm bewusstlos geschlagen und davongetragen
  11. Adson hat einen Alptraum, daraufhin beichtet er William, was passiert ist
  12. Salvatore sperrt die Rose in die Papiermühle ein
  13. Zurück in der Abtei beschafft sich Salvatore die Zutaten für seinen Zauber
  14. Adson erfährt von Anna, dass die Rose verschwunden ist
  15. Der Disput wird fortgesetzt, es kommt zu weiteren Ereignissen, von denen noch berichtet wird
  16. Severin wird erschlagen und Remigius als dessen Mörder verhaftet
  17. Salvatore beginnt in der Papiermühle das Ritual
  18. Guis Wachen machen sich auf die Suche nach Salvatore
  19. Remigius wird gefoltert, Gui macht ihm den Prozess
  20. Adson begibt sich auf die Suche nach der Rose, er findet sie und Salvatore in der Papiermühle, es kommt zum Kampf zwischen Adson und Salvatore, wobei Adson in den Ablauf des Mühlbachs stürzt und von den Wassern davongetragen wird
  21. Kurz darauf treffen Guis Wachen ein und verhaften Salvatore und die Rose

Ich habe hier noch die meisten Szenen mit Anna ausgelassen, da die für den Moment nicht wichtig sind. Ich denke aber, damit wird nochmal klar, was ich mit meinem Kommentar über die veränderte Struktur der Serie gemeint habe. Anstatt dem Roman zu folgen, hat man Ereignisse herumgedreht und miteinander vermischt, um passende Cliffhanger zu haben. So endet die Folge 5 damit, dass Salvatore die Rose in die Papiermühle sperrt, dann sehen wir Adson, der – nachdem er William gebeichtet hat – in der Kirche betet, wobei er von Bernard Gui argwöhnisch beobachtet wird. Folge 6 endet mit der Festnahme von Salvatore und der Rose, nachdem wir gesehen haben, wie Adson ins Wasser gestürzt und bewusstlos weggespült wurde.

Ein zweites Stilmittel ist mir dabei auch noch aufgefallen und es widerstrebt mir, das als „Stilmittel“ zu beschreiben, obwohl es neutral betrachtet zweifelsohne eins ist. Ich persönlich würde allerdings nur etwas als „Stilmittel“ bezeichnen, wenn es einen positiven Effekt auf die Handlung hat, hier ist allerdings das genaue Gegenteil der Fall. Ich würde dieses Stilmittel „Anteasern“ nennen, was durchaus einen Spannungsbogen bilden kann, doch die Serie „Der Name der Rose“ leidet an dem Phänomen, das auch schon andere, bekannte Serien befallen hat, wie etwa „Doctor Who“ oder „Sherlock“. Beim „Anteasern“ wird ein Rätsel, ein Geheimnis oder sonst ein bedeutender Plotpunkt aufgebracht. Damit soll beim Zuschauer und der Zuschauerin Spannung erzeugt werden, wohin dieser Plotpunkt wohl führen mag. Es gehört aber zum „Anteasern“ dazu, dass der Plotpunkt dann auch aufgelöst wird oder zum Tragen kommt. Das passiert allerdings nicht immer und so dient das „Anteasern“ nur dazu, die Zuschauer bei der Stange zu halten, die warten und warten und warten… In der Serie gibt es mehrere solche „Anteaser“. Zum Beispiel erfährt Gui, dass Adson der Sohn eines deutschen – kaisertreuen – Barons ist. Lautstark empört er sich, dass der Kaiser einen Spion unter die Franziskaner gemischt habe. Oh nein! Welches schreckliche Schicksal mag Adson nun wohl drohen? Wird Gui ihn festsetzen und foltern lassen? Beim Verhör von Salvatore erfährt Gui schließlich auch noch, dass Adson mit der Rose Geschlechtsverkehr hatte. Unerhört! Der Novize von William von Baskerville hat das Zölibat gebrochen! Oh nein! Hängt nun William auch noch mit drin? Wird auch er festgenommen und gefoltert werden? Was mag nur herauskommen bei diesen Plotpunkten? Ich kann es in zwei Worten zusammenfassen: gar nichts. In beiden Fällen wird der Eindruck erweckt, als plane Gui bereits, was er mit den Informationen anfangen will, es passiert allerdings bis zum Ende der Serie nichts. Alles ein erzählerischer Taschenspielertrick, damit die Zuschauer bis zum Ende gespannt bleiben. Wer den Roman kennt, dem wird jedoch schon klar gewesen sein, dass nicht viel dabei herauskommen kann, ohne dass der weitere Verlauf der Geschichte zum Teil drastisch – ja, drastischer als das bereits geschehen ist – geändert werden müsste.

Das wird den Autoren auch manchmal zum Verhängnis. Zum einen drehen sie und ändern sie sehr stark herum, zum anderen aber bleiben sie – besonders was William betrifft – sehr stark bei der Vorlage. Nehmen wir ein Beispiel: Nachdem Adson mit der Rose Geschlechtsverkehr hatte, beichtet er William. Im Roman wird hierbei nichts wiederholt, immerhin hatten wir die Szene ja gerade davor, Adson schreibt nur, dass er alles wahrheitsgemäß berichtet habe. In der Serie macht Adson gegenüber William nur Andeutungen, was geschehen ist, worauf William hier etwas sagt, das Verbetum aus dem Roman stammt:

Adson, Du hast gesündigt, gegen das Keuschheitsgebot wie gegen Deine Novizenpflicht, daran besteht kein Zweifel. Zu Deiner Entlastung spricht, dass Du Dich in einer Situation befandest, in der selbst ein Säulenheiliger in der Wüste gesündigt hätte.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 389

Das mit dem „Säulenheiligen“ kann William im Roman sagen, da ihm Adson ausführlich beschrieben hat, was passiert ist. In der Serie weiß er eigentlich gar nicht, was genau passiert ist (außer dass Adson eine Erfahrung gemacht hat, die ihm auf ewig verwehrt bleiben wird). Ähnlich verhält es sich mit Remigius. In dem Gespräch gibt er – genau wie im Roman – zu, sich ab und zu mit Frauen einzulassen, die er heimlich in die Abtei schmuggeln lässt. Wir sehen das allerdings nicht, da die Rolle der Rose ja komplett geändert wurde. Genau genommen hätte man diese Passage in der Serie auch weglassen können. Durch die Änderungen spielt sie für die Handlung keine Rolle mehr.

Eine Sache, die die Autoren der Serie ebenfalls noch hinzugefügt haben, ist das Verhältnis zwischen Malachias und Berengar. Nach Berengars Tod kommt es zu einer Szene, in der Malachias Abschied nimmt von Berengar, wobei deutlich wird, dass auch er mehr als brüderliche Liebe für den Toten empfunden hat.

Betrachten wir uns noch die Darsteller von Bernard Gui. F. Murray Abraham spielt Gui wenig subtil. Er spricht meist sehr laut und macht aus seiner Feindschaft zu William keinen Hehl. Am deutlichsten wird das in der Szene, in der er laut triumphierend die Zutaten zu Salvatores Zauber präsentiert. Dabei hält Abraham eine echte schwarze Katze am Genick hoch, die kläglich vor sich hin miaut. Leise ist er in der Tat selten, wahrscheinlich meist nur, um Luft zu holen und kurz darauf wieder umso lauter zu sein. Die offene Feindschaft zwischen Gui und William stammt auch nicht aus dem Roman und wurde vermutlich aus Gründen der Spannung in den Film geschrieben.

In der Serie wird er dargestellt von Rupert Everett, der einen von Gott besessenen Inquisitor spielt, der es versteht, mit Nuancen zu spielen. Er kann, wenn es seiner Sache nützt, sehr freundlich auftreten und spricht mit der Rose sogar Occitanisch, nur um kurz darauf wieder kalt und unnahbar zu sein. In den meisten Szenen sehen wir ihn mit hängenden Mundwinkeln und einem griesgrämigen Gesicht. Laut wird er zwar auch, aber nicht so häufig wie Abraham. Wir sehen außerdem auch, wie stark der Fanatismus dieses Bernard Gui ist: In einer Szene kasteit er sich selbst, indem er mit einem Messer seinen Unterarm aufschneidet, in einer anderen Szene sehen wir Narben an seinen Knien, die offenbar auch von einer Selbstkasteiung stammen. Wie sein Filmgegenstück ist auch dieser von der Folter als Mittel, die Wahrheit herauszufinden, überzeugt.

Eigentlich möchte ich gar nicht so hart mit der Serie umgehen, denn sie verleiht der Geschichte mehr Tiefe, als der Film es vermag und bleibt in weiten Passagen dicht am Roman, nur um dann in anderen Passagen sehr weit davon wegzugehen. Und für mein Empfinden wiegt das eine das andere nicht auf. Aber nun ja, wir haben noch drei Tage und steuern langsam auf das Finale der Handlung zu.

Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Dritter Tag

Worin wir uns mit dem dritten Tag der Handlung einem Problem nähern, das ganz besonders die Umsetzung von „Der Name der Rose“ als Fernsehserie betrifft.

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Transkript

Um einen Roman in ein Filmdrehbuch umzusetzen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Man kann diese Möglichkeiten aber in zwei Hauptkategorien einteilen: Geplant und ungeplant. Ungeplant bedeutet, dass das Drehbuch drauflos geschrieben wird, sich am Roman orientierend. Geplant bedeutet, dass der Roman in seine Schlüsselszenen aufgebrochen wird, anschließend wird geschaut, was rausgekürzt werden kann, gleichzeitig werden noch Szenen verschoben. Letzteres, so vermute ich, wurde sowohl beim Film „Der Name der Rose“ gemacht, als auch bei der Serie. Wir sehen eindeutig das Vorbild des Romans, die Szenen sind – vor allem im Film – gekürzt und an eine andere Stelle gewandert. Warum das so ist, erschließt sich mir nicht immer. Schauen wir mal weiter in den Ereignissen des Jahres 1327. Wir sind am dritten Tag der Handlung angekommen.

Berengar bleibt auch während des Frühgottesdienstes verschwunden. In seiner Zelle findet man ein blutiges Leintuch, worauf Alinardus die Prophezeiung aus der Apokalypse wiederholt und darauf besteht, dass die dritte Posaune den Tod durch Wasser bringt. Während William ein Gespräch mit dem Glasermeister führen will, setzt sich Adson in die Kirche und schläft ein, und zwar…

…für geraume Zeit, denn offensichtlich brauchen die Jungen mehr Schlaf als die Alten, die schon so viel geschlafen haben und bald in Ewigkeit schlafen werden.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 276

Anschließend begibt er sich ins Skriptorium und blättert den Kodex durch, während er in Wahrheit die anderen Mönche beobachtet. Währenddessen sinniert er über Bücher und Wissen nach und kommt zu dem Schluss, dass die Wahrheit eingeschlossen gehört, bevor er über Benno von Uppsala und Venantius nachdenkt und ihm leise Zweifel kommen. Wem gehört das Wissen? Doch der Welt? Adson tadelt sich selbst für diese Gedanken und begibt sich zum Essen in die Küche. Dort trifft er Salvatore, der ihm – in der eigenen Art – seine Lebensgeschichte erzählt. Er stammt aus einem armen Haus und zog als Bettler durch halb Europa, bevor er in einem Minoritenkloster in der Toskana landete. Dann kam es zu einem Konflikt zwischen diesem und einem anderen Kloster, an dessen Ende Salvatore wieder durch die Lande zog und sich den Pastorellen anschloss. Dann berichtet er von dem in diesem Zeiten üblichen Antisemitismus, denn auf ihrem Weg in Richtung Süden…

…schlugen sie alle Juden tot, die sie zu fassen bekamen, und nahmen sich ihre Habe…
„Warum die Juden?“, fragte ich Salvatore.
„Warum nicht?“, erwiderte er und fügte erklärend hinzu, schließlich hätten die Leute ihr Leben lang von den Priestern gehört, dass die Juden die Feinde der Christenheit seien und dass sie außerdem jene Reichtümer anhäuften, die ihnen, den armen Christen, verwehrt waren. Ich fragte ihn, ob es nicht eher wohl so gewesen sei, dass die Reichtümer von den adligen Herren angehäuft wurden mithilfe der Zwangsabgabe des Zehnten und dass mithin die Pastorellen nicht ihre wahren Feinde bekämpften. Worauf Salvatore antwortete, wenn die wahren Feinde zu mächtig seien, müsse man sich eben schwächere Feinde suchen.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 291

Salvatore landete dann bei den Minoriten, doch als diese vom Papst verfolgt wurden, wechselte er die Kutte und wurde Benediktiner. Schließlich landete er in der Abtei und wurde Gehilfe des Cellerars. Nach dieser Schilderung fragt Adson Salvatore, ob jener jemals Fra Dolcino begegnet sei. Salvatore rennt darauf wütend davon, was Adson noch neugieriger macht. Er möchte Ubertin deswegen befragen, findet ihn aber nicht. Stattdessen trifft er William, der bei Glasermeister Nicolas ist. Nicolas versucht gerade, neue Augengläser zu schleifen. Adson erzählt, was er von Salvatore erfahren hat und gibt zu, dass er verwirrt ist ob der ganzen unterschiedlichen Ketzerströmungen. William gibt zu bedenken, dass es wichtig ist, diese Strömungen zu unterscheiden, damit man nicht den einen Ketzer wegen etwas verurteilt, das ein anderer Ketzer getan hat. Darüber landen die beiden in einem philosophischen Gespräch über die Wahrheit, was Adson noch mehr verwirrt. Schließlich sagt William nebenbei, dass er den Geheimcode des Venantius entziffert habe:

SECRETUM FINIS AFRICAE

MANUS SUPRA IDOLUM
AGE PRIMUM ET SEPTIMUM DE QUATUOR.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 319

Übersetzt heißt das: „Geheimnis des Endes von Afrika – Die Hand über dem Idol wirke ein auf den Ersten und Siebenten der Vier.“ Die Worte sind damit zwar übersetzt, aber der Sinn noch nicht.

Adson und William werden dann beim Abt vorstellig. Der hat eine Nachricht erhalten, dass der Papst einen Inquisitor schickt, der für die Sicherheit der päpstlichen Delegation verantwortlich sein soll. Als sein Name genannt wird, fährt William auf: Bernard Gui. Der hat sich einen Namen als „Geißel der Ketzer“ gemacht und schon viele auf den Scheiterhaufen gebracht. Nicht nur wird das den Disput beeinflussen, es macht auch einen Zeitdruck: Die merkwürdigen Ereignisse in der Abtei müssen aufgeklärt sein, bevor Gui hier eintrifft, sonst wird er die Ermittlungen übernehmen. William ist allerdings noch nicht weiter und beklagt, dass er nicht in die Bibliothek dürfe, um die sich scheinbar alles dreht, weil die toten Mönche und der verschwundene Berengar mit ihr zu tun hätten. Der Abt erwidert, alle Mönche der Abtei hätten mit der Bibliothek zu tun und verweigert weiterhin den Zugang.

Anschließend ereilt William ein Rückschlag: Nicolas hat beim Schleifen der Linsen für die neuen Augengläser einen Fehler gemacht und die Linsen sind zersprungen. Und Berengar bleibt verschwunden.

William beschließt, dass es nötig sein könnte, erneut heimlich in die Bibliothek zu gehen. Allerdings bräuchten die beiden eine Möglichkeit der Orientierung. Er diskutiert über eine Maschine, die Orientierung verschafft, indem eine Nadel immer nach Norden zeigt, und ein Mensch des 21. Jahrhunderts erkennt darin unschwer einen primitiven Kompass. Im 14. Jahrhundert war man allerdings noch nicht so weit. Außerdem zieht der Mönch die Möglichkeit eines Ariadnefadens in Betracht, bevor er über die Beschaffenheit des Aedificiums nachdenkt. Er und Adson können aufgrund der äußeren Struktur des Gebäudes auf die Räume schließen, die sie im Innern gesehen haben. William kommt sogar darauf, wie man die Räume markieren kann, indem man nämlich die Anfangsbuchstaben der Inschriften nimmt, die in jedem Raum angebracht sind.

Da die beiden ob ihrer Aktivitäten das Abendessen verpasst haben, sucht Adson Salvatore auf, der sich gerade im Stall aufhält. Es wird klar, dass Salvatore Zaubersprüche kennt, da er behauptet, er könne das dritte Pferd in der Reihe genauso schnell machen wie das Pferd des Abtes. Als Adson nach etwas zu essen fragt, erklärt sich Salvatore bereit, Kaasschmarrn zuzubereiten.

Nach dem Essen sucht Adson ohne das Wissen seines Meisters Ubertin in der Kirche auf. Von ihm erfährt er endlich die Geschichte des Ketzerführers Fra Dolcino: der Ruf „Penitenziagite“, den auch Salvatore schon verwendet hat, ist eine verballhornte Abkürzung für „penitentiam agite, appropinquavit enim rengum coelorum“ („Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“). Dolcino hatte die Irrlehren eines verbrannten Ketzers aufgenommen und führte sie weiter. Er versammelte Leute um sich, predigte die Armut und dass alle Geistlichen sterben müssen. Er wetterte gegen die Kirche und führte Raubzüge durch, bevor er und seine Frau gefasst und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.

Da Ubertin sich bei seinem Vortrag in Rage redet über die wahre Liebe und die Lust, will Adson mehr wissen und dringt allein in das Skriptorium ein. Der Zufall (oder die Vorsehung, wie Adson sagen würde) will es, dass einer der Kopisten ein Werk über Ketzer auf seinem Tisch liegen hat, und darin liest der junge Novize die Details über die Verurteilung von Fra Dolcino nach. Er fühlt sich erinnert an eine Gelegenheit, bei der er selbst einer Verbrennung eines Ketzers beiwohnte, wobei er bemerkte, dass die Aussagen des Ketzers immer so gedreht wurden, dass sie der Inquisition passten. Adson geht außerdem in die Bibliothek, merkt jedoch schnell, dass ihm wirr im Kopf wird, so dass er sein Vorhaben abbricht.

Auf seinem Weg nach draußen kommt er in der Küche vorbei, wo er überraschend auf ein Mädchen trifft, das sich dort versteckt hält. Beide fühlen sich zueinander hingezogen, und während Adson langsam aber sicher gegen sein Zölibatsgelübde verstößt, zitiert er das Hohelied Salomons:

Deiner Hüften Rund ist wie Geschmeide, / gefertigt von Künstlerhand. / Dein Schoß ist ein rundes Becken, / Würzwein mangle ihm nicht. Dein Leib ist ein Weizenhügel, / mit Lilien umstellt. / Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein, / wie die Zwillinge einer Gazelle. / Dein Hals ist ein Turm aus Elfenbein. / Deine Augen sind wie die Teiche zu Heschbon / beim Tor von Bat-Rabbim. Deine Nase ist wie der Libanonturm, / der gegen Damaskus schaut. / Dein Haupt gleicht oben dem Karmel; / wie Purpur sind deine Haare; / ein König liegt in den Ringeln gefangen. / Wie schön bist du und wie reizend, / du Liebe voller Wonnen!

Die Bibel – Hoheslied, Kapitel 7, Vers 2 bis 7

Überwältigt und erotisiert von dem Erleben körperlicher Liebe schläft Adson ein. Als er wieder aufwacht, ist das Mädchen verschwunden. Doch sie hat ein Bündel zurückgelassen, in dem Adson ein herausgetrenntes, blutiges Herz findet. Er wird bewusstlos, kurz darauf aber von William geweckt. Es stellt sich heraus, dass das Herz von einem geschlachteten Ochsen stammt. Da Adson nun beichtet, was in der Küche geschehen ist, erkennt William, dass das Mädchen für Schlachtabfälle einem der Mönche Liebesdienste anbot. Der Franziskaner deduziert auch, welcher Mönch dafür in Frage kommt, er muss Kontakte zum Dorf unterhalb der Abtei halten können, an Schlachtabfälle herankommen und einen Weg in die Abtei kennen, wo man nicht gesehen wird. Alles das trifft auf Remigius zu (oder, gibt William noch zu bedenken, auch auf Salvatore).

Die beiden treffen auf Alinardus, der wieder von der Apokalypse spricht, worauf selbst William die Idee kommt, der Täter könnte – inspiriert von den Umständen vom Suizid des Adelmus – die anderen Toten tatsächlich nach den Posaunen der Offenbarung arrangiert haben. Also müsste man Berengar in einem Wasser finden, aber es gibt kein Gewässer, in dem man ertrinken könnte, in der Abtei. Adson erwähnt das Badehaus, was William logisch vorkommt. Zwar hatte man am Tag auch dort nach dem verschwundenen Mönch gesucht, aber vermutlich nur flüchtig hineingesehen. Die beiden begeben sich also ins Badehaus und tatsächlich: in einer der Wannen finden sie die Leiche Berengars. Und mit diesem grausigen Fund endet der Bericht über den dritten Tag.

Einen interessanten Teil dieses Kapitels des Romans möchte ich mal herauspicken, der die heutige Situation geschickt mit einer geschichtlichen Situation verknüpft. Salvatore erzählt, dass die Pastorellen, denen er eine Zeitlang angehörte, Juden umgebracht haben und begründet das mit Worten, die auch einem Menschen des 21. Jahrhunderts unheimlich vertraut vorkommen: Die Juden würden Reichtümer anhäufen, die den Christen gehören. Es ist historisch korrekt, dass dieser Verschwörungsmythos – und so können wir ihn in der Tat nennen – schon seit Jahrhunderten die Runde macht und es ist erschreckend, dass er sich im Lauf der Zeit nicht abgenutzt hat und verschwunden ist, sondern immer weiter ausgebaut wurde. Mann muss es auch deutlich benennen, ein gewisser Antisemitismus ist sozusagen in die DNS der christlichen Kirche eingewoben worden. Ursprünglich waren die Christen eine jüdische Splittersekte, die der Auffassung war, dass Jesus der Messias war. Allerdings hätte das nach jüdischer Lesart bedeutet, dass das Ende der Welt und das Königreich Gottes nahe sein. Die ersten Christen erwarteten tatsächlich den Beginn der Endzeit noch zu ihren Lebzeiten, zumindest aber innerhalb einiger weniger Generationen. Da die anderen jüdischen Strömungen diesen Gedanken aber ablehnten, wurden diese als Feinde des Messias angesehen, die einer falschen Lehre folgten und die die heiligen Schriften, die eigentlich den Christen gehörten, in Beschlag nahmen. Schließlich stammen die gesamten Werke dessen, was die Christen als „Altes Testament“ bezeichnen, aus dem Tanach der Juden. So isolierte sich die christliche Kirche immer mehr von ihren jüdischen Wurzeln und bezeichnete die anderen Juden als „Bücherräuber“. Später, als der Weltuntergang immer noch nicht eingetreten und das Christentum von einer Endzeitsekte in eine Religion gewandelt war, wurde darauf bestanden, dass es ein jüdischer Priester, Kaiphas, war, der Pontius Pilatus dazu gebracht hatte, Jesus hinzurichten. Damit waren die Juden als „Christusmörder“ gebrandmarkt, obwohl man sehr philosophisch darüber diskutieren könnte, ob die Verurteilung und Hinrichtung von Jesus nicht einem Plan folgte – schließlich behaupten die Christen, dass alles geschehen sei wie es vorausbestimmt war – und alle Beteiligten folglich nur den Platz einnahmen, der ihnen von einer höheren Macht zugedacht war. Die Juden dienten dann als wohlfeile Projektionsfläche: Wenn eine Krankheit ausbrach und die Menschen, die von Krankheitserregern noch nichts wussten, sich das nicht erklären konnten, mussten wohl die Juden den Brunnen vergiftet haben. Den Juden wurde nachgesagt, sie würden Kinder entführen und für grausame Rituale missbrauchen – ich möchte hier an eine frühere Folge dieser Reihe erinnern, in der Ubertin gegenüber William diese Horrorgeschichte erzählt und mit einer christlichen Splittergruppe in Verbindung bringt und an Salvatores Worte erinnern, dass man sich schwächere Feinde suchen müsse, wenn die wahren Feinde zu mächtig seien. Genau das wird hier nämlich gemacht, anstatt die wahren Ursachen für soziale Ungerechtigkeiten zu suchen, was aufwändig, schwierig und sehr ermüdend sein kann, nimmt man lieber jemanden, den man als „das Böse“ personifiziert und hassen kann. Selbst bei den Kreuzzügen, die ja ausdrücklich ausgerufen wurden, um Jerusalem aus der Hand der Muslime zu befreien (wobei das auf die Propaganda eines Papstes zurückging, der eigentlich wegen einer anderen Angelegenheit um Hilfe gebeten wurde, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal), waren die ersten Opfer nicht Muslime im Nahen Osten, die von den Kreuzfahrern überfallen wurden, sondern Juden, die mitten in Europa lebten. Aufgeputscht durch lokale Kirchenfürsten, die die Rede von Papst Urban II. mit dem Aufruf zum Kreuzzug noch ausschmückten, waren sie bereit, alle Feinde des Christentums zu töten. Die gewöhnlichen Bürger, die aber die Reise nach Jerusalem nicht machen konnten, um gegen Muslime zu kämpfen, nahmen eben die so genannten „Feinde“, die greifbar waren und getreu dem Motto der Kreuzzüge „sichern Sie sich Ihren Platz im Himmel, indem Sie einen Heiden in die Hölle schicken“, lösten sie furchtbare Pogrome aus, die nicht einmal gestoppt werden konnten, als andere Priester versuchten, die Juden in Schutz zu nehmen. Der Mythos existiert bis heute und wir haben es erst vor kurzem erlebt und erleben es weiterhin, wenn so genannten „jüdischen Verschwörern“ wie George Soros die Schuld an der Pandemie gegeben wird oder auf das „jüdische Blut“ von manchen Staatsoberhäuptern hingewiesen wird, um diese als Teil einer Verschwörung zu diskreditieren. Ja, selbst die völlig idiotische Aussage, Hitler selbst sei – zumindest zum Teil – jüdischer Abstammung gewesen, womit die Verbrechen der Nationalsozialisten ebenfalls Teil des Plans der jüdischen Weltverschwörung gewesen seien, hat man vor nicht allzu langer Zeit wieder gehört. Eco konfrontiert uns über Salvatore mit diesem Denken und auch dem Umstand, dass man geistige Brandstifter nicht verharmlosen sollte. Kein Priester hat von den Pastorellen ausdrücklich verlangt, dass diese Juden umbringen, es hat ausgereicht, die Schauermärchen von den geldraffenden Juden zu erzählen, in Aktion sind die Pastorellen selber getreten. Salvatores Reaktion zeigt auch ein Problem, dass man mit heutigen Verschwörungsschwurblern hat: Mit der Wahrheit konfrontiert winkt er nur ab. Er will sich nicht mit den wirklichen Ursachen der Armut auseinander setzen oder sich gar gegen gierige Fürsten auflehnen. Er will eine einfache, schnelle Lösung. Und er und seine Freunde kamen damit – zumindest vorerst – davon, da sie niemand aufhielt und sich niemand mit den Juden gemein machen wollte.

Von diesem historischen Exkurs kommen wir zur Umsetzung des Romans, wieder zuerst im Film: Die meisten Szenen wurden nicht übernommen, wichtige Dinge, wie etwas die Entzifferung des Geheimcodes, kommen an anderer Stelle vor. Den Ausruf „Penitenziagite“ erklärt William Adson bereits, als ihnen Salvatore das erste Mal begegnet, allerdings nur, dass es eine Verballhornung von „penitentiam agite“ sei, ohne das Latein zu übersetzen und dass Salvatore früher vermutlich ein Ketzer war. Mehr erfahren wir nicht über seine Lebensgeschichte. Auch finden nicht William und Adson die Leiche des Berengar, sondern Severin. In Berengars Zelle wird von den beiden Mönchen auch kein blutiges Leintuch entdeckt, sondern eine mehrschwänzige Peitsche, mit der Berengar in der ersten Nacht sich selbst für seine Sünden bestraft. Da der Glasermeister in der Filmfassung nicht vorhanden ist, gibt es auch keinen Auftrag von William, nach dem Verlust seiner Augengläser neue herzustellen. Adson dringt auch nicht heimlich und allein in die Bibliothek ein. Zu Adsons Begegnung mit dem Mädchen kommen wir gleich. Die Ankündigung, dass Bernard Gui die päpstliche Delegation begleiten wird, wird vom Abt mit Wohlwollen aufgenommen, er verbietet William sogar, weitere Untersuchungen durchzuführen und gibt die Nachforschungen in die Hände des Inquisitors (etwas, das er im Roman und in der Serie unbedingt verhindern will). Das ist die Szene, die ich schon beschrieb, in der Michael Lonsdale als Abt wie ein James-Bond-Bösewicht wirkt. Als ihm das Pergament mit der Geheimschrift gezeigt wird, verbrennt er es sogar und sagt, darüber dürfe nicht mehr gesprochen werden.

In der Serie kommen viele der Szenen in der einen oder anderen Form vor, allerdings wurde da teils massiv geändert. Salvatore erzählt seine Lebensgeschichte, die allerdings so aussieht: Als missgestalteter Mensch wurde er von einer adligen Familie als „Kuriosität“ gehalten, damit sie über ihn lachen konnten. In einer Szene wurde er als Hund kriechend an einer Leine vorgeführt. In dem Moment kommen Fra Dolcino und die Seinen dazu, sie entführen einen Sohn der Adelsfamilie, töten einen Pfarrer und Remigius, der bereits zu Dolcinos Bande gehört, befreit Salvatore und nimmt ihn mit, so dass die beiden schließlich in der Abtei landen. Dort ist er für das Papiermachen der Abtei zuständig, was später in der Serie noch eine Rolle spielen wird. Den Ausruf „Penitenziagite“ erklärt William ebenfalls, als Adson das Wort zum wiederholten Mal hört und übersetzt es auch mit „tuet Buße“. Die Geschichte Fra Dolcinos bekommt Adson allerdings von Jorge erzählt. Was Williams Augengläser betrifft, hat die Serie sogar noch etwas besser recherchiert. Als der Mönch beim Glasermeister Nicolas den Verlust seiner Sehhilfe beklagt, kommt ihm eine Idee. Er fragt, ob Nicolas einen Beryll hätte. Er bejaht dies und William fordert ihn auf, ein Stück davon abzuschneiden und zu schleifen. Beryll ist ein Kristall, den man gut in Form schleifen kann und tatsächlich wurden aus ihm die ersten Augengläser hergestellt. Das deutsche Wort „Brille“ leitet sich von „Beryll“ ab. Daher wird auch klar, dass der weibliche Artikel („die Brille“) eigentlich eine Pluralbezeichnung ist: „der Beryll“ ist ein Augenglas, aber „die Berylle“ sind zwei. Auch in der Serie dringt Adson nicht heimlich und allein in die Bibliothek ein, aber er geht ins Skriptorium, um ein Buch über Ketzer zu lesen, wo er Jorge begegnet. Das blutige Leintuch in Berengars Zelle haben William und Adson schon zuvor gefunden, da der sündige Mönch noch nicht verschwunden war. In dem Gespräch, in welchem er die Begegnung mit Adelmus auf dem Friedhof schildert, wird Berengar von William mit dem Tuch konfrontiert, worauf Berengar behauptet, er wisse nicht, wo das Blut herkommt. Das ist natürlich eine Lüge, mir ist auch nicht ganz klar, warum man die zwei Szenen, die eigentlich separat sind – also das Gespräch mit Berengar und das Finden des Leintuchs – zu einer zusammengefasst hat. Natürlich muss Berengar dann an der Stelle lügen, denn würde er zugeben, dass er es war, der Venantius in den Bottich mit Schweineblut gesteckt hat, würde schon zu viel der weiteren Handlung vorweggenommen.

Kommen wir nun zu einem der zentralen Elemente der Geschichte: dem Mädchen. Im Roman begegnet Adson ihr ganz unverhofft und so wie oben beschrieben. Der Film baut das ein wenig aus, hier sieht Adson das Mädchen vorher einmal kurz, als er und William auf dem Abhang unterhalb des Klosters herumklettern, um den Tod des Adelmus zu klären. Dabei öffnen die Mönche ein Falltor, aus dem die Küchenabfälle geworfen werden. Menschen aus dem Dorf unterhalb der Abtei kommen angelaufen und schlagen sich um die Abfälle, was William zu einer zynischen Bemerkung über die „großzügigen Schenkungen der Kirche“ veranlasst. Eine Dorfbewohnerin ist das Mädchen. Sie und Adson bleiben erstarrt stehen, als sie sich direkt begegnen, doch dann wird Adson von William abgelenkt. Das nächste Mal sehen sich die beiden, als sie sich in der Küche im Kloster begegnen, die Szene findet allerdings an einer anderen Stelle statt: Adson geht nicht in die Küche, weil er heimlich selbst in der Bibliothek, sondern mit William im Skriptorium war, wo Williams Augengläser gestohlen wurden. Auf der Suche nach dem Dieb trennen sich William und Adson und der Novize geht in die Küche, weil die Tür offen ist und dort Licht brennt. Es wird aus der Szene auch schon deutlich, dass es Remigius ist, der das Mädchen in die Abtei gelassen hat, um mit ihr ein Schäferstündchen zu verbringen (1327 hätte Adson die Begegnung aber nicht als „Schäferstündchen“ bezeichnet, da dieser Begriff erst im 18. Jahrhundert geschöpft wurde). Wie im Roman kommt es zum Sex zwischen den beiden, allerdings ohne dass Adson das Hohelied zitiert. Parallel dazu befragt William Salvatore, den er bei der Rattenjagd auf dem Friedhof überrascht hat, wovon ich schon berichtet habe. Ebenfalls wie im Roman verschwindet das Mädchen und lässt Adson zurück, der das Bündel findet, das sie vor Ort gelassen hat, und beim Auspacken ein Ochsenherz findet. William deduziert hier ebenfalls, dass das Mädchen Liebesdienste gegen Schlachtabfälle angeboten hat. Das Gespräch über die Liebe zwischen ihm und Adson findet allerdings erst später in der Zelle der beiden statt. Interessanterweise will William nicht, dass Adson ihm beichtet, sondern die Sache als Freund erzählt. Etwas später geht Adson sogar heimlich in das Dorf und beobachtet das Mädchen und seine Familie in ihrer Verwahrlosung.

Dann ist da die Serie… Was soll ich sagen? Die Rolle des Mädchens ist massiv ausgebaut worden, außerdem wurde eine zweite weibliche Rolle hinzugefügt. Ich verstehe die Absicht, das ganze läuft aber meinem Eindruck nach schief. Der Reihe nach: In der Serie ist das Mädchen keine Einwohnerin des Dorfes unterhalb der Abtei. Ein Dorf kommt dort gar nicht vor, obwohl wir auch hier Menschen sehen, die in das Kloster kommen, um den Zehnten abzugeben. Und nennen wir das Mädchen von jetzt an „die Rose“, denn sonst wird es merkwürdig. Die Rose begegnet William und Adson bereits, als diese noch auf dem Weg in die Abtei sind. Sie flüchtet vor dem Krieg zwischen den päpstlichen und kaiserlichen Truppen und spricht eine Sprache, die Adson nicht versteht. William erklärt, es sei Occitanisch, und tatsächlich hat man bei der Produktion der Serie wohl darauf geachtet, dass der Text, den die Rose spricht, authentisch in dieser Sprache verfasst wurde. Sie folgt den beiden Mönchen und richtet sich im Wald unterhalb des Klosters ein. Wovon sie lebt, wird allerdings nicht ganz klar, auf jeden Fall geht sie nicht wie ihr Romanvorbild ins Kloster, um Schlachtabfälle für Liebesdienste zu erhalten. Adson verlässt mehrmals heimlich das Kloster, um sich mit ihr zu treffen und bringt ihr Essen mit. Dabei kommen sie sich Stück für Stück näher, bis es schließlich zum Sex kommt. Adson sagt ihr sogar einmal seinen Namen, sie reagiert darauf allerdings nicht. Da sie ihn später „Adson“ nennt, wissen wir, dass sie ihn verstanden hat. Aber warum hat sie nicht reagiert und Adson ihren Namen genannt? Ja, ich weiß, weil das den Schlusspunkt der Geschichte und ihren Titel ruiniert hätte. Aber so, wie sich die Handlung abspielt, ist es schlicht unlogisch. Adson fragt auch nicht nach.

Ein weiterer Punkt: Als ich davon sprach, wie in Film und Serie das Mittelalter dargestellt wird, nannte ich es im Film „dreckig und greifbar“, während es in der Serie eher sauber sei. Bei der Rose merkt man das besonders, sie trägt im Film einfache, zerlumpte Kleidung, hat verfilzte Haare und schmutzige Haut (ihre Darstellerin ist übrigens Valentina Vargas, die in Chile geboren wurde, ihre Schauspielkarriere aber zunächst in Frankreich vorangetrieben hat). In der Serie (dargestellt von Nina Fotaras, einer italienischen Schauspielerin mit griechischen Wurzeln, die bislang hauptsächlich in italienischen Produktionen mitgespielt hat) trägt sie ein langes, gepflegtes Gewand, ist sauber und hat zurecht gemachte Haare. Auch wenn ihr Hintergrund vom Mädchen, das in Armut lebt zu einer Kriegsflüchtigen geändert wurde, nachdem sie ein paar Tage im Wald gelebt hat, müssten sich da ebenfalls Spuren zeigen. Und auch ihr Verhalten ist merkwürdig und dient manchmal einfach nur dazu, die nächsten Ereignisse der Handlung anzustoßen. Einmal zum Beispiel streift sie über die Felder der Umgebung und tanzt vor sich hin. Dabei wird sie von Salvatore beobachtet, der die „puella“, wie er sagt, für sich haben will.

Kommen wir nun zu der anderen weiblichen Rolle, die nur für die Serie erfunden wurde: Anna, die Tochter des Ketzerführers Fra Dolcino, dargestellt von der italienischen Schauspielerin Greta Scarano. In mehreren Flashbacks erfahren wir langsam ihre ganze Geschichte, die ich hier – auch des besseren Verständnis wegen – chronologisch wiedergeben will. Remigius wurde von Margarita, Dolcinos Gefährtin, beauftragt, auf die gemeinsame Tochter Anna aufzupassen, sollte etwas passieren. Bernard Gui gelang es dann, die Dolcinianer aufzuspüren und ließ den Anführer und Margarita auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Remigius und Anna waren damals unter den Zuschauern, Anna war noch ein Kind. Als sie alt genug war, zog Remigius weiter, während Anna in Pietranera im Norden Italiens sesshaft wurde und eine Familie gründete. Auf dem Weg in die Abtei kommt Bernard Gui nun in Pietranera vorbei. Da er die Stadt als „Ketzernest“ kennt, lässt er ein Exempel statuieren und die Bewohner töten. Hierbei fällt der Satz, den im Roman der Abt spricht:

Wie unterscheiden wir die Ketzer von den wahren Christen? Wir töten sie alle. Gott wird die Seinen erkennen.

Giacomo Battiato et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, 11 Marzo Film, Folge 2

Anna entkommt, da sie sich zu dem Zeitpunkt im Wald auf der Jagd befindet (sie ist eine sehr gute Bogenschützin). Da sich unter den Toten auch ihr Mann und ihr Kind befinden, schwört sie Rache und verfolgt den Tross von Bernard Gui. Als dieser an einem Fluss Halt macht, lauert sie dem Inquisitor auf, verfehlt ihn allerdings mit ihrem Pfeil. Gui kann seine Wachen alarmieren; in einem Zweikampf mit einem der Ritter wird Anna verwundet. Trotzdem folgt sie Gui weiter, bis sie schließlich, immer noch verletzt, in dem Wald unterhalb der Abtei landet, wo sie auf die Rose trifft. Diese ist kundig in Heilkräutern und versorgt die Wunde Annas. Es kommt auch zu einer Begegnung zwischen Anna und Adson, letzterer hält es für klüger, in der Abtei nichts zu sagen. Anna wird noch weiter in die Handlung eingreifen, doch davon wird noch zu berichten sein. Zu dem Zeitpunkt, da Adson und die Rose ihr Schäferstündchen haben, kuriert Anna gerade ihre Wunden aus.

Nochmal: Ich verstehe die Absicht. Wenn es nicht von Anfang an klar war, so muss es doch ziemlich schnell klargeworden sein, dass die Rolle der Rose nicht zu sehr ausgebaut werden darf. Deswegen wurde eine zweite weibliche Figur für die Geschichte erschaffen. Ich meine, die Rolle der Rose wurde ja schon soweit ausgebaut, dass es an den Rändern quietscht. Anna wurde nun dazu geschrieben, um… ja, was eigentlich? Braucht die Geschichte eine Figur, die deutlich macht, dass Bernard Gui ein durchtriebener und eigentlich diabolischer Inquisitor ist, der sich für das Werkzeug Gottes hält? Nein. Es braucht auch keine Figur, die einen Rachefeldzug gegen Gui unternimmt, denn es ist von vornherein klar, dass dieser nur innerhalb sehr enger Grenzen verlaufen kann, ohne die eigentliche Handlung der Geschichte zu stark zu stören. Es war der Wille, eine starke, weibliche Figur einzuführen, leider fällt Anna dabei völlig aus dem Rahmen. Wie ich schon schrieb, wirkt sie wie eine Figur einer Fantasygeschichte, die sich in ein Mittelalterdrama verirrt hat. Und wenn man so eine Figur schon einführen will, wäre etwas mehr Recherche angebracht gewesen. Selbst William, der ja eine extrem moderne Figur ist, bezieht sich in seinen Reden immer wieder auf Texte und Menschen, die er als Mensch des 14. Jahrhunderts gekannt haben könnte. Anna ist eine sehr gute Bogenschützin, die sich auch auf den Nahkampf versteht. Da sie aber in der Serie als gewöhnliche Bürgerin einer Stadt dargestellt wird, ist es eher unwahrscheinlich, dass sie einen Bogen besessen hätte, der extrem teuer gewesen wäre. Das Training, das nötig gewesen wäre, um so gut schießen zu können wie sie, kommt noch dazu.

Was mich dabei ein bisschen ärgert, ist die Tatsache, dass man die Szenen auch hätte umschreiben können, um sie realistischer zu gestalten. Nur ein Beispiel: Anna lauert Gui auf, der in der Ruine einer Kirche kniet, um zu beten. Sie wird von einem Wachposten überrascht, den sie blitzschnell mit einem Pfeil erschießt, doch als sie sich wieder zu Gui umdreht, zielt sie nicht genau genug und verfehlt ihn, worauf dieser nach seinen Wachen ruft. Wenn man hier Pfeil und Bogen wegnimmt, könnte sich die Szene vielleicht so abspielen: Anna ist mit einem Dolch oder Messer bewaffnet. Sie sieht, wie Gui in die Ruine der Kirche geht und lauert ihm auf. Sie weiß, dass sie schnell vorgehen und das Moment der Überraschung ausnutzen muss, da sie sonst keine Chance hat. Sie versteckt sich hinter einer Mauer und hört, wie Gui sein Gebet spricht. Sie springt hervor und sticht den Mann nieder, den sie als erstes sieht, nur um dann festzustellen, dass es nicht Gui ist, sondern ein Begleiter. Gui ruft die Wachen und Anna muss flüchten. – Jetzt schreibe ich schon Fanfiction von „Der Name der Rose“, so weit ist gekommen…

Bevor ich zum Ende komme, muss ich allerdings sagen, dass ich es vorgezogen hätte, die Figur der Anna ganz aus der Geschichte herauszulassen. Ich kann nur wiederholen, was ich zuletzt schon mutmaßte: Ein (weiterer?) Grund für die Einfügungen in die Handlung war meinem Eindruck nach auch der Umstand, den Rhythmus der Handlung zu verändern, so dass man zum Ende jeder Episode einen passenden Cliffhanger hatte.

Bisher war es so, dass die hinzugefügte Handlung eher parallel zu dem lief, das direkt aus dem Buch übernommen wurde. Am Anfang war es nur Adson, der direkt mit der Rose interagierte. Mit Salvatore ist dann ein zweiter Faktor dazugekommen. Und nun wird Anna ebenfalls auch nochmal direkt auf die Haupthandlung Einfluss nehmen.

Das werden wir noch sehen.

Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Zweiter Tag

Worin ein Irrtum aufgeklärt wird, bevor man sich dem zweiten Tag von Adsons Aufzeichnungen zuwendet.


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Transkript

Mit dem festen Vorsatz, mein Publikum nicht zu verwirren, bin ich an diese Reihe herangegangen, nur um dann festzustellen, dass ich mich selbst verwirrt habe. In der letzten Folge dieser Abhandlung habe ich schändlicherweise die Handlung des Films „Der Name der Rose“ inkorrekt wiedergegeben. Aber eben, genau diese Befürchtungen hatte ich. Was ist mir passiert? Ich habe mich an der Romanhandlung orientiert, in der William und Adson das Skriptorium zweimal besuchen, einmal um den Tisch des ersten Todesopfer zu untersuchen, ein zweites Mal, nachdem der zweite Mönch sein Leben lassen musste. Im Film ist es allerdings so, dass diese zwei Besuche zu einem zusammengefasst werden, und zwar erst nachdem der zweite Tote gefunden wird. So wie der Film gemacht ist, hat William erstmal auch keine Veranlassung, sich den Platz des Miniaturenmalers anzuschauen. Zu dem Zeitpunkt hat er den Vorfall für sich schon geklärt und ahnte ja nicht, dass es noch weitere Tote geben würde. Im Roman ermittelt William erstmal in alle Richtungen, bevor er sich die Stelle anschaut, an der man den Toten fand und auf die Idee kommt, dass jener an einer ganz anderen Stelle von der Mauer gefallen ist. Außerdem findet die Begegnung von Adson und Salvatore am Kirchenportal im Film erst am zweiten Tag statt, und nicht wie im Roman, am ersten.

Nachdem nun selbiges geklärt ist, wollen wir fortfahren, uns wieder an der Handlung des Romans orientierend. Der zweite Tag beginnt damit, dass Adson uns in die Gepflogenheiten eines Benediktinerklosters einführt, mit dem Wecken, dem Aufstehen und dem Frühgottesdienst. Doch dieser Gottesdienst wird jäh unterbrochen, als drei Schweinehirten der Abtei hereinstürmen und lautstark berichten, sie hätten eine Leiche gefunden. Diese Leiche liegt kopfüber in einem Bottich voller Schweineblut. Der Abt befiehlt, den Körper herauszuziehen und nachdem er grob von dem geronnenen Blut befreit wird, erkennt man, dass es sich bei dem Toten um Venantius von Salvemec, den Spezialisten für griechische Übersetzungen, handelt. William und der für die Toten zuständige Bruder Botanikus stellen zudem fest, dass der Leichnam nicht aufgedunsen ist. Folglich starb er nicht durch den Sturz in das Schweineblut, er war schon tot, als man ihn dort hineinsteckte. Im Schnee findet Adson auch Spuren, die darauf hindeuten, dass jemand den toten Körper vom Aedificium herübergeschleift hat. Doch wenn Venantius dort gestorben ist, warum hat man ihn nicht einfach liegenlassen?

Der Tote wird in das Laboratorium des Bruder Botanikus, Severin, gebracht und untersucht. Da sich an Venantius‘ Leiche keine Spuren einer Gewalttat finden lassen, sprechen William und Severin über verschiedene Gifte, auch solche, die Severin in seinem Labor hat.

William bemerkt sodann, dass der Rhetoriker Benno von Uppsala nervös zu sein scheint, während Berengar von Arundel verstört wirkt. Er will beide verhören und beginnt mit Benno. Dieser erzählt von einer Diskussion, von der schon am Tag zuvor im Skriptorium die Rede war: Benno, Berengar, Venantius, Malachias und Jorge sprachen über Witze und Wortspiele zum Aufdecken der Wahrheit und dass darüber schon große Philosophen geschrieben hatten, wie zum Beispiel Aristoteles. Ein ganzes Buch habe Aristoteles dem Lachen gewidmet, das zweite Buch der Poetik, das aber verschollen sei. Darauf meinte Jorge erzürnt, es sei nicht verschollen, sondern nie geschrieben worden, da die göttliche Vorsehung nicht wolle, dass ein solches Buch geschrieben wird. Berengar machte dann eine flappsige Bemerkung über schwierige Rätsel, die man bei den Afrikanern finden würde, was wiederum Malachias wütend machte und das Gespräch beendete. Benno berichtet außerdem davon, dass im Kodex der Bibliothek manche Bücher mit „Afrika“ verzeichnet sind, einige sogar mit „finis africae“ (= „das Ende von Afrika“).

Beim Gespräch mit Berengar trickst William diesen aus und erfährt so einiges: Berengar hat in jener stürmischen Nacht Adelmus als letzter gesehen, doch da wandelte er schon als Untoter auf dem Friedhof umher, redete von Qualen, verabschiedete sich und nannte Berengar seinen „schönen Lehrer“. Doch er muss aus der Hölle gekommen sein, denn von einer Berührung verbrannte sich Berengar an ihm die Hand. Aus dieser Schilderung wird William klar, dass Adelmus wegen irgendetwas von seinem Gewissen gequält wurde, er in der Abtei umherstreifte und sich nach dem Gespräch mit Berengar von der Mauer stürzte. Die Verbrennung hat sich Berengar vermutlich zugezogen, weil Adelmus eine Lichtquelle – eine Kerze oder eine Lampe – bei sich hatte, immerhin war es schon Nacht und ein Sturm zog auf. Auch gibt es nun eine direkte Verbindung zwischen Adelmus und Berengar, denn warum sollte Adelmus ihn sonst als seinen „schönen Lehrer“ bezeichnen? Die Erwähnung, dass Adelmus den Eindruck hatte, wegen etwas büßen zu müssen, lässt Adson seinen Meister nach Fra Dolcino fragen. William lenkt Adsons Aufmerksamkeit auf die Angst, mit der die Kirche mittlerweile versucht, die Menschen vom Sündigen abzubringen, und nicht durch Einsicht. Das führt aber zurück zu einem magischen Glauben:

Ich will nicht ungerecht sein mit den Bewohnern dieses Landes, in dem ich nun schon seit einigen Jahren lebe, aber es scheint mir typisch für die geringe Tugend der Italiener, dass sie nur aus Angst vor irgendeinem magischen Bildnis nicht sündigen, solange es nur den Namen eines Heiligen trägt. Sie haben mehr Angst vor Bildern des heiligen Sebastian oder des heiligen Antonius als vor Christus. Wenn hierzulande jemand einen Platz sauber halten will, auf dass niemand darauf sein Wasser abschlage, wie es die Italiener nach Art der Hunde tun, so hängt er einfach ein Bild des Heiligen Antonius mit der Holzspitze auf, und das verjagt dann die Pinkler. So laufen die Italiener Gefahr, in den alten Aberglauben zurückzufallen.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 184 – 185

Kurz darauf werden William und Adson Zeugen eines Streits zwischen dem Küchenmeister und Salvatore, wobei sie erfahren, dass Salvatore nachts in der Abtei umherstreift. Von einem weiteren Bruder, Aymarus von Alessandria, hören sie von den Spannungen innerhalb des Klosters:

Dort droben [in der Bibliothek] horcht dieser halb tote Deutsche [Malachias] mit den Augen eines Blinden voller Andacht und Hingabe auf das irre Gefasel dieses blinden Spaniers [Jorge] mit den Augen eines Toten…

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 190

Der Abt, so spricht er weiter, habe nichts zu sagen. Dann lässt er noch mehr Namen fallen und deutet – wie schon zuvor der Küchenmeister – an, dass nachts merkwürdige Dinge in der Abtei geschehen.

Die beiden Mönche gehen dann erneut ins Skriptorium, diesmal schauen sie sich den Platz des Venantius an. Dabei treffen sie Jorge, der von William in ein Gespräch über das Lachen und die Komödie verwickelt wird. Jorge macht klar, warum er das Lachen für einen diabolischen Wind hält:

Das Lachen schürt nur den Zweifel.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 204

Bevor William sich dann den Tisch des Venantius genauer ansehen kann, wird er von Benno um ein Treffen gebeten. Der berichtet nun etwas mehr, von der Leidenschaft, die Berengar für Adelmus hegte und dass sich Berengar fleischliche Lust erkaufte, indem er dem Adelmus etwas versprach. Mit dem weiteren Bericht fügt sich ein weiteres Puzzlestück hinzu: Benno hat nämlich beobachtet, dass Adelmus dem Bruder Jorge seine Sünden gebeichtet haben muss. Danach sei er aus dem Schlaftrakt nach draußen gelaufen. Venantius habe das auch mitbekommen und sei Adelmus in die Kirche gefolgt. William rekonstruiert wie folgt: Berengar erkauft sich für ein Geheimnis fleischliche Lust bei Adelmus. Adelmus wird von seinem Gewissen gequält und er beichtet Jorge. Doch aus den Begegnungen mit ihm weiß William, dass Jorge sehr streng ist, er hat Adelmus vermutlich mit den heißesten Höllenfeuern gedroht, die er sich ausdenken konnte, vielleicht hat er ihm sogar die Absolution seiner Sünden verweigert. Adelmus lief in die Kirche, um zu beten, wohin ihm Venantius folgte. Als Adelmus wieder aus der Kirche kam, begegnete er Berengar, der ihn für einen Geist hielt. Damit ist auch klar, was Adelmus mit dem „schönen Lehrer“ meinte. Nach dem Zusammentreffen stürzte sich Adelmus von der Mauer. William beschließt, dass es nun Zeit wird, sich mal in der Bibliothek umzuschauen, natürlich heimlich und nachts.

Bei einem Gespräch mit dem Abt wird Adson der Widerspruch vor Augen geführt, um den es in dem Disput gehen soll: Die Abtei hortet große Schätze von Gold und Edelsteinen im Namen des Glaubens, aber es soll ein Gespräch über die Armut Christi stattfinden. Adson sinniert hier über das Armutsgelübde und die Feindschaft des Papstes gegen die Franziskaner. Am Ende des Gesprächs ermahnt der Abt William nochmal, er solle die Vorfälle in der Abtei unbedingt klären, bevor die päpstliche Delegation eintrifft. Dann lenkt er Williams Aufmerksamkeit auf den Cellerar Remigius, der – so vermutet der Abt – früher einmal ein Dolcinianer war. Im weiteren Gespräch kommt heraus, dass der Abt den Begriff „Ketzer“ sehr weit fasst und sie alle vernichtet sehen möchte. Als William ihm die Frage, wo die Wahrheit liege, und wie man Ketzer von guten Christen unterscheidet, nicht beantworten kann, zitiert Abbo den Arnaldus Amalric, Abt von Citeaux:

Tötet sie alle, der Herr wird die Seinen erkennen.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 235

Am Abend ist es William immer noch nicht gelungen, den Tisch des Venantius zu untersuchen, da immer wieder verschiedene Leute seine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Zuletzt habe Malachias Williams Erlaubnis, Untersuchungen durchzuführen, in Frage gestellt. Als Adson und William durch die Abtei spazieren, treffen sie auf den alten Alinardus von Grottaferrata. Er macht Andeutungen über das Labyrinth in der Bibliothek und erzählt, dass man durch das Ossarium (Knochenhaus) über die Kirche hineingelangen kann. Dazu muss man in die Augen eines bestimmten Schädels drücken, der in einen Altarsockel eingraviert ist. Außerdem ist auch er – so wie Jorge – der Ansicht, der Antichrist würde nun zurückkehren. Als William ihn darauf hinweist, dass die tausend Jahre, nach deren Ablauf der Antichrist angeblich kommen würde, schon dreihundert Jahre zuvor zu Ende gewesen seien, antwortet Alinardus, dass nicht die Zeitrechnung zählt, sondern die Zeit seit der konstantinischen Schenkung, und die sei jetzt erst tausend Jahre her. Außerdem seien die Zeichen des Antichristen erschienen:

Hast Du nicht gehört, wie der andere Junge gestorben ist, neulich, der Miniaturenmaler? Der erste Engel blies in die erste Posaune, und es ward ein Hagel und Feuer mit Blut vermengt. Und der zweite Engel blies in die zweite Posaune, und der dritte Teil des Meeres ward Blut … Starb nicht der zweite Junge in einem Meer von Blut? Pass auf, wenn die dritte Posaune ertönt! Sterben wird dann der dritte Teil aller Geschöpfe, die im Wasser leben.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 243

Nach dem Abendgottesdienst bleiben William und Adson in der Kirche zurück, um durch das Ossarium über den geheimen Weg in das verschlossene Aedificium zu kommen. Tatsächlich stimmen die Angaben des Alinardus, William drückt in die Augen des passenden Schädels und der Altar lässt sich bewegen. Auf ihrem Weg stellen sie fest, dass noch jemand hier sein muss, zweifellos gibt es noch andere Gänge. Im Skriptorium angekommen erkennt William, dass ein Buch vom Tisch des Venantius fehlt, in griechischer Sprache. Aber ein Blatt, auf dem jemand griechische Notizen gemacht hat, ist noch da. Als Adson das Blatt genauer beleuchten will, kommt er mit seiner Lampe so nahe, dass der Rand des Papiers Feuer fängt. Zunächst wird William wütend, erkennt dann aber, dass ihnen der Unfall geholfen hat: Auf dem Blatt erscheint eine Geheimschrift aus Tierkreiszeichen, die mit unsichtbarer Tinte geschrieben wurde.

Ein Geräusch schreckt die beiden auf und sie versuchen, den Eindringling zu fassen. Wie sich herausstellt, war es aber nur eine Ablenkung, der Fremde wollte sie vom Tisch des Venantius weglocken. Bei seiner Flucht hat er Williams Augengläser, die dieser dort abgelegt hatte, mitgenommen. So kann William nicht lesen, was auf dem Pergament steht. Adson kopiert die Geheimschrift und schreibt etwas größer, aber aus dem Stegreif kann William den Code nicht knacken, so dass er beschließt, sich doch lieber in der Bibliothek umzusehen.

Wie Alinardus gesagt hat, ist die Bibliothek ein Labyrinth, ein Gewirr aus Räumen. Adson stellt fest, dass die Räume verschiedene Formen haben und jeder Raum eine andere Anzahl von Türen. Außerdem sind in jedem Raum Sinnsprüche über die Türen geschrieben. In einem Raum finden sie einen Zerrspiegel, in einem anderen steht eine Lampe, in der etwas verbrannt wird, das Adson schlimme Visionen macht. Dann entdecken sie, dass in die Wand eingelassene Lüftungsschlitze seltsame Geräusche wie Heulen und Stöhnen verursachen, was wahrscheinlich auch dazu gedacht ist, unliebsame Besucher fernzuhalten.

Endlich finden sie einen Weg hinaus. Als sie versuchen, heimlich in ihre Zelle zurückzukommen, laufen Sie dem Abt in die Arme, der sie gesucht hat. Und mit der Nachricht, dass Berengar von Arundel verschwunden ist, endet dieser Tag.

Der Film folgt dem Roman in seiner Struktur des zweiten Tages. Die Drehbuchautoren haben einige sinnvolle Zusammenfassungen vorgenommen: Wie schon erwähnt, sind die zwei Untersuchungen im Skriptorium zu einer geworden, und William wird von der Untersuchung des Tisches von Venantius durch Berengar abgehalten. Das Gespräch über Heilpflanzen und Gifte, das William mit Severinus zum Teil schon am ersten Tag führt, findet im Film während der Untersuchung von Venantius‘ Leiche statt. Die Aussagen, die die Tode mit den Posaunen der Apokalypse in Verbindung bringen, kommen allerdings nicht von Alinardus, sondern von Ubertin und er sagt sie angesichts des toten Venantius im Blutbottich. Die Behauptung, das zweite Buch der Poetik von Aristoteles sei nie geschrieben worden, macht Jorge gegenüber William direkt. In das Gespräch fließen auch noch andere Gesprächsteile von anderen Tagen mit ein, wie etwa Williams Erzählung über den Heiligen Maurus, der in kochendes Wasser gesteckt wurde und sich beklagte, dass sein Bad zu kalt sei.

Wie im Roman dringen William und Adson über einen Geheimgang in das Skriptorium ein, aber erstmal nicht in die Bibliothek. Sie bekommen allerdings keinen Hinweis, wie man den geheimen Zugang durch den Altar ins Ossarium öffnet. Stattdessen gehen sie in die Kapelle, aus der sie Malachias haben kommen sehen. William betrachtet sich dann die eingravierten Totenschädel und fragt Adson, welcher von denen ihm am meisten Angst macht. Adson benennt einen und William tastet an diesem herum, bis er den Mechanismus für die Geheimtür entdeckt. Vermutlich soll die Szene Williams Genialität unterstreichen, allerdings ist es letztlich nur geraten. In einer weiteren Szene wird ein Rätsel auf eine ähnlich enttäuschende Weise gelöst, wovon noch zu berichten sein wird.

Im Skriptorium liegt immer noch ein Buch auf dem Tisch des Venantius. Als William das Pergament, das er findet, untersucht, legt er seine Augengläser auf das Buch. Auch hier befindet sich jemand mit ihnen im Skriptorium, diese Person stiehlt das Buch zusammen mit den Augengläsern, nachdem sie William und Adson abgelenkt hat. Den Geheimcode auf dem Pergament indessen entdecken die beiden Mönche nicht dadurch, dass Adson das Papier fast aus Versehen verbrennt, sondern weil William den Zitronensaft riecht, mit dem die versteckte Schrift geschrieben wurde.

In einer späteren Szene trifft William Salvatore auf dem Friedhof, der dort Ratten jagt. Die Informationen, die William im Roman durch die Gespräche mit Benno und Berengar bekommt, erhält er hier von Salvatore, der alles beobachtet hat.

Was die Serie betrifft, muss ich hier einen Vorgriff machen: Das Zitat des Abtes, wie man Ketzer und echte Christen unterscheiden kann, wird hier Bernard Gui gegeben, dem wir ja parallel zu den Ereignissen im Kloster folgen. Ansonsten ist die Serie in den Szenen, die direkt aus dem Roman kommen, sehr wortgetreu. Neu hinzugekommen ist, dass Severinus feststellt, dass ihm Gift gestohlen wurde, außerdem untersuchen er und William die Leiche des Venantius, indem sie eine Obduktion machen. Warum das eingefügt wurde, ist mir nicht klar, vor allem, da damals kaum jemand Kenntnisse über die gesunde Anatomie eines Menschen hatte, wie sollten die beiden erkennen, wenn etwas nicht stimmt? Alle anderen Gespräche sind direkt aus dem Roman, auch hier ist es Alinardus, der die Posaunen der Apokalypse erwähnt und verrät, wie man über das Ossarium ins Aedificium gelangt. Auch hier ist eine weitere Person mit im Skriptorium und wie im Film werden Williams Augengläser zusammen mit dem Buch von Venantius‘ Tisch geraubt. Die Geheimschrift auf dem Pergament wird dadurch entdeckt, dass Adson es fast anzündet. In der Bibliothek verirren sich die beiden, sie finden den Spiegel und die Lampe mit dem Rauch, der Visionen erzeugt. Allerdings werden die Geräusche, die die beiden hören, nicht durch Lüftungsschlitze, sondern durch ein raffiniertes Gerät aus allerlei Röhren erzeugt.

Das Gespräch zwischen William und dem Abt findet in der Serie erst am nächsten Tag statt, ebenfalls das Gespräch mit Aymarus von Alessandria. Der Grund für diese Verschiebung sind die Hinzufügungen, von denen bei gegebener Zeit noch berichtet werden soll.

In diesem Kapitel wird also nun der Zusammenhang zwischen den Morden in der Abtei und der Offenbarung des Johannes, der so genannten „Apokalypse“, hergestellt. Dabei handelt es sich um ein Buch der Bibel, das prophetisch von der Wiederkehr Jesus Christus berichtet, womit das Ende der Welt eingeläutet wird, bevor das Reich Gottes herrscht. Und mit den Prophezeiungen ist das so eine Sache. Moderne Forscher gehen davon aus, dass die Apokalypse nicht als wortwörtlich gedacht war, sondern dass man einige der Zeichen, die dort genannt werden, sehr eindeutig bestimmten römischen Kaisern zuordnen kann, gegen die Stimmung gemacht wurde. Im 14. Jahrhundert wurde die Apokalypse aber wortwörtlich gelesen. Sehr schön sehen wir hierbei aber das, was bei Prophezeiungen immer ein Problem darstellt: Wann gilt eine Prophezeiung als erfüllt?

Was das betrifft, gibt es zumeist nur zwei Möglichkeiten: Nummer eins, die Prophezeiung ist so allgemein oder so blumig gehalten, dass man sehr viel reininterpretieren kann. Die Prophezeiungen des Nostradamus zum Beispiel fallen unter diese Kategorie. Sie sind so mit Worten aufgeladen, dass man viel mit der Bedeutung herumspielen kann. Horoskope würden ebenfalls in diese Kategorie fallen, die zumeist irgendwelche sehr vagen Andeuten enthalten, die man irgendwie immer auf sich beziehen kann, zumindest in Teilen. Ein Horoskop, das sowas Konkretes aussagt wie: „Wenn Du heute die Tür einer Besenkammer öffnest, fällt Dir ein Putzeimer auf den Kopf. Halte Dich von Besenkammern fern!“, sucht man vergeblich.

Die Nummer zwei sehen wir in „Der Name der Rose“ sehr schön: Teile einer Prophezeiung, die irgendwie passen, werden betont, Teile, die nicht passen, werden ignoriert. Manchmal wird auch darauf gepocht, dass man die Prophezeiung missverstanden hätte. Schon am ersten Tag sprach Jorge davon, dass die Wiederkehr Christi nicht zum Jahr 1.000 geschehen sei, weil man den Propheten falsch verstanden hätte. Alinardus wird nun deutlicher: Die tausend Jahre müsse man nicht mit der Zeitrechnung rechnen, sondern tausend Jahre nach der konstantinischen Schenkung nehmen. Der Name „Konstantinische Schenkung“ bezieht sich auf eine von der Wissenschaft auf etwa das Jahr 800 datierte, gefälschte Urkunde, die angeblich in den Jahren 315/317 vom römischen Kaiser Konstantin I. ausgestellt wurde. Darin wird Papst Silvester I. (Pontifex von 314–335) und seinen sämtlichen Nachfolgern usque in finem saeculi, das heißt bis ans Ende der Zeit, eine auf geistliche Belange gerichtete, jedoch zugleich politisch wirksame Oberherrschaft über Rom, Italien, die gesamte Westhälfte des Römischen Reiches, aber auch das gesamte Erdenrund mittels Schenkung übertragen. Die Fälschung wurde im 15. Jahrhundert bewiesen, 1327 wusste man das noch nicht. Aber wir sehen schon die erste Abweichung, tausend Jahre nach der konstantinischen Schenkung wäre 1315, 1316 oder 1317, nicht zehn Jahre später. Aber das ist nicht der einzige Fakt, der ignoriert wird, nur damit es passt. Alinardus sagt auch, die letzten Tage wären gekommen, weil die beiden Tode mit den ersten zwei Posaunen der Apokalypse übereinstimmen. Innerhalb der Apokalypse nehmen die sieben Posaunen eine besondere Stellung ein, denn mit jeder Posaune, die von einem Engel geblasen wird, kommt eine neue Plage über die Menschheit. Das sagt die Offenbarung über die erste Posaune:

Der erste Engel blies seine Posaune. Da fielen Hagel und Feuer, die mit Blut vermischt waren, auf das Land. Es verbrannte ein Drittel des Landes, ein Drittel der Bäume und alles grüne Gras.

Die Bibel – Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 8, Vers 7

Damit sieht man schon die blinden Flecken, die Alinardus hier ziemlich bewusst lässt. Er ignoriert, dass da nicht von Hagel allein, sondern von Hagel und Feuer, vermischt mit Blut, die Rede ist und außerdem wird ein Drittel des Landes verbrannt. Doch nicht nur das, wenn wir uns den Bericht des Abtes von jener Nacht anschauen, stellen wir fest, dass von der ersten Posaune bei diesem Todesfall nichts mehr übrigbleibt:

Es sei eine stürmische Nacht gewesen, eisige Schneeflocken, hart wie Hagelkörner, seien von einem scharfen Nordwind durch die Nacht gewirbelt worden.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 50

Es gab also nicht mal Hagel in dieser Nacht. Und auch was die zweite Posaune betrifft, ist die Faktenlage mehr als dünn:

Der zweite Engel blies seine Posaune. Da wurde etwas, das einem großen brennenden Berg glich, ins Meer geworfen. Ein Drittel des Meeres wurde zu Blut.

Die Bibel – Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 8, Vers 8

Alinardus hakt sogar noch nach, ob Venantius nicht „in einem Meer von Blut“ starb. Das ist gleich doppelt falsch, denn erstens, Venantius war ja bereits tot, als er in den Bottich mit dem Schweineblut gesteckt wurde, und zweitens ist in der Offenbarung nicht von einem „Meer von Blut“ die Rede, sondern davon, dass ein Drittel des Meeres zu Blut wurde. Alinardus zeigt hier also ein bekanntes Phänomen von den Menschen, die einerseits darauf bestehen, dass die Bibel wörtlich zu nehmen sei, andererseits, wenn es ihnen in den Kram passt, aber auch wieder nicht, da sei eine Sache auch mal im übertragenen Sinn zu sehen.

Hinzu kommt etwas, an dem vermutlich jede Religion krankt, nämlich der Exzeptionalismus, der Wunsch, etwas Außergewöhnliches zu sein oder an etwas Außergewöhnlichem teilzuhaben. Wären 1327 die letzten Tage angebrochen, muss man sich doch die Frage stellen, warum sich so ein Ereignis, das ja die ganze Welt betrifft, ausgerechnet in dieser Abtei im Norden Italiens zeigen sollte?

Im Gegensatz dazu zeigt sich William von Baskerville völlig anders: Er ist sehr fortschrittlich und modern in seinem Denken. Er war Inquisitor, doch er besteht darauf, dass er nie einen Menschen verbrannt habe. Er zieht alle Möglichkeiten in Betracht und lehnt nicht einmal Alinardus‘ Deutungen der Apokalypse von vornherein ab, obwohl er es für unwahrscheinlich hält. Aber er muss sich eingestehen, dass er zwar weiß, was passiert ist, aber noch nicht, wer dafür verantwortlich ist und warum.

Zuletzt bleibt noch von neuen Figuren und ihren Darstellern zu reden: Benno von Uppsala, der nur in die Serie übernommen wurde, nicht aber in den Film und dort von dem Dänen Benjamin Stender gespielt wird. Wie man an Bennos Namen sieht, kommt dieser aus Skandinavien (genauer gesagt, Schweden), der Darsteller passt sehr gut. Mit seinen strohblonden Haaren sticht er sogar ziemlich unter den Mönchen heraus. Generell sind in diesem Kloster ja sehr viele unterschiedliche Nationalitäten vertreten und es gibt auch Animositäten zwischen den Gruppen (wie die Bemerkung des Aymarus zeigt). Im Film wird die Gemeinschaft sogar noch diverser durch den Schweizer Urs Althaus als Übersetzer Venantius, den William gegenüber Salvatore als „den schwarzen Mönch“ bezeichnet. Althaus ist der Sohn eines Mediziners aus Nigeria. Er passt in dieses internationale Kloster, das Eco da konstruiert hat und das William selbst als „Abbild der Welt“ bezeichnet. Wie bereits erwähnt beschreibt Adson nicht bei allen in der Geschichte vorkommenden Menschen, wie sie aussehen, über Hautfarben lässt er sich explizit gar nicht aus. Allerdings hat Althaus auch nicht viel zu tun und – ebenso wie Michael Habeck – keinen Text, er ist unter den Mönchen zu sehen, dann Nachts, ein Buch lesend, und am nächsten Tag ist er bereits tot. Das letzte Mal sehen wir ihn in einer Rückblende. In der Serie wird Venantius von Guglielmo Favilla gespielt, einem italienischen Schauspieler und Regisseur.

Zuletzt ist da noch Alinardus von Grottaferrata. Auch er wurde nicht in den Film übernommen, Alinardus‘ Text wurde in Teilen Ubertin gegeben. In der Serie wird er gespielt von Roberto Herlitzka, einem in Italien sehr bekannten Schauspieler, der seit den 1960er Jahren aktiv ist. Adson beschreibt mehrmals, wie alt Alinardus auf ihn wirkt und William nennt ihn bei einer Gelegenheit sogar einen „Hundertjährigen“ und mit seinen 82 Jahren kommt Herlitzka da schon sehr gut dran.

Der Bericht über den zweiten Tag ist nun nicht so lang geworden, aber gerade was die Serie betrifft, habe ich einiges ausgelassen, das noch drankommen wird. Bei der Serie bin ich mir auch nicht sicher, ob manche Hinzufügung nicht geschehen ist, um den Rhythmus der Geschichte zu verändern und zum Ende der Episode hin einen Cliffhanger zu bekommen. So endet eine Episode mit dem Fund des toten Venantius im Schweineblut, eine andere mit Adson, der unter dem Einfluss der Räucherlampe aus der Bibliothek Visionen hat. Was diese Hinzufügungen genau ändern, wird dann auch noch berichtet.

Alles zu seiner Zeit.


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Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Erster Tag

Worin die besonderen Umstände dargelegt werden, die den Rahmen der Geschichte betreffen sowie vom ersten Tag Adsons und Williams in der Abtei erzählt wird.


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Transkript

Um mich einer genauen Untersuchung der Geschichte „Der Name der Rose“ zu nähern, habe ich, wie bereits erwähnt, mich entschlossen, die Struktur des Romans einzuhalten. Die Struktur ist nach den Tagen gehalten, die sich William von Baskerville und Adson von Melk in der Abtei aufhalten, es sind insgesamt sieben. Dann folgt noch ein Epilog. Eine zweite Frage, die ich mir stellen musste, geht darum, wie ich den Vergleich zwischen den Medien ziehe. Eine Möglichkeit wäre gewesen, den jeweiligen Tag heranzunehmen und zu schauen, was an diesem Tag passiert im Buch, im Film und in der Serie. Das hätte allerdings ein ziemliches Chaos ergeben, denn der Film muss die Handlung des Buches in zwei Stunden komprimieren und lässt einiges weg, während die Serie zwar auch manches weglässt, aber dafür wiederum etwas hinzugefügt hat. Das einfachste ist tatsächlich, dem Buch zu folgen und dann zu schauen, wie die anderen Medien umgesetzt haben, was Umberto Eco vorgegeben hat. Das macht alles etwas klarer. Ein Beispiel: In der Serie sehen wir den Inquisitor Bernard Gui von Folge 1 an, am Anfang in Avignon beim Papst und dann auf seiner Reise ins Kloster. Im Roman, der ja aus Adsons Ich-Perspektive erzählt wird, weiß der Autor natürlich nicht, was in Avignon passiert oder auf der Anreise Guis. Würde ich die Serie parallel zum Roman chronologisch abhandeln, müsste ich ständig auf spätere Kapitel des Romans vorgreifen, um das zu beleuchten, was dort über Gui gesagt wird. Es ist einfacher, Guis Porträtierung in der Serie dann zu beleuchten, wenn wir ihn im Roman kennenlernen. Ähnliches gilt auch für die wichtigste Person der Geschichte, dem Mädchen.

Und bevor ich jetzt anfange, muss ich noch ein paar generelle Dinge von Film und Serie abhandeln, die ich schon mal kurz angesprochen habe. Fangen wir an mit den wichtigsten Darstellern (zu anderen werden wir zum entsprechenden Zeitpunkt kommen). William von Baskerville wird im Film von Sean Connery dargestellt, Adson von Melk von Christian Slater. Connery füllt natürlich den Raum, sein Auftreten hat Gravitas, wie man so schön sagt. Er mag physisch nicht ganz mit der Beschreibung übereinstimmen, die Adson von seinem Meister gibt (dazu später mehr), aber er füllt die Rolle sehr gut aus, egal ob gerade Ernsthaftigkeit oder Humor gefragt ist. Des weiteren hat es noch eine besonders humoristische Note, dass ausgerechnet der Mann, der James Bond für die Leinwand zum Leben erweckte, diese Hauptrolle spielt. Umberto Eco hat nämlich tatsächlich einen Beitrag über James Bond für ein Buch verfasst, den Aufsatz „Die erzählerischen Strukturen in Flemings Werk“, der in „Der Fall James Bond 007 – ein Phänomen unserer Zeit“ 1966 auf Deutsch veröffentlicht wurde. Mehr noch, der Autorin Ursula Schick fällt auf, dass es eine direkte Verbindung zwischen diesem Aufsatz und „Der Name der Rose“ gibt:

Dieser eröffnende Abschnitt [„Natürlich, eine alte Handschrift“] ist in der lebensweltlichen Situation des empirischen Autors angesiedelt, er spielt 1968 – 1970 zwischen Prag und Buenos Aires und handelt von der Auffindung des Manuskriptes, das die ganze Geschichte Adsons enthält. Diese Story, die zusammengebaut ist aus Erzählelementen, die Eco in seiner Untersuchung über James Bond auflistet, ist in ihrer Mischung von Lovestory, Politthriller, wissenschaftlicher Dokumentation und mystifizierender Detektivgeschichte ein recht verworrenes Vexierspiel, wobei das detektivische Interesse einer mittelalterlichen Handschrift gilt. Dabei besteht das Verwirrspiel darin, absolut nachprüfbare und empirisch oder bibliographisch zutreffende Einzelelemente mit eindeutig fiktiven Angaben so zu verquicken, dass auch der fachkundige Leser manchmal den Überblick verliert.

Ursula Schick: „Erzählte Semiotik oder intertextuelles Verwirrspiel?“ in Burkhart Kroeber (Hrsg.): „Zeichen in Umberto Ecos Roman ‚Der Name der Rose'“, dtv 1989, Seite 107 – 133

Christian Slater spielte hier seine erste große Rolle und sei es sein schauspielerisches Talent oder der Umstand, dass er selbst noch unerfahren war – er passt wunderbar. Sein ständiges Befremden, über die Abtei und die merkwürdigen Dinge und die Entwicklung, die er im Film durchmacht, wirken sehr real.

In der Serie wird William von John Turturro dargestellt, der man aus anderen Serien („Miami Vice“, „Frasier“) und Filmen („Transformers 3“, „The Batman“) kennt. Er kommt der Beschreibung Williams physisch etwas näher und er schafft es, dessen spitzbübische Freude darzustellen, wenn er andere Menschen mit seinem logischen Verstand überrascht. Damian Hardung als Adson ist ein junger deutscher Schauspieler, der zum Zeitpunkt, da die Serie gedreht wurde, gerade mal zwanzig Jahre alt war. Es passt zum Alter von Adson und auch er schafft es, Adsons Naivität und seinen Wandel gut darzustellen. Allerdings muss man dazu sagen, dass neben dem Umstand der zusätzlichen Zeit und dem hinzugefügten Material die Figur des Adson in der Serie einen geänderten Hintergrund hat und daher diese Entwicklung anders abläuft, als im Film und im Roman.

Und wo wir gerade von Damian Hardung sprechen, der ja Deutscher ist, sprechen wir von einem Thema, das immer wieder für Diskussionen sorgt: die deutsche Übersetzung von Film und Serie. In beiden Produktionen ist es tatsächlich so, dass es deutsche Darsteller gab, die sich selbst für die deutsche Version sprachen, im Film waren das Volker Prechtel als Malachias und Helmut Qualtinger als Remigius, in der Serie Damian Hardung. Im Film kommen noch ein paar – damals – sehr bekannte Stimmen dazu, natürlich Gert Günther Hoffmann, dem Stammsprecher von Sean Connery, ein junger Philipp Moog für Christian Slater als Adson (der später den jungen Obi-Wan Kenobi in den Star-Wars-Prequels sprechen sollte, sowie Barney in „How I Met Your Mother“), Gottfried Kramer für F. Murray Abraham als Bernard Gui (der auch in vielen Hörspielen seiner Zeit mitwirkte, etwa als Doktor Zarkov in „Flash Gordon“ von Europa oder Kapitän Haddock in der Tim-und-Struppi-Adaption von Maritim) oder Joachim Höppner für Andrew Birkin als Cuthbert von Winchester (der später Gandalf in der Herr-der-Ringe-Trilogie sprechen sollte). In der Serie dürfte Engelbert von Nordhausen als Sprecher von Fabrizio Bentivoglio in seiner Rolle als Remigius zu den Bekannteren gehören (er hat Samuel L. Jackson und Bill Cosby synchronisiert), Lutz Schnell für Stefano Fresi als Salvatore (er hat in den 1980er Jahren in den Tim-und-Struppi-Hörspielen den Tim gesprochen und Kapitän Haddock in dem CGI-Film „Das Geheimnis der Einhorn“; in dem Film „Das Boot“ war er auch als Darsteller zu sehen) und Axel Lutter für James Cosmo als Jorge (bekannt unter anderem als Sprecher für Jean Reno, Pierre Richard und Billy Conolly).

Warum ich das ganze aber hier so detailliert aufbringe, ist der deutsche Sprecher für John Turturro als William. Gehen wir für einen Moment mal weg von „Der Name der Rose“ und ein paar Jahre zurück: Als der erste Trailer für den James-Bond-Film „Casino Royale“ veröffentlicht wurde, in dem Daniel Craig zum ersten Mal den britischen Agenten spielen sollte, stieß ich in Fanforen auf Beiträge, in denen vor allen Dinge eine Sache in diesem Trailer beklagt wurde: „Oh nein, Daniel Craig hat ‚die‘ Adam-Sandler-Stimme gekriegt.“ Daniel Craig wurde und wird von Dietmar Wunder gesprochen und es ist richtig, dass er auch der Stammsprecher für Adam Sandler ist, der ja eher im Bereich „Komödie“ unterwegs ist. Allerdings hatte Wunder zu dem Zeitpunkt bereits für mehrere Staffeln den Schauspieler Carmine Giovinazzo in seiner Rolle als Danny Messer in „CSI: NY“ gesprochen. Auch Synchronsprecher sind Schauspieler, und auch sie stellen unterschiedliche Charaktere stimmlich unterschiedlich dar.

Selbiges gilt auch für Stefan Fredrich für John Turturro als William. Fredrich dürfte in Deutschland den meisten Menschen als „die“ Jim-Carey-Stimme bekannt sein. Aber siehe da: Er spricht Turturro schon seit 1994 in bisher 24 Filmen. Auch in „Der Name der Rose“ bringt er die unterschiedlichen Facetten mit, die die Rolle benötigt, wenn William sich freut und begeistert ist (zum Beispiel, wenn er zum ersten Mal die Bibliothek betritt), wenn er ernste Gespräche führt oder wenn er frustriert ist, weil nicht genug Fakten auf dem Tisch liegen, mit denen er arbeiten kann. Übrigens hat Fredrich ebenfalls in einer CSI-Serie schon eine Rolle gesprochen, und zwar in meiner persönlichen Lieblingsfolge von „CSI: Miami“, „Die Todeswelle“.

Weg von den Stimmen, kommen wir zur Musik: Die Ansätze der Komponisten für den Film und die Serie sind sehr unterschiedlich. James Horner hat für den Film eher die Stimmung eingefangen und dabei zwar auch mit Instrumenten gearbeitet, die eher zeittypisch waren, aber zusätzlich moderne Aspekte wie Disharmonien eingebracht. Allein das Stück zur Eröffnung, wummernde Töne, die Unheil verkünden, während wir die Stimme des alten Adson von Melk hören, der den Film einführt, dann zu intermittierenden Glockenklängen und wortlosen Chorälen, reicht für mich schon, um mich in Stimmung für die Geschichte zu bringen. Volker Bertelmann – manchen vielleicht auch unter seinem Künstlernamen „Hauschka“ bekannt – hat für die Serie einen anderen Zugang gewählt, seine Musik klingt mehr mittelalterlich und sinfonisch, aber nicht weniger bedrohlich. Vor allen Dingen die Titelmusik der Episoden, zur der wir passend gemalte Bilder der Hauptdarsteller sehen und eine sich ins Unendliche windende Spirale von Bücherregalen, ist da auch sehr Stimmungsvoll.

Doch o weh, höre ich Leserin und Leser rufen, ist nicht bald genug mit der Einführung, können wir endlich mit der Geschichte anfangen? Gemach, gemach, allein, es bleibt noch eine Sache zu bearbeiten, bevor wir loslegen können, nämlich ein paar Informationen aus Adsons Prolog nachzuholen. Hier führt uns Adson in die politische Lage des Jahres 1327 ein, gibt uns ein paar Informationen über seine eigene Geschichte und beschreibt seinen Meister William von Baskerville:

Die physische Erscheinung Williams von Baskerville war so eindrucksvoll, dass sie noch die Aufmerksamkeit des zerstreutesten Beobachters auf sich gezogen hätte. Seine hohe Gestalt überragte die eines gewöhnlichen Mannes, und durch ihre Schlankheit wirkte sie sogar noch größer. Er hatte scharfe, durchdringende Augen, und die schmale, leicht gebogene Nase verlieh seinem Antlitz den Ausdruck einer lebhaften Wachsamkeit (außer in jenen Momenten der Starre, von denen ich noch sprechen werde). Auch sein Kinn verriet einen starken Willen…

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 24

Diese Beschreibung ist sehr interessant, denn hier bestätigt Umberto Eco uns, seinem Publikum, direkt, woher er die Inspiration für dieses „Ermittlerduo“ hat, es ist keine Frage von „könnte es vielleicht sein, dass…?“, es ist ein bestätigendes „Ja, so ist es!“, denn mit folgenden Worten beschreibt Doktor Watson das Aussehen von Sherlock Holmes in ihrem ersten gemeinsamen Abenteuer:

Seine Gestalt und Erscheinung allein genügten, die Aufmerksamkeit des oberflächlichsten Beobachters zu erregen. Er war mehr als sechs Fuß groß und so ungeheuer hager, dass er noch weit größer wirkte. Seine Augen waren scharf und durchdringend, außer in jenen Zwischenzeiten der Lähmung, die ich erwähnt habe, und seine schmale, falkenhafte Nase verlieh ihm insgesamt den Ausdruck der Wachsamkeit und Entschlossenheit. Auch sein Kinn hatte jene Prominenz und Wucht, die den entscheidungsfreudigen Mann kennzeichnen.

Sir Arthur Conan Doyle: „Sherlock Holmes – Eine Studie in Scharlachrot“, Lizenzausgabe des Kein & Aber Verlags 2005, Seite 25

Auch der Umstand, dass „Adson“ und „Watson“ so phonetisch ähnlich sind, ist kein Zufall, ebensowenig, dass Williams Herkunft „von Baskerville“ an eines der bekanntesten Abenteuer des Sherlock Holmes, „Der Hund der Baskervilles“ erinnert. In der Tat gibt es bei den Ereignissen des ersten Tags auch noch einen Bezug zu diesem Abenteuer, aber dazu kommen wir noch. Wenden wir uns Adson und den politischen Ereignissen des 14. Jahrhunderts zu.

In der vorigen Folge habe ich in der Zusammenfassung bereits erwähnt, dass in dem Kloster, zu dem William und Adson reisen, ein Konvent stattfinden soll zwischen den Franziskanern und dem Papst. Der Orden der Franziskaner wurde 1210 als „Orden der Minderen Brüder“ gegründet und folgt den Lehren des Gründers Franziskus – genannt Franz – von Assisi, der eigentlich Giovanni hieß, aber nach einer Reise nach Frankreich den Spitznamen „Francesco“ („kleiner Franzose“) erhielt. Er war ein papsttreuer Gefolgsmann und Ritter, doch nach einer Vision wollte er als Mönch leben und für die Sünden büßen. Eine besondere Bibelstelle hatte es ihm dabei sehr angetan:

Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben. Steckt nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel! Nehmt keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen Wanderstab; denn wer arbeitet, ist seines Lohnes wert.

Die Bibel, Neues Testament – Evangelium des Matthäus, Kapitel 10, Vers 8 bis 10

Entsprechend wurde dem Orden ein Armutsgelübde auferlegt, das jedoch im Lauf der Zeit mit der „offiziellen Kirche“ unter den Päpsten in Konflikt geriet. Denn mittlerweile hatten die Kirchen viele Reichtümer und Ländereien angehäuft und es kam sogar soweit, dass der Papst sich als die oberste Autorität ansah, der auch Macht über das Weltliche haben wollte. Nicht der Kaiser sollte die Bischöfe bestimmen, nein, der Papst sollte den Kaiser bestimmen. Der Konvent in jener Abtei,

…deren Namen man auch heute noch besser verschweigen sollte…

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

hat nun den Zweck, die Frage zu klären, ob Jesus einen Geldbeutel hatte und ob die Kleider, die er am Leib trug, sein Eigen waren. Der doppelte Boden dabei ist natürlich die Frage, ob die Kirche arm sein und auch auf weltliche Macht verzichten soll. Der Papst, der zu dieser Zeit über die Kirche regiert, ist Johannes XXII. und er ist natürlich nicht Willens, irgendwelche Macht abzugeben. Deswegen sind ihm die Franziskaner ein Dorn im Auge. Aber der stattfindende Krieg gegen die weltlichen Herren verläuft nicht gut und so versucht der Papst alles, um seine Position zu retten. In der Folge des Krieges ist der junge Adson nach Norditalien gekommen, denn sein Vater ist der Baron von Melk. Hier stellt sich die Frage, ob ein Übersetzungsfehler von Seiten Ecos vorliegt, denn die Herren von Melk waren keine Freiherrn (Barone), sondern Markgrafen. Völlig richtig ist allerdings, dass es in Melk schon seit mindestens dem 11. Jahrhundert ein Kloster gab und Adson stellt sich als Novize dieses Klosters vor. In Italien angekommen muss sein Vater allerdings bei der Belagerung Pisas behilflich sein, so dass Adson in die Obhut des Franziskanermönchs William von Baskerville übergeben wird, mit dem er fortan für einige Zeit durch die Lande reist. Zunächst besuchen die beiden verschiedene Klöster, reisen dann aber ziemlich zielstrebig in Richtung eines Klosters, das von Adson nur als „die Abtei“ bezeichnet wird. Adson beschreibt zudem noch Williams Interesse an Naturwissenschaften, er hat unter anderem ein Astrolabium dabei, was Adson nicht ganz geheuer ist:

Anfangs freilich fürchtete ich, es handle sich um eine Art Hexerei, und stellte mich schlafend, wenn er in klaren Nächten aufstand, um (mit einem seltsamen Dreieck in der Hand) die Sterne zu beobachten.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 27

Um hier gleich den Bogen zum Film zu schlagen: Hier gibt es zwei Szenen, in denen beides ausgedrückt wird, sowohl Williams Interesse als auch das Misstrauen, das Naturwissenschaft in diesen Zeiten bisweilen erzeugte. Als William und Adson im Kloster sind, packt William seine Sachen aus und legt sie auf sein Bett. Kurz darauf klopft der Abt an die Tür und William wirft ein Tuch über das Astrolabium, damit der es nicht sieht. In einer späteren Szene schließlich sieht man den Mönch die Sterne mithilfe des Geräts beobachten.

Bleiben wir gerade mal bei der Umsetzung: Die Vorgeschichte und die politische Situation wird im Film kaum berührt. Der Film beginnt mit der Einleitung durch Adson als alter Mann, der nur davon spricht, dass er als junger Novize 1327 zu dieser Abtei reiste und dass er die schrecklichen Ereignisse nun wiedergeben werde. Die erste Szene beginnt dann auch gleich, als William und sein Novize bei der Abtei ankommen.

In der Serie wird die Vorgeschichte ausgebaut und dabei verändert: Adson nimmt als Soldat unter seinem Vater an einer Schlacht teil. All das Töten erscheint ihm sinnlos,

Es gibt keine gerechten Kriege. Man kann die Welt nicht durchs Töten ändern.

Giacomo Battiato et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, 11 Marzo Film, Folge 1

so dass er demonstrativ vor seinem Vater das Waffengewand auszieht und die Mönchskutte überwirft. In der Serie ist es auch Adsons eigener Antrieb, ins Kloster zu gehen, gegen den Willen seines Vaters. Im echten Leben war es tatsächlich nicht unüblich, dass die Kinder auch von Adligen ins Kloster gingen, was pragmatische Hintergründe hat. Das Erbe und Lehen einer Familie fiel nämlich dem Erstgeborenen zu, die nachfolgenden Geschwister mussten irgendwie für sich selbst sorgen. In ein Kloster zu gehen war hier eine Möglichkeit, versorgt zu sein. Dies ist der Grund, weswegen so viele einflussreiche Äbte und Bischöfe ebenfalls Adlige waren und gerne mal mit Vetternwirtschaft in die weltliche Politik eingriffen.

Da Adson hier gegen den Willen seines Vaters handelt, wird er auch nicht in die Obhut von William gegeben, sondern der junge Mann begegnet dem Franziskanermönch zufällig und folgt ihm einfach, woraus sich folgendes Gespräch ergibt:

William: Warum folgst Du mir?
Adson: Ihr erweckt meine Neugier.

Giacomo Battiato et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, 11 Marzo Film, Folge 1

William trifft sich mit Adsons Vater und bekommt von diesem den Auftrag, die Seite des Kaisers bei dem Disput zu vertreten. Nachdem er den Baron von Melk kennengelernt hat, akzeptiert er Adson als Novize und Adlatus, obwohl es da noch eine Sache gibt: Adson ist Benediktiner.

Die Benediktiner berufen sich auf Benedikt von Nursia, der Ende des fünften, Anfang des sechsten Jahrhunderts nach der Zeitrechnung gelebt hat. Er hat für das von ihm gegründete Kloster Regeln aufgestellt, wie sie heute noch für Mönche gelten (Zurückgezogenheit, Keuschheit und dergleichen). Tatsächlich gibt es in Melk ein Benediktinerkloster. Der Umstand, dass hier Novize und Mönch von zwei unterschiedlichen Gemeinschaften miteinander umgehen, kommt direkt aus dem Roman. Was die Geschichte betrifft, so kann der Leser hier durch die Augen Adsons auf eine Gemeinschaft blicken, die er nicht kennt. Im Film hingegen hat man das ganze gestrichen, vermutlich, um nicht zu viel Zeit mit Erklärungen zu verbringen oder – wenn man nicht darauf eingegangen wäre – um den Zuschauer nicht zu sehr zu verwirren, warum Adson und William unterschiedliche Gewänder tragen. Im Film beschränkt sich die Änderung der Zugehörigkeit aber nicht nur auf Äußerlichkeiten, es wird sogar ausdrücklich erwähnt, als es in einem Gespräch um Ketzer geht:

William: Fra Dolcino glaubte an die Armut Christi.
Adson: Das tun wir Franziskaner doch auch.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Nachdem alles das geklärt ist, sind wir endlich auf dem Weg zu „der Abtei“. Adsons Erzählung ist in Tage eingeteilt, und so ist es nur passend, dass die beiden Reisenden ihr Ziel am Morgen des ersten Tages erreichen, wie der Chronist festhält:

Es war ein klarer spätherbstlicher Morgen gegen Ende November. In der Nacht hatte es ein wenig geschneit, und so bedeckte ein frischer weißer Schleier, kaum mehr als zwei Finger hoch, den Boden.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 33

Hinzuzufügen wäre noch, dass auch die Tage noch strukturiert werden, womit sich Unterkapitel bilden. Die Strukturen sind an den Tageszeiten eines Klosters orientiert und zum besseren Verständnis werden diese im Glossar des Buches aufgeschlüsselt. Weiters hat jedes Unterkapitel eine kleine Überschrift, allerdings nicht im klassischen Sinn. Es handelt sich mehr oder weniger um eine Zusammenfassung, was das Publikum im entsprechenden Unterkapitel erwarten kann, wie hier beispielhaft wiedergegeben:

PRIMA: Worin man zu der Abtei gelangt und Bruder William großen Scharfsinn beweist.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 33

Die beiden Mönche kommen also bei der Abtei an, wobei Adson von Anfang an ein merkwürdiges Gefühl hat. Er beschreibt die Position der Abtei auf einem Felsen und den Turm des Aedificiums, der ihm sofort ins Auge fällt und der, wie wir später erfahren sollten, die Bibliothek enthält. Kurz bevor sie die Tore der Abtei erreichen, treffen sie auf eine Gruppe Mönche unter der Leitung des Cellerars Remigius von Varagine. Sehr zu Remigius‘ Verblüffung – und zu Adsons Erstaunen – weiß William sehr genau, warum die Gruppe den Wald unterhalb des Klosters durchstöbert; sie suchen das Pferd des Abtes, das geflohen ist. Und ohne es gesehen zu haben, weiß William, wie es aussieht und wo es hingelaufen ist. Nachdem die Mönche der Anweisung Williams folgen, erklärt selbiger seinem Schüler, dass er die Spuren des Pferdes im Schnee gesehen hat, seine Größe anhand von abgeknickten Zweigen schätzen konnte und wusste, dass es braun ist, weil er braune Pferdehaare im Gebüsch gefunden hat. Diese Szene ist die andere, bereits erwähnte Reminiszenz an Sherlock Holmes, denn auf ähnliche Weise deduziert Holmes in dem Roman „Der Hund der Baskervilles“ anhand eines Spazierstocks mit Beißspuren Größe und Aussehen eines Hundes.

In der Abtei angekommen werden William und Adson willkommen geheißen, man weist ihnen eine Zelle zu und der Cellerar bringt ihnen Essen. Adson ist noch nicht ganz über die Deduktion seines Meisters hinweg und die beiden philosophieren über Pferde in existenziellen Sinn. Dieses Gespräch kommt einem vielleicht etwas merkwürdig vor, da sehr viel später aber ausgerechnet das Wort „Pferd“ bei der Lösung eines Rätsels eine Rolle spielt, hat Eco diese Diskussion sicherlich nicht unbeabsichtigt eingeworfen. Danach kommt der Abt hinzu und er und William sprechen über die Vergangenheit des Franziskaners als Inquisitor. Hier kommt heraus, dass William auch in dieser Tätigkeit seinem Verstand sehr vertraute, anstatt auf den Aberglauben anderer zu hören und er ein Urteil nur dann fällte, wenn er überzeugt war, dass es etwas zu richten gab. Der Abt hofft nun auf die Hilfe Williams, denn es gab einen Vorfall in der Abtei: ein Miniaturenmaler, Adelmus von Ortranto, wurde nach einem Sturm tot in der Schlucht unterhalb des Ostturms des Aedificiums gefunden, aber – wie William richtig deduziert – er lag unterhalb eines Fensters, das man verschlossen vorfand. Nun soll William herausfinden, was passiert ist. Da im Aedificium die Bibliothek untergebracht ist, hofft William, diese durch die Untersuchungen einmal sehen zu dürfen, was ihm der Abt allerdings verbietet. Niemand darf in die Bibliothek, außer dem Bibliothekar und seinem Gehilfen. Das Gespräch endet, als man den Schrei eines Schweines hört, das gerade geschlachtet wird.

Nach dem Gespräch machen sich William und Adson in die Kirche der Abtei auf, wo William seinen Ordensbruder Ubertin von Casale zu treffen hofft. Adson betrachtet das Kirchenportal, das Eco sehr ausgiebig beschreibt, da es sich hier um Motive aus der Offenbarung des Johannes handelt, ein Buch der Bibel, das noch eine tragende Rolle spielen wird. Adson wird aus seiner Kontemplation gerissen, denn ein Mönch hat sich ihm und William genähert, der von seiner Gestalt her zu all den Monstern aus der Apokalypse, die das Kirchenportal zieren, passen könnte und der ein Kauderwelsch aus vielen unterschiedlichen Sprachen spricht, das ungefähr so klingt:

Penitenziagite! Siehe, draco venturus est am Fressen anima tua! La mortz es super nos!

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 72

Es handelt sich um einen der Laienbrüder mit Namen Salvatore, doch dass er als Einstieg in seinen Monolog das Wort „Penitenziagite“ benutzt, lässt William sofort aufhorchen. Als Salvatore das bemerkt, zieht er sich schnell zurück. In der Kirche kommt es dann zur Begegnung zwischen William und Ubertin, was Adson veranlasst, über Ketzer zu schreiben, über Ordensbrüder und über die Lebensgeschichte des besagten Ubertin von Casale. Er und William reden weiter über Ketzer und dass zwischen ekstatischer Vision und sündhaften Rausch oft nur ein kleiner Schritt besteht. Dabei ist mir ein Teil des Gesprächs besonders ins Auge gefallen:

„(…) Aber ich habe gewisse Dinge erfahren, gewisse Dinge, William! Sie versammelten sich bei Nacht im Keller, nahmen ein neugeborenes Kind und warfen es sich einander zu, bis es an den Erschütterungen und Stößen – oder an anderem – starb, und wer es als Letzter lebend auffing, sodass es in seinen Händen starb, der wurde zum Oberhaupt ihrer Sekte … Und der Körper des Kindes wurde zerrissen, und die Teile wurden zerstampft und dem Mehl beigemischt, aus dem sie blasphemische Hostien buken!“
„Ubertin“, sagte Wam (sic) mit fester Stimme, „diese Dinge sind vor Jahrhunderten den armenischen Bischöfen nachgesagt worden, der Paulizianersekte und später den Bogomilen.“

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 93

Das erinnert sehr stark an spätere antisemitische Verschwörungsmythen oder in neuerer Zeit an die Räuberpistole von den Kindern, die man gefangen hält, damit man aus ihnen Adrenochrom gewinnen kann. Der Verschwörungsmythos ist also schon mehrere Jahrhunderte alt, aber man kann damit eben gut Emotionen aufbauen, wenn es um Kinder geht.

Im gleichen Gespräch finden wir auch eines der Wortspiele wieder, von denen es wohl einige in dem ganzen Buch gibt, die alle zu entschlüsseln sehr schwierig sein dürfte. William berichtet Ubertin, welche Brüder der franziskanischen Delegation angehören werden. William nennt ein paar Namen, unter anderem einen gewissen Hugo von Newcastle. Als Ubertin nicht sofort versteht, übersetzt William den Namen ins Latein: Hugo von Novocastrum, und wenn man aus dem „Schloss“ („castrum“) ein „Haus“ macht – also „neues Haus“ – und es ins Italienische übersetzt, dann hat man „Casanova“.

Nach diesem Gespräch folgt ein weiteres, und zwar mit Severin von St. Emmeram, dem Bruder Botanikus, der sich mit Heilpflanzen und Giften vorzüglich auskennt. William hegt den Verdacht, dass der tote Adelmus eventuell von Visionen geplagt gewesen sein könnte, die durch irgendwelche Kräuter ausgelöst wurden. Severin macht eine Anmerkung, dass Adelmus, der Übersetzer Venantius und der Bibliothekarsgehilfe Berengar ein gutes Verhältnis hatten.

Dann wird es Zeit, das Aedificium zu besichtigen. Das Erdgeschoss dieses Hauptgebäudes teilt sich ein in Küche und Speisesaal (Refektorium), eine Treppe führt hinauf zum Skriptorium, welches das ganze Geschoss einnimmt. Der Bibliothekar Malachias erlaubt es William, einen Blick in das Inhaltsverzeichnis, den Codex der Bibliothek zu werfen. Hierbei verwendet William seine Augengläser, die bei den anwesenden Kopisten Erstaunen hervorrufen. William stellt fest, dass die Angaben, wo die Bücher in der Bibliothek zu finden sind, verschlüsselt sind. Dann wird der Arbeitsplatz des verstorbenen Adelmus besichtigt, wo sich ein Werkstück befindet, eine Buchseite, die er gerade dabei war zu gestalten. Es stellt sich heraus, dass Adelmus ein Talent für lustige Bilder hatte, was allgemeines Gelächter hervorruft, welches von einem wütenden Jorge unterbrochen wird, der nicht will, dass man lacht. Im folgenden Gespräch kommt es zu verschiedenen Andeutungen, die weder William noch Adson zu deuten wissen. Zuletzt spricht Jorge über die Apokalypse, da es einen Adson von Montier-en-Der gab, der zur Jahrtausendwende von den sich erfüllenden Prophezeiungen sprach. Auf den Einwurf Williams, dass sich die Prophezeiungen, dass das Ende der Welt zum Jahr 1.000 käme, nicht erfüllt hätten, antwortet Jorge:

Die Wege des Antichrist sind langwierig und verschlungen. Er kommt, wenn wir ihn am wenigsten erwarten – und nicht, weil die Berechnungen falsch wären, die der Apostel uns nahelegt, sondern weil wir nicht gelernt haben, sie zu deuten. (…) Er ist schon im Kommen! Vergeudet nicht eure letzten Tage mit Lachen über die albernen kleinen Monster mit scheckigem Fell und gewundenen Schwänzen! Nutzet die letzten sieben Tage!

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 132

Der Tag neigt sich dem Ende zu und William und Adson lernen am Ende des Rundgangs durch die Abtei noch Nicolas von Morimond, den Glasermeister der Abtei, kennen. Er ist natürlich begeistert von Williams Augengläsern und möchte sie studieren, um sie nachzubauen. Die beiden reden davon, ob man Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung stellen soll oder nicht, dabei berichtet Nicolas davon, dass die Bibliothek des Klosters einen Schutzmechanismus hat, von dem einst ein Mönch, der sich hineingeschlichen hatte, fast wahnsinnig geworden wäre.

Kurz vor dem Abendessen bringt William Adson auf den neuesten Stand seiner Überlegungen: Beim Rundgang hat er bemerkt, dass es an einer Stelle unterhalb des Klosters einen Erdrutsch gegeben hat. Er deduziert, dass Adelmus wahrscheinlich an dieser Stelle von der Mauer gesprungen ist, worauf seine Leiche weiter nach unten gerutscht ist, bis sie unter dem Turm des Aedificiums zu liegen kam, wo man sie fand. William folgt dabei der Regel seines Namensvetters William von Ockham (zu dessen Lebenszeit die Geschichte spielt), die nach jenem auch „Ockhams Rasiermesser“ genannt wird und die besagt, dass man beim Versuch, einen Sachverhalt zu klären, sich lieber auf die Möglichkeit weniger Tatsachen stützt, als auf eine Hypothese, die zu viel Spekulation braucht, um zu passen. Trotzdem gibt es noch ein Geheimnis, denn nach wie vor lautet die Frage: Warum?

Bei Spätgottesdienst fällt den beiden auf, dass Malachias aus einer Seitenkapelle in die Kirche kommt. William deduziert, dass sich dort eine Art Geheimgang zur Bibliothek befinden muss. Aber im Moment hat er kein Interesse daran, heimlich in die Bibliothek einzudringen, da er ja weiß, dass Adelmus nicht dort aus dem Fenster gefallen ist. Anschließend begeben sich beide zur Ruhe und damit endet der erste Tag.

Begeben wir uns nunmehr an die Umsetzung der Geschichte und betrachten wir zuerst den Film: Die ganze Einführung mit dem Pferd des Abtes fehlt hier. William darf seinen Scharfsinn etwas später beweisen und zwar auf zwei Weisen: Zuerst eher humoristisch, als er sieht, wie Adson von einem Bein auf das andere tritt und erkennt, was den Novizen plagt:

Adson, um die Natur zu beherrschen, muss man erst lernen, ihr zu gehorchen.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Sodann beschreibt der Mönch einen Weg, wie man die Toiletten des Klosters findet. Auf Adsons Frage, woher er das wisse, da er doch noch nie her gewesen sei, lautet die Antwort:

Bei unserer Ankunft sah ich einen Bruder in großer Eile dorthin laufen. Aber zurück kam er wesentlich langsamer, auf seinem Gesicht einen Ausdruck von gewisser… Erleichterung.

Andrew Birkin et al., nach Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Constantin Film 1986

Die zweite Gelegenheit zeigt die eher ernste Seite von Williams Fähigkeit: Der Abt kommt in die Zelle und spricht ein paar Belanglosigkeiten, wobei sehr deutlich wird, dass ihn etwas belastet. Als William ihm scheinbar aus dem Nichts sein Beileid ausdrückt, weil sie doch erst vor kurzem einen Bruder verloren hätten, wird der Abt hellhörig. William hat durch das Fenster der Zelle das frische Grab gesehen, das von ein paar Krähen heimgesucht wird. Dann wird von Tod des Adelmus gesprochen, wobei die Informationen ziemlich genau dieselben sind wie im Roman. William trifft Ubertin von Casale, das Gespräch ist allerdings stark abgekürzt und dem Medium angepasst: Im Film heißt es „Show, don’t tell.“ Während Ubertin verächtlich über Adelmus spricht, der „etwas feminines“ an sich gehabt habe, die lüsternen Augen einer Frau, nimmt er Adson mit zur Statue der Heiligen Maria und streichelt sanft dessen Hinterkopf. Das ist das Zitat von William, dass es zwischen ekstatischer Vision und sündhaften Rausch nur ein kleiner Schritt sei, im Bild festgehalten.

Dass Adelmus gesprungen sein könnte, stellt William bei einer Ortsbegehung des fraglichen Abhangs fest, wobei er und Adson Zeuge werden, wie die Abtei Küchenabfälle durch eine Öffnung entsorgt und die Bewohner eines am Fuß des Klosters liegenden Dorfes sich um die Abfälle streiten.

Die Szene im Skriptorium findet sich ebenfalls wieder, allerdings auch stark gekürzt. Dazu kommt, dass sich Malachias wesentlich abweisender verhält als im Roman. Es gibt auch zuvor eine zusätzliche Szene, als William und Adson im Kloster ankommen: Der Abt, Malachias und Jorge sind zusammen in einem Raum. Der Abt fragt, ob man ihm (William) „es“ sagen soll, was Malachias strikt verneint und Jorge sich enthält. Hier ist also von vornherein mehr Konfrontation aufgebaut.

Der Bibliothekarsgehilfe Berengar hat im Gegensatz zum Roman im ganzen Film keinen richtigen Text, er bleibt entweder stumm oder kreischt, als ihn im Skriptorium eine Maus erschreckt. Als er deswegen auf einen Stuhl springt, löst das Gelächter aus, was wiederum Jorges Auftritt provoziert. Lediglich bei einer der Messen hören wir ihn singen und merken erneut, dass er eine sehr hohe Stimme hat, außerdem laufen ihm Tränen aus den Augen.

Beim Abendessen dankt der Abt Bruder William bereits für die Aufklärung des sonderbaren Unglücks. Im Film bleibt also das Motiv für Adelmus‘ Suizid zweitrangig. Das ist etwas inkonsequent, denn wenn der Abt nach Williams Deduktion ebenfalls der Ansicht ist, Adelmus habe Suizid begangen, wären die Mönche verpflichtet, seinen Leichnam zu exhumieren und ihn außerhalb des „Gottesackers“ zu bestatten.

Die Serie folgt dem Roman etwas exakter, die Szene mit dem entlaufenen Pferd findet sich genauso wie das längere Gespräch zwischen William und dem Abt. Im Gegensatz zum Film will der Abt hier wie im Roman direkt, dass William sich an die Aufklärung des Verbrechens macht. Allerdings hat Adelmus nicht vor ein paar Tagen den Tod gefunden, sondern sein zerschmetterter Körper wird in die Abtei gebracht, als William und Adson eintreffen. An der Stelle, wo William im Roman mit Ubertin spricht, ist entsprechend die Totenmesse für Adelmus getreten, Adson betrachtet hier bereits das Portal, allerdings ohne William und ohne dass Salvatore auftritt. Dass Adelmus in den Tod gesprungen ist, deduziert William wie im Film, indem er und Adson auf dem Abhang unterhalb der Abtei herumklettern. Anschließend folgt die Szene im Skriptorium, die sich etwas exakter ans Buch hält, aber auch eingekürzt ist. Erst jetzt folgt die Szene, bei der Adson am Kirchenportal auf Salvatore trifft. Nach dem Abendessen kommt es zu einem Gespräch zwischen William und Adson, in dem die politische Dimension des Disputs beleuchtet wird. Damit endet hier der erste Tag. Das Gespräch mit dem Glasermeister Nicolas findet an einem anderen Tag statt. Und dass die beiden Malachias beobachten, wie er durch einen geheimen Gang von der Bibliothek in die Kirche kommt, sehen wir hier gar nicht.

Zum Abschluss dieser schon viel zu langen Abhandlung reden wir über die Darsteller der anderen Rollen. Erst einmal: Im Roman sind die Namen der Beteiligten zumeist lateinisiert, also Adelmus statt Adelmo oder Remigius statt Remigio. Sowohl im Film als auch in der Serie werden einige Namen in der italienischen Variante verwendet, im Film wird selbst der Name Bernard Gui, der ja französisch ist, als „Bernado Gui“ wiedergegeben. Ich werde mich hier allerdings an das Buch halten und es bei den lateinisierten Namen belassen.

In der Filmproduktion hat man außerdem großen Wert darauf gelegt, dass die Darsteller der Zeit angepasst möglichst realistisch erscheinen. Wie Regisseur Jean-Jacques Annaud in einem Interview meint:

Den Maskenbildnern habe ich als Grundsatz empfohlen, bei diesem Film genau anders herum zu verfahren, als sie es sonst gewohnt sind: Statt die Hässlichkeiten und Unebenheiten eines Gesichtes zu überschminken, sollten sie diese Partien betonen und sogar noch verstärken. Das alles hat seinen Grund nun nicht etwa darin, dass ich ein Exotenkabinett von der Kamera haben wollte, sondern dass die Gesundheitspflege im Mittelalter äußerst problematisch war: Krankheiten konnten nur selten kuriert werden, und wer sie überlebte, behielt in jedem Falle körperliche Spuren davon zurück. Deswegen mussten sämtliche Schauspieler auch ihre Gebisse und falschen Zähne entfernen

Jean-Jacques Annaud 1986

Diesen Ehrgeiz merkt man dem Film direkt an. Das Mittelalter des Films wirkt greifbar und dreckig. In der Serie steckt ebenfalls sehr viel Mühe, aber es bleibt etwas zu sauber. Sehr deutlich merkt man das meiner Ansicht nach bei „dem“ Mädchen, worüber noch zu reden sein wird.

A propros „reden“, reden wir über die weiteren Figuren und ihre Besetzung und beginnen wir mit Ubertin von Casale: Hierbei handelt es sich um eine real existierende Figur. Er lebte zur Handlungszeit des Romans und hat einige papstkritische Schriften verfasst. Im Film wird er dargestellt von William Hickey und passt sehr genau auf die Beschreibung und wie er sich gibt. Für die Serie gibt es hier nichts zu sagen – Ubertin kommt nicht vor. Er ist komplett aus der Handlung entfernt worden.

Remigius von Varagine ist der erste Mönch der Abtei, dem William und Adson begegnen. Im Film wird er dargestellt von dem Charakterschauspieler Helmut Qualtinger, der die Romanfigur sehr gut wiedergibt. Remigius frönt den Genüssen und das sieht man. Der Schauspieler in der Serie ist Fabrizio Bentivoglio, der für den Bonvivant Remigius etwas arg eingefallen ist. Allerdings hängt das auch damit zusammen, dass Remigius in der Serie einen etwas anderen Handlungsbogen mitmacht, als im Film. Dort hat der Cellerar es sich gemütlich gemacht auf seinem Posten, in der Serie wird er von seinem Gewissen geplagt.

Was Salvatore betrifft, so hatte es Stefano Fresi in der Serie in meinen Augen sowieso schwerer, gegen Ron Perlman aus dem Film zu bestehen. Allein das Aussehen macht schon sehr viel, und das völlig überdrehte Schauspiel des Amerikaners tut sein übriges dazu. Außerdem passt die Maske, die man Perlman verpasst hat, besser zur Beschreibung im Roman. Hinzu kommt, dass man auch bei dieser Figur in der Serie den Handlungsbogen stark verändert hat. Interessanterweise wurde Perlman in der deutschen Fassung nicht synchronisiert. Wie erwähnt spricht Salvatore eine Mischung aus vielen verschiedenen Sprachen; damit man ihn verstehen kann, muss sein Text aber mit genug Idiomen einer für die Hörerin oder den Hörer verständlichen Sprache durchsetzt sein. Da Perlman natürlich die englischlastige Version von Salvatore sprach, kann ihn auch ein deutsches Publikum verstehen. Stefano Fresi sprach die italienischlastige Version und musste daher synchronisiert werden.

Nun habe ich zweimal zu Ungunsten der Serie gesprochen, hier kommt etwas positives: Der Abt, der übrigens auch einen Namen hat, nämlich Abbo von Fossanova, der aber weder in der Serie noch im Film erwähnt wird. Hier passt Michael Emerson aus der Serie sehr viel besser zum Romanvorbild, als Michael Lonsdale im Film. Der Abt ist in der Geschichte nur scheinbarer Herr über die Abtei und weiß das – und diese Unsicherheit kann Emerson sehr deutlich darstellen. Lonsdale ist viel zu sehr Herr der Lage, in einer Szene erinnert er mich sogar sehr stark an den überheblichen Gestus einer anderen Rolle, die er gespielt hat, nämlich die des Bösewichts Hugo Drax aus dem James-Bond-Film „Moonraker“.

Was Berengar von Arundel betrifft, so ist mir nicht ganz klar, warum für den Film Michael Habeck gecastet wurde. Er kann sein schauspielerisches Talent kaum ausnutzen, da die Figur, wie erwähnt, meistens stumm bleibt und auch sonst nicht viel zu tun hat. Ob es an seinem ungewöhnlichen Aussehen lag, das durch eine fast weiße Schminke noch verstärkt wurde? Aus den Produktionsnotizen kann ich nur nachvollziehen, dass er außerdem noch sämtliche Körperhaare abrasieren musste. Wenn man in eine böse Richtung denkt, war das vielleicht das Klischee, das die Produzenten im Kopf hatten angesichts von Berengars Homosexualität. Die Vorlage im Roman gibt nicht sehr viel her, denn im Vorwort schon schreibt Adson, dass er sich nicht mit der Beschreibung des Aussehens jeder Person, die in der Geschichte vorkommt aufhalten wird. So beschränkt sich die Beschreibung Berengars auf einen Satz:

Ein junger Mönch mit bleichen Gesicht, bei dessen Anblick mir unwillkürlich in den Sinn kam, was Ubertin von dem toten Adelmus gesagt hatte: Seine Augen glichen den Augen eines lüsternen Weibes.

Umberto Eco: „Der Name der Rose“, Carl Hanser Verlag 2022, Seite 130

Maurizio Lombardi stellt Berengar in der Serie anders dar und es wird auch nicht so viel auf ein extrem außergewöhnliches Äußeres geachtet. Allerdings muss ich zu meiner Schande zugeben, dass ich beim ersten Anblick dieses Schauspieler spontan an Jim Parsons denken musste, der in der Serie „Big Bang Theory“ Doktor Sheldon Cooper spielt. Vielleicht geht es ja nicht nur mir so.

Malachias von Hildesheim, der Bibliothekar, ist wiederum im Film mit Volker Prechtel besser getroffen, auch wenn die aggressive Grundstimmung, die dort herrscht, nicht so ganz zur Vorlage passt. Richard Sammel in der Serie hingegen passt besser in die Stimmung der Vorlage.

Was Jorge von Burgos betrifft, so kann ich mich nicht entscheiden, sowohl Fjodor Schaljapin im Film als auch James Cosmo in der Serie geben eine wunderbare Darstellung des blinden Mönches wieder, der das Lachen verachtet und für ein Werkzeug des Teufels hält. Ebenfalls nicht entscheiden kann ich mich, was die Darsteller von Severin von St. Emmeram betrifft, Elya Baskin im Film und Piotr Adamczyk in der Serie. Im Film wird Severin auch eher humoristisch dargestellt, etwa wenn er freudig grinst, als es heißt, man müsse sich um eine Leiche kümmern. Adamczyk ist ernsthafter und ernsthaft daran interessiert, zu forschen.

Last but not least der Glasermeister Nicolas von Morimond, eine Rolle, die im Film nicht vorkommt. Hier hat man den ganzen Handlungsstrang um die Faszination dieses Mönchs für Williams Augengläser und sein Versuch, diese zu reproduzieren, komplett ausgelassen. In der Serie wird er von Fausto Maria Sciarappa dargestellt und passt zu seinem Romanvorbild.

Damit sind wir am Ende von Tag 1 angekommen. Es ist ein langer Text geworden, mal sehen, ob die zukünftigen kürzer werden, da es nicht mehr soviel um Details wie Darsteller und dergleichen gehen wird. Ich werde mich jetzt, wie weiland Adson, in meinen loculus zurückziehen und ruhen, damit ich mich mit neuer Energie an weitere Kapitel machen kann.


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Der Name der Rose – Durch das Ocularium betrachtet: Buch – Film – Serie | Prolog


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Transkript

Im Vorwort des Buches „Der Name der Rose“ erzählt Umberto Eco die fiktive Geschichte, wie er die Aufzeichnungen eines Mönches gefunden hat, die die Grundlage für die Geschichte bildeten, doch in der Tat weißt das Buch noch ein zweites Vorwort auf, einen Prolog. Dieser Prolog gibt bereits die Worte des Ich-Erzählers wieder und führt direkt in die eigentliche Handlung. Eco nutzt diese zweite Einführung, um eine große Klammer um die Geschichte zu setzen, der Erzähler beschreibt, dass er in seiner Jugend als Novize Zeuge unglaublicher Ereignisse wurde, er gibt einen Abriss der Lage wieder, in der sich die bekannte Welt zum damaligen Zeitpunkt befand und macht einen kleinen Vorgriff auf bestimmte Handlungselemente, bleibt allerdings so vage, dass es gerade gereicht, die Neugier von Leserin und Leser zu wecken. Dann folgt das erste Kapitel, womit wirklich in die Geschichte eingestiegen wird.

In dieser Reihe, in der ich durch das Ocularium auf die Geschichte blicken möchte, will ich den Prolog dazu nutzen, eine kurze Abhandlung und Kritik über den Roman, den zugehörigen Film und die Serie zu schreiben. Ich werde es dabei vermeiden, zu viele Handlungselemente, Überraschungen oder gar Lösungen zu verraten. Soll heißen: Wer Buch, Film und / oder Serie noch nicht kennt, kann dieser Abhandlung unbeschwert folgen und wenn er oder sie möchte, sich von mir beraten lassen. Ich werde meine persönliche Meinung wiedergeben. Ab dem nächsten Kapitel werde ich dann die Handlung genauer auseinander nehmen und davon berichten, welche Handlungsteile auf welche Weise vom Roman in den Film und in die Serie übernommen wurden. Dabei wird es selbstverständlich dazu kommen, dass ich alle Handlungselemente offenlege. Wer sich also am Ende des Prologs gerne Roman, Film oder Serie selbst zu Gemüte führen möchte, möge dies tun, bevor er oder sie die nächste Folge konsumiert. Vor allen Dingen in den späteren Folgen werde ich über die Ermittlungsarbeit der Protagonisten der Serie berichten und was diese ergibt. Zwar lohnt sich eine Lektüre des Romans meiner Meinung nach auch, wenn man die Handlung schon kennt, aber es gibt nun mal Menschen, die sich lieber überraschen lassen wollen.

Fangen wir nun an mit der Handlung von „Der Name der Rose“: Das Jahr ist 1327. Der Papst residiert zu dieser Zeit in Avignon und möchte seine Macht auf weltliche Herren ausbauen, während ebendiese weltlichen Herren sich ihre Macht nicht beschneiden lassen wollen. In diesen Disput wird der Mönchsorden der Franziskaner hineingezogen, die ein Armutsgelübde abgelegt haben und denen das Anhäufen von Reichtümern und das Auspressen armer Bauern durch die offizielle Kirche zuwider ist. In einer Benediktinerabtei im Norden Italiens soll nun ein Konvent stattfinden, eine Delegation der Franziskaner soll sich mit Abgesandten des Papstes treffen, um eine wichtige Frage zu klären: Hatte Jesus einen Geldbeutel? Diese Frage verdeckt allerdings nur einen tieferen Konflikt, für den sie als Stellvertreter steht, denn die wahre Frage ist: War Jesus arm – und soll deswegen auch die Kirche arm sein?

Auf dem Weg zu dieser Abtei, wo das Treffen stattfinden soll, ist unter anderem der englische Franziskanermönch William von Baskerville, begleitet von seinem Novizen und Adlatus Adson von Melk. Sie treffen auch als erstes ein, was von William durchaus nicht unbeabsichtigt ist, da er von der unglaublichen Bibliothek gehört hat, die dieses Kloster beherbergt, die er nur zu gerne gesehen hätte. Doch die Zeit scheint ungünstig zu sein, um in jener Abtei ein Treffen von solch politischen Dimensionen abzuhalten, den etwas Unheimliches ist geschehen: Nach einem schweren Sturm fanden die Mönche einen der ihren tot und zerschmettert außerhalb der Mauern. Er lag unterhalb des großen Turms, der das Aedificium – das Hauptgebäude – und die Bibliothek beherbergt. Das Unheimliche daran: Der Leichnam lag unterhalb eines Fensters, das man nicht öffnen kann. William von Baskerville, der für seinen scharfen Verstand bekannt ist und zuvor als Inquisitor gearbeitet hat, wird vom Abt beauftragt, Licht in die merkwürdige Sache zu bringen. Dabei muss William enttäuscht erfahren, dass es niemandem erlaubt ist, die Bibliothek direkt zu betreten. Dennoch gelingt es ihm durch Deduktion herauszufinden, wo der unselige Mönch wirklich von den Mauern stürzte, was allerdings immer noch ein Rätsel offen lässt: Sprang er freiwillig in den Tod – und wenn ja, warum? – oder wurde er gestoßen – und wenn ja, warum? Bevor William sich um diese Fragen kümmern kann, nehmen die Ereignisse an Fahrt auf: Ein zweiter Mönch wird tot in einem Bottich voll Schweineblut gefunden, ein dritter liegt kurz darauf tot im Badehaus. Aufgrund der besonderen Situationen, in denen die Leichen gefunden wurden – nach einem Sturm mit Eisregen, in Blut und in Wasser – ziehen ein paar Mönche Parallelen zu den Beschreibungen von den letzten sieben Tagen in der Apokalypse, in denen die sieben himmlischen Posaunen zu ähnlich gearteten Naturkatastrophen führen und vermuten, die Endzeit sei gekommen – oder zumindest aber der Teufel treibe sein Unwesen in der Abtei. William forscht jedem neuen Todesfall hinterher und kommt auf eine Gemeinsamkeit: die beiden Mönche, die nach dem Bruder, der in die Tiefe stürzte, ihr Ende fanden, starben an Gift, das eine geschwärzte Zunge und geschwärzte Fingerkuppen hinterlässt. Aufgrund von gefunden Aufzeichnungen der beiden stellt sich langsam heraus, dass die Tode mit einem Buch in Zusammenhang stehen, das heimlich aus der Bibliothek geholt wurde und das für so gefährlich gehalten wird, dass jemand dafür tötet.

Bei einer nächtlichen Spurensuche trifft Adson auf ein Mädchen, das von einem Mönch in das Kloster geschmuggelt wurde und mit der er eine Nacht auf eine Weise verbringt, die seinem Zölibatsgelübde widerspricht. Die Ereignisse überschlagen sich, als die päpstliche Delegation und mit ihr der Inquisitor Bernard Gui eintreffen. Gui wird von den Geschichtsbüchern als „effektiv“ beschrieben, was heißen soll, er war „effektiv“ beim Beschaffen von Geständnissen durch die Folter. Auch ihm bleiben die komischen Dinge, die sich des Nächtens in der Abtei abspielen, nicht verborgen. Seine Wachen fangen zwei Mönche und das Mädchen und Gui ist willens, seine Art der Wahrheit in Erfahrung zu bringen, um dann zu richten. Währenddessen möchte William immer noch den wahren Täter finden. Doch dazu müssen er und Adson einen Weg durch die Bibliothek finden, und diese wurde als Labyrinth konzipiert, damit Fremde sich verirren. Genauso verwirrend wie die Bibliothek ist auch die Serie von Mordfällen selbst…

Der Roman

Umberto Eco schrieb die Geschichte um William, Adson und die Morde im Kloster in den 1970er Jahren, 1980 erschien das Buch erstmals in Ecos Muttersprache Italienisch. Wenn man die Kritiken betrachtet, so wird dem Autor gerne mal vorgehalten, dass er sich mit langschweifigen Erklärungen aufhält, ja, es wird sogar ein Vergleich zum Stil von J.R.R. Tolkien und „Der Herr der Ringe“ gezogen. Tatsächlich hat die Geschichte in der Hinsicht ein paar Eigenheiten, während aber Tolkien sich in seinem Werk mit Landschaftsbeschreibungen aufhielt, sind es bei Eco zumeist historisch-philosophische Einordnungen oder aber Gespräche, in denen zwei Ansichten miteinander verglichen werden. Gehalten ist das ganze in einem Sprachduktus, der dem 14. Jahrhundert angemessen scheint. Während alles das die Geschichte für manche langatmig macht, hat sie für mich dadurch einen besonderen Reiz und stellt eine besondere Atmosphäre her. Was allerdings gewöhnungsbedürftig ist, sind die vielen lateinischen Satzteile, die in den Text eingelassen sind. Diese werden nicht, wie das etwa in den Asterix-Comics üblich ist, an Ort und Stelle mit einer Fußnote erklärt, sondern dazu muss man ans Ende des Buches, in den Anhang blättern. Hier findet man unter der entsprechenden Seitenzahl die jeweilige Übersetzung. Auch gibt es dort ein kleines Glossar, wo die weniger geläufigen Begriffe erklärt werden.

Die Figur des William von Baskerville ist hier etwas aus der Zeit gefallen, aber Eco wollte keinen historisch akkuraten Roman schreiben, sondern mit der Geschichte etwas ganz anderes transportieren. William ist ein kritischer, aufgeklärter Geist, der sich nicht mit den einfachen Erklärungen von anderen – das Böse ist am Werk, der Teufel hat dies oder jenes getan – zufrieden gibt. Er ist dabei Sherlock Holmes nicht nur nicht unähnlich, Holmes war die direkte Inspirationsquelle für William. Der dogmatische Fanatismus, dem nicht nur die anderen Mönche, sondern auch der Inquisitor Bernard Gui anhängen, führt letztlich zur Katastrophe.

Gleichzeitig gibt Eco auch noch ein Sittenbild wieder, etwa wenn Mönche, die ja das Zölibat einhalten müssen, die Armut der Bevölkerung ausnutzen, um sich mit Lebensmitteln Liebesdienste zu erkaufen oder wenn Mönche sich auf eine Weise, die – wie es ein Bruder im Roman ausdrückt – „wider die Natur“ ist, zueinander hingezogen fühlen.

Alle diese sehr klugen Betrachtungen werden getragen von einer Krimihandlung, in der der wache Verstand des William von Baskerville nur so blinkt und blitzt. Das Ende mag manchen ratlos zurücklassen – keine Sorge, der Fall wird aufgeklärt, es passieren aber noch ein paar Dinge -, aber auf diese Weise passt die Geschichte in die Zeit und rundet das ganze ab.

Wer also keine Angst vor Büchern mit langen Passagen hat und sich auf diese Weise gerne in eine fremde Welt hineinziehen lässt, die gar nicht so fremd ist, wie sie scheint, und der noch dazu Krimis mag, der ist bei Ecos Meisterwerk gut aufgehoben. Es spricht auch für sich, dass nach dem Erscheinen von „Der Name der Rose“ das Genre des Mönchs als Detektiv auflebte und wir ein paar Epigonen bekamen, die in den Spuren des scharfsinnigen Franziskanermönches wandelten.

Vom Inhalt des Buches zum Buch selbst: In der letzten Folge erwähnte ich es, dass es eine neue, bibliophile Ausgabe des Werks gibt. Die alte Fassung, die ich besitze, ist ein Nachdruck des Deutschen Bücherbundes, tatsächlich aber aus dem Jahr 1982. Es ist ein typischer Hardcover mit Schutzumschlag, der eine Besonderheit hat, die – soweit ich gelesen habe – nur diese deutsche Ausgabe hat: Dem Buch ist eine Art Lesezeichen beigefügt, auf dem ein „Dramatis Personae“, also eine Liste aller in der Geschichte vorkommenden Figuren mit einer kurzen Erklärung, abgedruckt wurde. Das Buch hat aber nicht nur Seltenheitswert, sondern für mich auch einen sentimentalen, denn meine Mutter hat es damals gekauft. Es ist ziemlich abgegriffen, man sieht ihm seine Jahre an. Ich werde es nun aber im Regal belassen, dass es erhalten bleibt. Zum Lesen, auch für diese ausführliche Rezension, werde ich die neue Ausgabe verwenden. Was den Inhalt betrifft, so hat an beiden Ausgaben der gleiche Übersetzter gearbeitet, Burkhardt Kroeber. Für die Neuauflage hat er den Text nochmals durchgesehen und Korrekturen vorgenommen. Es handelt sich ebenfalls um ein Hardcover, allerdings ohne Schutzumschlag. Der Titel ist in goldenen Lettern in Vorderseite und Buchrücken geprägt, die komplett schwarz gehalten sind. Außerdem sieht man in grau Adsons Zeichnung vom Labyrinth in der Bibliothek. Es wirkt sehr edel, auch wenn man es aufschlägt. Es ist auf feinem Papier gedruckt und wirkt daher ein wenig wie eine Bibel, was angesichts des Inhalts auch angemessen scheint. Das Lesezeichen mit dem „Dramatis Personae“ liegt nicht mehr bei, dafür hat das Buch das für ein Hardcover übliche Lesebändchen. Die Aufmachung ist gleich geblieben, auf der Innenseite des Umschlags befindet sich ein Grundriss der Abtei und nach der Titelei geht es direkt mit dem Vorwort „Natürlich, eine alte Handschrift“ weiter. Direkt davor befindet sich allerdings noch eine Seite, wo nun das „Dramatis Personae“ seinen Platz gefunden hat. Nach dem Haupttext folgt der Anhang, dieser wird allerdings von einem kleinen Aufsatz mit dem Thema „Über die Lächerlichkeit und ihre Grenzen – Einige Gedanken zur Angst des Jorge von Burgos“ eingeleitet. Geschrieben wurde es von Philip Blom. Im Anschluss finden sich noch ein paar Skizzen von Umberto Eco persönlich, unter anderem ursprüngliche Entwürfe des Labyrinths und Zeichnungen von den einzelnen Personen selbst. Danach geht es weiter wie in der ursprünglichen Auflage: Es folgen die Übersetzungen der wichtigsten lateinischen Passagen des Textes, ein Glossar und schließlich ein Inhaltsverzeichnis. Diese Ausgabe wird also nun die Grundlage für meine Rezension sein.

Eines muss ich noch hinzufügen: Ich habe die elektronische Ausgabe selbst nicht gesehen, aber einige Kritiken gelesen, in denen es hieß, die eBook-Variante sei sehr umständlich zu benutzen. Es ist wohl so, dass man im Haupttext die lateinischen Zitate nicht direkt anklicken kann, um zur entsprechenden Übersetzung zu kommen, sondern man muss jedes Mal händisch den Anhang aufrufen und die passende Stelle heraussuchen. Das goutiert nicht jeder der Leser, im Gegenteil, von den meisten wird es als lästig empfunden. Ich kann dazu nichts sagen.

Der Film

Der gleichnamige Film kam 1986 heraus. Produziert wurde er von Bernd Eichinger, Regie führte Jean-Jacques Annaud. Die Aufgabe, Ecos Buch in einen Film umzusetzen, übernahmen die Autoren Andrew Birkin, Gèrard Brach, Howard Franklin und Alain Goddard. Natürlich fiel dabei einiges weg, aber die weitschweifigen Erklärungen, die ich zuvor erwähnte, spiegelten sich in den großartigen Bauten wieder, die für den Film hergestellt wurden. Dem Bühnenbauer Dante Ferretti gelang es sogar, das Labyrinth und seine Art, die Sinne zu verwirren, für den Film umzusetzen, indem er nicht ein Gewirr von Räumen erschuf, sondern ein Gewirr von Treppen. Markante Zitate wurden tatsächlich verbetum – wortwörtlich – dem Roman entnommen, auch wenn sie manchmal an anderer Stelle gesagt werden. Allerdings wurden auch zwei Elemente hinzugefügt, die dem Roman etwas widersprechen, die aber für mehr Spannung sorgen sollen: Zum einen wurde die Feindschaft zwischen William und Bernard Gui vertieft, was so weit geht, dass Gui William vorwirft, selbst für die Morde verantwortlich zu sein. Das zweite Element, das ich hier etwas im Dunkeln lassen möchte, sorgt am Schluss für Zeitdruck, wie er sich in anderen Filmen immer im Countdown einer tickenden Uhr widerspiegelt. Das mag angemessen sein, denn mit Sean Connery wird William von Baskerville von dem Schauspieler dargestellt, der einst James Bond für die Kinoleinwand zum Leben erweckte, und der Agent mit der Lizenz zum Töten hatte es am Ende seiner Filme ja gerne mal mit einem laufenden Countdown zu tun. Allerdings gelingt es Eco im Roman, die Spannung auch ohne dieses Element aufrecht zu erhalten.

Aber reden wir von den Schauspielern: Sean Connery als William habe ich bereits erwähnt und er spielt den Mönch mit all seinem Manierismen sehr gut. Christian Slater als Adson – in einer seiner ersten großen Rollen – passt ebenfalls. F. Murray Abraham als Bernard Gui dreht etwas mehr auf, als es das Romanvorbild tut, wo sich der Konflikt zwischen ihm und William mehr auf einer intellektuellen Ebene abspielt. Zudem ist das Schicksal, das Gui im Film ereilt, völlig aus der Luft gegriffen: Es kommt im Roman nicht vor, da Gui eine reale, geschichtliche Person war. Tatsächlich kann man hier einen Vergleich ziehen zu einer anderen historischen Figur, die Abraham gespielt hat und die ebenfalls eine kleine „Falschzeichnung“ durch einen Film erfahren hat: Antonio Salieri, der Widersacher von Mozart, über den in dem Film „Amadeus“ angedeutet wird, er sei von Neid erfüllt gewesen und irgendwie Schuld am Tod des österreichischen Komponisten.

Michael Lonsdale als Abt ist etwas würdevoller als sein Romanvorbild, da jener zwar Abt ist, in seiner eigenen Abtei aber nicht wirklich das Regiment führt, vor allem nicht, was die Bibliothek betrifft. Unter den anderen Schauspielern sticht vor allem Ron Perlman als Salvatore hervor, der ein Mischmasch aus Sprachen spricht und als ehemaliger Ketzer ein paar Rituale kennt, die er lieber nicht kennen sollte. Was die anderen Figuren betrifft, so befinden sich darunter ein paar deutsche Schauspieler, die ein Mensch aus Deutschland in den 1980er Jahren sehr gut hätte wiedererkennen müssen: Helmut Qualtinger als Cellerar Remigius von Varagine, Michael Habeck als Berengar von Arundel und unter den so genannten „sonstigen Mönchen“ findet sich Ludger Pistor wieder, dessen Filmkarriere damals gerade begann.

Die beste Umschreibung, wie der Film „Der Name der Rose“ zu seinem Romanvorbild steht, gibt der Film im Vorspann selbst: Dort wird er als „ein Palimpsest von Umberto Ecos Roman“ bezeichnet. Ein Palimpsest ist ein Stück Pergamentpapier, das wiederverwertet wurde. Da Papier in diesen Zeiten sehr teuer war, warf man nicht mehr gebrauchte Pergamente nicht einfach weg. Stattdessen wurde mit einer scharfen Klinge die oberste Schicht abgekratzt, wodurch der dort geschriebene Text verschwand. Sodann wurde das Pergament neu beschrieben. Da die Tinte allerdings manchmal etwas tiefer in das Papier eindrang, konnte man auf dem Palimpsest den ursprünglichen Text noch durchschimmern sehen. Diese Beschreibung passt sehr gut, Ecos Text schimmert beim Film durch, gleichzeitig wurde aus dem ganzen auch etwas neues, eigenes gemacht. Der Autor hat den Film als eigenständiges, akzeptables Abbild seines Werkes bezeichnet. Mir persönlich hat der Schluss etwas zu viel. Ich verstehe, dass man das Finale einer solchen Geschichte im Film etwas „aufhübschen“ muss, aber weniger wäre hier mehr gewesen. Nichtsdestotrotz kann ich den Film empfehlen und als ich vor einigen Tagen jenen Migräneanfall hatte, der sich langsam wieder gebessert hatte, wollte ich ihn auch unbedingt sehen.

Die Serie

Die Serie wurde 2017 in Auftrag gegeben, so dass sie rechtzeitig vor dem 40jährigen Jubiläum des Buches fertiggestellt sein würde. Es sind insgesamt acht Folgen, von denen jede ungefähr 50 Minuten lang ist. Entsprechend wurde mehr vom Inhalt des Buches umgesetzt, allerdings auch zum Teil drastische Änderungen und Hinzufügungen gemacht. Adson von Melk bekommt einen Hintergrund, der dem Buch zum Teil widerspricht und der Ketzerführer Fra Dolcino, der im Buch erwähnt wird und dem vor einiger Zeit einige Mönche der Abtei folgten, bekommt eine größere Rolle. Außerdem wird Anna, die Tochter Dolcinos, eingefügt, die sich an Gui für den Tod ihrer Eltern rächen will. Anna ist eine Erfindung für die Serie, aber dass Bernard Gui den Tod von Fra Dolcino und seiner Gefährtin befohlen hat, entspricht den historischen Tatsachen. Die Rolle des Mädchens wird ausgebaut, so dass Adson ihr nicht zufällig in der Klosterküche, sondern schon vorher begegnet und sie kennenlernt. Der Konflikt zwischen William und Gui wird ebenfalls vertieft, allerdings werden ein paar Mal Spannungen aufgebracht, die plötzlich wieder verschwinden und nirgendwo hinführen. Und auch das Ende bekommt wieder eine „tickende Uhr“, die allerdings etwas anders gestaltet ist als im Film. Des weiteren wird die Art, wie William und Adson sich kennenlernen und wie sie schließlich auseinander gehen völlig anders dargestellt als im Buch und ich komme nicht dahinter, was sich die Autoren dabei gedacht haben.

Wo wir gerade von den Autoren sprechen, die Serie wurde geschrieben von Giacomo Battiato, Andrea Porporati, Nigel Williams und John Turturro. Turturro spielt ebenfalls die Hauptrolle, des weiteren sehen wir Damian Hardung als Adson von Melk und Rupert Everett als Bernard Gui. Letzterer dreht nicht ganz so auf wie F. Murray Abraham, sondern spielt die Rolle eher permanent wütend, was sich in einem ständig griesgrämig dreinblickenden Gesicht zeigt.

Die Ausstattung ist sehr gelungen, vor allem die Bilder des Vorspanns stimmen den Zuschauer gut auf die Serie ein, trotzdem kann ich sie nicht uneingeschränkt empfehlen. Ich sehe hinter vielen Änderungen die Idee, die mit reingeflossen ist, aber zu viele der Änderungen haben der Geschichte meinem Eindruck nach nicht gut getan. Beispielsweise wird ein Subplot mit eingebaut, in dem es darum geht, dass der Papst einen Spion in der Abtei hat, mit dem er per Brieftaube kommuniziert, aber auf eine Weise, wie das mit Brieftauben nicht möglich ist.

Ich bin gespalten, was die Serie betrifft. Auf der einen Seite ist es schön, dass die Autoren sich tatsächlich die zur Verfügung stehende Zeit nehmen, um Szenen so zu inszenieren, wie sie für das Buch geschrieben wurden. Die ganze Geschichte hat damit gegenüber dem Film den Vorteil, sich entfalten zu können. Aber die Hinzufügungen und teils drastischen Änderungen passen nicht alle in das Konzept. Vor allem die Figur der Anna wirkt in meinem Augen Fehl am Platz, als hätte sich eine Figur aus einer Fantasygeschichte in ein Historiendrama verirrt. Und das ist schade. Vielleicht wird mein Urteil noch etwas milder, wenn ich mir die Geschichte nochmals ansehe, jetzt, da ich mich anschicke, den Plot unter die Lupe zu nehmen und direkt zu vergleichen, was vor uns liegt.

Andere Medien

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch zwei weitere Medien erwähnen, auch wenn ich über diese nicht allzu viel sagen kann. Es gibt nämlich noch ein Hörbuch und ein Hörspiel. Das Hörbuch wird von Gert Heidenreich gesprochen und nimmt sich den kompletten Text vor, was dazu führt, dass es im Gesamten 26 Stunden lang ist. Ich habe nur Ausschnitte daraus gehört, aber Heidenreich macht seine Sache gut und wer eher ein Freund von Hörbüchern ist, dem wird das vielleicht gefallen.

Das Hörspiel entstand seinerzeit aus einer Koproduktion von Bayerischem Rundfunk, Südwestrundfunk (damals noch Südwestfunk) und dem Norddeutschen Rundfunk in der Folge des Films. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein „offizielles Hörspiel“ zum Film, es ist eine komplette Eigenproduktion mit anderen Sprechern, unter anderem Pinkas Braun als William und Christian Schulz als Adson. Es ist entsprechend aufbereitet, mit passender Musik und Geräuscheffekten. Die Geschichte wurde etwas verkürzt, denn das Hörspiel ist „nur“ fünfeinhalb Stunden lang. Es beinhaltet also auch mehr als der Film zeigt. Auch hier kenne ich nur Ausschnitte, aber das ganze wirkt auf mich sehr stimmig.

Damit sei für den Moment erstmal alles gesagt und deswegen nochmal die Warnung: Ab der nächsten Folge schauen wir uns die Handlung an und wenn es dazu kommt, werden auch Überraschungen und wichtige Ereignisse wiedergegeben und analysiert. Wer die Geschichte selbst erleben will, der lese den Roman, schaue den Film oder im Zweifel auch die Serie vor der nächsten Folge.

Das Spiel beginnt, die Bühne frei!


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